Der Arzt der Gegenwart ist meist ein hochangesehener Gesundheitsdienstleister mit akademischer Laufbahn und immer ein Spezialist auf seinem Gebiet. Doch neben den akademischen Ärzten, den Medici, wie sie sich nannten, stand das Gesundheitswesen in der frühen Neuzeit auf einem zweiten Bein, das so gar nicht in unser heutiges Ärzteverständnis passt: Der Wundarzt, er entstammte den Badern und Barbieren, war ein handwerklich organisierter Arzt. Für ihn galt Ordnung und Gesetz seiner Chirurgenzunft. Seine medizinischen Fertigkeiten wurden vom Meister an den Gesellen weitergegeben, ganz so wie es auch ein Schmied oder Maurer tat. Diese, oft fälschlicherweise als Laienärzte bezeichneten Wundärzte, deckten in weiten Teilen die medizinische Grundversorgung der Bevölkerung ab. Vom Aderlass bis zur Amputation kümmerten sie sich um einen Großteil der Krankheitsbilder, mit denen die frühneuzeitliche Bevölkerung Kontakt hatte 1 .
Wundärzte sind seit dem 19. Jahrhundert aus dem Alltag verschwunden und gingen voll in einer akademischen Laufbahn auf. Wichtige Weichenstellungen ihrer Entwicklung nahmen im 16. Jahrhundert ihren Lauf. Von da an kam es immer wieder zu Zusammenstößen zwischen gelehrt- ärztlichen und wundärztlichen Interessen, die sowohl direkt als auch über die Obrigkeit geführt wurden. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, welche Dienstleistungen und Kompetenzen die jeweiligen Lager für sich beanspruchen konnten. Konkret also wer welche Art von Krankheiten und Verletzungen behandeln durfte und wer in medizinisches Fragen gesetzgebende Instanz war. Viele Quellen belegen diese Entwicklung, vor allem ab dem 18. Jahrhundert nimmt ihre Dichte stetig zu.
Den Machtkampf zwischen akademischer und handwerklicher Medizin soll diese Analyse beleuchten. Hier ist zu beantworten, welche Art von medizinischen Leistungen die jeweiligen Lager für sich beanspruchten. Danach soll anhand vorhandener Literatur und Quellen untersucht werden, ob sich überhaupt eine ausgeprägte Konkurrenzsituation entwickelt hat oder ob vielmehr ein Austausch unter den Berufsgruppen dominierte. Es stellt sich folglich die Frage, aus welchen Gründen es zu dieser Situation in den vorzufindenden Ausprägungen kam. Ein besonderes Augenmerk soll schließlich auch auf die Rolle der Obrigkeit in diesem Auseinandersetzung gelegt werden. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Who is Who?
- Machtkampf? „Chirurgi“ und „Medici“
- Freibrief: „mag jederman dem andern helffen“
- Krise: „,soll keiner dem andern Eingriff thun“
- Teamwork: „in brüderlicher Harmonie“
- Niederlage: Wundärzte zwischen den Fronten
- Internes: Bader contra Barbier
- Schlussbemerkungen
- Literaturverzeichnis
- Literatur
- Quellen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Entwicklung der Beziehungen zwischen akademischer Medizin und handwerklicher Medizin in der frühen Neuzeit, insbesondere die Frage nach dem Machtkampf und der Zusammenarbeit zwischen Gelehrtenärzten und Wundärzten. Sie analysiert, welche medizinischen Leistungen die jeweiligen Gruppen für sich beanspruchten und ob eine ausgeprägte Konkurrenz oder eher ein Austausch zwischen den Berufsgruppen dominierte. Die Analyse beleuchtet auch die Rolle der Obrigkeit in diesem Prozess und stellt die Frage nach dem Zusammenhang zwischen dem Disput und dem allmählichen Verschwinden der Wundärztzünfte.
- Die Entwicklung der Beziehungen zwischen gelehrter und handwerklicher Medizin in der frühen Neuzeit
- Der Machtkampf um medizinische Leistungen und Kompetenzen
- Die Rolle der Obrigkeit in der Auseinandersetzung zwischen akademischer und handwerklicher Medizin
- Die Auswirkungen des Disputs auf die Entwicklung der Wundärztzünfte
- Die Bedeutung von Quellen und Forschungsmethoden für die Erforschung der Medizingeschichte
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die Entwicklung der Wundärzte als handwerklich organisierte Ärzte in der frühen Neuzeit. Sie stellt die Frage nach dem Machtkampf und der Zusammenarbeit zwischen gelehrter und handwerklicher Medizin und setzt den Schwerpunkt auf die Schweizer Regionalgeschichte.
Das Kapitel "Who is Who?" beschreibt die verschiedenen Berufsbezeichnungen und Tätigkeiten von handwerklich organisierten Ärzten. Es differenziert zwischen Wundärzten und „Medici“ und erklärt die Bedeutung der Zunftordnung für die Ausübung der Wundarztkunst.
Das Kapitel "Machtkampf? 'Chirurgi' und 'Medici'" untersucht die Entstehung von Zünften und Gesellschaften für Wundärzte. Es analysiert die frühe Freizügigkeit in der Ausübung medizinischer Tätigkeiten und die Monopolbildung der Wundärzte durch Zunftordnungen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den folgenden Schlüsselbegriffen: Wundärzte, handwerkliche Medizin, gelehrte Medizin, Machtkampf, Zusammenarbeit, Zunftordnung, Obrigkeit, Schweizer Regionalgeschichte, Medizingeschichte.
- Citar trabajo
- Hagen Schönherr (Autor), 2003, Machtkampf um Blut und Körper - Rivalität und Zusammenarbeit zwischen gelehrter Medizin und Handwerksärzten in der frühen Neuzeit, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/21207