Der Einfluss Amerikas auf die deutsche Sozialdemokratie

„Amerika steht hinter der SPD“


Hausarbeit, 2011

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Ära Kurt Schumacher
2.1. Die Konstellation des Konflikts zwischen Schumacher und den Westalliierten
2.2 Die ordnungspolitischen Differenzen bei der Ausarbeitung des Grundgesetzes

3. Die 50er Jahre: Die SPD und der Konsensliberalismus

4. Die 60er Jahre: Ein Jahrzehnt der Zäsur
4.1 Die Bindung der SPD an die Kennedy-Administration

5. Fazit und Ausblick

Bibliographie

1. Einleitung

Bereits im Juni 1945, kurz nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht und dem damit besiegelten Ende des Dritten Reiches, wurde die SPD in Deutschland neu aufgebaut. In den ersten Wochen der Beatzung entstanden die Ortsgruppen der Partei, eine überregionale Vernetzung vollzog sich erst einige Zeit später.[1]

Von der Besatzungszeit des besiegten Deutschlands, über die Phase der Opposition in der Bundesrepublik bis zur schließlichen Regierungsübernahme durch die deutsche Sozialdemokratie befand sich die SPD stets in der Auseinandersetzung mit Amerika oder gar unter dem direkten Einfluss der US-Politik, wie das im Titel verwendete Zitat aus dem Bundestagswahlkampf 1961 zeigt.[2]

Die hier vorliegende Hausarbeit will sich mit der Frage auseinandersetzten, inwieweit die SPD „amerikanisiert“ wurde. Genauer soll gezeigt werden, wo die SPD inhaltlich und wann sie zeitlich dem direkten und indirekten Einfluss der USA auf politischer und ideeller Ebene ausgesetzt war und wie sie auf diesen reagierte. Lokal eingegrenzt werden soll der Betrachtungsrahmen auf Westdeutschland, da in Ostdeutschland nach dem Zusammenschluss von SPD und KPD zur SED keine eigenständige deutsche sozialdemokratische Partei mehr vorhanden war. Die Zeit von 1945 – 1965 wird den zeitlichen Rahmen der Betrachtung bilden. Er eignet sich hervorragend dafür, den Prozess der Westbindung der Partei darzustellen, von den anfänglich großen Differenzen mit der Politik Amerikas, über die Annäherung durch innerparteiliche Reformen bis hin zur Regierungsbeteiligung mit Willy Brandt, die eine Entwicklung zum Abschluss brachte, die die SPD zu einer eindeutig westlich orientierten Partei machte.

Dabei gliedert sich diese Arbeit in drei Phasen der Betrachtung, die dabei jeweils die steigende Bindung der Sozialdemokraten an das westliche Bündnissystem anzeigen. Zunächst wird die Ära des Parteivorsitzenden Kurt Schumacher betrachtet, der von 1945 bis 1952 als die bestimmende Persönlichkeit der deutschen Sozialdemokratie gesehen werden kann.[3] Die zweite Phase stellen die 1950er Jahre nach Schumachers Tod dar. In dieser Dekade lässt sich ein innerparteilicher Aufbruch feststellen, kulminierend in den Reformen des Godesberger Grundsatzprogramms von 1959. Dieses Programm brach mit dem traditionellen Radikalismus der Partei und öffnete sie für andere ideologische Grundlagen, brach also auch mit der Fundamentalopposition gegen den westlichen Kapitalismus.[4] Die dritte und letzte Phase der hier vorliegenden Betrachtung stellen die 60er Jahre dar. Die neue Ostpolitik Brandts und vor allem der Stimmenzuwachs in einst SPD-fernen Milieus belegen die Neuorientierung und Umsetzung des Godesberger Programms durch die Sozialdemokraten.[5]

Die Forschung bietet zum Thema der Sozialdemokratie in Deutschland einige Überblickswerke zur Entwicklung der Partei und der wichtigsten Persönlichkeiten, wie z.B. von Joseph Rovan.[6] Aber auch das Verhältnis der deutschen Parteien zu Amerika wurde bereits einer Analyse unterzogen. Bei Hans-Jürgen Grabbe stehen dabei auch Christdemokraten im Blickfeld.[7] Ein aktuelles Werk von Julia Angster befasst sich mit der weiter gefassten Gruppe der Arbeiterbewegung in den Vereinigten Staaten und bezieht neben der SPD die Gewerkschaften in Westdeutschland und Amerika mit in die Betrachtung ein.[8]

Wie lässt sich nun die „Amerikanisierung“ einer Partei messen? In dieser Analyse wird dafür die Vorstellung des Westens als Wertegemeinschaft und als emotional gefühlte Gemeinschaft zugrunde gelegt, wie sie von Andreas W. Daum beschrieben wird.[9] In dieser Gemeinschaft stellen die Vereinigten Staaten von Amerika die Hegemonialmacht dar, wobei hier vor allem ihre politische und ideelle Hegemonie von Bedeutung ist. Das westliche Bündnis der NATO versuchte sich nicht nur als Militärbündnis zu legitimieren, sondern beschwor ebenso gemeinsame Traditionen seiner Mitgliedsstaaten.[10] Inwieweit nun die Sozialdemokratische Partei Deutschlands eine amerikanisierte Partei ist, soll in dieser Arbeit an dem Grad der Übereinstimmung ihrer Politik mit der der NATO-Staaten, besonders aber mit der Politik des Hegemons USA gemessen werden. Dabei wird auch ein besonderes Augenmerk auf der Unterscheidung zwischen opportuner Tagespolitik und wirklicher moralischer und normativer Kongruenz liegen.

2. Die Ära Kurt Schumacher

Wie bereits eingangs erwähnt stellte Kurt Schumacher die dominante Persönlichkeit in der SPD der Nachkriegszeit dar. Wie Hans-Jürgen Grabbe schreibt, war Schumacher nicht nur in seiner eigenen Vorstellung der legitime Vertreter deutscher politischer Interessen, auch die amerikanische Besatzungsmacht und die US-Regierung sahen die Sozialdemokratische Partei auf seine Person fixiert.[11] Da man die Parteikonstellation der Besatzungszeit auf die Formel „Schumacher ist die SPD“ bringen könnte, konzentriert sich dieses Kapitel hauptsächlich auf die Auseinandersetzung Schumachers mit der Politik der Vereinigten Staaten.

2.1. Die Konstellation des Konflikts zwischen Schumacher und den Westalliierten

Kurt Schumacher war kein klassischer „Proletarier“, sein Glaube an Demokratie und Freiheit schärfte sich unter den Erlebnissen der NS-Diktatur. Die Schuld an dieser Diktatur gab er sowohl den bürgerlichen Parteien wie auch den Kommunisten.[12] So war es nicht verwunderlich, dass Schumacher eine gesamtdeutsche Fusion von SPD und KPD ablehnte, den Sowjetkommunismus sah er als „zentralistischen, diktatorischen Staatskapitalismus“.[13] Umso mehr enttäuscht musste er in der Folge über die Reaktion der amerikanischen Militärregierung gewesen sein.

Obwohl der Parteivorsitzende mit der Weigerung der Parteienfusion auf gesamtdeutscher Ebene von 1946 also bereits eine erste Weichenstellung Richtung Westorientierung vornahm, unterstützten ihn die Alliierten nicht in seinen politischen Vorhaben. Hans-Jürgen Grabbe nennt Schumachers Vorgehen eine „als-ob-Politik“. So war Schumacher der Auffassung, jede Politik müsse so betrieben werden, „als ob Deutschland schon selbstständig und ohne Besatzung dastände“. Die Besatzungsmächte hingegen erwarteten „kooperative Fügsamkeit“.[14] Doch nicht nur der Stil seiner Politik wurde bei den Alliierten mit Skepsis betrachtet, auch inhaltlich taten sich große Unterschiede zwischen den Besatzungsmächten und Kurt Schumacher auf. Da die Parteiführung hauptsächlich aus den alten Eliten der Weimarer Zeit bestand, entwickelte sich ein Parteileben „nach altem Muster, ohne neue Denkorientierung oder Überprüfung ideologischer Positionen“.[15] So war vor allem die Wirtschaftspolitik der SPD von traditionellen Vorstellungen geprägt, besonders die vorgesehenen Sozialisierungen von Schlüsselindustrien prägten das Bild der Partei in der Bevölkerung.[16] Nach Schumachers Vorstellung war die Politik der Vereinigten Staaten gegenrevolutionär, ein Nebeneinander von Kapitalismus und Demokratie wie in den USA war für ihn nicht denkbar.[17] Das Konzept der „Dritten Kraft“ etablierte sich in der Partei und sah ein sozialistisches Gesamtdeutschland, sowie ein sozialistisches Europa zwischen den Fronten von Kapitalismus und Kommunismus vor. Vor allem die USA lehnten dieses Konzept jedoch entschieden ab.[18] Durch die ständigen Meinungsverschiedenheiten Schumachers mit den Besatzungsmächten und seine Neigung, diese öffentlich auszutragen, machte sich der Parteivorsitzende schon bald unbeliebt im Ausland.[19] Joseph Rovan schreibt gar davon, Schumacher gelte durch seine ständige Verweigerung der alliierten Politik im Ausland als Nationalist.[20]

[...]


[1] Joseph Rovan: Geschichte der deutschen Sozialdemokratie, aus dem Französischen von Charlotte Roland, Überarbeitete und erweiterte deutsche Erstausgabe, Frankfurt am Main 1980 (Fischer-Taschenbücher, 3433), S.173 – 174.

[2] Hans-Jürgen Grabbe: Unionsparteien, Sozialdemokratie und Vereinigte Staaten von Amerika 1945-1966, Düsseldorf 1983 (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, 71), S. 364.

[3] Ebda.

[4] Ebda.

[5] Rovan: Geschichte der deutschen Sozialdemokratie, S. 241.

[6] Rovan: Geschichte der deutschen Sozialdemokratie.

[7] Hans-Jürgen Grabbe: Unionsparteien, Sozialdemokratie und Vereinigte Staaten von Amerika 1945-1966, Düsseldorf 1983 (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, 71).

[8] Julia Angster: Konsenskapitalismus und Sozialdemokratie. Die Westernisierung von SPD und DGB (= Ordnungssysteme. Studien zur Ideengeschichte der Neuzeit 13), München 2003.

[9] Andreas W. Daum: Charisma und Vergemeinschaftung. Zur Westbindung der Deutschen im Kalten Krieg, in: Manfred Berg, Philipp Gassert (Hrsg.): Deutschland und die USA in der Internationalen Geschichte des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2004, S. 449 – 472.

[10] Mausbach, Wilfried: Erdachte Welten. Deutschland und der Westen in den 1950er Jahren, in: Manfred Berg, Philipp Gassert (Hrsg.): Deutschland und die USA in der Internationalen Geschichte des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2004, S. 423 – 448.

[11] Hans-Jürgen Grabbe: Unionsparteien, Sozialdemokratie und Vereinigte Staaten von Amerika 1945-1966, Düsseldorf 1983 (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, 71), S. 51 – 52 u. S. 55 – 56.

[12] Rovan: Geschichte der deutschen Sozialdemokratie, S. 175 – 179.

[13] Grabbe: Unionsparteien, Sozialdemokratie, S. 52 – 53.

[14] Ebda. S. 55 – 56.

[15] Rovan: Geschichte der deutschen Sozialdemokratie, S. 182.

[16] Grabbe: Unionsparteien, Sozialdemokratie, S. 54 – 55.

[17] Grabbe: Unionsparteien, Sozialdemokratie, S. 53 – 54.

[18] Ebda. S. 56 – 57.

[19] Ebda. S. 63.

[20] Rovan: Geschichte der deutschen Sozialdemokratie, S. 189.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Der Einfluss Amerikas auf die deutsche Sozialdemokratie
Untertitel
„Amerika steht hinter der SPD“
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte)
Veranstaltung
Proseminar : „Amerikanisierung“ 1945-1970 – Westdeutschland, Großbritannien, und Frank-reich im Vergleich
Note
1,3
Autor
Jahr
2011
Seiten
15
Katalognummer
V215941
ISBN (eBook)
9783656445449
ISBN (Buch)
9783656446453
Dateigröße
483 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
SPD, Sozialdemokratie, Kurt Schuhmacher, Willy Brandt, USA, Amerikanisierung, Kennedy, Godesberger Programm, BRD, Deutschland, NATO
Arbeit zitieren
Fabian Rink (Autor:in), 2011, Der Einfluss Amerikas auf die deutsche Sozialdemokratie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/215941

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