Folter um zu Retten als legitimes Werkzeug eines demokratischen Rechtsstaats

Darf Menschenwürde gegen Menschenwürde aufgewogen werden?


Dossier / Travail, 2011

16 Pages, Note: 1,2


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Forschungsstand und Gliederung

3. Folter und Rechtstaat - zwei Definitionsversuche

4. „Somit ist die Aussagenerpressung geeignet und erforderlich“[1] - Argumente gegen ein absolutes Folterverbot

5. „Schutz vor Folter, [muss] auch für Mörder gelten“[2] - Argumente für ein absolutes Folterverbot

6. Konklusion und persönliches Fazit

7. Literaturverzeichnis

1. Einführung

„Unmittelbarer Zwang ist freigegeben.“ Jürgen Daschner zu den
diensthabenden Ermittlern in Bezug auf die Vernehmung von Markus Gäfgen,

September 2002“[3]

Der „Fall Daschner“ spaltete Deutschlands Gemüter[4]. Wie geht man mit einem Beamten um, der, aus Sorge um ein Kinderleben, dem Tatverdächtigen Folter androht? Dieses Ereignis der bewussten Rechtsübertretung wirbelte erneut den Diskurs um ein absolutes Folterverbot auf.

Der leitende Polizist Jürgen Daschner ermittelte bereits den vierten Tag wegen Entführung des Bankierssohnes Jakob Metzler. Um das Leben des Kindes noch retten zu können, drohte er dem Mörder und Entführer Magnus Gäfgen Schmerzen an[5].

In der deutschen Presse gab es eine rege Berichterstattung. Doch auch Rechtswissenschaftler und Philosophen haben sich zu dieser Thematik des absoluten Folterverbotes geäußert. Allen voran Winfried Brugger, der mit seinem „Ticking Bomb“-Szenarion die Angst vor Terrorattentaten aufgreift, das spätestens seit dem Anschlag in New York an Aktualität gewonnen hat. Auch der Madrider Anschlag im März 2004 hat die Terrorgefahr auf europäischen Boden geholt und damit die Bedrohung mehr in den öffentlichen Fokus gerückt. Das Szenario beschreibt eine Extremsituation, in der ein gefasster Attentäter nicht preisgeben möchte, wo sich die Bombe befindet, die die gesamte Stadt bedroht[6]. Die Frage, ob es nicht bestimmte Kriterien geben sollte, bei deren Erfüllung es den Beamten erlaubt sei, Folter anzuwenden, um mögliche Opfer zu retten, wurde erneut in den rechtswissenschaftlichen Diskurs aufgenommen. Bereits nach den Terroranschlägen in New York äußerten sich der amerikanische Rechtsprofessor Alan Dershowitz und der damalige stellvertretende Generalstaatsanwalt des Rechtsbüros Jay S. Bybee kritisch zu einem absoluten Verbot[7]. Es wurden Versuche unternommen , Folter sehr eng zu definieren, um mehr Handlungsspielraum zu bekommen, wie Manfred Nowak zeigt[8].

Darf sich ein demokratischer Rechtsstaat einem Mittel wie der Folter bedienen? An dieser Stelle die richtigen Entscheidungen zu treffen, zwischen dem starken Staat, wie er von der Bevölkerung erwartet wird und einer Justitia, die weder eine Auge für die Opfer, noch ein Auge für den Täter hat, bedarf es einer sorgfältigen Abwägung, der sich diese Hausarbeit stellen will[9].

Das Ziel des vorliegenden Aufsatzes besteht darin, den Diskurs um die Einbettung der Rettungsfolter in einen Rechtsstaat darzustellen und Impulse zu geben. Es soll geklärt werden, in welcher Beziehung der demokratische Rechtsstaat zur Folter stehen kann und sollte. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen wird sich die Hausarbeit folgender Frage widmen:

Folter um zu Retten als legitimes Werkzeug eines demokratischen Rechtsstaates - Darf Menschenwürde gegen Menschenwürde aufgewogen werden?

Um dies in der Hausarbeit umzusetzen zu können, wird sie, wie folgt, inhaltlich in vier Kapitel gegliedert:

Dabei wird im ersten Kapitel der Begriff der Folter und des Rechtsstaates untersucht und eine sprachliche Basis geschaffen werden.

Im zweiten Abschnitt sollen die Argumente für die Aufweichung des absoluten Folterverbotes Platz finden um dann im dritten Kapitel mit den Gegenargumenten konfrontiert zu werden.

Der Aufsatz schließt mit einer Zusammenführung der Argumentationslinien und es soll eine fundierte und nachvollziehbare These zur Ausgangsfrage formuliert werden.

2. Aktueller Forschungsstand

Die Debatte um die Rettungsfolter ist in den Diskurs um die Innere Sicherheit einzuordnen. In den 70er Jahren wurde in Deutschland die Frage eine Grundrechtes auf Sicherheit aufgeworfen. Es entstand die Auffassung, dass der Bürger nicht nur „Nutznießer der Gefahrenabwehr“[10], sondern auch Anspruchsträger dieser ist.[11] Grundlegend gibt es in dieser Diskussion zwei Aspekte. Auf der einen Seite gibt es verschiede Positionen von Wissenschaftlern zur Rettungsfolter und auf der anderen Seite existiert das in Deutschland gültige Recht, welches nicht in der Debatte außen vor stehen sollte. Das Thema Rettungsfolter wurde schon seit 1996 von Winfried Brugger bearbeitet. Er stützt sich bei seinen Überlegungen auf das „Ticking-Bomb- Szenario“[12]. Auch später diskutiert er dieses Thema erneut und spricht dem Staat die Verantwortung für das Opfer zu: „Opferschutz muss vor Täterschutz stehen“[13]. 2004 unterstützte Günther Jakobs den Weg Bruggers, allerdings mit einer anderen Argumentation. Er schafft in seiner Theorie Sphären der Rechtlosigkeit für bestimmte Menschengruppen, sodass Folter auch kein Rechtsbruch mehr darstellt[14]. Damit schafft er den Raum, Menschen, die sehr stark gegen das Gesetz verstoßen haben, Rechte zu entziehen. Dem entgegen positionierte sich 2006 Heiner Bielefeldt in seinem Aufsatz „Zur Unvereinbarkeit von Folter und Rechtsstaatlichkeit“. Er behauptet „Wer in dieser Selbstbindung des Staates (...) eine Schwäche sieht, hat nicht verstanden, was Rechtsstaatlichkeit bedeutet“[15] und lehnt jegliches Aufweichen des absoluten Verbotes von Folter kategorisch ab. Er beruft sich auf das Dammbruch-Argument und Kants kategorischen Imperativ, der es verbietet, den Menschen zu verzweckdienlichen[16]. Das Dammbruch-Argument bezieht sich vor allem auf die Ausweitung eines Sonderrechtsbereiches, die auf eine Regelung der Rettungsfolter folgen könnte, und so eine potentielle Gefahr darstellt[17].

Die Grenzen eines solchen Sonderbereiches könnten nicht so eindeutig formuliert werden, damit sie nicht auch ausgenutzt werden können[18].

Die Gesetzlage in Deutschland ist allerdings eindeutig, denn Artikel 104 Abs. 1 des Grundgesetzes sagt: „Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich misshandelt werden“[19].

Auch die Unterzeichnung der Anti-Folter Konventionen der UN von 1984, spricht deutlich von einem „notstandsfesten“ Verbot der Folter[20].

Die Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, die Deutschland im Jahr 1948 unterzeichnete, verweist im Artikel fünf eindeutig darauf, dass niemand der Folter oder anderen grausamen Strafen unterworfen werden darf[21].

3. Rechtsstaat und Folter - zwei Definitionsversuche

Wolfgang Rudzio definiert in seinem Lehrbuch zum politischen System der BRD den Rechtsstaat über sechs Kriterien: unabhängige Gerichte, Gleichheit vor dem Gesetz, Grundsatz des gesetzlichen Richters, sowie richterliche Überprüfung von Festnahmen und das Gebot, so dass die staatliche Exekutive nur im Rahmen von Gesetzen handeln darf[22].

Diese sechs Kriterien sind Ergebnis eines langwierigen historischen Diskurses und die Antwort auf die Frage der Rechtsstaatlichkeit kann wohl nicht abschließend gegeben werden, sondern bleibt immer für Interpretationen und Auffassungen der aktuellen gesellschaftspolitischen Verhältnisse offen.

Die Auffassung des Begriffes soll allerdings die Bindung eines Staates an die eigene Gesetzeslage definieren und konstituieren.

[...]


[1] Brugger 1996, 76.

[2] Thurm 2011.

[3] Rückert 2004.

[4] Vgl. Esslinger 2004.

[5] Vgl. Presseinformation des Landgerichtes Frankfurt am Main 15.12.2005.

[6] Brugger 1996, 69.

[7] Vgl. Nowak 2006, 26.

[8] Vgl. Nowak 2006., 26.

[9] Brenda 2004.

[10] Gusy/ Nitz 2000, 348.

[11] ebd., 348.

[12] Brugger 1996, 69.

[13] Brugger 2006, 6.

[14] Vergleich Bielefeldt 2006, 5.

[15] Ebd. 8.

[16] Ebd. 3ff.

[17] Ebd. 5.

[18] Bielefeldt 2006, 5.

[19] Bundeszentrale für politische Bildung 2005, 64.

[20] Vergleiche Bielefeldt 2006, 3.

[21] http://www.un.org/depts/german/grunddok/ar217a3.html .

[22] Rudzio 2011,52.

Fin de l'extrait de 16 pages

Résumé des informations

Titre
Folter um zu Retten als legitimes Werkzeug eines demokratischen Rechtsstaats
Sous-titre
Darf Menschenwürde gegen Menschenwürde aufgewogen werden?
Université
Free University of Berlin  (Otto-Suhr-Institut)
Cours
Das politische System der BRD
Note
1,2
Auteur
Année
2011
Pages
16
N° de catalogue
V207307
ISBN (ebook)
9783656343868
ISBN (Livre)
9783656345039
Taille d'un fichier
475 KB
Langue
allemand
Mots clés
Rettungsfolter, Politik, Politisches System Deutschland
Citation du texte
Marie Schröter (Auteur), 2011, Folter um zu Retten als legitimes Werkzeug eines demokratischen Rechtsstaats, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/207307

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