Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Begriffsklärung von Integration und Inklusion
2.1 Zusammenhang der beiden Begriffe im pädagogischen Diskurs
2.2 Definition und Abgrenzung der Begriffe Integration und Inklusion
3. Der rechtlich verankerte Anspruch auf Inklusion im deutschen Bildungssystem als Menschenrecht
3.1 Die Salamanca-Erklärung
3.2 Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
4. Schulische Inklusion in der Montessori-Pädagogik
4.1 Maria Montessori und ihr Erziehungskonzept
4.2 Inklusive Ansätze in der Montessorischen Praxis
5. Erweiterter Schlussteil
6. Literaturverzeichnis
6.1 Verwendete Bücher
6.2 Verwendete Zeitschriftenartikel
6.3 Verwendete Internetquellen
1. Einleitung
Integration und Inklusion sind (pädagogisch) zentrale Begriffe der Gegenwart, die heutzutage auch in den Medien zunehmend verbreitet sind. Nicht selten werden sie im alltäglichen Gebrauch miteinander gleichgesetzt, weil man denken könnte, das Wort Inklusion hat das der Integration abgelöst. Dabei verbergen sich hinter diesen zwei Begriffen unterschiedliche Forderungen und Ziele, welche im Feld der Pädagogik eine sehr wichtige Rolle einnehmen, darunter auch im Bereich der Schule. Was die Integrations- und Inklusionspädagogik gemeinsam haben, ist der Anspruch, Kinder und Jugendliche zusammen zu unterrichten, unabhängig von ihren individuellen Fähigkeiten und Behinderungen sowie von ihrer sozialen, ethischen und kulturellen Herkunft. Seit 2009 hat sich Deutschland dazu verpflichtet, ein inklusives Bildungssystem zu errichten, und somit einen gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderungen zu gewährleisten. Jedoch stellt sich immer wieder die Frage, wie dies umgesetzt werden kann. Befasst man sich mit der Montessori-Pädagogik, so wird deutlich, dass hier bereits eine lange Erfahrung mit einem inklusiven Konzept besteht.
In der folgenden Arbeit soll die Inklusion von Menschen mit Behinderungen im Bereich der Schule im Mittelpunkt stehen. Zunächst einmal soll gezeigt werden, warum die Worte Integration und Inklusion oftmals nebeneinander auftauchen, und wie diese v.a. im pädagogischen Diskurs miteinander zusammenhängen. Anschließend werde ich den Begriff Inklusion definieren. Dazu ist es nötig, diesen von dem der Integration abzugrenzen, um ein klares Bild davon zu bekommen, in welchen Punkten sich die beiden voneinander unterscheiden.
Im darauffolgenden Teil dieser Arbeit werde ich verdeutlichen, dass das Bereitstellen eines inklusiven Schulsystems seit der Unterzeichnung der Behindertenrechtskonvention eine Verpflichtung für Deutschland darstellt. Es soll gezeigt werden, wie es zur Entstehung dieses Menschenrechts kam und anschließend der Artikel 24, der dies rechtlich verankert, näher beleuchtet werden.
Als eine Möglichkeit, wie man die Inklusion von behinderten Menschen im schuli- schen Bereich verwirklichen kann, sollen Maria Montessori mit ihrem Erziehungskonzept sowie die inklusiven Ansätze der Montessori-Pädagogik − wie sie sich in der Praxis umsetzten − betrachtet werden.
Im Schlussteil dieser Arbeit möchte ich schließlich ein Resultat ziehen, ob dieses inklusive Konzept die Anforderungen des Artikels 24 erfüllt, ob sich gewisse Nachteile durch dieses Konzept ergeben und ob es letztendlich als Vorbild für den Ausbau des inklusiven Bildungssystems in Deutschland dienen kann.
2. Begriffsklärung von Integration und Inklusion
2.1 Zusammenhang der beiden Begriffe im pädagogischen Diskurs
Im Diskurs um Integration und Inklusion implizieren die beiden Begriffe das Streben nach einer Teilhabe für alle Menschen an allen Bereichen des Gemeinwesens. Diese Teilhabe soll demnach gleichberechtigt, gleichwertig, barrierefrei und unbegrenzt sein. Somit kann schließlich ein Menschenrecht verwirklicht werden (vgl. Feuser 2010, S. 17): „Die Einbindung und das Aufgehobensein in soziale gesellschaftliche Verhältnisse“ (Stein et al. 2010, S. 11).
Laut Prof. Dr. Georg Feuser, der sich seit Jahren sehr intensiv mit der Thematik der Integration und Inklusion im Rahmen der Behindertenpädagogik auseinandersetzt, beinhaltet Integration das Ziel, dass alle Kinder und Jugendliche miteinander lernen dürfen, unabhängig von ihren verschiedenen Lernmöglichkeiten, ihrem Entwicklungsstand und ihren Beeinträchtigungen. Auch eine andere Sprache, Religion oder Nationalität dürfen einem gemeinsamen Unterricht nicht im Wege stehen. Ein solch errichtetes integratives System in den Bereichen der Erziehung, Bildung und des Unterrichts, das ohne Selektion und Segregation auskommt, kann nach Feuser dann fachlich gesehen als ein inklusives aufgefasst werden. Er ist also der Meinung, dass die Integration behinderter Menschen in die Klassen bestehend aus Nichtbehinderten, die Prämisse für die Umsetzung/Entstehung eines inklusiven Bildungssystems darstellt. Indem sich also ein Wandel in der pädagogischen Praxis vollziehen würde, hin zu einer gleichberechtigten und gleichwertigen Teilhabe an Bildung für alle Menschen, könnten schließlich inklusive Felder im Bereich des Lernens entstehen (vgl. Feuser 2010, S. 19 f.).
Eine solche oder ähnliche Auffassung wird immer wieder auch von anderen Autoren in der Literatur zum inklusiven Bildungssystem wiedergegeben, so beispielsweise auch bei dem Sonderpädagogen Prof. Dr. Alfred Sander:
„Unter Inklusion kann man eine optimierte und erweiterte Integration verstehen: optimiert durch den Abbau der öfters noch beobachtbaren Schwächen der Integrationspraxis und erweitert durch die Einbeziehung aller Kinder und Jugendlichen mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen welcher Art auch immer“ (Sander 2008, S. 350).
Man sieht hier bereits, dass die beiden Begriffe nicht wirklich trennbar voneinander sind. Deshalb tauchen sie auch so oft in Verbindung miteinander auf. In der Begriffsdiskussion wird der Integrationsbegriff auch oft als der „zu überwindende“ und der Inklusionsbegriff als „der weiterführende“ genannt (vgl. Stein et al. 2010, S.10). Sie sind aber dennoch nicht synonym zu verwenden, da sie einen wichtigen Unterschied aufzeigen, der im Folgenden ausgeführt wird.
2.2 Definition und Abgrenzung der Begriffe Integration und Inklusion
Der Begriff Integration bedeutet so viel wie „Eingliederung“ oder „Einbeziehung“. Es geht also darum, „(…) Menschen mit besonderen Bedürfnissen in eine Gruppe von Menschen bzw. ein System von Menschen ohne Behinderungen aufzunehmen, d.h. Individuen einzugliedern, die vorher ausgeschlossen waren (…)“ (Eckert et al. 2010, S. 8). Die behinderten Individuen werden demnach in die Gesellschaft bzw. in das Bildungssystem mit einbezogen und von ihr bzw. von ihm aufgenommen, jedoch werden sie immer noch als eine getrennte Gruppe auf Grund ihrer Beein-trächtigungen angesehen.
Inklusion hingegen ist gleichzusetzen mit den Worten „Einschluss“ oder „Enthaltensein“, was bedeutet, dass von Anfang an niemand ausgeschlossen wird und somit auch keine Eingliederung mehr nötig ist. Menschen mit Behinderungen werden demnach nicht mehr getrennt von nichtbehinderten Menschen betrachtet und behandelt. Deshalb entfällt auch die Notwendigkeit der Integration von behinderten Menschen in die Lerngruppen von Nichtbehinderten. Der Inklusionsgedanke impliziert das Ziel, eine gemeinsame Beteiligung am gesellschaftlichen Leben und damit auch ein gemeinsames Lernen von Anfang an zu gewähren, und dabei die Verschiedenheit der Individuen außer Acht zu lassen (vgl. ebd.). Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen werden demnach nicht als zwei verschiedene Gruppen angesehen. So kann sich eine heterogene bzw. vielfältige Klasse entwickeln.
Die Umsetzung des Inklusionsgedankens betrifft jedoch nicht nur die pädagogische Ebene, sondern v.a. auch die (bildungs-) politische. Der Anspruch, dass Menschen mit besonderen Bedürfnissen in Deutschland Zugang zu den Regelschulen haben, stellt in Form des Artikels 24 der Behindertenrechtskonvention (BRK) mittlerweile ein Menschenrecht dar. Im nächsten Abschnitt soll aufgezeigt werden, wie es zur Entstehung dieses Menschenrechts kam, und welche Aspekte darin enthalten sind.
3. Der rechtlich verankerte Anspruch auf Inklusion im deutschen Bildungssystem als Menschenrecht
3.1 Die Salamanca-Erklärung
Ein bildungspolitischer Paradigmenwechsel wurde bereits im Jahre 1994 durch die Weltkonferenz der UNESCO[1] im spanischen Salamanca hinsichtlich einer Päda-gogik für besondere Bedürfnisse vorbereitet (vgl. Eckert 2010, S. 8). Dabei wurden die Artikel der sogennanten Salamanca-Erklärung von den zur damaligen Zeit existierenden 92 UNESCO-Mitgliedsstaaten – darunter auch Deutschland – unter-zeichnet (vgl. Van der Wolf 2010, S. 76). Die daraus hervorgehende Forderung lautet, das Angebot einer Bildung für alle Kinder sicherzustellen, die ohne Diskrimination auskommt und in ihrer Qualität hochwertig ist. Das impliziert, dass Menschen wegen ihrer besonderen Bedürfnissen, d.h. auf Grund ihrer Behinder-ungen nicht selektiert werden dürfen (vgl. Eckert 2010, S. 8). So steht beispiels-weise in Artikel 2 geschrieben:
„Wir glauben und erklären, (…) dass Regelschulen mit dieser integrativen Orientierung das beste Mittel sind, um diskriminierende Haltungen zu bekämpfen, um Gemeinschaften zu schaffen, die alle willkommen heissen, um eine integrierende Gesellschaft aufzubauen und um Bildung für Alle zu erreichen; (…)“ (UNESCO 1994, S. 2).
[...]
[1] Die UNESCO (Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur) hat zur Aufgabe, die Bereiche Erziehung, Wissenschaft, Kultur, Kommunikation und Information zu fördern, und Menschenrechtsbildung zu betreiben.