Zeitgenössische Diskurse über Alter und Tod in der Vormoderne


Dossier / Travail, 2012

21 Pages, Note: 2,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Zu den zeitgenössischen Vorstellungen über Alter und Tod in der Vormoderne allgemein

3. Positive Darstellungen von Alter und Tod

4. Negative Darstellungen von Alter und Tod

5. Resümee

6. Literaturverzeichnis

7. Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

Der Tod ereilte in der Zeit der Vormoderne nicht nur „die Alten“, sondern er war für junge wie alte Menschen allgegenwärtig und konnte unerwartet eintreffen. Der größere Teil der Menschen verstarb, bedingt durch Krankheiten, Hungersnöte, Kriege etc. und vor allem im Kindesalter, bereits vor dem hohen Alter. Der während der Frühen Neuzeit populäre Spruch „Mitten im Leben sind wir vom Tod umgeben“ bezeugt diese Gegebenheit. Trotzdem wurde das Alter seit jeher, vor allem aufgrund des körperlichen Verfalls alter Menschen, der von allen Alterssymptomen am deutlichsten nach außen sichtbar ist, als letzte Lebensstufe und als Vorstufe des Todes sowohl positiv als auch negativ wahrgenommen:

„Einerseits wurde Altern mit körperlichem und geistigem Zerfall, Gebrechlichkeit und Nähe zum Tod assoziiert, und im Vergleich zum positiven Bild der Jugend wurde das Alter auch früher meist negativ bewertet. Andererseits wurde Alter mit Erfahrung und geistiger, spiritueller Entwicklung (Weisheit) in Verbindung gebracht.“[1]

Je nachdem, ob der Tod als positives oder negatives Ereignis wahrgenommen wurde, konnte auch das Alter als vorheriger Lebensabschnitt als „Erfolgs- oder als Verfallsgeschichte“[2] gedeutet werden.

In der vorliegenden Hausarbeit wird der Frage nachgegangen, welche Deutungen und Vorstellungen für das Alter in Zusammenhang mit der Endlichkeit und dem Tod in der Vormoderne aufgegriffen, weiterentwickelt und verändert wurden und welche geschlechtsspezifischen Stereotypen alten Menschen zugeschrieben wurden.

Zur Beantwortung der Fragestellung werden zunächst allgemeine Vorstellungen über Alter und Tod in der Frühen Neuzeit vorgestellt. In den darauf folgenden Kapiteln werden positive und negative Darstellungen des Alters in Zusammenhang mit dem Tod erläutert.

Als Literaturgrundlage dienen einerseits Werke zum Alter und zum Tod in der Vormoderne, sowie Abhandlungen über die medizinischen Ansichten in der Frühen Neuzeit. Eine Monographie, die zeitgenössische Darstellungen des Alters im Zusammenhang mit der Endlichkeit untersucht, existiert bisher nicht. Weiterhin werden literarische und künstlerische Werke aus der Vormoderne vorgestellt.

2. Zu den zeitgenössischen Vorstellungen über Alter und Tod in der Vormoderne allgemein

Die frühneuzeitlichen Autoren, die über das Alter schrieben, bedienten sich hauptsächlich bereits vorhandener Stereotype der Antike und des Mittelalters, diskutierten diese neu und entwickelten sie weiter. Die Ambivalenz der Alterstopoi der Antike blieb daher auch in der Vormoderne bestehen. Jedoch entwickelte sich während der Frühen Neuzeit erstmals ein medizinischer Altersdiskurs, dessen Abhandlungen über Altersphysiologie und Alterspathologie u. a. die Berührungspunkte zwischen Alter und Tod zur Diskussion stellten.[3] In diesen etwa seit der Mitte des 18. Jahrhunderts aufkommenden medizinischen Schriften wurde erstmals versucht, das Alter losgelöst von religiösen Vorstellen zu beschreiben.

Zuvor wurden Alter und Tod in religiösen und weltlichen Schriften und Kunstwerken eher am Rande dargestellt, denn den verschiedenen Darstellungsformen lag das memento mori – Motiv zu Grunde. Dieses erinnerte die Menschen daran, dass der Tod „eine selbstverständliche Erscheinung in ihrem Alltag [war]. In Gestalt von Krankheiten – Pocken, Bauchtyphus, Fleckfieber, Cholera, Pest – und in Gestalt des Krieges schlug er überall zu, in jedem Alter, in jedem Stand; er traf Männer wie Frauen, Säuglinge und Kinder.“[4] Das hohe Alter war in der Vormoderne demnach keineswegs der alleinige „Repräsentant der Endlichkeit des Lebens.“[5] Daher sollten die Menschen dem Tode gedenken und sich durch ein heilsames Sterben, welches nur durch ein heilsam geführtes Leben erlangt werden konnte, auf das Leben im Jenseits vorbereiten. In den sogenannten Sterbebüchlein wurde die ars moriendi – die Kunst des heilsamen Sterbens – gelehrt.[6]

Der Tod wurde von den Zeitgenossen jedoch nicht nur positiv, im Sinne einer glücklichen Heimkehr in das Reich Gottes, sondern auch negativ, als Strafe für Sünden, konnotiert. Neben den selbst verübten Sünden lastete auf jedem Menschen zudem die Erbsünde, die in den Vorstellungen der Bevölkerung durch Adams Sündenfall unwiderruflich auf den Menschen ruhte.[7] Diese negative Deutung griff auch Martin Luther auf, der den Tod als „Drohung Gottes“ bezeichnete.[8] Um dieser Bestrafung entgehen zu können, wurde den Menschen in Streitgedichten, „in denen die Gewißheit und Unerbittlichkeit des Todes und die rechte Art zu leben, um gut zu sterben, in dialogischer Form behandelt wird“[9], das heilsame Verhalten näher gebracht. Weiterhin mahnten Totentanz-Darstellungen vor einem unvorbereiteten, jederzeit möglichen Tod, indem sie den Menschen nach Ständen und Geschlechtern geordnet, einen jeweiligen „Tod“ zur Seite stellten und damit die Gleichheit aller Menschen vor dem Tod veranschaulichten.[10]

Die Alten, die der Tod bisher verschont hatte, sollten sich umso intensiver auf ihre baldige Heimkehr in das Reich Gottes vorbereiten. Jegliche Trauer über das zu Ende gehende Leben wurde ihnen versagt. Stattdessen sollten sie in Würde von der Welt loslassen und sich auf das ewige Leben freuen. Frömmigkeit, Buße, Gebete, Gottvertrauen und der totale Rückzug aus der sündigen Welt des Diesseits waren nach der christlichen Altersschelte die Losungen der alten Menschen[11]: „Die Welt zu verachten und von der Welt verachtet zu werden.“[12] Im Alter der Jugend nachzuweinen, galt als Schande und tiefe Sünde.

Dennoch wurde auch der „Klage über die Endlichkeit des Lebens, über die vergangenen Jahre und ihre Freuden und den nun mehr noch übrigbleibenden Blick in den herannahenden Tod als Ende von allem“[13], Raum geschaffen. Die Altersklagen enthielten detaillierte Beschreibungen des körperlichen Verfalls alter Körper und Assoziationen des Alters mit dem Winter und der Kälte.[14]

Allgemein dominierten geschlechtsspezifische Darstellungen alter Menschen: Die Vorstellungen des „weisen alten Mannes“ und der „lüsternen alten Frau“[15]: „Darstellungen alter Frauen in Literatur und Kunst seit der Antike sind oft wenig schmeichelhafte realistische Darstellungen des körperlichen Verfalls, Allegorien der Vergänglichkeit und Symbole des Bösen, der Lust und des Todes.“[16] Diese Vorstellungen setzen sich vielfach auch über die Aufklärungszeit fort, mit der ein Wandel des Verständnisses von Alter und vom Umgang mit den Alten einherging. Die Aufklärung, die in erster Linie ein pädagogischer Diskurs war, nahm sich die alten Menschen als Vorbilder und Lehrer. Durch die Weitergabe ihrer Erfahrungen konnten sich die Alten als nützlich für das Gemeinwohl erweisen und so neues Ansehen erlangen. Im „Zeitalter der Empfindsamkeit“ ging es nunmehr nicht um den körperlichen Verfall, sondern um die Vernunft, die in den Darstellungen der Altenverehrung hervorgehoben wurde.[17]

„Die Altenverehrungsrhetorik, der inszenierte Altersdiskurs in der zweiten Hälfte des 18. Jh. charakterisiert eine Epoche, in der das hohe Alter am meisten Autorität sein darf, Autorität sein soll, so wie vorher nicht und danach auch nie wieder. Aber zugleich formuliert der Diskurs auch die Anforderungen an das ideale, das ehrenwerte Alter dankenswert klar und nachdrücklich.“[18]

Aufgrund dieser Entwicklungen ebbten auch (vor allem die negativen) Darstellungen über Alter und Tod ab. Die medizinischen Abhandlungen überwogen und verdrängten zu großen Teilen mit ihrer „Entmystifizierung des Alters“ die religiösen Darstellungen.[19] Diese Gegebenheiten trafen jedoch nicht für alle alten Menschen zu, geschlechtsspezifische Vorstellungen gab es weiterhin und während der „weise alte Mann“ die positiven Aspekte des Alters verkörperte, blieb für die alten Frauen – wie zuvor – nur die Altersverachtung übrig[20]: „Weiterhin wurden sie [die alten Frauen] – vor allem in Märchen – als schaurige, hässliche und boshafte Alte dargestellt.“[21]

3. Positive Darstellungen von Alter und Tod

Positive Darstellungen von Alter und Tod waren eine wichtige Komponente des Alterstrostes. Sie hatten den Zweck, den alten Menschen die Angst vor dem Sterben zu nehmen und aufzuzeigen, dass der Tod nur das Ende des diesseitigen Lebens bedeutete. Das selige Sterben galt als Beginn eines paradiesischen Lebens im Jenseits.[22] Das Alter als letzter Lebensabschnitt konnte nach diesen Vorstellungen auch als letzte Chance zur Umkehr, als letzte Chance auf Seligkeit und Gottgefälligkeit verstanden werden.[23] „Denn darauf komme es beim Altwerden an, dieses Leben mit einem >>seligen Ende<< zu beschließen und nicht u. U. ein gutes Leben durch ein schlechtes Ende noch zu gefährden.“[24] Das Motiv der sterbenden Jungfrau galt dabei als das „Urbild des heilsamen Todes“[25]. Es existiert in den christlichen Religionen kein ausgeprägteres Sinnbild für den erlösenden Tod und die zu erwartende Heimkehr in das Reich Gottes.

[...]


[1] Höpflinger, F.(2007), Zur Geschichte des Alters in der Schweiz, S. 1f.

[2] Hartung, H.(2005), Zwischen Verfalls- und Erfolgsgeschichte, S. 8.

[3] Vgl. Schäfer, D.(2004), Alter und Krankheit in der Frühen Neuzeit, S. 33.

[4] Wollgast, S.(1992), Zum Tod im späten Mittelalte und in der Frühen Neuzeit, S. 17.

[5] Ehmer, J.(2008), Das Alter in Geschichte und Geschichtswissenschaft, S. 156.

[6] Vgl. Wollgast, S.(1992), Zum Tod im späten Mittelalte und in der Frühen Neuzeit, S. 4f.

[7] Ebd., S. 6.

[8] Vgl. Wollgast, S.(1992), Zum Tod im späten Mittelalte und in der Frühen Neuzeit, S. 7. Nach: Luther, M., Ennaratio Psalmi XL. 1534/35 / 1541/, in: M. Luther, Werke, Kritische Gesamtausgabe, Bd. 40, 3. Abt., Weimar 1930, S. 513.

[9] Wollgast, S.(1992), Zum Tod im späten Mittelalte und in der Frühen Neuzeit, S. 6.

[10] Vgl. ebd., S. 6; 15.

[11] Vgl. Göckenjan, G.(2000), Das Alter würdigen, S. 61f; 76f.

[12] Göckenjan, G.(2000), Das Alter würdigen, S. 73.

[13] Ebd., S. 45.

[14] Vgl. Haller, M.(2005), >Unwürdige Greisinnen<, S. 46.

[15] Vgl. Hartung, H.(2005), Zwischen Verfalls- und Erfolgsgeschichte, S. 10.

[16] Hartung, H.(2005), Zwischen Verfalls- und Erfolgsgeschichte, S. 10.

[17] Vgl. Haubold-Stolle, J./Schug, A.(2010), Wer ist schon alt?, S. 55f.

[18] Göckenjan, G.(2000), Das Alter würdigen, S. 102.

[19] Vgl. Thane, P.(Hg.)(2005), Das Alter, S. 195.

[20] Vgl. Haubold-Stolle, J./Schug, A.(2010), Wer ist schon alt?, S. 57.

[21] Haubold-Stolle, J./Schug, A.(2010), Wer ist schon alt?, S. 57.

[22] Vgl. Göckenjan, G.(2000), Das Alter würdigen, S. 58.

[23] Ebd., S. 63.

[24] Göckenjan, G.(2000), Das Alter würdigen, S. 64.

[25] Ariés, P.(1984), Bilder zur Geschichte des Todes, S. 102.

Fin de l'extrait de 21 pages

Résumé des informations

Titre
Zeitgenössische Diskurse über Alter und Tod in der Vormoderne
Université
Otto-von-Guericke-University Magdeburg
Note
2,0
Auteur
Année
2012
Pages
21
N° de catalogue
V208791
ISBN (ebook)
9783656364740
ISBN (Livre)
9783656364887
Taille d'un fichier
745 KB
Langue
allemand
Mots clés
zeitgenössische, diskurse, alter, vormoderne
Citation du texte
B. A. Marina Franke (Auteur), 2012, Zeitgenössische Diskurse über Alter und Tod in der Vormoderne, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/208791

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