E-Learning - Lernen in der Wissensgesellschaft


Mémoire (de fin d'études), 2003

80 Pages, Note: 2,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Einführung
1.2 Aufbau und Abgrenzung der Arbeit

2 Wissen und Wissensvermittlung
2.1 Was ist Wissen und Wissensvermittlung?
2.2 Formen von Wissen
2.2.1 Das Eisberg-Modell der Lernkultur
2.2.2 Explizites Wissen
2.3 Information und Wissen
2.4 Wandel des Wissens - Wissen als Produktionsfaktor
2.5 Wissen und Lernen
2.6 Lerntheorien
2.6.1 Der Behaviorismus
2.6.2 Der Kognitivismus
2.6.3 Der Konstruktivismus

3 Medien
3.1 Was sind Medien
3.2 Entwicklung der Neuen Medien
3.2.1 Realisierung ab
3.2.2 Verbreitung ab
3.2.3 Visionen ab
3.3 Was sind Neue Medien?
3.3.1 Was ist neu an den Neuen Medien?

4 E-Learning - Die Vision vom Lernen in der Wissensgesellschaft
4.1 Abgrenzung von E-Learning
4.1.1 Präsenz-Lernen
4.1.2 Online-Lernen
4.1.3 Distanz-Lernen
4.1.4 E-Learning
4.2 Didaktik
4.2.1 Didaktische Konzeption und Entwicklung medienbasierter Lernumgebungen
4.3 Instruktionsdesign als Lernumwelt
4.3.1 Instruktion
4.3.2 Interaktivität
4.3.3 Individualisierung und Adaptivität
4.3.4 Kontrollinstanz
4.3.5 Psychologische Grundlagen des Wissenserwerbs
4.4 Chancen und Potentiale
4.4.1 Die Entwicklungen
4.4.2 Einsatzmöglichkeiten von E-Learning in der Praxis
4.4.2.1 Die Situation in der Wirtschaft
4.4.2.2 Situation der Hochschulen
4.4.2.3 Zusatznutzen von E-Learning
4.4.2.4 Worum geht es außerdem?
4.5 Bestandteile einer E-Learning-Lösung
4.5.1 Pädagogische Erfordernisse
4.5.1.1 Kommunikation
4.5.1.2 Interaktion im Netz
4.5.1.3 Lernerfolgskontrolle bzw. „Tracking“
4.5.1.4 Tutor-Möglichkeiten
4.5.1.5 Kooperatives Lernen
4.5.2 Produktion
4.5.2.1 Schnittstellen
4.5.2.2 Autorenkomponenten in Plattformen
4.5.3 Distribution
4.5.3.1 E-Commerce-Schnittstellen
4.6 Marktüberblick
4.6.1 Der globale Bildungsmarkt
4.6.2 Der globale Markt des E-Learning
4.6.3 Der globale Markt für Corporate Learning
4.6.4 Der Markt für E-Learning in der betrieblichen Weiterbildung
4.6.5 Der Markt virtueller Hochschulbildung
4.7 Die Segmentierung des Marktes
4.7.1 Die Anbieter
4.7.2 Die Nachfrager

5 Der Ausblick
5.1 Die Erwartungen
5.2 Die Nutzer
5.3 Die Anbieter
5.4 Die Zukunft

Literaturverzeichnis

Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen

Abbildung 1: „Der Wissende flößt dem Nichtwissenden das Wissen ein.“

Abbildung 2: Das Eisbergmodell des Wissens

Abbildung 3: Die Funktionsweise von Hypertext-Lernsystemen

Abbildung 4: Unterscheidung der Medien nach Sinneskanälen

Abbildung 5: Die Gedächtnismaschine Memex

Abbildung 6: Definition neuer Neue Medien

Abbildung 7: Der Computer als gemeinsame Basis

Abbildung 8: Kommunikationsbeziehungen

Abbildung 9: Die Lerndomänen

Abbildung 10: Das didaktische Dreieck

Abbildung 11: Interaktionszyklus nach Gery

Abbildung 12: Gehalt und Reichweite in der Hochschullehre

Abbildung 13: Bestandteile einer E-Learning-Plattform

Abbildung 14: Die Aufteilung der Anbieter

Abbildung 15: Aufteilung der Anbieter

Tabelle 1: Lerntheorien und ihre Eigenschaft

Tabelle 2: Einschätzung von E-Learning aus der Sicht von großen Unternehmen

Tabelle 3: Beispielrechnung für Einsparpotentiale durch E-Learning

Tabelle 4: Zahl der ausländischen Studierenden an US-Universitäten

1 Einleitung

1.1 Einführung

Ende des 19. Jahrhunderts begann eine mit der industriellen Revolution eine Entwicklung, die zur Wandlung des Charakters von Wissen führte.1 Beschleunigt durch die Entwicklungen in der Kommunikations- und Informationstechnologie leben wir heute in einer Wissensgesellschaft und es besteht eine nahezu unbegrenzte Informationsvielfalt. Es wird in Zukunft nicht mehr reichen, Qualifikationen nur mit dem Abschluss einer Lehre oder eines Studiums zu erlangen, sondern vielmehr wird das ,,lebenslange Lernen" eine elementare Anforderung an jeden Arbeitnehmer darstellen. Die Globalisierung der Märkte, die Technisierung der Arbeitswelt und der steigende Wettbewerbsdruck sind auch Faktoren, die den raschen Wandel unserer Gesellschaft kennzeichnen. Wissen gilt in der heutigen Zeit als Produktionsfaktor und ist eine der wichtigsten Ressourcen von Unternehmen.2 Die ungeheuren Datenmengen benötigen aber auch neue Formen des Umgangs mit Wissen, um auch aus den Entwicklungen der letzten Jahrzehnte wirklich einen Nutzen für die Gesellschaft zu erreichen!

Eine neue Form des Lehrens und Lernens wird also benötigt. E-Learning bietet hier den benötigten Ansatz und profitiert davon, dass sich der allgemeine Fortschritt nicht nur auf den globalen Märkten, in der Wirtschaft allgemein und in den Anforderungen an das Bildungswesen bemerkbar gemacht hat, sondern auch im Bereich der Medien und dadurch auch in der Entwicklung von neuen Lernsystemen. Die Entwicklung neuer Computertechnologien wie Videokonferenzsysteme, CD-ROM, schnellere Verbindungen im Internet durch ISDN oder DSL sind Grundvoraussetzungen, die selbstgesteuertes und arbeitsplatznahes Lernen erlauben. Erst durch diese Neuen Medien ist es möglich, den neuen Ansprüchen der Wissensgesellschaft gerecht zu werden.

John Chambers, CEO von Cisco Systems, prophezeit E-Learning eine große Zukunft voraus. Schon im November1999 sagte er:

“The next big killer application for the Internet is going to be education.

Education over the Internet is going to be so big it is going to make e-mail look like a rounding error.”

Die nächste mächtige Anwendung für das Internet wird Bildung sein, Bildung über das Internet wird so umfangreich sein, dass das Verwenden von E-Mail unbedeutend erscheint.

1.2 Aufbau und Abgrenzung der Arbeit

Zielsetzung dieser Arbeit ist es, einen Überblick über E-Learning als neue Form der Weiterbildung/Bildung zu geben. Dazu ist die Arbeit in fünf Kapitel gegliedert:

Das erste dient der Einführung in die Thematik. In Kapitel zwei wird auf das Wissen im Allgemeinen und auf die unterschiedlichen Lerntheorien eingegangen. Ebenso werden die verschiedenen Formen des Wissens und die Wandlung des Wissens hin zum Produktionsfaktor erläutert. In Kapitel drei wird die Entwicklung der Medien zu den heutigen neuen digitalen Medien veranschaulicht und die Eigenschaften und Besonderheiten der Neuen Medien, die E-Learning erst möglich machen, behandelt. Kapital vier als Hauptteil der Arbeit definiert E-Learning, zeigt mögliche didaktische Konzepte und betrachtet die Einsatzmöglichkeiten von E-Learning. Abschließend wird in Kapitel vier der Aufbau sowie die benötigten Bestandteile einer E-Learning- Plattform erklärt und die jetzige Marktsituation unter die Lupe genommen. Der Ausblick auf die Zukunft des E-Learning in Kapitel fünf bildet den Abschluss dieser Arbeit.

2 Wissen und Wissensvermittlung

2.1 Was ist Wissen und Wissensvermittlung?

Es gibt eine Vielzahl von Definitionen, die einzugrenzen versuchen, was Wissen im eigentlichen Sinn bedeutet. Wissen wird unter anderem als Sammlung von Ideen und Fakten, Disposition oder Kognition, als Fähigkeit, als Erkenntnisresultat oder auch als Symbol- oder Zeichensystem verstanden. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien hier Begriffe genannt wie Alltagswissen, Quizwissen, Know-how, „reines“ Wissen, Weltwissen oder Handlungswissen. Der Begriff Wissensvermittlung wird dementsprechend unterschiedlich verwendet. Als grundlegende Beschreibung kann gelten, dass die Wissensvermittlung in der Kette „Schaffen von Wissen - Verbreiten von Wissen - Speichern und Verarbeiten von Wissen“ die Glieder Verbreiten und Speichern umfasst.

Der Besitz von Wissen bedeutet für die einzelnen Menschen in der Gesellschaft ein prägendes Merkmal ihrer Persönlichkeit. Die Art und die Menge des Wissens (in Form von Fähigkeiten, Erziehung und Denkweisen) bestimmt über die Handlungsmöglichkeiten und Lebensweisen der Menschen. Wissensvermittlung ist also auch Persönlichkeitsbildung.

Anhand einer Karikatur (Abbildung 1) lässt sich zeigen, was Wissensvermittlung nach einer modernen Definition gerade nicht ist: Wissen kann nicht einfach als „konkrete Substanz“ behandelt werden, die einfach von den Lehrenden an die Lernenden übergeben wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: „Der Wissende flößt dem Nichtwissenden das Wissen ein.“ (Benkert 2001, S. 16).

Um den neuen Anforderungen gerecht zu werden, wird eine Veränderung des Lernens gefordert. Das reine Faktenwissen, welches in der Informationsflut der heutigen Gesellschaft schnell veraltet und zunehmend aus Datenbanken abrufbar ist, reicht nicht mehr aus. Um den Veränderungen am Arbeitsplatz folgen zu können, wird das handlungsorientierte Methodenwissen dagegen immer wichtiger. Neben dem selbsttätigen Lernen ist auch die Fähigkeit gefragt, selbstständig sowie in Zusammenarbeit mit anderen Probleme zu lösen. Statt des Know-how wird Know-how-to-know verlangt. Die neue Situation erfordert, dass die Lernenden immer größere Verantwortung für den eigenen Lernprozess übernehmen.

Wissensvermittlung findet in Zukunft auch nicht mehr nur während einer zeitlich begrenzten Ausbildungsphase statt. Gerade im Bereich der neuen Medien müssen die Älteren von den Jungen lernen. Sie wachsen mit den neuen technischen Entwicklungen auf, die Älteren dagegen müssen sich hier mühsam einarbeiten. Da also das Wissen einer ständigen Ergänzung und Erneuerung unterliegt, findet Lernen heute nicht mehr nur im Schulalter statt, im Gegenteil es ergibt sich die Erfordernis des lebenslangen Lernens sowohl der Gesellschaft als auch der Einzelnen.3

2.2 Formen von Wissen

Die japanischen Wirtschaftswissenschaftler Nonaka und Takeuchi klassifizieren das menschliche Wissen in zwei Kategorien:

- Explizites Wissen: Es lässt sich formal, das heißt in grammatisch und semantisch korrekten Sätzen, in mathematischen Formeln oder in technischen Daten ausdrücken.
- Implizites Wissen: Es entzieht sich dem formalen sprachlichen Ausdruck. Dieses Wissen baut auf die Erfahrung des Einzelnen und betrifft schwer fassbare Faktoren wie persönliche Überzeugungen, Emotionen, Perspektiven, Wertsysteme oder Leitbilder. Ein wichtiger Teil des impliziten Wissenskörper ist das durch Erfahrung angeeignete Handlungswissen, das zum Beispiel jeden Pianisten und Chirurgen auszeichnet.

Laut den oben genannten Ökonomen hängt der Fortschritt unserer Wissenskultur wesentlich davon ab, dass es gelinge, implizites in explizites Wissen zu überführen.4

2.2.1 Das Eisberg-Modell der Lernkultur

Die Unterscheidung zwischen explizitem Wissen, das vorrangig anwendbar und aufzeichenbar ist, und implizitem Wissen, das eher grundlegend und nicht artikulierbar ist, wird zum „Eisberg-Modell der Lernkultur“ (Abbildung 2) weitergeführt (Polanyi 1983 und Arnold/Schüßler 1998).

Die Spitze des Eisberges bildet dabei das explizite Wissen, welches in Worten und Zahlen ausgedrückt werden kann, dessen Basis ist das implizite Wissen, das aus Handlungen, Bindungen an bestimmte Zusammenhänge und Engagement in bestimmten Zusammenhängen besteht. Polanyi hebt dabei die Bedeutung informeller, unterbewusster Prozesse für die Wissensvermittlung hervor.5

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Das Eisbergmodell des Wissens

2.2.2 Explizites Wissen

Wie schon erwähnt, hängt die Entwicklung unserer Wissenskultur wesentlich davon ab, wie es uns gelingt, implizites Wissen in explizites Wissen umzuwandeln. Das explizite Wissen steht bei dieser Arbeit also im Vordergrund. In Anlehnung an Jürgen Mittelstraß und Gereon Wolters lässt sich explizites Wissen in zwei Kategorien unterbringen:

- Theoretisch-kognitives Wissen
- Handlungsrelevantes Wissen6

Dem theoretisch-kognitiven Wissen wird das handlungsrelevante Wissen gegenübergestellt. Es tritt uns in zweierlei Formen gegenüber:

- Verfügungswissen ist anwendungsfähiges kognitives Wissen. Wissen, auf das man sich beim praktischen Handeln und beim theoretischen Argument verlassen kann. Verfügungswissen gibt die Antwort auf die Frage: Wie kann ich etwas, was ich tun will, tun?
- Orientierungswissen ist Wissen um Handlungsmaßstäbe. Es gibt uns Antwort auf die Frage: Was soll ich tun? Was darf ich tun? Was darf ich nicht tun? Orientierungswissen bedeutet Kultur. Kultur ist dadurch charakterisiert, dass der Mensch nicht alles tut, was er tun könnte. Eine Rechtfertigung von Zielen und Werten, die sich nicht auf einschlägiges Verfügungswissen stützen kann, wirkt wirklichkeitsfremd und moralisierend: Orientierungswissen ohne Verfügungswissen ist „leer“.7

2.3 Information und Wissen

Im engen Zusammenhang mit Wissen findet sich immer wieder der Begriff Information. Im Allgemeinen wird unter Wissen das Ergebnis eines Informationsverarbeitungsprozesses verstanden. Das Wort Information bezeichnet in der Umgangssprache eine Nachricht oder eine Nachrichtenserie, welche das Wissen des Empfängers potentiell vermehrt. Diesen Gesamtvorgang definiert man als Lernen.

Doch welche Informationen werden tatsächlich in den Wissenskörper des Empfängers eingebaut? Auf immer schnelleren Wegen gelangt man an immer mehr Informationen. Noch nie stand derart viel Information zur Verfügung wie heute. Es stellt sich die Frage, ob dies auch zu mehr Wissen führt. Nach welchen Strategien werden heute Information sortiert und bewertet? In der Regel wird ein Großteil der ankommenden Information nicht einbehalten, sondern entweder abgewiesen oder sofort wieder vergessen.

- Die künftige Wissensgesellschaft wird darauf angewiesen sein, Information zu reduzieren und gezielt zu verknüpfen.
- Es gibt auch heute noch kein Patentrezept für intelligentes Lernen wie im Zeitalter des gesprochenen oder gedruckten Wortes. Zweifellos hat die Bedeutung einer soliden Allgemeinbildung, die bereits in ganz jungen Jahren einen stabilen Wissenskörper schafft, zugenommen.

Abschließend lässt sich sagen, dass die Wirksamkeit der modernen Informationstechnologie sich nicht aus der Geschwindigkeit ihrer Expansion errechnet, sondern von der Qualität des Wissens und des Denkens der Menschen abhängt, die sie nutzen.8

2.4 Wandel des Wissens - Wissen als Produktionsfaktor

Wissen ist einer der Begriffe, die Ende des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts einen starken Boom erfahren haben. Wir befinden uns heute im so genannten Wissenszeitalter. Insbesondere die technischen Entwicklungen in der Computerindustrie und damit verbundenen verbilligten Speichermöglichkeiten aber auch die grundsätzlich universelle Vernetzungsmöglichkeit von Informationen haben eine Entwicklung ermöglicht, die einen Informationszugriff in einem Umfang gestattet, der noch vor wenigen Jahren als Fiktion gelten musste.9

Etwa mit Beginn des 19.Jahrhunderts kam es zu einer Ausdifferenzierung spezialisierter Wissensbereiche mit hoch entwickelten spezifischen Verfahren der Erkenntnisgewinnung, deren entsprechende Beherrschung teilweise ein jahrelanges Studium erforderlich machte. Infolge dieser Entwicklung bildete sich eine historisch neuartige Kluft zwischen dem wissenschaftlichen Allgemeinwissen und einem in artifiziellen Fachsprachen und komplexen gegenstandsspezifischen Symbolsystemen kodifizierten Fachwissen heraus.

Wissen veränderte von nun an seine Funktion in der Gesellschaft. Als Hintergrund dieser Entwicklung kann man die Gegebenheit sehen, dass mit der industriellen Revolution die Gewinnung und Weitergabe solchen Wissens für die gesellschaftliche Reproduktion eine geradezu strategische Bedeutung gewann. Ohne eine Verbreiterung des allgemeinen Basiswissens erschien die spezielle berufsorientierte Bildung nicht mehr gesichert. Es entstanden bürgerliche Einrichtungen allgemeinbildender und berufsspezifischer

Ausbildung mit eigenen integrierenden Wissenssystemen (Einführung der allgemeinen Schulpflicht, Aufbau einer theoretisch fundierten schulischen Berufsbildung, Gründung technischer Universitäten und Fachhochschulen, etc.) Zugleich entwickelten sich Institutionen der höheren Bildung zu vom Staat getragenen Einrichtungen mit Forschung und Lehre.10

Heute leben wir in einer Wissensgesellschaft. Die steigende Bedeutung des Wissens als Produktionsfaktor gibt dem Verteilungsproblem (Arbeit, Einkommen, Ansehen) eine neue Dimension. Aus dem früheren Gleichgewicht von Arbeit, Kapital und pragmatischem Wissen wird neuerdings die Arbeitskraft des Menschen zugunsten des technologischen Wissens zurückgedrängt. Dies gilt nahezu für alle standardisierbaren Tätigkeiten. Für die Menschen bleibt der kreative Bereich von Forschung, Entwicklung, Innovation, Konstruktion und das weite Feld der Dienstleistungen.11

Allein die erhöhte Geschwindigkeit des Zugriffs auf die Informationen hat den Umgang mit Wissen nachhaltig verändert. Gleichzeitig stellt es auch neuartige Anforderungen an die Strukturierung von Wissensbeständen. Die Informationstechnologie macht es in der Tat auch möglich, die Struktur des repräsentierten Wissens anders zu strukturieren als in der linearen Form der gesprochenen und geschriebenen Sprache, die bislang für die gesamte Schrifttradition charakteristisch ist. Die Darstellung kann funktional den Strukturen der Wissenssysteme angepasst werden (Abbildung 3), eine neuartige Möglichkeit, die in Datenbanken und Hypertexten bereits heute extensiv genutzt wird.12

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Die Funktionsweise von Hypertext-Lernsystemen

„In the traditional process, the reader decomposes the text structure and stores knowledge representations in memory. In a mediated hypertext environment, these knowledge structures are prefabricated, automated, and accessible.“ (Carlson 1992).13

Der mit der Dominanz des Wissens verbundene Wandel verlangt neue Qualifikationen und eine bislang ungewohnte geistige Mobilität. Lernen gewinnt eine neue Dimension. Das nun geforderte „lebenslange Lernen“ bezieht sich nicht nur auf das kulturtechnische Können, sondern auch auf das Ändern von Verhaltensweisen aufgrund von neuem Wissen.14

2.5 Wissen und Lernen

Wissen und Lernen sind Begriffe, die in engem Zusammenhang betrachtet werden müssen. Während Lernen als aktiver Prozess betrachtet werden kann, ist das Wissen eher als dessen Ziel und Ergebnis anzusehen.15

Einige gängige (postmoderne)Thesen haben Lernende und Lehrende gleichermaßen verunsichert:

- Wissen veraltet heute so schnell, dass es sich nicht lohnt, es gründlich zu erwerben.
- Moderne Informationstechnologie macht blitzschnell jede Art und Menge an Information verfügbar, sodass es nicht nötig erscheint, selbst über Wissen zu verfügen.
- Es kommt nicht darauf an, was man lernt, sondern nur darauf, dass man lernt, wie man notfalls lernt.
Auf diese Thesen lässt sich angelehnt an einen Kommentar von Franz E. Weinert (1997) folgende Antwort geben:
- Der Erwerb intelligenten Wissens kann nicht durch passives, mechanisches und unselbstständiges Lernen erfolgen, sondern erfordert eine aktive, konstruktive und zunehmend selbstverantwortliche Haltung des Lernenden.
- Exzellente Leistungen erfordern auf allen inhaltlich anspruchsvollen Gebieten neben ausreichender Intelligenz und besonderen Begabungen auch entsprechendes spezialisiertes Wissen und Können.
- Lernen und Denken lassen sich als solche nur sehr begrenzt lernen und üben. Der größte Nutzen ergibt sich, wenn der Erwerb inhaltlichen Wissens mit dem Aufbau allgemeiner Lernstrategien und Denkkompetenz eng verknüpft wird.
- Der Aufbau einer intelligenten Wissensbasis erfordert viele Jahre intensiven Lernens. Defizite lassen sich durch kurze Trainingsseminare nicht kompensieren. Eine breite, solide Allgemeinbildung und der Erwerb eines flexibel nutzbaren fachlichen Wissens sind nicht ersetzbar.
- Intuition, Phantasie und Kreativität sind geistige Potentiale, die zwischen Menschen sehr ungleich verteilt sind, zu ihrer individuellen Entfaltung aber stets des intelligenten Wissens bedürfen. Es gilt deshalb, dem Ausspruch Albert Einsteins zu widersprechen, dass Phantasie wichtiger sei als Wissen. Phantasie ohne Wissen ist zu leichtfüßig, Wissen ohne Phantasie zu schwerfällig. Erst die phantasievolle Nutzung intelligenten Wissens macht das menschliche Denken kreativ.16

2.6 Lerntheorien

Wie kann man sich den menschlichen Lernprozess vorstellen? Die drei einflussreichsten Theoriesysteme dieses Jahrhunderts Behaviorismus, Kognitivismus und Konstruktivismus haben folgende Ansätze.

2.6.1 Der Behaviorismus

Behavioristische Lehrstrategien gehen davon aus, dass die Lehrenden wissen, was die Lernenden zu lernen haben. Lernen wird hier als konditionierter Reflex gesehen, es muss daher den Lernenden „nur“ der geeignete Stimulus präsentiert werden, um ein bestimmtes Verhalten hervorzurufen. Die theoretischen und didaktischen Schwierigkeiten bestehen hauptsächlich darin, diese geeigneten Stimuli zu erforschen und sie mit entsprechendem Feedback zu unterstützen, um die richtigen Verhaltensweisen zu verstärken.

Der Behaviorismus ist nicht an den im Gehirn ablaufenden Prozessen interessiert.

Das Gehirn wird als „black box“ aufgefasst, die einen Input erhält und dementsprechend darauf reagiert. Das Modell dieser Lerntheorie ist das Gehirn als passiver Behälter, der gefüllt werden muss. Der Behaviorismus ist heute stark in Misskredit geraten. Der hauptsächliche Grund dafür ist, dass das Schema von Reiz und Reaktion die Komplexität der menschlichen Lernprozesse offenbar nur ungenügend erfasst. In einem kleinen, begrenzten Bereich hat der Behaviorismus allerdings große Erfolge erzielt, beim Trainieren von körperlichen Fertigkeiten. Zwar ging das Üben von körperlichen Verhaltensweisen oder Fähigkeiten mit der theoretischen Negation geistiger Prozesse vor sich, doch es gelang der behavioristischen Pädagogik, „spontane“ Reaktionen anzuerziehen. Ein typisches Beispiel ist das Sprachlabor, das nach dem Muster von Drill & Practice konzipiert ist. Es wird so lange geübt, bis auf einen bestimmten Reiz quasi automatisch eine bestimmte Reaktion erfolgt. Andere Beispiele solcher Übungsmethoden sind die Methoden beim Lernen von Maschinschreiben, Klavierspielen oder Jonglieren.

In den neueren Lerntheorien bleibt das hier abgedeckte Spektrum von Fähigkeiten meistens unberücksichtigt: die automatische, scheinbar gedankenlose, gewandte Ausführung einer Fertigkeit, das Erlernen einer Art von routinierter Geschicklichkeit.17

In den 50er Jahren entwickelte Skinner eine Theorie des Lernens die auf der Theorie des Behaviorismus aufbaute. Der Lehrstoff wird in kleinste Einheiten unterteilt und nach jeder Einheit erfolgt dazu eine Frage. Die Antwort wird ausgewertet und dem Lernenden wird mitgeteilt, ob sie richtig oder falsch war.

Skinner entwickelte hieraus die programmierte Instruktion. Er bildete sieben pädagogische Schritte, die Leitfaden für viele Lehrmaschinen und Unterrichtseinheiten wurden:

1. Auf jede Antwort muss unmittelbar eine Rückmeldung folgen.
2. Jeder Schüler soll in seinem persönlichen Lerntempo eine Unterrichtseinheit bewältigen.
3. Die Lernziele müssen klar und objektiv formuliert werden, damit gezielt Rückmeldungen und Belohnungen gegeben werden können.
4. Aufgaben sollen so gestellt werden, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit richtig gelöst werden, um Frustration zu vermeiden und die Chance für die richtigen Antworten zu erhöhen.
5. Der Unterrichtsstoff soll in eine Abfolge von Frage- und Antwortkombinationen gebracht werden. Dabei sollte vom Leichten zum Schwierigen gegangen und der Stoff aus unterschiedlichen Blickwinkeln aufbereitet werden.
6. Die Lernenden sollen möglichst aktiv sein und Fragen bzw. Aufgaben wirklich bearbeiten.
7. Besonders ausdauerndes und gutes Arbeiten sollte durch eine Reihe von zusätzlichen Belohnungen bekräftigt werden.18

2.6.2 Der Kognitivismus

Das Beispiel des Kognitivismus betont im Gegensatz zum Behaviorismus die inneren Prozesse des menschlichen Hirns. Es wird versucht, diese Prozesse zu unterscheiden, zu untersuchen und miteinander in ihrer jeweiligen Funktion in Beziehung zu setzen. Das menschliche Gehirn ist im Kognitivismus keine „black box“ mehr, bei der nur Input und Output interessieren, es wird versucht, für die dazwischen liegenden Verarbeitungsprozesse ein theoretisches Modell zu entwickeln.

Es gibt eine ganze Reihe unterschiedlicher Ausprägungen des Kognitivismus, ihnen ist jedoch allen gemein, dass der Prozess des menschlichen Denkens als ein Prozess der Informationsverarbeitung gesehen wird. Auf dieser sehr abstrakten Ebene sind menschliches Hirn und Computer gleichwertig: Beide sind „Geräte“ zur Informationsverarbeitung.

Das Lösen von Problemen steht beim Kognitivismus im Mittelpunkt der Forschung: Hier geht es nicht mehr nur darum, auf gewisse Stimuli die richtige Antwort zu produzieren, sondern darum, richtige Methoden und Verfahren zur Problemlösung zu lernen, deren Anwendung dann erst die eine oder mehrere richtige Antworten generiert. Es geht auch nicht mehr darum, die eine richtige Antwort zu finden, sondern es können vielmehr verschiedene Verfahren zu optimalen Ergebnissen führen.

Ein Kritikpunkt am Kognitivismus ist die relativ geringe Rolle des Körpers. So wie beim Behaviorismus das körperliche Verhalten überbetont wird, so wird im Kognitivismus die Konzentration zu stark auf geistige

Verarbeitungsprozesse gelenkt. Deshalb fällt es im Kognitivismus schwer, körperliche Fertigkeiten und Fähigkeiten zu erklären bzw. zu simulieren. „Künstliche Intelligenz“ ist relativ brauchbar beim Lösen abstrakter Probleme (z.B. Schach), bei menschlichen Alltagsaufgaben (z.B. Gehen) gibt es große Probleme.

Aber selbst in seinem primären Anwendungsbereich scheint auch dieses Lernmodell noch zu einfach und zu einseitig zu sein. Der Kognitivismus geht davon aus, dass das Problem objektiv gegeben ist und auf die Lösung wartet. Dies ist jedoch nicht der Fall: Probleme müssen erst einmal gesehen werden, damit sie gelöst werden können. Der Prozess der Problemgenerierung wird damit im Kognitivismus vernachlässigt.19

2.6.3 Der Konstruktivismus

Der Konstruktivismus geht davon aus, dass sich jeder Mensch aufgrund von eigenen Erfahrungen eine Realität aufbaut. Diese dient als Modell einer vermeintlich existierenden objektiven Realität. Die aktive Rolle des Lernenden und die Verarbeitung von neuen Erkenntnissen vor dem Hintergrund des bereits vorhandenen Wissens sind in Bezug auf den Lernprozess fundamental wichtig.20

Im praktischen Leben sind Menschen mit einmaligen, nicht vorhersehbaren Situationen konfrontiert, deren Probleme nicht evident sind. Im Gegensatz zum Kognitivismus steht hier daher nicht das Lösen bereits existierender, bloß zu entdeckender Probleme im Vordergrund, sondern das eigenständige Generieren von Problemen. Die Leistung hierbei besteht darin, einer unsicheren instabilen Situation durch die Implementierung einer gewissen Sichtweise (Problemsicht) erst Sinn zu geben.21

Der Lehrende erhält die Rolle eines Trainers oder Coaches, eines Subjekts, das aufgrund seiner Erfahrung Wissen vermittelt. Die Formulierungen „learning by doing“, oder „entdeckendes Lernen“ werden häufig in Zusammenhang mit dem Konstruktivismus gebracht, da sie die Aktivität des Lernenden unterstreichen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Lerntheorien und ihre Eigenschaft (Möhler 2000, S. 27)

[...]


1 Vgl. Klix/Spada 1998

2 Vgl. Bentlage/Glotz/Hamm/Hummel 2002

3 Benkert 2001, S. 15f

4 Mohr 1999, S.10f

5 Benkert 2001, S. 19f

6 Mohr 1999, S.11f

7 Mohr 1999, S.12ff

8 Mohr 1999, S. 19f

9 Zirkler 2001, S. 85

10 Klix/Spada 1998, S. 93f

11 Mohr 1999, S. 9

12 Klix/Spada 1998, S. 97

13 Benkert 2001, S. 22

14 Mohr 1999, S. 9f

15 Möhler 2000, S.24

16 Mohr 1999, S. 22f

17 Baumgartner/Payer 1997

18 Möhler 2000, S. 25

19 Baumgartner/Payer 1997

20 Möhler 2000, S. 26

21 Baumgartner/Payer 1997

Fin de l'extrait de 80 pages

Résumé des informations

Titre
E-Learning - Lernen in der Wissensgesellschaft
Université
Stuttgart Media University
Note
2,3
Auteur
Année
2003
Pages
80
N° de catalogue
V21718
ISBN (ebook)
9783638252720
Taille d'un fichier
1859 KB
Langue
allemand
Mots clés
E-Learning, Lernen, Wissensgesellschaft
Citation du texte
Christian Eckart (Auteur), 2003, E-Learning - Lernen in der Wissensgesellschaft, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/21718

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