Die Bügerlichkeit bei Thomas Mann


Hausarbeit (Hauptseminar), 2010

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis :

1. Einleitung

2. Bürger-Künstler bei Thomas Mann
2.1. Bürgerbegriff bei Thomas Mann
2.2. Künstlerbegriffbei Thomas Mann

3. Der kleine Herr Friedemann

4. Der Bajazzo

5. Tristan

6. Der Tod in Venedig

7. Mario und der Zauberer

8. Thomas Mann und die Politik

6. Schlussbetrachtung

1. Einleitung

In der vorliegenden Hausarbeit möchte ich zuerst auf die Künstler-Bürger Problematik anhand der Werke „Der Tod in Venedigs, „Tristan“, „Der Bajado“ und "Mario und der Zauberer" eingehen. Im zweiten Teil, bzw. in der Schlussbetrachtung, werde ich die politischen Veränderungen in Thomas Manns Leben in Bezugnahme auf sein Verständnis als Bürger und Künstler darlegen. Hierzu werden die „Betrachtungen eines 'Unpolitischen“, Tagebuchaufzeichnungen und Briefwechsel von Thomas Mann herangezogen. Abschließend werde ich durch die Ästhetik Thomas Manns, die politischen Stellungnahmen zu der jeweiligen Zeit betrachten.

Die Spannung zwischen Bürger und Künstler drängt sich bei Thomas Mann förmlich durch seine Biographie auf, da er einer Kaufmannsfamilie entstammt. Sein Vater war Thomas Johann Heinrich Mann, in dritter Generation Kaufmann eines Getreidegroßhandels. Die Mutter Julia Mann, geborene da Silva-Bruhns, in Brasilien aufgewachsen, ist die Person, auf die Thomas Mann in Bezug auf seine künstlerischen Neigungen verweist1.

Die Fragestellung zu seinen politischen Ansichten entwickelte sich aus der Tatsache, dass Thomas Mann ein Künstler war, der während einer Zeit extremer Veränderung sehr früh großen Erfolg hatte und aufgrund dessen mit seinen politischen Äußerungen und Ansichten Gehör fand. Anfänglich hat Thomas Mann sich mit der Bürgergesellschaft­Künstlerproblematik beschäftigt und Politik erscheint in seinen Frühwerken hingegen als eine Randerscheinung. Dennoch ist meines Erachtens die Herausarbeitung seines Gesellschaftsbildes, also des Bürgers, erforderlich, um die Grundlage für das Verständnis der politischen Einstellung Thomas Manns zu verstehen.

2. Bürger-Künstler bei Thomas Mann

Die Erziehung und Sozialisation Thomas Manns entsprachen zunächst der einer typischen damaligen Kaufmannsfamilie2. Durch den relativ frühen Tod seines Vaters, der das Unternehmen per Testament auflöste, anstatt das Unternehmen durch seine Kinder, weiterführen zu lassen, resultierte eine frühe finanzielle Unabhängigkeit der Brüder Mann, welche es ihnen ermöglichte, ihren Neigungen entsprechend zu leben.

Durch die Erbschaft war es Thomas Mann und seinem Bruder Heinrich möglich, ein relativ sorgenfreies Leben zu führen. Die Mutter schickte den Brüdern ca. 180 bis 190 Mark im Monat, was auch die Möglichkeit bot, sich mit Literatur und literaturtheoretischen Schriften zu beschäftigen3. Der Vater, bzw. der Tod seines, Vaters hat Thomas Mann in seiner Rolle als Bürger bzw. Künstler stark geprägt, worauf er in der Ansprache 1955 in Lübeck selbst hingewiesen4 hat. Dieser Aspekt ist insofern wichtig, als dass die Rolle des Vaters in den Kaufmannsfamilien entscheidend war. In der Beziehung zwischen Bürgervater und Bürgersohn wird die Rechtschaffenheit und Nützlichkeit der Bürgerlichkeit vererbt.5

In diesem frühen Lebensabschnitt führte Thomas Mann ein unkonventionelles Bürgerleben, er war in der Literaturszene Münchens und Schwabingens zu Hause in der entsprechend der Bohème gelebt wurde.

2.1. Bürgerbegriffbei Thomas Mann

Der Begriff Bürger ist in der Zeit Thomas Manns anders verstanden worden, als heutzutage.

Thomas Mann stellt im „Buddenbrook“ Roman das regierende und aristokratische Züge entwickelnde Großbürgertum Lübecks anschaulich dar6.

So wurde Thomas Mann, wie es zu damaliger Zeit typisch war, von einem Kindermädchen erzogen, um die bürgerliche Erziehung zu gewährleisten. Diese gehörten zwar nicht zum Großbürgertum, aber in aller Regel mindestens zum „guten Mittelstand“.7 Thomas Mann deutet zudem ein Klassenbewusstsein an, welches das Großbürgertum vom Mittelschichtsbürgertum und den Sozialdemokraten abgrenzt. Letztere sind dabei zwar im Sinne von Arbeitern, jedoch nicht im marxistischen Sinn, sondern im abgrenzenden Milieubewußtsein8 als Idee von „denen da unten“, zu verstehen9.

Der Begriff „Bürger“ entstammt der Ständeordnung, demnach ist ein Bürger jemand, der in einer Stadt lebt und einen Beruf ausübt. Die Ideale des Bürgers sind Fleiß, Sparsamkeit, Pünktlichkeit, Pflichterfüllung und Nützlichkeit. Ein Bürger, der nicht nach diesen Idealen lebt, ist verschwenderisch, lasterhaft, nicht zuverlässig und daher nicht nützlich für das Gemeinwesen. Der Bürgerbegriff entwickelte sich weiter zu einem staatsrechtlich relevanten Terminus. So war der Bürger nicht mehr ausschließlich ein wirtschaftlich definierter Stand, sondern wurde ein Staatsbürger an sich, der politisch partizipieren kann, aber auch in der Pflicht steht, seinen gesellschaftlichen Verpflichtungen, z.B. Steuern zu zahlen, nachkommen muss. Eine Weiterentwicklung des Bürgerbegriffs ist die „bürgerliche Geistigkeit“*10, in der Lehrer, Professoren, Juristen usw. sich von der ökonomischen Pflicht ein Gewerbe bzw. Unternehmen zu führen, lösen11, so dass es auch in Deutschland zu Unterschieden innerhalb der Bürgerschaft kam.

So kann Thomas Manns Bürgerbegriff auch als Gegenbegriff zum Dilettantismus sprich „moderner Künstler“ verstanden werden. Bei Max Weber12. wird der Dilettant dem Fachmann, einem Beamten gegenübergestellt. Thomas Mann übernimmt dies für seine Bürger-IKünstler-Problematik, indem er den Bürger meistens als Beamten darstellt, der durch „protestantische Leistungsethik“13 zum Bürger wird.

2.2. Künstlerbegriff bei Thomas Mann

Der frühe Künstlerbegriff bei Thomas Mann ist nicht ganz so eindeutig, da dieser sich im Laufe der Zeit verändert hat. Der junge Thomas Mann, der von seinem Vater als kaufmännisch wohl nicht gut genug befunden wurde, um das Unternehmen weiterzuführen, wählte dann die Rolle eines produktiven Künstlers.

Die Entwurzelung als Großbürger hin zu einem Künstler führten zu Außenseiterrolle, die in seinen Werken immer wieder ein wichtiges Motiv darstellen14.

In den theoretischen Schriften „Geist und Kunst“ (1910), „Auseinandersetzungen mit Wagner“ (1911) und „Der Künstler und der Literat“ (1913) hat Thomas Mann seine Vorstellung eines Künstlers bzw. der Kunst vorgestellt15.

In diesen Aufsätzen setzt sich Thomas Mann mit der Frage auseinander, ob ein Künstler „nicht ein Betrüger sei“, denn „Kunst soll im Irrationalen beheimatet sein(...), soll eine inspirierte Schöpfung sein und ein Künstler kein Macher, (...) der mit Tricks und Effekten Beifall erhascht und das Publikum manipuliert, also an die Manipulation des Publikums denkt und nicht an die Kunst selbst.“16

Thomas Mann selbst ist für eine effiziente Arbeitsweise bekannt, so ist überliefert, dass er jeden Tag eine Seite schrieb, ein Prozess der eher der Arbeitsweise eines Bürgers mit seinen Attributen entspricht, als dem eigenen Anspruch der inspirierten Schöpfung.17 Diese fundamentalen Unterschiede, also die berechnenden-analytische bürgerlichen Geistesarbeit mit dem schöpferisch-künstlerisch Genialen in Einklang zu bringen und damit eine Selbstlegitimation herzuleiten, versuchte Thomas Mann in der Anleihe bei Nietzsche. Der Einfluss Nietzsches auf Thomas Mann wird durch das Buch „Geburt der Tragödie“18 sichtbar, hier erläutert Nietzsche die Unterscheidung zwischen den Göttern Apollo19 und Dionysos20. Im Apollinischen wird die „Ratio, Erkenntnis, Raum und Zeit, Kausalität, Nüchternheit, Sicherheit und die Mäßigung hervorgehoben, während im Dionysischen (...) der Rausch, die Musik, das Tanzen, die Selbstvergessenheit und das glühende Leben (.. ,)“.21 Nietzsche hat in seinem Werk „Willen zur Macht“ dies definiert.22 „Mit dem Wort „dionysisch ist ausgedrückt: ein Drang zur Einheit, ein Hinausgreifen über Person, Alltag, Gesellschaft, Realität, über den Abgrund des Vergehens: das leidenschaftlich—schmerzliche Überschwellen in dunklere, vollere, schwebendere Zustände; ein verzücktes Jasagen zum Gesamt-Charakter des Lebens, als dem in allem Wechsel Gleichen, Gleich-Mächtigen, Gleich-Seligen; die große pantheistische Mitfreudigkeit und Mitleidigkeit, welche auch die furchtbarsten und fragwürdigsten Eigenschaften des Lebens gutheißt und heiligt; der ewige Wille zur Zeugung, zur Fruchtbarkeit, zur Wiederkehr; das Einheitsgefühl der Notwendigkeit des Schaffens und Vernichtens.

[...]


1 Hugh M. Ridley, Jochen Vogt: Thomas Mann. Hg. Wilhelm Fink. Paderborn 2009, S. 14.

2 Hugh M. Ridley, Jochen Vogt: Thomas Mann, S. 18.

3 Hermann Kurzke: Thomas Mann. Epoche — Werk — Wirkung. 4. Auflage. Hg. Wilfried Barner und Gunter E. Grimm. München 1997. S. 44.

4 Hermann Kurzke: Thomas Mann. Epoche — Werk — Wirkung. S. 50.

5 Hermann Kurzke: Thomas Mann. Epoche — Werk — Wirkung. S. 53.

6 Ludwig Fertig: Vor-Leben. Bekenntnis und Erziehung bei Thomas Mann. Darmstadt 1993, S. 13.

7 Ludwig Fertig: Vor-Leben. Bekenntnis und Erziehung bei Thomas Mann. S. 14.

8 Markus Schwingel: Pierre Bourdieu zur Einführung. Hamburg 1995, S. 12.

9 Peter de Mendelssohn: Der Zauberer. Das Leben des Schriftstellers Thomas Mann. Erster Teil 1875-1918. Frankfurt am Main 1975, S. 37.

10 A. Haverkamp: Bürger. In: Lexikon des Mittelalters. Hg. von Robert-Henri Bautier, Robert Auty (u.a.). Bd. 2. München 2002. S. 1006-1007.

11 Hermann Kurzke: Thomas Mann. Epoche — Werk — Wirkung. S. 48.

12 Barbara Beßlich: Faszination des Verfalls Thomas Mann und Oswald Spengler. Bonn 2002. S. 69.

13 Barbara Beßlich: Faszination des Verfalls Thomas Mann und Oswald Spengler. S. 71.

14 Hans Vaget: Kommentar zu sämtlichen Erzählungen. München 1984. S. 170.

15 Hans Vaget: Kommentar zu sämtlichen Erzählungen. 116.

16 Hermann Kurzke: Thomas Mann. Epoche — Werk — Wirkung. S. 91.

17 Heinz Gockel: Wagner — Nietzsche — Thomas Mann. Festschrift für Eckhard Heftrich. Frankfurt am Main 1993. S. 26.

18 Heinz Gockel: Wagner — Nietzsche — Thomas Mann. S 34.

19 Heinz Gockel: Wagner — Nietzsche — Thomas Mann. S 37.

20 Heinz Gockel: Wagner — Nietzsche — Thomas Mann. S 39.

21 Hans Ester: Zur Wirkung Nietzsches: Der deutsche Expressionismus ; Menno ter Braak, Martin Heidegger, Ernstjünger, Thomas Mann, Oswald Spengler. Würzburg/Königshausen 2001. S. 112.

22 Hans Ester: Zur Wirkung Nietzsches: Der deutsche Expressionismus. S. 131.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Die Bügerlichkeit bei Thomas Mann
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel
Note
1,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
17
Katalognummer
V213165
ISBN (eBook)
9783656412977
ISBN (Buch)
9783656414575
Dateigröße
479 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Anhand der Werke und der Einstellung Thomas Manns zur Politik (hier: Der Bajazzo, der Tod in Venedig, Der kleine Herr Friedemann, Mario und der Zauberer, die Rundfunkaufzeichnungen und politisch motivierten Texten ) wird das Verständnis der dynamischen Veränderung des Bürgertums in das Verhältnis zum Künstler gesetzt.
Schlagworte
bügerlichkeit, thomas, mann
Arbeit zitieren
Alexander Klawitter (Autor:in), 2010, Die Bügerlichkeit bei Thomas Mann, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/213165

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