Projekt Schüler-helfen-Schülern

Theorie und Praxis


Pre-University Paper, 2013

23 Pages, Grade: 1,4


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1.Theorie 1.1 Allgemeine Informationen zu Schüler-helfen-Schülern 1.1.1 Historischer Hintergrund 1.1.2 Kennzeichen 1.2 Argumente für Schüler-helfen-Schülern 1.3 Voraussetzungen

2. Praxis 2.1 Erwartungen der Beteiligten 2.1.1 Tutoren 2.1.2 Schüler 2.2 Gegenüberstellung LeyenHelp und Silentium 2.3 Rückblick: Haben sich die Erwartungen erfüllt? 2.3.1 Unsere Erwartungen 2.3.2 Rückmeldung eines Lehrers 2.3.3 Auswertung der anonymen Rückmeldebögen

Schlusswort

Anhang

Literaturverzeichnis

Internetquellen

Einleitung

Zunächst stellt sich die Frage: „Was ist Schüler helfen Schülern?“ Eine neue Form des sozialen Lernens? Förderunterricht für leistungsschwächere Schüler? Oder lediglich eine alternative Unterrichtsform zum Frontalunterricht?

„Schüler helfen Schülern“ steht für das Übertragen der Rolle des Lehrers auf einen Schüler, dessen Funktion darin besteht, meist Gleichaltrigen oder Jüngeren das Lernen zu erleichtern bzw. Hilfestellungen zum selbstständigen Lernen zu leisten.

Die in Deutschland lange Zeit nur sehr selten umgesetzte Idee des Einsatzes eines Schülers als lehrende Person wird in den letzten Jahren immer populärer. Auch unsere Schule hat sich vor etwa über einem Jahr dazu entschlossen und mit uns als Zugehörige der ersten Gruppe von Tutoren startete 2011 das Projekt LeyenHelp.

Unsere Facharbeit beschäftigt sich daher nicht nur mit dem theoretischen Modell „Schüler helfen Schülern“, sondern gewährleistet weiterführend einen Einblick in die Praxis anhand unserer Erfahrungen und Aufzeichnungen.

1.Theorie

1.1 Allgemeine Informationen zu Schüler-helfen-Schülern

1.1.1 Historischer Hintergrund

Dass Jugendliche jüngere bzw. gleichaltrige Schüler bei schulischen Leistungen unterstützt haben, weist schon seit Jahrhunderten eine Tradition auf. Eine aufwändige Recherche für gesundheitliche Aufklärung ergab, dass schon in der Antike Jugendliche anderen Kindern ihr Wissen weiter gegeben haben[1].Gegen Ende des 18. Jahrhunderts entstand in England das „monitorial system“. Dabei übernahmen die sogenannten „monitors“, ausgesuchte Schüler, bestimmte Funktionen und halfen Schülern bei ihren Aufgaben[2]. Dieses System wurde erstmals unter Leitung von Quäker Joseph Lancaster 1806 öffentlich anerkannt.

Während der industriellen Revolution zeigten sich durch die Anwendung der Methode wirtschaftlich positive Auswirkungen. Aufgrund finanzieller Notlage sollten Schüler als Tutoren ausgebildetes Lehrpersonal ersetzen. Lancasters Methode beeinflusste sogar das internationale Bildungssystem. Trotzdem wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts das „monitorial system“ zurück gestellt. Man kann diese Entwicklung mit der Erhöhung der dem Bildungswesen bereitgestellten finanziellen Mittel erklären[3].

Erst Anfang der sechziger Jahre kam erneut das Konzept der Schüler helfen Schülern Organisation in den Vordergrund. Durch die aufkommende Kritik an den Bildungswesen und durch den zunehmenden Lehrermangel wurden andere Alternativen gesucht. Zunächst waren es Organisationen für sozial benachteiligte oder lernbehinderte Kinder.

In Deutschland gab es schon seit dem Mittelalter vorläufige Ansätze, bei denen Tutoren Schüler unterrichtet haben oder Helfer, die die Lehrer unterstützt haben[4]. Jedoch wurde der Einsatz von Lernhelfern in Deutschland nicht wirklich anerkannt. Nur selten wurden Schüler als Tutoren eingesetzt oder gar Organisationen gegründet. Derzeit wird dieses Lernprinzip immer häufiger auch in Deutschland eingesetzt. Viele Schulen bieten dieses Programm an oder integrieren es sogar in den regulären Unterricht, so beispielsweise an der Max-Brauer-Schule in Hamburg[5].

1.1.2 Kennzeichen

Das Modell „Schüler helfen Schülern“ ist durch die Arbeit von Schülern mit Schülern charakterisiert, was noch keinen Unterschied zur gewöhnlichen Gruppenarbeit im Unterricht darstellt. Die Besonderheit von „Schüler helfen Schülern“ (ShS) besteht darin, dass hierbei einem Schüler, in der Regel dem älteren, Lehrerfunktionen übertragen wird. Für diesen Schüler, dem sogenannten Tutor, eröffnet sich dadurch das „Lernen durch Lehren“[6] (vgl.1.2).

Das ShS-Prinzip kann unterschiedlich umgesetzt werden. Meist findet es im Rahmen der Schule statt, entweder in Form einer Umstrukturierung des Frontalunterrichts, indem einem Schüler Einheiten des Lehrstoffs übertragen werden, die dann einem anderen Schüler vermittelt werden, oder separat, als eine Form der Nachhilfe nach dem regulären Unterricht. Ebenso ist es möglich, außerhalb der Institution Schule diese Methode projektartig aufzubauen. Ein Beispiel dafür ist „Jugend hilft Jugend“ in den USA (McCloskey/Kleinbard 1974)[7].

1.2 Argumente für Schüler-helfen-Schülern

Das Einführen bzw. die Integration eines „Schüler-helfen-Schülern“-Programms in einer Schule kann theoretisch, aber auch aufgrund von unseren Erfahrungen als Tutoren begründet werden. Dabei wird nicht nur auf den Nutzen für die zu unterrichtenden Schüler, sondern auch auf den für die weiteren Beteiligten eingegangen.

„Schüler-helfen-Schülern“ hat in erster Linie dieselbe Zielsetzung wie die einer Nachhilfe. Es geht dabei um die Unterstützung leistungsschwächerer Schüler. Ein entscheidender Unterschied besteht jedoch darin, dass diese alternative Form von Nachhilfe ebenso eine Leistungssteigerung bei dem Tutor bewirkt. Dieser Effekt ist bekannt unter der These „Lernen durch Lehren“, die besagt, dass man durch das selbstständige Erschließen von Lernstoff, die Weitervermittlung der Informationen an Mitschüler, das anschließende Überprüfen, ob der Inhalt vermittelt werden konnte, und das Finden von geeigneten Übungen, zur Verinnerlichung des Stoffs, am besten lernt[8].

Als weiterer Vorteil für den Tutor erwies sich die Position, die er in seiner Tätigkeit als Lehrender einnimmt, diese ist seiner künftigen Erwachsenenrolle sehr ähnlich. Er erlernt soziale Kompetenzen[9], die ihn beispielsweise auf die Rolle als Elternteil oder auf die Tätigkeit in einem Beruf im pädagogischen Bereich vorbereitet. Des Weiteren legt ShS die Basis für das allgemeine Berufsleben, der Tutor lernt eigenverantwortlich und selbstständig zu arbeiten, indem er automatisch Konzepte und Methoden des Lehrens optimiert und entwickelt. Beide Schlüsselqualifikationen sind in den meisten Berufen erwünscht oder sogar Voraussetzung und müssen im Berufsalltag reproduziert werden[10].

Ein eher ungewöhnlicher Aspekt ist der minimale Altersunterschied. Die geringere soziale, emotionale und kognitive Distanz zwischen dem Tutor und dem Schüler[11] gestattet dem Lehrenden durch den vergleichbaren Erfahrungshorizont und Wissensstand das Wissen verständlicher zu vermitteln.

Die vergleichbar große Distanz zwischen Lehrkraft und Schüler ist dagegen eine der Ursachen, weshalb Lehrer oftmals nicht in der Lage sind, auf das Verhalten eines Jugendlichen positiv einzuwirken. Begründet ist dies in der Notwendigkeit von Vertrauen und Verständnis zwischen der beeinflussenden Person und dem Kind bzw. Jugendlichen. Das nötige Verhältnis ist aber bei der klassischen Schüler-Lehrer-Situation nur schwer herzustellen. Im Unterschied dazu haben Personen ähnlichen Alters einen stärkeren Einfluss auf Verhaltensmodifikationen – im Positiven wie im Negativen. Ein Grund hierfür ist nach Raven (1974) die Eigenschaft, dass Jüngere andere ‘Typen des Einflusses‘ ausüben, nämlich Einfluss durch Belohnung, Identifikation und positiver Beziehung, während Lehrer die Einflussformen Legitimität und Zwang, also Einfluss durch Bestrafung und Drohung, vertreten[12].

Darüber hinaus erfüllen die Lernhelfer viele der Erwartungen, die eigentlich an den Lehrer als „ewig überforderter Universalrollenträger“[13] gestellt sind. Ihm wird von der Gesellschaft eine sehr umfangreiche Aufgabe zugeschrieben, er soll ein Vermittler von Wissen, Werten, aber auch sozialen Kompetenzen sein, er soll fordern und fördern und dabei stets fair gegenüber all seinen „Klienten“ sein[14]. Doch er kann angesichts mehrerer Gegebenheiten seiner zugeschriebenen Rolle kaum gerecht werden. Insbesondere das in den Schulen vorherrschende „Selektionsprinzip“, welches eine Forderung nach Gerechtigkeit nach sich zieht, repräsentiert ein bedeutendes Problem. Es steht der Förderung leistungsschwacher Schüler entgegen und führt zu Protesten bei deren Eltern. Umgekehrt fordern Eltern leistungsstarker Schüler „Gleichbehandlung“ von den Lehrern. Im Endeffekt werden dadurch selbst engagierte Lehrkräfte daran gehindert, sich um hilfebedürftige Schüler zu kümmern[15].

Erschwert wird die Situation durch die viel zu großen Klassen[16]. 2010 war durchschnittlich ein Lehrer für 16 Schüler verantwortlich[17]. Auf einzelne Schüler einzugehen ist daher nur selten möglich, obwohl dies für die Bildung erforderlich wäre. Folglich liegt in der „face-to-face“-Situation großes Potential, um die Stärken und Schwächen einzelner Schüler zu erkennen und auf sie einzugehen.

Eine unbekanntere Auswirkung des ShS-Programms ist dessen Einfluss auf die Struktur der Schule, indem es bestehende Rollenprobleme löst. Zu den Problemen zählt vor allem die versteifte Schüler-Schüler-Interaktion. Klassenübergreifende Kooperation ist kaum vorhanden und führt daher zu Konflikten zwischen den verschiedenen Schülergruppen. Durch das Tutorenprogramm entstehen neue Gruppenbeziehungen und Vorurteile gegenüber Schülern anderer Altersgruppen werden widerlegt[18]. Zudem wird auch das verhärtete Schüler-Lehrer-Verhältnis aufgelockert. Die „Tutoren treten als Vermittler zwischen den Diskursgemeinschaften von Lehrenden und Lernenden auf und leisten somit Hilfe zur Selbsthilfe für das bessere Verstehen zwischen beiden Diskursen“[19].

Umgekehrt werden auch Kausalzuschreibungen, die der Lehrer durch eigene oder Erfahrungen anderer gebildet hat und meist nicht realitätsgerecht sind, entkräftet. Ein Beispiel einer solchen Annahme ist das Bild des „schlechten“ Schülers, der infolge von Faulheit oder begrenztem Intellekt ungenügende Leistung erbringt. Das beschriebene Bild wird dann unbewusst auf andere Schüler mit ähnlichen Noten übertragen und sind damit abgeschrieben[20]. Ebendiese Schüler haben durch die Teilnahme an ShS die Chance zu beweisen, dass sie sich um einen Ausgleich ihrer Defizite bemühen. Der Lehrer hat zusätzlich die Option sich bei dem zuständigen Tutor zu erkundigen, inwieweit ein bestimmter Schüler ehrliches Interesse an der Nachhilfe zeigt.

Bei dem Einsatz selbst leistungsschwacher Schüler als Lernhelfer, kann bei ihnen derselbe Effekt auftreten. Ist das der Fall, so sollte jedoch beachtet werden, welchen Einfluss Lehrer auch auf Tutoren haben und dass es wichtig ist, engagierte Schüler die Jüngeren mit ihrem Wissen helfen wollen verbal zu belohnen[21].

[...]


[1] Pforr/Kleiber (1998): http://webdoc.sub.gwdg.de/ebook/diss/2003/fu-berlin/2002/1/kapitel03.pdf (Recherche vom 25.09.12)

[2] Allen, V.L. (1976): Children as teachers: Theory and Research on Tutoring. New York

[3] Feldmann, Klaus (2002): Schüler helfen Schülern. Hannover, S.2f

[4] vgl. die ausführlichere Darstellung bei Krüger 1975, S. 15 ff.

[5] Ebel, Christian: „Peer Education“, http://www.vielfalt-lernen.de/2012/10/04/%E2%80%9Epeer-education-schuler-helfen-schulern/ (Recherche vom 03.10.12)

[6] Feldmann, Klaus (2002): Schüler helfen Schülern. Hannover, S.2f

[7] Ebda., S.5

[8] Kelchner, R./Martin, J.-P. (1998): „Lernen durch Lehren“; In: Timm, J.-P. (Hg): Englisch lernen und lehren. Didaktik des Englischunterrichts. Cornelsen, Berlin, S. 211

[9] Ebel, Christian: „Peer Education“, http://www.vielfalt-lernen.de/2012/10/04/%E2%80%9Epeer-education-schuler-helfen-schulern/ (Recherche vom 26.10.12)

[10] Feldmann, Klaus (2002): Schüler helfen Schülern. Hannover, S.9-12

[11] Ebda., S.20

[12] Ebda., S.16-20

[13] Ebda., S.9

13 http://tu-dresden.de/die_tu_dresden (Recherche vom 20.09.12)

[15] Feldmann, Klaus (2002): Schüler helfen Schülern. Hannover, S.18

[16] Hertzfeld, Eva: Lehrermangel und zu große Klassen, http://www.presseportal.de/pm/57564/1230964/

lehrermangel-und-zu-grosse-klassen-hauptbedrohung-fuer-bildungsqualitaet-20-000-lehrer-fehlen-im (Recherche vom 01.09.12)

[17] http://appsso.eurostat.ec.europa.eu (Recherche vom 02.11.12)

[18] Feldmann, Klaus (2002): Schüler helfen Schülern. Hannover, S.9

[19] Bräuer, Gerd (2007): Schüler helfen Schülern. Schreibberatung in der Schule.; In: Informationen zur Deutschdidaktik: Zeitschrift für den Deutschunterricht in Wissenschaft und Schule. S.45

[20] Feldmann, Klaus (2002): Schüler helfen Schülern. Hannover, S. 10

[21] Ebda., S.19

Excerpt out of 23 pages

Details

Title
Projekt Schüler-helfen-Schülern
Subtitle
Theorie und Praxis
Course
Nachhilfe
Grade
1,4
Author
Year
2013
Pages
23
Catalog Number
V213266
ISBN (eBook)
9783656430322
ISBN (Book)
9783656436966
File size
2700 KB
Language
German
Keywords
Schüler helfen Schülern, ShS, Tutorenprogramm, Schüler unterrichten, Tutory
Quote paper
Sophie-Eileen Gierend (Author), 2013, Projekt Schüler-helfen-Schülern, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/213266

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