Klick statt Klingel. Umstellung einer telefonischen Umfrage auf eine Befragung mittels Online-Access-Panel

Das IfK-DNN-Barometer


Bachelor Thesis, 2011

54 Pages, Grade: 1,8


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitiiiig & Standortbestimmung

2. Onlinebefragungen
2.1 Begrifflichkeiten
2.2 Definition "Onlinebefragung"
2.3 Eigenschaften von Onlinebefragungen
2.3.1 Asynchronitat
2.3.2 Alokalitat
2.3.3 Automatisierbarkeit
2.3.4 Dokumentierbarkeit
2.3.5 0bjektivitat
2.3.6Flexibilitat
2.3.7 Okonomie
2.4 Methodeneffekte bei Intemetbefragungen

3. Stichprobenziehung im Internet
3.1 Probleme bei der Stichprobenziehung im Internet
3.1.1 Undercoverage und der Digital Divide
3.1.2 Nicht definierbare Auswahlgesamtheit
3.1.3 Overcoverage
3.2 Verfahren der Stichprobenziehung im Internet
3.2.1 Nichtprobabilistische Auswahlverfahren
3.2.1.1Selbstselektion
3.2.1.2 nichtprobabilistische Email-Verfahren
3.2.2 Probabilistische Auswahlverfahren
3.2.2.1 Intercept-Befragungen
3.2.2.2 Stichprobenziehung in Email-Listen mit geschlossenem Teilnehmerkreis
3.2.2.3 Stichprobenziehungmittels Medienbruch
3.2.3 Konzept einer Mixed-Mode-Rekrutierung

4. Online-Access-Panels
4.1 Abgrenzung: Panel - Online-Access-Panel
4.1.1 Starken des Panelmodus und ihre Ubertragbarkeit in ein Online-Access-Panel
4.1.2 Schwachen des Panelmodus und deren Wirksamkeit im Online-Access-Panel
4.2. Merkmalsdimensionen und Typen von Onlinepanels undEinordnung desIfK-Online-Access-Panels
4.3. Das Online-Access-Panel zum IfK-DNN-Barometer

5. Zusammenfassung und Diskussion

Anlagen

Abbildungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

1. Einleitung & Standortbestimmung

Das groBe Donnern, mit dem das Internet in den letzten zehn Jahren den Alltag uberrollt hat, ist verhallt, inzwischen ist das World Wide Web nicht nur fur kommende Generationen zur Normalitat geworden, zu einem Bestandteil des Alltags, der kaum noch wegzudenken ist. Und auch die Umfrageforschung im Internet ist langst kein von altehrwurdigen Professoren belacheltes Stiefkind der Empirie mehr, in dem lediglich ein paar progressive Pioniere methodische Forschung betreiben.

Nicht nur die Benutzung des Internets zur Durchfuhrung von Umfragen hat in den letzten Jahren rapide zugenommen (Malhotra 2008, S. 514), insbesondere in Europa und im deutschsprachigen Raum wurde die Onlineforschung sukzessiv vorangetrieben und institutionalisiert (Welker et al., 2005, S. 9). So waren die deutschen Marktfor- schungsverbande, allen voran der Arbeitskreis Deutscher Marktforschungsinstitute (ADM) und die Deutsche Gesellschaft fur Online-Forschung (DGOF) in wesentlichen Teilen an der Gestaltung einer entsprechenden ISO-Richtlinie zur Rekrutierung und Pflege sogenannter Online-Access-Panels (DIN ISO 26362) beteiligt[1].

Ein genauerer Blick auf die umfragebasierte Forschung macht deutlich, dass den Empirikern aller Fachrichtungen im Grunde auch keine andere Wahl bleibt. Es wird nicht nur zunehmend schwieriger, sondern auch immer teurer, gute Ausschopfungs- quoten bei Forschungsprojekten zu erzielen, die beispielsweise auf telefonischer Befragung basieren (Chang & Krosnick 2009, S. 642). Wie Abbildung 1.1 verdeutlicht, macht dieser Prozess auch vor dem IfK-DNN-Barometer nicht halt. Bei der seit 1995 regelmaBig ca. viermal im Jahr am Institut fur Kommunikationswissenschaft (IfK) der TU Dresden durchgefuhrten reprasentativen Befragung unter Burgern der Stadt Dresden ist inzwischen eine Ausschopfungsquote von knapp 20 Prozent Normalitat.

Die Ursachen fur diesen stetigen Ruckgang sind vielfaltig. Zum einen sind die Menschen heute schwieriger erreichbar (Fricker et al. 2005, S. 373), zum anderen verlieren Festnetzanschlusse, eine wesentliche Grundlage fur das Generieren einer RDD-Stichprobe[2], immer mehr an Bedeutung (Weber et al. 2008, S. 89).

Zunehmend werden Anrufbeantworter genutzt, um Telefonate entgegenzunehmen, die Bevolkerung ist immer weniger dazu bereit, Fragen am Telefon zu beantworten (Barker et al. 2010, S. 90) und die technische Entwicklung erlaubt es inzwischen, unbekannte Nummern zu blockieren (Crete & Stephenson 2011, S. 24; Lee 2006, S. 8; Barker et al. 2010, S. 90).

Abgelost werden die Festnetzanschlusse von anderen Kommunikationsformen wie Mobiltelefonen und dem Internet, immer haufiger wird das Handy als kompletter Ersatz fur einen Festnetzanschluss verwendet (Bracken et al. 2009, S. 153). Mobilfunk- nummern eignen sich jedoch nicht fur eine traditionelle CATI-Umfrage (Weber et al. 2008, S. 89) da sie weder regional zugeordnet werden konnen, noch kann bei diesen Nummern das Verfahren der systematischen Zufallsauswahl mittels RLD angewendet werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Ausschopfungsquote: Anteil der Interviews an Nettostichprobe, Angaben in Prozent)

Quelle: Eigene Darstellung aus Daten des IfK-DNN-Barometers 2001 bis 2010.

So mag es nicht verwundern, dass Wissenschaftler zunehmend das Internet zur Daten- erhebung nutzen und einige Forscher prophezeien gar, dass Onlinemethoden eines

Tages die Telefonumfrage als dominierende Form der Datenerhebung ablosen werden (Albaum et al. 2004, S. 359).

Die Umfrageforschung stand neuen Techniken immer offen gegenuber. Das war schon in den sechziger Jahren mit dem Aufkommen der Telefonumfragen und auch in den Achtzigern mit dem Durchbruch der computergestutzten Umfragen der Fall (Manfreda & Vehovar 2008, S. 177). Daher durfte es nicht uberraschen, dass auch das Internet fur die Markt- und Meinungsforschung schnell als Kommunikationskanal fur die Rekrutierung und die Befragung von Probanden entdeckt wurde. Alteingesessene Institute wie Gallup haben Internetumfragen eingefuhrt und neue Institute, wie Knowledge Networks oder Greenfield Online, wurden extra fur diese Art der Umfrage gegrundet (Chang & Krosnick, 2009, S. 642). Die Unsicherheit gegenuber dem Einsatz von Internetumfragen ist in den letzten Jahren deutlich gesunken (Taddiken 2009, S. 91). Auch in Deutschland hat die Verbreitung von Befragungen im World Wide Web deutlich zugenommen (ebd.), was nicht zuletzt an der kontinuierlich ansteigenden Anzahl von DSL-Anschlussen im Bundesgebiet liegen durfte (vgl. Abb. 1.2).

Die Expansion von Breitband-Internetanschlussen ist ein wesentlicher Faktor, der Internetumfragen unter groBeren Teilen der Bevolkerung erst anwendbar macht (Manfreda & Vehovar 2008, S. 180).

In der vorliegenden Arbeit soll am Beispiel des IfK-DNN-Barometers beschrieben werden, wie eine Umstellung von einer traditionellen Telefonumfrage auf eine internetbasierte Methode ablaufen kann. Dazu werden zunachst die Eigenschaften von Umfragen im speziellen Kommunikationsraum Internet dargestellt und die daraus resultierenden Vor- und Nachteile erlautert. Im zweiten Teil wird das Augenmerk auf den Prozess der Stichprobenziehung gelegt. Die Diskussion der unterschiedlichen Verfahren, einschlieBlich ihrer Schwachen und ihrer Starken, fuhrt dann schlussendlich zum dritten Teil, in dem das konkrete Konzept eines Online-Access-Panels beschrieben wird. Nach einer Begriffsbestimmung und einer Differenzierung zum klassischen Panelansatz, werden die verschiedenen Typologien von Online-Panels vorgestellt und erlautert. Der Aufbau des IfK-DNN-Barometers sowie erste daraus gewonnene Daten werden die theoretischen Fakten mit praktischen Beispielen unterlegen. Im letzten Teil wird schlieBlich mit einer kurzen Ubersicht uber die Problematik der Responseraten, der reprasentativen Gewichtung und der Panelpflege ein Ausblick in die Zukunft des Online-Access-Panels gegeben.

2. Onlinebefragungen

Das Internet ist fur die Wissenschaft nicht nur Forschungsgegenstand, sondern auch Instrument und Kommunikationskanal (Welker et al. 2005, S. 5). Im Folgenden wird das Internet in zuletzt genannter Funktion betrachtet. Dazu sollen zunachst einige wesentliche Begriffe geklart werden.

2.1 Begrifflichkeiten

Das Wort "Onlinebefragung" beinhaltet den Terminus "Befragung". Unter einer sozial- wissenschaftlichen Befragung versteht man eine auf "einer systematisch gesteuerten Kommunikation zwischen Personen beruhende Erhebungsmethode" (Hader 2010, S. 187).

Wie in Kapitel 2.2. erlautert wird, basiert die Onlinebefragung auf einer Kommunikation zwischen dem Computer des Befragten und einem sogenannten Server. Server sind "Dienstleistungsprogramme und/oder Datenbestande in einem Netzwerk und konnen von mehreren Teilnehmern genutzt werden, zum Beispiel fur Druck, Speicherung, Datenbankverwaltung Zustellung von Web-Informationen, Telefax, usw." (Fischer & Hofer 2008, S. 751).

Die Kommunikation zwischen dem Server und dem Probanden funktioniert in der Regel uber den Kanal des World Wide Web. Das WWW ist "ein Teilbereich des Internets fur textbasierte und mit Hyperlinks verknupfte Informationen [...] in dem Informationen in den unterschiedlichsten, zunehmend multimedialen Datenformaten zusammengetragen werden" (ebd., S. 941).

Zur Nutzung des WWW benotigt der Proband einen Browser, eine Anwendung zum Durchsuchen und Prasentieren ausgewahlter Inhalte (ebd., S. 120).

2.2 Definition "Onlinebefragung"

Der Begriff Onlinebefragung umfasst alle Befragungen, bei denen die Ubertragungs- moglichkeiten des Internets fur das Versenden und das Beantworten von Fragebogen genutzt werden (Hollaus 2007, S. 1).

Daruber, welche Formen der Befragung das im Einzelnen umfasst, ist sich die Fachwelt indes uneinig. Wahrend auf der einen Seite unter dem Begriff auch das emailbasierte Versenden oder Herunterladen von Fragebogen verstanden wird (ADM 2001, S.1), grenzen andere Definitionen wesentlich scharfer ab und bezeichnen die Online- befragung als "standige Interaktion zwischen einem Server der Umfrageorganisation und dem Befragten" (Manfreda et al. 2008, S. 275). Der Fragebogen wird als Programm auf einem Web-Server ausgefuhrt und wird vom Befragten auf dem heimischen PC im Browser als Formular ausgefullt (Esser et al., 2008, S. 383). Da E-Mail-Befragungen inzwischen an Aktualitat verloren haben und dieser Kommunikationskanal nur noch zum Verschicken der Einladungen dient (Starsetzki 2003, S. 43), soll im Folgenden die engere Definition als Grundlage gelten.

Nicht nur bei der Begriffsbestimmung, sondern auch bei der in der Umfrageforschung haufig fur einen Modus verwendeten Abkurzung herrscht Uneinigkeit. Weder "CAWI" fur Computer Assisted Web Interview (es fehlt der Interviewer), noch "CASQ" fur Computer Assisted Self Questionaire (hierunter wurden auch per E-Mail oder per Diskette verschickte Fragebogen zahlen) trifft streng genommen zu (Hollaus 2007, S. 16). Zur Losung dieser Frage schlagt Hollaus die Abkurzung "CAWS" fur "Computer Assisted Web Survey" vor (ebd.).

2.3 Eigenschaften von Onlinebefragungen

"Die Moglichkeiten einer neuen Befragungsmethode konnen immer erst dann vollends genutzt werden, wenn auch die Nachteile der Verwendung bekannt sind" (Taddiken 2009, S. 91). Um die Schwachen, aber auch die Starken der Methode zu identifizieren, werden die Eigenschaften von Onlinebefragungen in sieben Merkmalsdimensionen eingeordnet, durch deren Kombination sich die Methode von traditionellen Befragungsmodi abhebt: Asynchronitat, Alokalitat, Dokumentierbarkeit, Flexibilitat, Objektivitat bei der Durchfuhrung sowie Auswertung und Okonomie (Batinic & Bosnjak 2000, S. 311).

2.3.1 Asynchronitat

Mit Asynchronitat ist die Zeitunabhangigkeit der Befragung gemeint (Batinic & Bosnjak 2000, S. 311). Das heiBt, dem Probanden bleibt es selbst uberlassen, wann er den Fragebogen ausfullt (Chang & Krosnick 2009, S. 643). Die Asynchronitat ergibt sich aus dem selbstadministrierten Durchfuhrungsmodus (Bosnjak 2002, S. 8) und bedingt einige der wesentlichen Vorteile von Onlinebefragungen. Weil der Befragte selbst uber den Zeitpunkt der Befragung entscheiden kann, wird er nicht von einem Interviewer bei anderen Tatigkeiten gestort. Derartige Storungen fuhren haufig zur spontanen Ablehnung bei einer Telefon- oder Hausturbefragung (Hollaus 2007, S. 33) und haben einen dementsprechend negativen Einfluss auf die Ausschopfungsquote. Die Flexibilitat zu entscheiden, wann der Proband den Fragebogen ausfullt, das heiBt wann er sich die Zeit und die Ruhe dafur nimmt, kann eine bessere Datenqualitat durch prazisere Antworten zur Folge haben (Chang & Krosnick 2009, S. 647). Begrundet wird diese Annahme durch die Tatsache, dass Pausen durch langes Nachdenken uber die Fragestellung oder die zu gebende Antwort bei einer selbstadministrierten Internet- befragung keine Rolle spielen. Der Befragte kann sich Zeit lassen und seine Antworten in Ruhe durchdenken und reflektieren oder bei Bedarf eine Pause einlegen (ebd.).

Die Selbstbestimmung uber den Zeitpunkt der Beantwortung fuhrt indes kaum dazu, dass sich die Befragungszeiten uber den ganzen Tagesverlauf verteilen. Vielmehr nehmen Probanden am haufigsten dann in jenem Zeitraum an der Internetbefragung teil, in dem auch Telefonbefragungen stattfinden. Das wird in Abb. 2.1 deutlich. Die Kurven stellen die kumulierten Antwortzeiten von Teilnehmern aus dem Onlinepanel des IfK dar. In dem Zeitraum, in dem normalerweise die telefonischen Befragungen zum IfK- DNN-Barometer stattfinden, zwischen 16 und 21 Uhr, zeigen alle vier Kurven den groBten Zuwachs.

2.3.2 Alokalitat

Das Internet ist ein globaler Kommunikationsraum, daher konnen Befragungen unabhangig vom Standort des Untersuchungsleiters und der Befragten durchgefuhrt werden (Batinic & Bosnjak 2000, S. 311; Bosnjak 2002, S. 8).

Weil die einzige Voraussetzung fur die Teilnahme ein Internetanschluss ist, ist der Forscher nahezu ungebunden an raumliche Distanzen, die Zielgruppe kann auf der ganzen Welt verteilt sein (Hollaus 2007, S. 34). Beispielsweise stellt es heutzutage weder logistisch noch finanziell ein Problem dar, deutsche Auswanderer auf allen moglichen Kontinenten zu ihren Erfahrungen mit der Emigration zu befragen. Mittels traditioneller Befragungsmethoden ware der Zeit-, Kosten- und Arbeitsaufwand fur derartige Projekte wesentlich hoher. Zudem werden transkulturelle Untersuchungen erleichtert (Batinic et al. 2000, S. 63) und sehr spezielle Populationen oder besonders groBe Stichproben konnen schneller und kostengunstiger erreicht werden (Batinic et al. 2002, S. 27).

Ein Nachteil, der aus der Alokalitat folgt, ist die Tatsache, dass sich nur schwer oder uberhaupt nicht einschatzen lasst, in welcher Situation der Proband den Fragebogen ausfullt. Weil der Forscher beim Beantworten der Fragen nicht vor Ort ist, ist es kaum moglich, nachzuvollziehen, wer den Fragebogen wirklich ausfullt oder ob nicht sogar mehrere Personen an der Beantwortung beteiligt sind (Hollaus, 2007, S. 38). Mogliche Storfaktoren wahrend der Beantwortung der Befragung konnen weder kontrolliert, noch dokumentiert werden (ebd., S. 43), generell ist nur wenig Kontrolle uber den Teilneh- mer und die Teilnahmesituation moglich (Goritz et al. 2000, S. 8).

2.3.3 Automatisierbarkeit

Durch die Ubertragung des Interviews in einen programmierten Fragebogen verlauft der Erhebungsprozess bei einer Onlineumfrage in der Regel vollig automatisiert ab. Deshalb sind die Ergebnisse nicht nur so fort verfugbar (Chang & Krosnick 2009, S. 643) und konnen in sich standig aktualisierenden Auswertungen bereits wahrend der Feldzeit beobachtet werden (Bosnjak 2002, S. 8), sondern auch beispielsweise den Teilnehmern als Zwischenstand prasentiert werden (Hollaus 2007, S. 34). Zudem besteht die Moglichkeit, Kontrollmechanismen in den Fragebogen zu programmieren, so dass Testpersonen sofort auf eventuelle Fehler bei der Beantwortung hingewiesen werden konnen (Morawek 2000, S. 13). Randomisierung zur Vermeidung von Reihen- folgeeffekten und die Moglichkeit der Programmierung von beliebig komplexen Filterfuhrungen sind ein weiterer Vorteil, den die Automatisierung mit sich bringt (Manfreda & Vehovar 2008, S. 179; Taddiken 2009, S. 91; Fricker 2008, S. 522).

Insbesondere die Option von flexiblen Filtermoglichkeiten bietet die Moglichkeit, Fragenkomplexe und Sachverhalte in unbegrenzter Variabilitat darzustellen (Hollaus 2007, S. 36). Bei der Datenerfassung selbst sinkt die Gefahr von Fehlern, die beispiels- weise bei der manuellen Eingabe von ausgefullten Fragebogen auftreten konnen (Batinic et al. 2000, S. 63). Die Daten konnen sofort abgespeichert oder in ein Format uberfuhrt werden, dass die Auswertung mit gangigen Statistikprogrammen wie SPSS ermoglicht (Hollaus 2007, S. 27).

2.3.4 Dokumentierbarkeit

Durch die Moglichkeiten der elektronischen Datenerhebung, lassen sich neben den normalen Befragungsdaten auch weitere Informationen erfassen. So konnen Befragungszeitpunkt, Befragungsdauer, Unterbrechungen und Navigationspfade genau dokumentiert werden (Bosnjak, 2002, S. 8). Speziell die sekundengenaue Erfassung der Antwortzeit bei den einzelnen Fragen und die Moglichkeit der punktgenauen Lokali- sierung von Abbruchstellen lasst spater Ruckschlusse auf eventuelle Verstandnis- probleme oder Fehler zu (Graf 2003, S. 264). 1st die Antwortzeit beispielsweise besonders kurz, kann das ein Hinweis darauf sein, dass sich ein Teilnehmer nur durch den Fragebogen durchgeklickt hat (Morawek 2000, S. 52). Insbesondere fur den Pretest eines Fragebogens durfte die Dokumentierbarkeit eine entscheidende Rolle spielen. Ein Beispiel fur derartige Auswertungen findet sich in Abb. 2.1 in der Darstellung der Antwortzeiten.

2.3.5 Objektivitat

Mit der Objektivitat einer Messung ist die Unabhangigkeit der Ergebnisse von den Personen gemeint, die die Untersuchung durchfuhren (Hader 2010, S. 108). Wahrend sich die Interpretationsobjektivitat (die Einordnung und Bewertung der Ergebnisse anhand vorgegebener Vergleichswerte) und die Auswertungsobjektivitat (die gleiche Bewertung der einzelnen Antworten durch den Forscher) bei einer onlinebasierten Umfrage nicht von traditionellen Erhebungsmethoden unterscheiden (Morawek 2000, S. 33), zeigen sich besonders in Hinblick auf die Durchfuhrungsobjektivitat eine der wesentlichen Starken einer Onlinebefragung. Der Grad an Privatheit differiert je nach Befragungsmodus und das hat Einfluss darauf, wie Probanden die ihnen gestellten Fragen beantworten (Fricker et al. 2005, S. 374). Weil kein direkter Kontakt zwischen dem Befragten und einem Interviewer besteht, konnen daraus resultierende Interviewer- effekte oder Verzerrungen vermieden werden (Hollaus 2007, S. 36; Bosnjak 2002, S. 8). Es gibt keinen Interviewer, der das Verhalten des Probanden und somit auch das Untersuchungsergebnis beeinflussen kann (Morawek 2000, S. 33). Dadurch ist es wesentlich wahrscheinlicher, insbesondere bei Fragen der sozialen Erwunschtheit[3], ehrlichere Antworten zu bekommen (Dillmann 2007, S. 227). Diese Annahme wird inzwischen von mehreren Studien belegt (vgl. u.a. Sparrow 2006, S. 668; Dennis et al. 2008, S. 222; Van den Eijnden et al. 2009, S. 1642; Kreuter et al. 2008, S. 862f.). Als Nachweis dafur kann beispielsweise betrachtet werden, dass Teilnehmer von Internetbefragungen mehr dazu tendieren, neutrale oder negativere Antworten zu geben als bei einer telefonischen Umfrage (Albaum et al. 2004, S. 371). Deutlich wird das in einem Ergebnis aus dem letzten IfK-DNN-Barometer. Auf die Frage, wie zufrieden man mit der Politik der einzelnen Burgermeister der Stadt sei, ergab sich bei den Onlineteilnehmern eine fast uber alle Politiker hinweg verteilte negativere Bewertung als bei den telefonisch Befragten (vgl. Abb. 2.2).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Allerdings kann sich das im Vergleich zu Telefonumfragen hohere Anonymitats- empfinden und die fehlende Prasenz von Anderen auch negativ auf die Datenqualitat auswirken, insbesondere dann, wenn es um Informationen zum sozialen Alltag geht (Taddiken 2009, S. 102). Auch die fehlende Kontrolle uber die Geschwindigkeit, mit der die Befragung durchgefuhrt wird, kann schlechtere Ergebnisse produzieren. So belegte Malhotra, dass niedriger gebildete Probanden dazu tendierten, die Befragung schneller auszufullen und zu Primacy-Effekten[4] neigen (Malhotra 2008, S. 914). Eine andere Studie belegt, dass das Fehlen eines Interviewers bei Internetbefragungen offensichtlich zu einer hoheren Antwortverweigerung bei demografischen Fragen fuhrt (Albaum et al. 2004, S. 371). Hinzu kommt, dass durch den Wegfall der Interviewer- stimme auch keine Moglichkeit mehr gegeben ist, Interesse beim Befragten zu wecken (Chang & Krosnick 2009, S. 646) oder Feedback zu geben (Goritz et al. 2000, S. 191f.).

2.3.6 Flexibilitat

Im Gegensatz zu einer telefonbasierten Umfrage, bei der Fragen und Stimuli nur in Textform operationalisiert werden konnen, bietet die Onlinebefragung weit mehr Moglichkeiten (Bosnjak 2002, S. 36). Es konnen verschiedene Medientypen wie Bilder, Filme, Farben oder Multimediaelemente in den Fragebogen eingebunden werden (Taddiken 2009; S. 91, Hollaus 2007, S. 35; Fricker 2008, S. 522). Durch die visuelle Presentation der Antwortmoglichkeiten konnen Checklisten oder Skalen benutzt werden (Cang & Krosnick 2009, S. 648). Animierte Schieberegler geben dem Probanden die Moglichkeit einer differenzierteren Antwort und spiegeln den interaktiven Charakter des Mediums wieder (Welker et al. 2005, S. 23). Automatische Zeitzahler, die das Weiter- klicken erst nach einer gewissen Zeit erlauben, vermeiden zu schnelles Durchklicken durch den Fragebogen (Hollaus 2007, S. 35).

Allerdings werden diese Moglichkeiten dadurch eingeschrankt, dass die Hard- und Software auf Seite der Befragten selten die gleichen Voraussetzungen bietet (Esser et al. 2008, S. 382). Unterschiedliche Betriebssysteme und Browser konnen einen Fragebogen unterschiedlich aussehen lassen (ebd.). Unterschiedliche Rechnerleistung kann Barrieren, zum Beispiel bei der Darstellung von Videodateien, zur Folge haben (Hollaus 2007, S. 35) und groBe Datenmengen konnen bei Nutzern von langsameren

Internetanschlussen zu langeren Ladezeiten fuhren, was einen negativen Einfluss auf die Teilnahmemotivation und damit auf Response- und Abbruchraten hatte (Esser et al. 2008, S. 382). Um derartige Probleme zu vermeiden sind insbesondere bei Onlinebefragungen intensive Pretests erforderlich (ebd., S. 383).

Es sollte also sehr vorsichtig mit den genannten Moglichkeiten verfahren werden, auch weil selbst kleine Designanderungen im Layout deutlich andere Antworten der Probanden hervorrufen konnen (Sparrow 2006, S. 669). Multimediaelemente konnen einen groBen Einfluss auf das Antwortverhalten haben und eine Vielzahl an unerwunschten Effekten hervorrufen (Manfreda & Vehovar 2008, S. 183). So haben beispielsweise Fortschrittsindikatoren, die auf den ersten Blick ein nutzlicher Zusatz fur die Befragten sein konnen, sogar negative Effekte auf die Abbruchraten bei einem Onlinefragebogen (Couper et al. 2001, S. 165), das heiBt Probanden brechen eher ab, wenn sie ihre Position in einem Fragebogen anhand eines solchen Indikators verfolgen konnen. Unterschiedliche Studien belegen, dass selbst scheinbar kleine Aspekte, wie die Bemessung von Eingabefeldern oder der Abstand zwischen verschiedenen Auswahloptionen groBe Unterschiede bei der Beantwortung hervorrufen konnen (Sparrow 2006, S. 669f.).

2.3.7 Okonomie

Die geringeren Kosten, die Onlinebefragungen im Vergleich zu traditionellen Methoden, wie Face-to-Face- oder Telefoninterviews, verursachen, werden an vielen Stellen als Hauptargument fur den Einsatz dieser Umfragemoglichkeit genannt (vgl. u.a. Batinic et al. 2002, S. 522; Albaum et al. 2004, S. 371). Die Ersparnisse resultieren unter anderem daraus, dass keine Fragebogen mehr gedruckt und versendet werden mussen (Fricker 2008, S. 522; Hollaus 2007, S. 36). E-Mails mit einer Einladung zur Befragung lassen sich nicht nur schneller, sondern auch kostenlos versenden (Batinic et al. 2002, S. 38; Welker et al. 2005, S. 55). Es entstehen keine Reise- und Schulungs- kosten fur Interviewer (Chang & Krosnick 2009, S. 643), es fallen keine Personalkosten fur das Befragen selbst und die nachfolgende Codierung und Dateneingabe an (Albaum et al. 2004, S. 359; Hollaus 2007, S. 40). Durch die Asynchronitat der Befragung (vgl. Kap. 2.3.1), den schnelleren Datentransfer im Internet und durch den Wegfall eines Medienbruchs[5], lassen sich die Arbeitsablaufe und damit auch die Feldzeiten deutlich

[...]


[1] Vgl. dazu "Dr. Olaf Wenzel und Olaf Hofmann zur Einfuhrung der ISO-Norm fur Online Access Panels" auf http://www.marktforschung.de/information/interviews/marktforschung/dr-olaf-wenzel- und-olaf-hofmann-zur-einfuehrung-der-iso-norm-fuer-online-access-panels/, Zugriff am 8. Mai 2011.

[2] Unter dem sogenannten Random-Digit-Dialing (RDD) versteht man die zufallige Generierung von Telefonnummern als Zahlenfolgen. Weil fur Deutschland aufgrund der Nummernstruktur dieses Verfahren nicht praktikabel ist, kommt hier das sogenannte RLD-Verfahren (Randomised-Last-Digit) zum Einsatz, bei dem die Nummern blockweise gepruft und lediglich die letzten Ziffern zufallig erstellt werden (Hader 2010, S. 159).

[3] Das Phanomen der sozialen Erwunschtheit beschreibt eine Art des Antwortverhaltens beim Probanden. Wenn seine Meinung von der sozialen Erwunschtheit abweicht, empfindet der Proband die Beantwortung der Frage als unangehm, infolgedessen ist mit einer geringeren Antwortqualitat zu rechen (Hader 2010, S. 209).

[4] An dieser Stelle ist vom Primacy-Effekt im methodischen Sinne die Rede. Dieser beschreibt die Tendenz, bei Fragen mit mehreren Antwortkategorien immer die erste Kategorie zu wahlen (Hader 2010, S. 252).

[5] Medienbruch bedeutet, dass es keinen Wechsel zwischen zwei unterschiedlichen Medien, wie zum Beispiel zwischen Papier und Computer, gibt.

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Klick statt Klingel. Umstellung einer telefonischen Umfrage auf eine Befragung mittels Online-Access-Panel
Subtitle
Das IfK-DNN-Barometer
College
Dresden Technical University
Grade
1,8
Author
Year
2011
Pages
54
Catalog Number
V215885
ISBN (eBook)
9783668151758
ISBN (Book)
9783668151765
File size
2049 KB
Language
German
Keywords
Onlinepanel, Online-Access-Panel, Umfrageforschung, Telefonumfragen, Onlineumfragen, Umfragen Internet
Quote paper
Julia Hoffmann (Author), 2011, Klick statt Klingel. Umstellung einer telefonischen Umfrage auf eine Befragung mittels Online-Access-Panel, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/215885

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