Qualitative Inhaltsanalyse


Dossier / Travail, 2012

26 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhalt

1. Einleitung

2. Was ist die qualitative Inhaltsanalyse?

3. Qualitative und quantitative Analyseelemente

4. Die drei Grundformen der qualitativen Inhaltsanalyse

5. Ablauf der qualitativen Inhaltsanalyse

6. Möglichkeiten und Grenzen

7. Anwendungsbeispiele

8. Praktische Erfahrungen und Fazit

9. Literatur

Anhang A: Ablaufmodell und Regelwerk der zusammenfassenden Inhaltsanalyse

Anhang B: Tabelle für die zusammenfassende Inhaltsanalyse

1. Einleitung

Qualitative Verfahren erzeugen oftmals eine große Menge an Material. So können sich mehrere Interviews nach der Transkription schon auf eine Vielzahl von Seiten erstrecken: als Faustregel gilt hier, dass eine Interviewminute schon eine ganze Seite im Transkript füllt. Der Deutungstext oder weitere Erläuterungen zu den Interviews können diesen Umfang an Material noch erweitern (vgl. Bortz/Döring, 2009, S. 329).

Um solch große Datenmengen zu bearbeiten und systematisch auszuwerten hat die Inhaltsanalyse und speziell die qualitative Inhaltsanalyse in den letzten Jahren vermehrt in der empirischen Forschung Einzug gehalten. Man kann sogar sagen, dass Techniken qualitativer Inhaltsanalyse in den Sozialwissenschaften zu einer Standardmethode der Textanalyse geworden sind.

Erste Vorschläge für qualitative Inhaltsanalyse gab es bereits in den 1950er Jahren, als ausgefeilteste und populärste Vorgehensweise gilt heute jedoch wohl die nach Phillip Mayring, die dieser bereits vor dreißig Jahren entwickelte und immer weiter fortführt (vgl. Wagner, 2006, S. 172; Mayring, 2010, S. 601). Die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring soll daher auch im Fokus dieser Arbeit stehen.

Die qualitative Inhaltsanalyse ist dabei ein Interpretationsverfahren, das der Analyse bereits erhobenen Materials dient. Damit unterscheidet sie sich von vielen Methoden der qualitativen Sozialforschung, in deren Mittelpunkt die Erzeugung von Daten steht beziehungsweise die Erhebung und Interpretation eng miteinander verknüpft sind (vgl. Strauss 1994, S.53 zit. nach Wagner, 2006, S.170). Es handelt sich um ein datenreduzierendes Verfahren, das vor allem geeignet ist, um verschiedene Texte, wie etwa Interviews, zu vergleichen (vgl. Hussy/Schreier/Echterhoff, 2010, S. 245), wobei es möglich wird auch große Materialmengen zu bearbeiten. Basis der zusammenfassenden Deutung des Materials bildet ein elaboriertes Kategoriensystem. Dabei ist es Ziel der qualitativen Inhaltsanalyse, die manifesten und latenten Inhalte des Materials in ihrem sozialen Kontext und Bedeutungsfeld zu interpretieren. Es wird eine Interpretation angestrebt, die intersubjektiv nachvollziehbar und möglichst erschöpfend ist (vgl. Bortz /Döring, 2009, S. 329).

Jedoch ist die qualitative Inhaltsanalyse schwer auf „einen Nenner“ zu bringen. Es existiert eine Vielfalt von Verfahren und der Anspruch die Techniken auf das jeweilige konkrete Untersuchungsmaterial abzustimmen, erlaubt es nur, grobe Richtlinien für die qualitative Inhaltsanalyse zu formulieren. Dennoch soll diese Arbeit einen Überblick über die qualitative Inhaltsanalyse, im speziellen über die Theorie Mayrings liefern.

Im weiteren Verlauf soll zunächst eine Definition der qualitativen Inhaltsanalyse versucht werden, sowie wichtige Merkmale des Verfahrens aufgeführt werden. Im Anschluss daran wird das Verfahren methodisch eingeordnet und genauer betrachtet, welche Elemente qualitativer und quantitativer Analysen sich darin finden lassen. Um die qualitative Inhaltsanalyse näher zu beschreiben, sollen dann die drei Grundformen, Explikation, Strukturierung und Zusammenfassung, dieser Methode kurz erläutert und anhand eigens erdachter Beispiele bildhaft gemacht werden. Im Folgenden wird der Ablauf der qualitativen Inhaltsanalyse vorgestellt, mit Fokussierung auf die zusammenfassende Inhaltsanalyse, um einen detaillierten Einblick in die Durchführung der Methode zu erhalten. Zudem soll die Arbeit mit einer Darstellung von Möglichkeiten und Grenzen der vorgestellten Methode sowie mit beispielhaften Anwendungsmöglichkeiten ergänzt werden. Um ein abschließendes Fazit zu diesem Verfahren abzugeben, sollen Erfahrungen aus einer praktischen Übung mit diesem berichtet und kurz ausgewertet werden, sowie eine kurze Einschätzung des Verfahrens versucht werden.

2. Was ist die qualitative Inhaltsanalyse?

In dem folgenden Abschnitt soll die Methode der qualitativen Inhaltsanalyse kurz dargestellt und beleuchtet werden. Dabei wird sich vornehmlich auf Mayring/ Brunner (2009) und Mayring (2002) gestützt, um eine Definition zu versuchen.

Hinsichtlich der Definition qualitativer Inhaltsanalyse ist zu betonen, dass „[…]die Inhaltsanalyse und die Qualitative Inhaltsanalyse im Besonderen als Auswertungstechnik, als eine Form der Datenanalyse und Textinterpretation“ verstanden werden kann (Mayring/ Brunner, 2009). Die qualitative Inhaltsanalyse als ein Untersuchungsinstrument „ […] will Texte systematisch analysieren, indem sie das Material schrittweise mit theoriegeleitet am Material entwickelten Kategoriensystemen bearbeitet.“ (Mayring, 2002, S. 114). Die Kritik der Methode richtet sich gegen die bis dato nicht berücksichtigten Kontextbeobachtungen der vorliegenden Textfragmente, die latent zugrundeliegenden Sinngebungen und –strukturen, die markanten Einzelfälle oder sogar Extremfälle, sowie der intern nicht vorkommenden Sachverhalte (Mayring, 2002).

Der Ursprung dieser Methode ist in der frühen Kommunikationswissenschaft um 1900 zu finden, in der sie angewandt wurde. Zunächst wurde sie speziell in den USA zur meist quantitativen Auswertung und Erforschung von Massenmedien gebraucht. Dieser enge Anwendungsbereich hat sich in den letzten Jahren aufgelöst und wurde von einem breiten Spektrum von Einsatzmöglichkeiten in unterschiedliche Forschungszusammenhänge abgelöst (Mayring, 2002; Fuhs, 2007). Die vorgestellte Untersuchungsmethode hat im Laufe der letzten Jahre zusehends in unterschiedlichen Wissenschaftsbereichen Anwendung gefunden und ist als eigenständige qualitative Methodik anzuerkennen. Im Punkt 4 wird detaillierter auf die für die qualitative Inhaltsanalyse typischen Grundformen eingegangen, zuvor soll die qualitative Inhaltsanalyse jedoch methodisch eingeordnet werde.

3. Qualitative und quantitative Analyseelemente

Die Inhaltsanalyse an sich umfasst eine Reihe von Verfahren: von quantitativen Inhaltsanalysen, wie sie heute vor allem in der Kommunikationswissenschaft zur Anwendung kommen, bis hin zur so genannten qualitativen Inhaltsanalyse (vgl. Hussy et al., 2010, S. 245), die im Fokus dieser Arbeit stehen soll.

Die qualitative Inhaltsanalyse hat dabei jedoch ihre Ursprünge in der quantitativen Inhaltsanalyse. Diese wurde in den Kommunikationswissenschaften zunächst als rein quantitative Analysetechnik entwickelt (vgl. Mayring, 2010, S. 601). Aus der Kritik an dieser quantitativen Inhaltsanalyse, in der lediglich Textbestandteile ausgezählt wurden, entwickelte sich ab Mitte des 20. Jahrhunderts die qualitative Inhaltsanalyse (vgl. Wagner, 2006, S. 171; Mayring/Brunner, 2009, S. 672). Rein quantitative Inhaltsanalysen vernachlässigen Kritikern zufolge den Einfluss des Kontextes auf die jeweilige Textstelle und die latenten Sinnstrukturen im Text (vgl. Mayring, 2010, S. 602). Die qualitative Inhaltsanalyse führt mit der Zuordnung der Textteile zu Kategorien einen Interpretationsakt ein, der diese latenten Zusammenhänge berücksichtigen soll. Die starke Abgrenzung der so entstandenen qualitativen Inhaltsanalyse von der quantitativen Inhaltsanalyse führte jedoch zu einer Überbetonung der Unterschiede zwischen beiden (vgl. Wagner, 2006, S. 172). Die Entwicklung der qualitativen Inhaltsanalyse spiegelt so auch den Streit zwischen den Vertretern qualitativer und quantitativer Ansätze wieder. Jedoch wird mittlerweile die strikte Gegenüberstellung von qualitativer und quantitativer Forschung in weiten Teilen der methodologischen Diskussion nicht mehr für sinnvoll erachtet, sondern es werden vermehrt Modelle des so genannten Methodenmix vertreten, in denen die qualitative und quantitative Analyse kombiniert werden soll. Phillip Mayring, der das detaillierteste Konzept einer qualitativen Inhaltsanalyse vorschlägt und dessen Ansatz daher im Fokus dieser Arbeit steht, schließt sich diesem Vorschlag der Verbindung der beiden Forschungsrichtungen an. Er spricht bei seinem Konzept der Inhaltsanalyse von qualitativ orientierter Forschung, bei der er nach Verbindungen mit quantitativen Analyseschritten sucht (vgl. Mayring/Brunner, 2009, S. 672). Die qualitative Inhaltsanalyse stellt für ihn also die Verbindung zwischen beiden Richtungen dar. Daher schlägt er auch die Bezeichnung als „qualitativ orientierte Inhaltsanalyse“ oder „qualitativ-quantitative Inhaltsanalyse“ (ebd., S. 672) als weitaus treffender vor.

Im Zentrum des inhaltsanalytischen Vorgehens steht fast immer die Anwendung eines Kategoriensystems auf das zu untersuchende Material. Diese Kategorien müssen jedoch erst erarbeitet und am Material ausprobiert werden. Die Prozesse der Kategorienentwicklung und Kategorienanwendung sind nach Mayring qualitativ orientiert Die Zuordnung der Kategorien zu Textstellen stellt demnach eine regelgeleitete Interpretation dar. Weitere Analysen dieser Kategorienzuordnungen der Testteile können dann auch quantitativ orientiert sein. So können beispielsweise Häufigkeits-, Unterschieds- oder Zusammenhangsanalysen basierend auf der qualitativen Arbeit mit dem Kategoriensystem durchgeführt werden. Solche quantitativen Operationen können dabei nicht für sich allein stehen. Sie dienen vielmehr an dieser Stelle als Hilfsmittel, um zu Aussagen über den Gegenstand zu kommen (vgl. Mayring 2008, S. 19).

Nach Mayring bleiben auch die rein quantitativ angelegten Inhaltsanalysen auf qualitative Elemente angewiesen, dies gilt vor allem bei der Interpretation eines Textes. Ergebnisse quantitativer Analysen müssen immer auf die vorausgehende Fragestellung bezogen werden, also auf diese zurückgeführt werden. Dies sind wiederum eindeutig qualitative Schritte (vgl. ebd.).

Mayring beschreibt bei seiner qualitativen Inhaltsanalyse eine grundsätzliche Abfolge im Forschungsprozess, nämlich von der Qualität zur Quantität und wieder zur Qualität. Zu Beginn des Forschungsprozesses erfolgt eine qualitative Analyse bezogen auf die Fragestellung, auf die Begriffs- und Kategorienfindung und die Analyseinstrumente. Daran knüpfen qualitative oder quantitative Analysen an. Das Analyseinstrument wird je nach Gegenstand und Ziel der Analyse angewendet. Es ist wird an dieser Stelle möglich, quantitative Verfahren zur Hilfe zu nehmen. Der abschließende Schritt ist dann wieder eine qualitative Analyse. Die Ergebnisse werden dabei auf die Fragestellung rückbezogen und entsprechend interpretiert (vgl. ebd., S. 20).

Als typisch qualitativ bei der Inhaltsanalyse lässt sich die Flexibilität der Anpassung an unterschiedliche Materialien einstufen. Typisch quantitativ an ihr ist wiederum die Systematik des Vorgehens bei der Analyse, also die starke Regelgeleitetheit.

Ein weiterer Einfluss der quantitativen Forschung auf die inhaltsanalytische Arbeit wird bei der Betrachtung der Gütekriterien deutlich. Hier werden inhaltsanalytische Kriterien meist an den klassischen Güterkriterien der quantitativen Forschung diskutiert (vgl. Mayring/Brunner, 2009, S. 677).

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Inhaltanalyse zwischen qualitativer und quantitativer Forschung steht. Es lassen sich Elemente aus beiden Paradigmen in diesem Auswertungsverfahren nachweisen (vgl. Hussy et al., 2010, S. 245). Damit steht die Inhaltsanalyse sozusagen zwischen den Fronten und nimmt im Streit der Paradigmen eine Art Zwischenstellung ein (vgl. Mayring, 2010, S. 602; Mayring/Gläser-Zikuda, 2008, S. 9).

4. Die drei Grundformen der qualitativen Inhaltsanalyse

Die qualitative Inhaltsanalyse wird meist in die Grundformen der Zusammenfassung, der Explikation und der Strukturierung unterteilt, auf die nun näher eingegangen werden soll. Je nach Blickwinkel des Forschers oder des Forscherteams, der Intention, der Fragestellung und des zugrunde liegenden Materials fällt die Entscheidung für eine der drei Grundformen unterschiedlich aus. Dies lässt sich in der Tatsache begründen, dass jede der drei Formen einem für sie speziellen Ablaufmodell und einer für sie speziellen Vorgehensweise unterliegen und somit je nach Auswahl der Grundform unterschiedliche Ergebnisse zutage bringen können.

Die zusammenfassende Inhaltsanalyse besitzt den Schwerpunkt, das Material zu reduzieren, indem wesentliche Inhalte des Materials herausgefiltert und durch eine höhere Abstraktionsebene eine Art Abbild des Grundmaterials geschaffen wird (Mayring, 2002; Fuhs, 2007). Diese Abstraktionsebene entsteht dadurch, als dass durch die Filterung wichtiger Inhalte und die Formulierung von reduzierten Kategorien das Material in seiner Struktur nicht verändert, aber zusammengefasst wird. Ein Beispiel könnte hier sein, Textbestandteile, die Hürden, Erfolgserlebnisse und Noten im schulischen Kontext ansprechen, als „Schulerfahrungen“ zusammenzufassen. Die Materialparaphrasierung erfolgt dabei mit a) Streichung bedeutungsgleicher/ unwichtiger Passagen (1. Reduktion) und b) Bündelung ähnlicher Paraphrasen (2. Reduktion), wodurch ein abstraktes Abbild des zugrunde liegenden Materials entsteht (Flick, 2009).

Die strukturierende Form ist dafür geeignet einen Überblick über das Material mithilfe gebildeter Kategorien zu erlangen oder das Material mithilfe einer Filterung bestimmter Aspekte einzuschätzen (Mayring, 2002; Fuhs, 2007). Flick fasst die strukturierende Inhaltsanalyse unter den Begriffen der Typensuche und der Findung formaler Strukturen durch formale, inhaltliche, typisierende sowie skalierende Strukturierungen zusammen (Flick, 2009). Als Beispiel kann hier angeführt werden, dass sich diese Methode als günstig erweist, wenn durch eine Forschergruppe offene Interviews geführt werden und in der Auswertung dieser auf einen speziellen Aspekt eingegangen wird. Auch ist es denkbar, dass beispielsweise bei Interviews mit Lehrkräften bestimmte Typen von Lehrformen herausgefiltert werden sollen: „reformpädagogisch“, „traditionell-frontal“ oder ähnliches.

Die explizierende Inhaltsanalyse stellt in dem Sinne einen Gegensatz zur zusammenfassenden Inhaltsanalyse dar, als dass es bei der explizierenden Version um eine Klärung widersprüchlicher und uneindeutiger Textstellen durch das Kontextmaterial (enge und weite Kontextanalyse möglich) geht (Flick, 2009). Um das Verständnis bezüglich des Materials zu erweitern, werden hierbei zusätzliche Materialeinheiten hinzugezogen. Diese Explikationsquellen können nach Mayring (2002) zum einen das direkte Textumfeld des betreffenden fraglichen Fragments (enger Textkontext) und zum anderen über das Textumfeld hinausgehende Informationen über den Autor, das kulturelle Umfeld, die Entstehungsgeschichte, die Adressaten, die Intention und andere verbale oder non-verbale Informationen sein (weiter Textkontext). Zum Beispiel könnten Interviews mit Politikern durch die Hinzunahme von explizierenden Informationen zum besseren Verständnis führen. Das Material könnte dann ausführlicher gestaltet werden, wenn Informationen hinzugezogen werden, die beispielsweise beschreiben, ob der Wahlkampf begonnen hat oder die Partei, in der der Politiker ist mit einer anderen eine Koalition anstrebt und eventuell von den traditionellen parteilich verankerten Werten ablässt.

[...]

Fin de l'extrait de 26 pages

Résumé des informations

Titre
Qualitative Inhaltsanalyse
Université
University of Potsdam  (Institut für Erziehungswissenschaft)
Cours
Inhaltsanalyse in der empirischen Bildungsforschung
Note
1,7
Auteur
Année
2012
Pages
26
N° de catalogue
V213743
ISBN (ebook)
9783656423027
ISBN (Livre)
9783656423508
Taille d'un fichier
813 KB
Langue
allemand
Mots clés
Qualitative Inhaltsanalyse, Mayring
Citation du texte
Ricarda Albrecht (Auteur), 2012, Qualitative Inhaltsanalyse, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/213743

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