Verwendungseigenschaften von Fachsprachen: Exaktheit, Vagheit und Explizitheit im Fachsprachengebrauch

Probleme, Abgrenzungen, Beispiele


Hausarbeit (Hauptseminar), 2012

24 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Exaktheit im Fachsprachengebrauch
1.1 Definition
1.2 Abgrenzung des Begriffs
1.3 Das Exaktheitspostulat
1.4 Multiperspektivische Sicht auf das Phänomen der Exaktheit
1.4.1 Lexikalisch-semantische und stilistische Ebene
1.4.2 Textuelle Ebene
1.4.3 Funktionale Ebene
1.4.4 Inhaltlich-gegenständliche Ebene
1.5 Zusammenfassung

2 Vagheit im Fachsprachengebrauch
2.1 Definition
2.1.1 Semantische Unbestimmtheit
2.1.2 Pragmatische Unbestimmtheit
2.2 Abgrenzung des Begriffs
2.2.1 Vagheit versus Ungewissheit
2.2.2 Vagheit versus Unsinnigkeit
2.2.3 Vagheit versus Allgemeinheit
2.2.4 Vagheit versus Verständlichkeit
2.3 Pinkals Taxonomie von Vagheit
2.3.1 Vagheit und Mehrdeutigkeit
2.3.2 Beispiele für Vagheit nach Pinkal
2.4 Zusammenfassung

3 Explizitheit im Fachsprachengebrauch
3.1 Definition
3.2 Praxisbezug und Erscheinungen von Explizitheit
3.3 Zusammenfassung

Didaktische Überlegungen

Literaturverzeichnis

Vorwort

Zu den Verwendungseigenschaften von Fachsprachen zählen die Exaktheit, die Vagheit, die Explizitheit, die Anonymität, die Ökonomie und die Verständlichkeit.

Um der Bedeutung der einzelnen Sachverhalte gerecht zu werden, beschäftigt sich die vorliegende Arbeit schon allein aus Kapazitätsgründen lediglich mit den ersten der drei genannten Verwendungseigenschaften.

Ziel der Arbeit ist es, einen fundierten Überblick über die Postulate der Exaktheit und der Explizitheit sowie das Phänomen der Vagheit zu geben. Dabei wird sowohl auf einschlägige Fachliteratur als auch auf z.T. selbst gewählte Beispiele zurückgegriffen. Besonderer Wert wird immer wieder auch auf den sprachlichen Praxisbezug gelegt, weshalb es einer größeren Anzahl an Sprachbeispielen bedarf.

In jedem Kapitel wird zunächst eine Begriffsklärung vorgenommen, bevor im Anschluss eine weitere Vertiefung in das entsprechende Themengebiet folgt. Die Zusammenfassungen am Ende der Kapitel dienen einerseits zur Wiederholung der gewonnenen Erkenntnisse, andererseits wird an dieser Stelle auch versucht, den Zusammenhang zwischen den drei Eigenschaften ersichtlich zu machen.

Das Ende der Arbeit behandelt gerade in Bezug auf die Vermittlung des Forschungsbereichs Fachsprache einen im Deutschunterricht oftmals etwas stiefmütterlich behandelten Themenkomplex: Der didaktische Bezug. Gerade in Mittelschulen, Realschulen und beruflichen Schulen spielt das Thema Fachsprache und Fachkommunikation eine nicht unerhebliche Rolle. Daher sollen hier Überlegungen angestellt werden, wie ein Bewusstsein für Exaktheit und Explizitheit sowie für die Vermeidung von Vagheit in der Fachkommunikation schon im schulischen Unterricht geschaffen werden kann.

1 Exaktheit im Fachsprachengebrauch

Zu Beginn dieser Arbeit soll zunächst einmal der Fokus auf den Begriff der Exaktheit als Verwendungseigenschaft gelegt werden. Im Folgenden wird der Begriff definiert, mit Beispielen veranschaulicht und abgegrenzt sowie in den verschiedenen Ebenen linguistischer Sichtweise genauer betrachtet.

1.1 Definition

Eine erste, einführende Definition in das Thema gibt Roelcke :

„Unter Exaktheit ist im Allgemeinen ein möglichst adäquater Bezug fachsprachlicher Ausdrücke zu den Gegenständen, Sachverhalten und Vorgängen des betreffenden menschlichen Tätigkeitsbereiches zu verstehen.“ (Roelcke 2010: 69)

Baumann bezeichnet die Exaktheit als Kennzeichen der Fachkommunikation:

„[...] Die Auswahl sprachlicher und nichtsprachlicher Mittel, die für die effiziente Umsetzung entsprechender Inhalte der Fachkommunikation geeignet sind, wird entscheidend von dem Kriterium der wissenschaftlichen Exaktheit bestimmt. Die Forderung nach Exaktheit setzt voraus, daß [sic] sich in konkreten Fachgebieten kommunikative Strategien herausbilden, die eine eindeutige und unmißverständliche [sic] Bindung des sprachlichen und nichtsprachlichen Ausdrucks an den jeweiligen fachwissenschaftlichen Sachverhalt, Gegenstand oder Prozeß [sic] ermöglichen [...].“ (Baumann 1998: 373)

Diese Definition von Baumann präzisiert nochmals die zuvor genannten Aspekte Roel-ckes: Innerhalb der Fachkommunikation müssen zunächst geeignete (nicht-) sprachliche Mittel ausgewählt werden, die von der Exaktheit bestimmt werden. Zudem sind die kommunikativen Strategien wichtig, die eine eindeutige Bindung an die genannten Ausdrücke und an die fachwissenschaftlichen Sachverhalte ermöglichen. Baumann benennt zusammenfassend drei Merkmale, nach denen die Exaktheit in der Fachkommunikation bestimmt wird:

- die Gebundenheit an die Ausdrücke einer (Fach-)Sprache,
- die Determination der lexikalischen Bedeutungen, die mit den(fachsprachlichen) Ausdrücken konventionell verbunden sind und
- die Verwendung sprachlicher Ausdrücke in bestimmten (fachlichen) Kommunikationssituationen.

(vgl. Baumann 1998: ebd.)

1.2 Abgrenzung des Begriffs

Um diese Definitionen bzw. den Begriff der Exaktheit zu veranschaulichen, sollen nun zwei Beispiele aufgeführt werden, die gleichzeitig auch eine erste Abgrenzung zu einem weiteren fachsprachlichen Phänomen, der sog. Vagheit, vornehmen. Das erste Beispiel nennt Roelcke (2010: 69):

Kernreaktor vs. Vermögen

Zunächst soll einmal erläutert werden, warum diese beiden Begriffe gegenübergestellt werden: Das Wort Kernreaktor bezeichnet eine Anlage, in der die Kernspaltung als physikalisches Phänomen abläuft, mit dem Ziel der Energiegewinnung. Dieser Begriff ist also (mehr oder weniger[1]) genau definiert und lässt keine weitere Diskussion zu. Man könnte also auch behaupten, dass der vorgestellte Begriff Kernreaktor exakt ist. Anders verhält es sich mit dem Wort Vermögen: Dieses Beispiel stammt aus Kants „Kritik der reinen Vernunft“ und wurde definitorisch nicht hinreichend festgelegt, was den Ausgangspunkt für eine Reihe von philosophischen und psychologischen Diskussionen bildete. (vgl. Roelcke 2010: 69). In der Tat kann das Wort Vermögen unterschiedlich gelesen werden; es hat mehrere Bedeutungen: Mit Vermögen kann zum einen die „Gesamtheit aller Güter im Eigentum eines Menschen“ bzw. „sein gesamter Besitz, der einen materiellen Wert darstellt“ (DUDEN: Bedeutungswörterbuch) gemeint sein, zum anderen aber auch- um gleich bei Kant zu bleiben- „das Vermögen, (im Sinne von, D.R.) einen Zustand ganz von selbst anzufangen“. (Schönecker 2005: 3); im übertragenen Sinne also „etwas zu Leisten im Stande zu sein“. Wie diese Erläuterungen zeigen, kann also das Wort Vermögen zwei völlig unterschiedliche Bedeutungen haben. Welche Bedeutung des Wortes gemeint ist, kann nur durch den jeweiligen Sach- und Sprachkontext oder z.B. durch Rückfragen des Lesers geklärt werden. Insgesamt könnte man hinsichtlich der Semantik des Wortes Vermögen von Vagheit sprechen. Stellt man nun die beiden genannten Begriffe wieder gegenüber, kann diese Gegenüberstellung folgendermaßen ergänzt werden:

Kernreaktor vs. Vermögen

Exaktheit vs. Vagheit

Exaktheit wird also hier ganz klar der Vagheit gegenübergestellt.

Um den Sachverhalt der Abgrenzung der Exaktheit zu veranschaulichen, soll nun in etwas knapperer Form ein Beispiel des Verfassers dieser Arbeit betrachtet werden:

Primzahl vs. Transaktion

Eine Primzahl in der Mathematik ist eine natürliche Zahl, die ausschließlich durch sich selbst oder durch 1 teilbar ist. Sie ist damit definitorisch für die Fachsprache der Mathematik exakt festgelegt. Die Transaktion hingegen kann jedoch wieder verschiedene Bedeutungen haben: Eine Transaktion im wirtschaftlichen Sinne (also in der Fachsprache der Wirtschaft) ist „eine gegenseitige Übertragung von Gütern und Informationen zwischen zwei Wirtschaftssubjekten“. (DUDEN: Fremdwörterbuch), in der Informatik (also in deren Fachsprache) bedeutet Transaktion jedoch „eine Folge von Operationen, die nur komplett oder gar nicht durchgeführt wird“ bzw. in der EDV allgemein ein kurzer Teilauftrag an einen Computer, der vorrangig bearbeitet wird . (DUDEN: Fremdwörterbuch) Auch hier kann man wieder gut erkennen, dass das Wort Transaktion hinsichtlich der Semantik im Vergleich zum Wort Primzahl als vage bezeichnet werden kann,[2] abhängig davon, in welchem fachsprachlichen Kontext sich Produzent und Rezipient bewegen.

1.3 Das Exaktheitspostulat

Um die Bedeutung des Begriffs Exaktheit für die (traditionelle) Fachsprachenforschung hervorzuheben, spricht Roelcke auch vom Exaktheitspostulat:

„Die Eigenschaft der Exaktheit wird insbesondere von der traditionellen Fachsprachenforschung [...] zu einem fachsprachlichen Ideal erhoben, das keine Ausnahme in Form von Vagheit [Hervorhebung D.R.] zulässt.“ (Roelcke 2010: 69)

Ziel dieses Exaktheitspostulats sei es, so Roelcke, Missverständnisse innerhalb der Fachkommunikation bereits im Sprachsystem zu vereiteln. (vgl. Roelcke 2010: 69f.) Gleichzeitig nennt Roelcke Grenzen des Exaktheitspostulats: Zum einen steht dieses Postulat „[...] der relativen Exaktheit von Fachwörtern innerhalb definitorischer Wortschatzsysteme sowie zum anderen die pragmalinguistische Konzeption kontextueller Exaktheit im Rahmen fachsprachlicher Kommunikation“ (Roelcke 2010: ebd.) gegenüber. Die relative Exaktheit begründet sich dabei aus dem systemlinguistischen Inventarmodell. Dieses orientiert sich am sprachlichen System, welches wiederum fachlicher Kommunikation zu Grunde liegt. Dazu zählen die sprachlichen Systeme des Produzenten und Rezipienten und schließlich ein gemeinsames sprachliches System. Das pragmalinguistische Kontextmodell hingegen setzt den Schwerpunkt der Betrachtung auf den Fachtext. Hierbei geht es auch um dessen kontextuellen und kotextuellen Zusammenhang. (vgl. Roelcke 2010: 14) Es enthält den Produzentenkotext, den Rezipientenkotext, den gemeinsamen Kotext, sowie den Text und die Antwort. Es legt also besonderen Wert auf die „kommunikativen Verhältnisse, unter denen Fachtexte produziert und rezipiert werden.“ (Roelcke 2010: ebd.)

Der Frage, inwiefern es also sinnvoll ist, von einem Exaktheitspostulat zu sprechen, soll im Verlauf dieser Arbeit noch einmal nachgegangen werden.

1.4 Multiperspektivische Sicht auf das Phänomen der Exaktheit

Bisher wurde versucht, die Exaktheit anhand von Beispielen zu definieren und das Postulat der Exaktheit vorgestellt. Es stellen sich nun weitere Fragen: Wie erkennt man nun, ob Exaktheit vorliegt (und nicht etwa Vagheit)? Was sind also typische linguistische Erscheinungen, wenn man von Exaktheit im Fachsprachengebrauch redet? Erfährt das Postulat der Exaktheit Einschränkungen? Antworten auf diese Fragen liefert Klaus-Dieter Baumann, indem er das Phänomen der Exaktheit multiperspektivisch auf verschiedenen linguistischen Ebenen betrachtet. Die wichtigsten Ergebnisse Baumanns sollen im Folgenden dargestellt werden, um Antworten auf die oben genannten Fragestellungen zu liefern.[3]

1.4.1 Lexikalisch-semantische und stilistische Ebene

Betrachtet man die lexikalisch-semantische Dimension innerhalb der Fachkommunikation genauer, so stellt man schnell fest, dass der Großteil des Wortschatzes, also hier die Fachterminologie, bereits festgelegt ist. (nach Baumann 1998: 374). Roelcke sieht die Aufgabe wissenschaftlicher Terminologie darin, Begriffe oder Gegenstände, die im Fach exakt definiert oder durch Konventionen festgelegt sind, eindeutig zu bezeichnen. (nach Roelcke 1991: 194ff) Das Postulat der Exaktheit erfährt schon durch die Betrachtung dieser Dimension eine klare Einschränkung aus zweierlei Gründen: Fluck stellte Untersuchungen an, aus denen hervorging, dass Termini sowohl im System als auch im Text semantisch mehrdeutig sein können: So treten diese in Fachtexten häufig auch als Termini verschiedener Einzelwissenschaften sowie auch in allgemeinsprachlicher Bedeutung auf (nach Fluck 1996: 47ff) Von Hahn fügt des Weiteren hinzu, dass ein bestimmter Grad an Vagheit innerhalb der Fachkommunikation nie ganz ausgeschlossen werden kann, da sprachliche Mittel im Allgemeinen auch immer polyfunktional sind (von Hahn 1983, 98ff) Diese Feststellung rührt letztlich an das grundsätzliche Problem jeglicher Kommunikation: die Schwierigkeit, sich dem Gegenüber verständlich zu machen. Wissenschaftliche Auseinandersetzungen drehen sich auch oft um die Definition von Fachausdrücken; also um Exaktheit – ein beinahe verzweifeltes Ringen derer, die sich im Medium der gleichen Fachsprache bewegen, sich seinem Gegenüber verständlich zu machen oder der Versuch, die eigene Definition eines Fachausdrucks (oder anders gesagt: der eigene Versuch, Exaktheit herzustellen) zur allgemein gültigen zu postulieren.

[...]


[1] Roelcke (2010: 69) unterschiedet hier noch einmal zwischen einer ökologischen oder ökonomischen und einer physikalischen bzw. technischen Erörterung des Begriffs: In Ersterer, so Roelcke, könne der Begriff auf Grund eines gering definierten Definitionssystems weniger exakt ausfallen als im physikalisch-technischen Bereich (vgl. Roelcke 2010: 69)

[2] Auf den Begriff der Vagheit wird im Verlauf dieser Arbeit noch genauer eingegangen. Zunächst sollte es reichen, ihn zur Erklärung des Begriffs der Exaktheit hinzuzuziehen.

[3] Auf die Betrachtung der von Baumann vorgeschlagenen Dimension auf kognitiver, sozialer und kultureller Ebene wird hier verzichtet, da dies den Rahmen dieser Arbeit überschreiten würde.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Verwendungseigenschaften von Fachsprachen: Exaktheit, Vagheit und Explizitheit im Fachsprachengebrauch
Untertitel
Probleme, Abgrenzungen, Beispiele
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Note
1,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
24
Katalognummer
V207135
ISBN (eBook)
9783656343950
ISBN (Buch)
9783656344940
Dateigröße
616 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
verwendungseigenschaften, fachsprachen, exaktheit, vagheit, explizitheit, fachsprachengebrauch, probleme, abgrenzungen, beispiele
Arbeit zitieren
Daniel Reitberger (Autor:in), 2012, Verwendungseigenschaften von Fachsprachen: Exaktheit, Vagheit und Explizitheit im Fachsprachengebrauch, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/207135

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