Die Entstehung des Souveräns im Leviathan. Seine Rechte. Seine Pflichten.


Dossier / Travail, 2012

24 Pages, Note: 2,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Ursachen, Erzeugung und Definition des Souveräns
2.1 Ursachen und Entstehung des Souveräns
2.1.1 Der Mensch und der Naturzustand
2.1.2 Vom Naturzustand zum Leviathan
2.2 Definition des Souveräns und zwei Arten von Souveränität

3. Rechte und Pflichten des Souveräns
3.1 Rechte des Souveräns
3.2 Pflichten des Souveräns

4. Schluss

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„So liegen also in der menschlichen Natur drei hauptsächliche Konfliktursachen: Erstens Konkurrenz, zweitens Mißtrauen, drittens Ruhmsucht.“[1] Mit diesem Zitat beschreibt Thomas Hobbes vortrefflich das menschliche Miteinander in einem Stadium, das er selbst als Natur- bzw. Kriegszustand beschreibt.

Hobbes selbst war politischer Philosoph in der Mitte der abendländischen Tradition und gilt als Fremdkörper von der britischen Insel und gleichsam als Sündenbock sowohl dort als auch auf dem Kontinent. Dennoch fasziniert er mit seiner frisch und modern wirkenden Lehre aufgrund seines (scheinbaren?) Realismus und unsentimentalen Analyse bis heute.[2]

Der Leviathan, sein Meisterwerk, das 1651 erschien und aus dem zugleich das obige Zitat entstammt, zählt unanzweifelbar zu den bedeutendsten Schriften in der Historie der politischen Theorie. Darin formuliert Hobbes den Anfang eines neuzeitlichen Verständnisses von Souveränität und Staat[3]. Im Herzen steht also eine Staatskonzeption, die den Übergang des Menschen im Naturzustand durch einen Gesellschaftsvertrag hin zum Untertan eines künstlichen Dritten, von Hobbes so genannten Leviathan, beschreibt.[4] Dennoch handelt es sich bei diesem Teil des Werkes nur um einen kleinen Ausschnitt, denn in vorangehenden Kapiteln legt Hobbes den Grundstein für seinen Leviathan, und in den nachfolgenden Kapiteln versucht er seine Staatslehre in der christlichen Lehre zu bestätigen.[5]

Die vorliegende Arbeit stützt sich allerdings fast ausschließlich auf den von mir als Herzstück bezeichneten Ausschnitt. Kenntnisse über die Grundlagen, die Hobbes zuvor beschreibt, werden vorausgesetzt und nur teilweise mit einbezogen, wo dies für die Argumentation notwendig ist. Ziel der Ausarbeitung ist es, den Leviathan näher zu beleuchten, indem untersucht wird, wie und warum er entsteht, und welche Rechte und Pflichten er innehat. Daneben soll abschließend ein Versuch unternommen werden, warum Hobbes dieses Staats-Wesen ausgerechnet als Leviathan bezeichnete – einem Wesen, das laut dem Buche Hiob nur einmal auf Erden ist, ohne Furcht, und das zudem „König über alles stolze Wild ist“[6].

2. Ursachen, Erzeugung und Definition des Souveräns

2.1 Ursachen und Entstehung des Souveräns

2.1.1 Der Mensch und der Naturzustand

Hobbes beschreibt sein Menschenbild als ein materialistisches. Denn der Mensch ist eine Ansammlung bewegter Materie[7], welche aufgrund steter und anhaltender Effekte entsteht. Der Mensch verhält sich dabei sowohl zu sich selbst als auch zu seiner Bewegung, d.h. er sehnt sich infolge seines Triebs nach bestimmten Dingen, wogegen er andere hinsichtlich einer Abneigung zu meiden versucht. Objekte der Triebe sind dabei gut, Objekte der Abneigung hingegen böse, wobei diese Einschätzung immer subjektiv ist.[8]

Daraus erwächst ein Zustand des menschlichen Miteinanders, der sich durch folgende fünf Charakteristika auszeichnet:

Erstens. Konstitutiver Egoismus. Der Mensch verfolgt seine Interessen und ist bei allem, was er tut, auf Erfolg ausgerichtet.[9]

Zweitens. Knappheitsbedingte Konkurrenz. Sowohl die Güter, nach denen der Mensch strebt, als auch die dafür erforderlichen Mittel sind knapp. Sie konkurrieren also einerseits um die Güter und andererseits um die Macht.[10]

Drittens. Konkurrenzbedingte Verfeindung. Da Konkurrenten im Naturzustand gewaltbereit sind, werden sie in dem Moment zu Feinden. Sobald mehrere Menschen Interesse an ein und demselben Gut haben, versuchen sie, die anderen zu vernichten oder zu unterwerfen.[11]

Viertens. Rationalität des offensiven Misstrauens und vorbeugende Gewaltanwendung. Da Menschen Vernunft und damit eine praktische Besorgnis besitzen, entwickeln sie Strategien, um sich auf unerwünschte Fälle vorzubereiten. Infolge des Bewusstseins, dass andere die gleichen Befürchtungen, Vorsorge- und Präventionsvorstellungen haben, entsteht ein offensives Misstrauen, da man das Schlimmste erwarten muss. Um nun Macht zu akkumulieren, wird es nötig, mit Gewalt und List gegen andere vorzugehen. Hobbes spricht deswegen davon, dass der Mensch dem Menschen ein Wolf ist. Er tut dies allerdings nicht wegen „der irrational-wölfischen Triebnatur einer obsessiven Machtgier“[12], sondern aufgrund des gewaltbereiten Misstrauens.[13]

Fünftens. Natürliche Gleichheit. Im Hinblick auf das körperliche und geistige Können sind die Menschen von Natur aus gleich. Offensichtliche Verschiedenheiten in der körperlichen oder geistigen Stärke sind nicht bedeutend. Daraus ergibt sich, dass es keine natürlichen Gewinner oder Verlierer gibt, sondern jeder Mensch für jeden anderen Menschen eine Gefährdung darstellt.[14]

Hobbes erörtert also ein Bild des Menschen, welches auf einer „natürlichen Anarchie der Wertevorstellungen“[15] beruht. Gleichsam ist eben dieses Menschenbild Grundlage für den Naturzustand, der jedoch nur als Gedankenexperiment anzusehen ist und aus dem die genannten Charakteristika hervorgehen. Der einzelne Mensch stellt für jeden anderen ein Überlebensrisiko dar, zumal es keine Gewalt gibt, welche den Menschen in seinem Handeln einschränkt. Somit hat ein jeder ein Recht auf alles, was jedoch unwiderruflich zu einem Konflikt führt, weil das Recht eines Einzelnen nicht vor dem Recht eines Anderen aufhört. Da die Menschen nach Hobbes zudem im Geiste identisch sind, d.h. die gleiche Klugheit, Vernunft und Erfahrung besitzen, kann kein natürliches Herrschaftsverhältnis entstehen, da niemand einen Vorteil gegenüber einem anderen innehat oder gar einen höheren Rang besitzt.[16]

Folglich liegt eine Situation der gegenseitigen Konkurrenz vor, die von Furcht und Feindschaft geprägt ist, und in welcher Misstrauen für das Überleben notwendig ist. Es entsteht ein Wettrüsten, aus dem aufgrund seiner Dynamik niemand herauskommt. Diesen Zustand, der notwendigerweise aus den Leidenschaften der Menschen hervorgeht und den Naturzustand charakterisiert, nennt Hobbes Kriegszustand und beschreibt ihn als bellum omnium contra omnes. Allerdings muss beachtet werden, dass ein solcher Natur- bzw. Kriegszustand nur dann existiert, wenn keine souveräne Gewalt vorhanden ist. Da Hobbes aber den momentanen Zustand des Menschen beschreibt, kann der Naturzustand nicht tatsächlich eine Ausgangssituation sein. Vielmehr soll gezeigt werden, wie sich bereits existierende, aber mangelhafte Staaten verbessern können, und gleichsam verhindert werden, dass die Menschen in den Naturzustand verfallen.[17]

Nach Hobbes stellt sich also heraus, dass der Mensch nicht von Geburt an ein soziales Wesen ist, und allein durch die menschliche Natur keine Vergesellschaftung und Gesellschaftsordnung möglich sind. Denn durch stetes gegenseitiges Misstrauen wird eine Kooperation unmöglich, und aus einer absoluten Gleichheit der Menschen kann keine Übermacht erwachsen, die eine Ordnung herstellen könnte. Daraus folgt, dass die Menschen eine gesellschaftliche Ordnung nur erreichen können, wenn sie geeignetes, künstliches Instrumentarium entwickeln, das die Interessen eines jeden ohne Konkurrenz infolge des Selbsterhaltungstriebes vertritt.[18]

2.1.2 Vom Naturzustand zum Leviathan

„Die Menschen, die von Natur aus Freiheit und Herrschaft über andere lieben, führten die Selbstbeschränkung, unter der sie […] in Staaten leben, letztlich allein mit dem Ziel und der Absicht ein, dadurch für ihre Selbsterhaltung zu sorgen und ein zufriedeneres Leben zu führen – das heißt, dem elenden Kriegszustand zu entkommen, der […] aus den natürlichen Leidenschaften der Menschen notwendig folgt“[19].

Hobbes zufolge ist es gerade die Vernunft, die den Menschen im Kriegszustand anleitet und somit auch verantwortlich ist für all die abscheulichen Konsequenzen, denn man kann sie falsch gebrauchen und zu falschen Vernunftschlüssen kommen. Aber nicht nur sie, sondern auch die Fähigkeit über Zukünftiges nachzudenken, einen Selbstbezug herzustellen sowie die Sprache tragen Verantwortung dafür, dass die Furcht im Naturzustand zur dominierenden Passion wird, und zeigen, dass der Mensch eben nicht nur ein Wolf ist. Dennoch verhilft die Vernunft jedem einzelnen auch dazu, über das Elend und dessen Gründe und Ursachen nachzudenken, wodurch allgemeine Gedanken und später allgemeine Regeln, die Hobbes natürliche Gesetze nennt, entstehen.[20] Der Einzelne sieht sich ergo erstmals nicht mehr nur selbst, sondern erkennt eine Gesamtsituation, und dass für ein Zusammenleben Regeln erdacht werden müssen. Es kommt also vernunftbedingt zu einer Einsicht in die Notwendigkeit eines Staates.[21]

Es entsteht so das erste natürliche Gesetz – besser Weisung der Vernunft –, das besagt, dass „jedermann sich um den Frieden zu bemühen [hat], solange dazu Hoffnung besteht. Kann er ihn nicht herstellen, so darf er sich alle Hilfsmittel und Vorteile des Krieges verschaffen und sie benützen“[22]. Hieraus geht hervor, dass jeder bemüht sein soll, den Frieden zu suchen, was einer Pflicht gleichkommt. Allerdings verpflichtet das natürliche Gesetz nur vor dem Gewissen, d.h. jeden Einzelnen.[23] Um nun aus dem Naturzustand herauszukommen, benötigt es einer praktischen Konsequenz. Da aber nach Hobbes eine Umerziehung eines Menschen, d.h. eine Veränderung oder Beseitigung von Charaktereigenschaften, nicht möglich ist, bedarf es eines anderen Weges. Und das einzige, worauf der Mensch dann einwirken kann, ist das Recht eines jeden Einzelnen auf alles, was dem zweiten natürlichen Gesetz entspricht, welches besagt, dass ein jeder, wenn alle anderen ebenfalls dazu bereit sind, auf sein Recht auf alles verzichten soll, soweit dies für den Frieden und die Selbsterhaltung notwendig ist. Zudem soll sich jeder Einzelne „mit soviel Freiheit gegenüber anderen zufrieden geben, wie er anderen gegen sich selbst einräumen würde“[24].[25] Da hier nun von einer Wechselseitigkeit die Rede ist, kann zum ersten Mal von einem Vertrag gesprochen werden, den jeder gemäß seiner Natur schließt und als nützlich für sich selbst erachtet. Allerdings kommt dieser Vertrag noch nicht über den Naturzustand hinaus, da nicht bekannt ist, ob alle ihn sofort erfüllen, was jedoch für den Naturzustand völlig vernünftig ist, da ein Misstrauen gegenüber allen vorherrscht. Was also benötigt wird, um die Ebene des Naturzustandes zu verlassen und ein funktionierendes Vertragssystem zu garantieren, ist eine unabhängige dritte Partei, denn „Verträge ohne das Schwert sind bloße Worte und besitzen nicht die Kraft, einem Menschen auch nur die geringste Sicherheit zu bieten“[26]. Dieser Dritte benötigt dabei, um die gegenseitige Furcht zu beseitigen, viel Recht, wobei zu beachten ist, dass es nur das Recht auf alles gibt. Die allgemeine Gewalt, die die Menschen schützen soll, um Sicherheit zu schaffen, liegt deshalb in der Übertragung der Macht und Stärke aller auf eine dritte Partei, welche entweder ein Mensch oder aber eine Versammlung jener ist.[27]

[...]


[1] Hobbes, Thomas (2011) S. 95.

[2] vgl. ebd. S. IX.

[3] Utzinger, André (o. Jahr) S. 1.

[4] vgl. Wolff, Mathias A. (2009) S. 3.

[5] vgl. Hobbes, Thomas (2011) S. XXXIV.

[6] vgl. Hiob 41:25-26.

[7] vgl. Euchner, Walter (1987) S. 28.

[8] vgl. ebd. S. 28 u. Willms, Bernard (1987) S. 127ff.

[9] vgl. Kersting, Wolfgang (1992) S. 104.

[10] vgl. ebd. S. 104.

[11] vgl. ebd. S. 105.

[12] ebd. S. 106.

[13] vgl. ebd. S. 105f.

[14] vgl. ebd. S. 110.

[15] Euchner, Walter (1987) S. 28.

[16] vgl. Wolff, Mathias A. (2009) S. 6.

[17] vgl. Wolff, Mathias A. (2009) S. 7f.

[18] vgl. Kersting, Wolfgang (1992) S. 103.

[19] Hobbes, Thomas (2011) S. 131.

[20] vgl. Willms, Bernard (1987) S. 138ff.

[21] vgl. Wolff, Mathias A. (2009) S. 8.

[22] Hobbes, Thomas (2011) S. 99f.

[23] vgl. Willms, Bernard (1987) S. 143ff.

[24] Hobbes, Thomas (2011) S. 100.

[25] Wolff, Mathias A. (2009) S. 9.

[26] Hobbes, Thomas (2011) S. 131.

[27] Willms, Bernard (1987) S. 145ff.

Fin de l'extrait de 24 pages

Résumé des informations

Titre
Die Entstehung des Souveräns im Leviathan. Seine Rechte. Seine Pflichten.
Université
Martin Luther University  (Institut für Ethnologie und Philosophie)
Cours
Lektüre-Übung zu Thomas Hobbes Leviathan
Note
2,0
Auteur
Année
2012
Pages
24
N° de catalogue
V214887
ISBN (ebook)
9783656428596
ISBN (Livre)
9783656436034
Taille d'un fichier
572 KB
Langue
allemand
Mots clés
Leviathan, Thomas Hobbes, Rechtsphilosophie, Praktische Philosophie, Souverän, Staat, Rechte und Pflichten des Staates, Rechte und Pflichten des Souverän
Citation du texte
Sebastian Wagner (Auteur), 2012, Die Entstehung des Souveräns im Leviathan. Seine Rechte. Seine Pflichten., Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/214887

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