Die interkulturelle Öffnung der Sozialen Arbeit


Diploma Thesis, 2002

120 Pages, Grade: 1,4


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einleitung
Begriff ethnische Minderheiten
Die Entwicklung der Ausländer- und Integrationspolitik in der BRD
Deutschland: ein Einwanderungsland?

A. Erörterung eines Kultur- und Integrationsverständnisses
1. Zum Begriff Integration
1.1 Definition
1.2 Erwartungen und Mißverständnisse
2. Die Adressaten von Integration
2.1 Die Zuwanderer
2.1.1 Zuwanderung in Zahlen
2.1.2 Die Art und Herkunft der Zuwanderergruppen
a) Arbeitsmigranten
b) Aussiedler, Spätaussiedler und Übersiedler
c) Flüchtlinge, Asylbewerber und jüdische Emigranten
d) Drittstaatsangehörige, Familiennachzug
e) Ausländische Studierende
f) Illegale
2.1.3 Welche Gruppen sollen integriert werden?
Politische Bestimmungen
Problem Asylverfahren und Duldung
Wer kann verpflichtet werden?
Integrationsbereitschaft
2.1.4 Welchen rechtlichen und gesellschaftlichen Status haben sie?
2.2 Die Mehrheitsgesellschaft
Das Integrationsverständnis
3. Zum Begriff Kultur
3.1 Definition
3.2 Verschiedene Kulturen in Deutschland
3.3 Deutsche Leitkultur?
Das Kulturverständnis
4. Lebendiges Zusammenleben
4.1 Verschiedene Konzepte einer modernen Gesellschaft

B. Handeln und Umsetzen
5. Integrationsbereiche
5.1 Schulische und vorschulische Integration
5.1.1 Interkultureller Ansatz
5.1.2 Die Bedeutung von Sprache
5.2 Berufliche Integration
5.3 Gesellschaftlich- kulturelle Integration
5.4 Politisch- demokratische Integration
6. Die Ressourcen von Zuwanderern
7. Wahrnehmung von Zuwanderung in Deutschland
7.1 Akzeptanz
7.2 Differenz
7.3 Konfliktbereiche
a) Diskriminierung, Fremdenangst, Ausländerfeindlichkeit,
Rechtsextremismus
b) Ghettoisierung, Isolierung
c) Religion, Fundamentalismus, Islamismus
d) Kriminalität
e) Konkurrenz
7.4 Beeinflussung durch die Medien

C. Beitrag der Sozialen Arbeit: Interkulturelle Öffnung
8. Neuorientierung in der Migrationsarbeit
8.1 Folgen für die Soziale Arbeit
9. Die Interkulturelle Öffnung der Sozialen Arbeit
9.1 „Empfehlungen zur interkulturellen Öffnung sozialer Dienste“
nach Hinz- Rommel
9.2 Anforderungen an Konzeption, Organisation und Träger
9.3 Anforderungen an die Mitarbeiter
9.4 Anforderungen an die Einrichtungen der Aus- und Fortbildung
9.5 Schwierigkeiten bei der Umsetzung
9.6 Aktueller Stand

D. Untersuchung der Praxis:
Dienste, Einrichtungen und Projekte
Ziel und Methode
10. Überregionale und bundesweite Beispiele
10.1 Zuwanderungsgesetz
10.2 Integrationswettbewerb
10.3 Stuttgarter „Bündnis für Integration“
11. Das Beispiel Freiburg
11.1 Stadtverwaltung: Interkulturelles Büro
11.2 Gemeinderat/ Ausländerbeirat
11.3 Wohlfahrtsverbände: Beispiel Caritas
11.4 ausLÄNDERinitiative Freiburg e.V.
11.5 Die Eingliederungslotsin
11.6 Ausbildungseinrichtungen: KFH, EFH, PH
12. Diskussion der Ergebnisse

E. Resüme

Anhang

Literaturverzeichnis
Eidesstattliche Erklärung

„Toleranz sollte eigentlich

nur eine vorübergehende Gesinnung sein;

sie muß zur Anerkennung führen.

Dulden heißt beleidigen [...],

die wahre Liberalität ist Anerkennung.“

Goethe

Vorwort

Diese Arbeit wurde von mir nach vielerlei Erfahrungen mit Fremden dazu genutzt, mich auch theoretisch in das Arbeitsfeld zu vertiefen. Ich machte schon vor Beginn des Studiums die Erfahrung von Fremde und Fremdsein, konnte zahlreiche Einblicke in fremde Sprachen und Kulturen gewinnen und hatte viele Begegnungen mit fremden Menschen. Verschiedene Reisen und ein Schüleraustausch führten mich durch europäische Länder bis Russland, nach Neuseeland, Kanada und die USA.

Während des Studiums arbeitete ich ein Jahr lang mit Flüchtlingskindern aus dem Kosovo. Hier begegnete ich einer völlig anderen, mir neuen Kultur: den Roma. Außerdem lernte ich, was Sprache bedeutet und wie wichtig sie ist. Während des ersten praktischen Studiensemesters lebte und arbeitete ich mit behinderten Menschen zusammen in Frankreich. Auch hier machte ich erneut die Erfahrung, was es heißt, eine fremde Sprache zu erlernen. Im zweiten praktischen Studiensemester arbeitete ich mit vielen verschiedenen Jugendgruppen. Dabei lernte ich viele junge Spätaussiedler kennen.

Im Bewußtsein, dass wir es ständig und überall mit einer Fülle von Menschen fremder Herkunft, Sprache und Kultur zu tun haben, stellten sich mir immer mehr Fragen zu Herkunft, Kultur, Motivation und Lebensalltag von Zuwanderern. Gleichzeitig fragte ich mich, ob und wie Menschen verschiedenster Kulturen überhaupt zusammenleben können und wie ein gleichberechtigtes und gemeinsames Gestalten dieser Gesellschaft möglich ist.

Nicht zuletzt stamme ich selber aus einer binationalen Familie. Mein Vater ist Niederländer, meine Mutter Deutsche. Daher war es bei uns schon immer üblich, auch über den eigenen Tellerrand hinaus zu schauen!

Zwiesel, den 22. November 2002 Katrien Nouwens

Einleitung

Deutschland ist schon immer ein Land gewesen, in dem, in das und durch das sich Menschen bewegt haben. Deutsche wanderten ins Ausland und Fremde kamen nach Deutschland. Diese Wanderbewegungen wurden von gesellschaftlichen Prozessen beeinflußt, denen Armut, Arbeitslosigkeit, Krieg, politische Verfolgung, Umweltkatastrophen und Bildung zugrunde lagen.

Die Entwicklung von Migration wurde zwar in verschiedenen Modellen beschrieben, aber eine allgemein anerkannte Definition oder Theorie gibt es nicht. Migration ist ein äußerst komplexes Phänomen, dass sich nicht auf eine Zuwanderungsgruppe oder ein Motiv von Zuwanderung beschränken läßt. Daher werden hier alle Formen von Bewegung mit dauerhafter oder temporärer Verlagerung des Lebensmittelpunktes an einen anderen Ort als Migration verstanden.

Menschen, die in einen anderen Staat zuwandern oder aus diesem abwandern werden mit verschiedenen Begriffen beschrieben. Diese werden aufgrund der wachsenden Heterogenität von Migranten immer vielfältiger und komplizierter. Im folgenden wird versucht, den jeweils adäquaten Begriff zu verwenden.

Die verschiedenen Zuwanderungsgruppen in Deutschland bilden ethnische Minderheiten innerhalb der Aufnahmegesellschaft. Diese Aufnahmegesellschaft steht heute erstmals vor der Situation, dass einerseits immer mehr Menschen die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, ohne deutschstämmig zu sein. Andererseits gibt es Menschen, die aufgrund ihrer Deutschstämmigkeit die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten, ohne wirklich die Sprache zu beherrschen. Wenn von deutscher Mehrheitsgesellschaft die Rede ist, so muß also dieser Umstand mitbedacht werden.

Begriff ethnische Minderheiten

Der Begriff der ethnischen Minderheiten meint im engeren, rechtlichen Sinne alteingesessene Bevölkerungsgruppen, wie z.B. die Dänen, Sorben und Friesen, die aufgrund historischer Entwicklungen die deutsche Staatsbürgerschaft haben, jedoch ihre eigenen kulturellen Merkmale besitzen und ihre Tradition bewahren. Er wird in der sozialwissenschaftlichen Praxis aber immer mehr durch einen erweiterten Begriff ersetzt, der auch alle Migrantengruppen umfaßt, die ebenfalls ihre eigenen kulturellen Merkmale besitzen, aber erst in der jüngeren Geschichte zugewandert sind und zum größten Teil nicht die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Da es in dieser Arbeit um die zweite Gruppe von Minderheiten gehen soll, wird der Begriff der ethnischen Minderheiten im folgenden in dieser erweiterten Bedeutung verwendet.

Die Entwicklung der Ausländer- und Integrationspolitik in der BRD

Neben wirtschaftlichen und sozialen Faktoren spielt die Politik des Landes in das migriert wird, eine zentrale Rolle. Die Öffnung der innereuropäischen Grenzen ist ebenfalls von Bedeutung für die internationalen Wanderungen im gegenwärtigen Ausmaß. Um die Brisanz der heutigen Zuwanderungspolitik und damit verbunden die Notwendigkeit einer interkulturellen Öffnung in allen gesellschaftlichen Bereichen begreiflich zu machen, wird hier ein kurzer geschichtlicher Aufriß vorangestellt.

Die 1950er und 1960er Jahre waren von der Anwerbung ausländischer Arbeitnehmer aus den Mittelmeerländern bestimmt. Einer der wichtigsten Grundgedanken dabei war das Rotationsprinzip, d.h. es wurden immer nur Arbeitsverträge über zwei Jahre geschlossen. Danach sollten die „Gastarbeiter“ wieder in ihr Herkunftsland zurückkehren. Obwohl dieses Prinzip „auf Drängen der deutschen Arbeitgeber bereits im Jahre 1964 aufgegeben wurde, blieb das Verständnis von der vorübergehenden Anwesenheit der zugewanderten Ausländer vorherrschend.“ (vgl. Ibrahim, 1997, 96). Das Ausländergesetz von 1965 beschränkte sich hauptsächlich auf die Arbeits- und Aufenthaltsbestimmungen für die ausländischen Arbeitnehmer. Das Verständnis von und der Gedanke an eine Ausländerpolitik mit Integrationselementen wurden nicht als notwendig erachtet und fanden daher keine Berücksichtigung im alten Ausländergesetz.

Erst 1970 wurden die „Grundsätze zur Eingliederung ausländischer Arbeitnehmer“ vom Koordinierungskreis „Ausländische Arbeitnehmer“ beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung erarbeitet. Diese stellten jedoch keinesfalls den Anfang einer Integrationspolitik dar, da es nicht um die gesamtgesellschaftliche Integration der Gastarbeiter ging, sondern lediglich einige Aspekte sozialer und infrastruktureller Eingliederung berücksichtigt wurden (vgl. Ibrahim, 1997, 97). Das Rotationsmodell war zwar nicht mehr im Gesetz, jedoch immer noch in den Köpfen fest verankert. Die ausländischen Arbeitnehmer wurden nicht als Zuwanderer und Deutschland nicht als Einwanderungsland gesehen.

Daran änderten auch die ab 1973 folgenden Programme und Konzepte zur Ausländerbeschäftigung nicht viel. Vielmehr wurde die Ambivalenz der damaligen Politik immer deutlicher: der Anwerbestopp 1973 sollte der Zuzugsbegrenzung und Rückkehrförderung dienen. Er löste aber vielmehr einen massiven Familiennachzug aus, also den Zuzug der Ehegatten und Kinder von Gastarbeitern, und erzielte so das Gegenteil.

Im Jahre 1977 zeichnete sich mit der „Bund- Länder- Kommission“ erstmals eine Verbesserung ab. Sie machte Vorschläge zu einer Fortentwicklung der Ausländerbeschäftigungspolitik, in denen auch die Aspekte „Integration der hier lebenden ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familien, Sicherung ihres sozialen und rechtlichen Status; verstärkte Bemühungen um die Probleme der ‚Zweiten Generation‘ der in der Bundesrepublik lebenden Ausländer“ berücksichtigt wurden (vgl. Ibrahim 1997, 97).

Das Umdenken wurde jedoch erst in der Gründung des „Amtes des Beauftragten der Bundesregierung für die Integration der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen“ im Dezember 1978 deutlich. Heinz Kühn (SPD), der dem Amt als erster vorstand, verfasste 1979 ein Memorandum (der sogenannte Kühn- Bericht), in dem er von den bis dahin geltenden Richtlinien der Ausländerpolitik abwich und sich für eine konsequente Integrationspolitik aussprach. Ihm ging es dabei um die „Anerkennung der faktischen Einwanderung bei gleichzeitigem Ausschluß neuer Zuwanderung“ (Ibrahim, 1997, 97). Er verlangte die Förderung von Chancengleichheit und Integration der ausländischen Kinder und Jugendlichen in den Bereichen Schule, Ausbildung und Arbeit sowie das Optionsrecht der in der BRD geborenen und aufgewachsenen Jugendlichen auf Einbürgerung und die Gewährung des kommunalen Wahlrechts für Ausländer nach längerem Aufenthalt (vgl. Ibrahim, 1997, 97).

Doch mit dem Regierungswechsel 1982 (CDU/CSU/FDP) verlagerte sich der Schwerpunkt der Ausländer- und Integrationspolitik wieder mehr auf die Zuzugsbegrenzung und die Förderung der Rückkehrbereitschaft.

Das Ausländergesetz von 1965 sollte zwar Ende der 1980er Jahre novelliert werden, jedoch führten massiver Widerstand verschiedener gesellschaftlicher Gruppen und der fehlende Konsens in der Koalition dazu, dass der Entwurf zurückgezogen wurde (vgl. Ibrahim. 1997, 98). Erst 1990 wurde das neue Ausländergesetz (AuslG) verabschiedet, das am 1.1.1991 in Kraft trat.

Ihm folgten das Aussiedleraufnahmegesetz vom 1.7.1990 und der sogenannte Asylkompromiß vom 26.5.1993, um dem Ansturm der Zuwanderer begegnen zu können. Abschließend kam das seit dem 1.1.2000 geltende neue Staatsbürgerschaftsrecht hinzu. Dieses ermöglicht erstmals, unter bestimmten Voraussetzungen, den Erhalt der deutschen Staatsbürgerschaft durch Geburt in Deutschland.

Das Ausländergesetz von 1991 erwies sich jedoch nicht als ausreichend, der Situation der ausländischen Bevölkerung gerecht zu werden. Auch Untersuchungen zur demographischen Entwicklung, die die Vergreisung der Gesellschaft voraussagten, und vor den damit einhergehenden Folgen für den Arbeitsmarkt, die Soziale Sicherung und die Innovationskraft in der Wirtschaft warnten, machten umfassende Reformen immer dringlicher. Daher beauftragte Bundesinnenminister Otto Schily eine Unabhängige Kommission „Zuwanderung“ (im weiteren nur noch Zuwanderungskommission genannt), ein neues Konzept zu erarbeiten, welches zur gesellschaftlichen Aufklärung, zur Gestaltung der zukünftigen deutschen Zuwanderungspolitik und zum politischen Konsens beitragen“ sollte (vgl. Zuwanderungskommission, 2001, 21). Auf dieser Basis wurde ein neues Zuwanderungsgesetz entworfen, das erstmals alle Zuwanderungsgruppen berücksichtigte (vgl. dazu auch Kapitel 10.).

Das neue Zuwanderungsgesetz wurde am 25.6.2002 verabschiedet und tritt wahrscheinlich am 1.1.2003 in Kraft.

Deutschland: ein Einwanderungsland?

Obwohl sich die Bundesrepublik Deutschland jahrzehntelang nicht als solches sah, ist sie faktisch zum Einwanderungsland geworden. Vergleicht man den Anteil von Zuwanderern an der Gesamtgesellschaft in Deutschland mit typischen Einwanderungsländern wie den USA, so wird sichtbar, dass prozentual gesehen der Anteil an Einwanderern „in den letzten 45 Jahren in der BRD um ein Fünffaches höher als in den USA“ lag (Ibrahim, 1997, 107).

Beim Betrachten eines Staates und seiner bunten Vielfalt an Menschen, ist doch die Existenz dieser Vielfalt an Völkern und Kulturen wichtiger, als der Aufenthaltsstatus eines Einzelnen, um sagen zu können, dass dieser Staat zum Einwanderungsland geworden ist. Der Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft bedeutet nicht mehr zwangsläufig, dass eine Person auch deutscher Abstammung ist. Das Bild der Nation ist nicht mehr einfarbig, sondern vielfarbig und wird es immer mehr sein. Diese gesellschaftlichen Veränderungen bringen einen Handlungsbedarf mit sich, denn die Probleme und die Aufgaben von Einwanderung, Einbürgerung und Integration können nicht allein auf die Zuwanderer abgewälzt werden. Es funktioniert nur, wenn beide Seiten sich offen und bereit zeigen, in diese gemeinsame Zukunft zu gehen und sie zusammen zu gestalten. Hier wird die Notwendigkeit einer Sozialen Arbeit sichtbar, die nicht nur Migrationsarbeit ist, sondern durch eine interkulturelle Öffnung ethnische Minderheiten und deutsche Mehrheit gleichermaßen und gemeinsam als Klienten ansieht. Die Angebote sozialer Arbeit sollten nur dort nach Nationalität oder Kultur getrennt werden, wo dies wirklich sinnvoll ist.

Die Entwicklung der Ausländer- und Integrationspolitik und den damit zusammenhängenden Folgen für die Migrationsarbeit, machen die Aktualität des Themas deutlich. Zuwanderung soll neu geregelt und Integration gefördert werden. Wer aber sind die Adressaten dieser Maßnahmen und was sollen sie dazu beisteuern? Was kann aktiv zur Förderung von Chancengleichheit und harmonischem Zusammenleben beigetragen werden? Was für ein Verständnis von Kultur und vor allem Integration muß vorhanden sein, um ein friedliches, lebendiges Zusammenleben zu ermöglichen? Was kann dabei die Soziale Arbeit mit der Interkulturellen Öffnung für einen Beitrag leisten?

Diese Arbeit soll untersuchen, was für ein Verständnis von Integration und Kultur gegenwärtig vorherrscht, was die politischen Einflüsse dabei sind und wie Integrationskonzepte aussehen können, die der Realität eines multikulturellen, pluralistischen und modernen Deutschlands besser gerecht werden. Das Zusammenleben verschiedener Kulturen wird möglich im Kontext eines Staates, der von seiner Vielfalt profitiert und durch sie wächst; eine Vielfalt der Kulturen, die nicht mit Ängsten, Abschottung, Ghettobildung und Gewalt einhergeht, sondern Bereicherung, Weltoffenheit, Neugier, Wachstum und Chancengleichheit bedeutet. Die damit zusammenhängenden Fragestellungen und Konfliktbereiche sollen in Teil A und B untersucht werden.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach der Interkulturellen Öffnung sozialer Arbeit. Soziale Arbeit wird hier als umfassende Bezeichnung der Felder Sozialpädagogik und Sozialarbeit begriffen, da eine weitere Trennung dieser Berufe nicht weiter sinnvoll erscheint. Die Entwicklung des Konzepts Interkulturelle Öffnung und der aktuelle Stand in Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit sollen daher Gegenstand von Teil C und D sein.

Diese Arbeit schließt den Flüchtlings- und Asylbereich weitgehend aus. Der Grund dafür ist das gegenwärtige Intergrationsverständnis in der Politik, wie die Ausführungen in Kapitel 2 verdeutlichen werden. Zusätzlich stellt dies ein Einschränkungskriterium dar, zumal es praktisch unmöglich gewesen wäre, im Rahmen dieser Arbeit alle Zuwanderungsgruppen mit ihren spezifischen Problemstellungen angemessen und auf das Thema bezogen zu berücksichtigen. Dies geschieht im Bewußtsein, dass somit eine der drei klassischen Zielgruppen von Migrationsarbeit (ausländische Arbeitnehmer, Aussiedler und Flüchtlinge) fast gänzlich weggelassen wird.

A. Erörterung eines Kultur- und Integrationsverständnisses

1. Zum Begriff Integration

Der Begriff Integration ist wohl eines der meistgebrauchten Schlagworte in der heutigen Politik. Er wird in verschiedenen Bereichen und in vielfältigen Zusammenhängen verwendet. Dabei war und ist sein Gebrauch in der Bedeutung häufig verschwommen und nicht klar definiert worden, gerade in dem für diese Arbeit relevanten Bereich der Migration. So schreiben ihm Politiker oft eine andere Bedeutung zu als etwa Initiativgruppen, die sich für die Chancengleichheit ausländischer Mitbürger einsetzen. Daher soll hier zu Anfang eine Klärung des Begriffes stehen.

1.1 Definition

Was mit Integration gemeint ist, war und ist trotz bestehender Definitionen oft schwammig und mißverständlich. So stellte Esser schon 1984 fest, dass der wohl wichtigste Grund für „manche unnötige Auseinandersetzung“ die fehlende Präzision des Begriffes der Integration sei (zitiert bei Staudt, 1995, 30).

In der Vergangenheit wurde der Begriff Integration oft unscharf abgegrenzt von oder gar gleichgesetzt mit Begriffen wie Akkulturation, Assimilation, Absorption oder Akkomodation (vgl. Staudt, 1995, 30/ Esser, 1983, 13/ Iben, 1997, 493). Man darf die Definition eines Begriffes jedoch nicht mit Konzepten seiner Umsetzung verwechseln.

Der Terminus „integratio“ bezeichnet im Lateinischen die „Wiederherstellung oder die Erneuerung eines Ganzen“ oder die „Einbeziehung in ein Größeres“ (Zuwanderungskommission, 2001, 200). Dies findet statt durch Konzepte wie Assimilation, Akkulturation und Absorption. So wurde Integration lange als die einseitige Anpassung und Angleichung der ethnischen Minderheiten an die „deutsche Leitkultur“ verstanden.

Im Sinne eines interkulturellen Lernens wird Integration heute jedoch als wechsel- und gegenseitiger Lernprozess verstanden, der auch die dominante Kultur im Sinne einer Bereicherung verändert (vgl. Iben, 1997, 493).

Staudt liefert in seinem Buch „Migration- ‚Alltag‘ in Europa“ eine differenzierte Ausführung über die theoretischen und begrifflichen Grundlagen des Begriffes Integration (vgl. Staudt, 1995, 30ff). Er weist auf die Mehrdimensionalität des Begriffes hin und zeigt seine Bedeutung in der allgemeinen Soziologie auf sowie die soziologisch- analytische Bedeutung nach Esser und die politisch- programmatische Bedeutung nach Lüderwaldt. Die Erläuterungen hierzu sollen jedoch aus Platzgründen weggelassen werden.

Wenn man Integration von bestimmten Zuwanderungsgruppen in die deutsche Mehrheitsgesellschaft nun als die Einbeziehung eines kleineren Teils in ein Größeres bestimmt, erneuert sich dieses Ganze in einem fortlaufenden Prozess.

Die Zuwanderungskommission bestimmte in ihrem Abschlussbericht den Begriff Integration als „einen Prozess, zu dessen Gelingen Aufnahme- und Zuwanderergesellschaft wechselseitig beitragen.“ (Zuwanderungskommission, 2001, 200). Integration ist demnach ein gesellschaftlicher Prozess, in den alle in einer Gesellschaft Lebenden jederzeit einbezogen sind. Unverzichtbar hierfür ist der Integrationswille, der sich dadurch äußert, dass jeder Einzelne, also Zugewanderte und Einheimische, aus eigener Initiative darum bemüht ist, sich sozial zu integrieren.

Es herrscht heute ein Konsens darüber, das Integration nur durch eine gleichberechtigte Teilhabe der Zuwanderer am gesellschaftlichen Leben in seinen Teilbereichen erfolgreich sein kann, d.h. im rechtlichen, sozialen, politischen und kulturellen Bereich. Die Zuwanderungskommission tritt deshalb für eine Aufteilung der Integrationspolitik in vier Hauptbereiche ein: die schulische bzw. vorschulische Integration, die berufliche Integration, die gesellschaftlich- kulturelle Integration und die politisch- demokratische Integration (vgl. Zuwanderungskommission, 2001, 203/ vgl. hierzu auch Kapitel 5).

Die Kommission repräsentierte durch ihre Mitglieder und die von ihr angehörten Gruppen alle relevanten gesellschaftlichen Bereiche (Politik, Wirtschaft, Kirche, Wissenschaft, Wohlfahrtsverbände, Migrantenorganisationen und Justiz). Daher können die Bestimmungen zum Begriff der Integration als gegenwärtig vorherrschendes Integrationsverständnis in Deutschland festgehalten werden.

Auf dem Hintergrund seiner Bedeutung als Einbeziehung eines kleineren Teils in ein Größeres und der Erneuerung dieses Ganzen, soll der Begriff Integration im Folgenden also einen Prozess beschreiben, der die gleichberechtigte Teilhabe von Zuwanderern und deutscher Mehrheitsgesellschaft am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unter Respektierung kultureller Vielfalt ermöglicht.

Der Gegenbegriff von Integration ist Desintegration, der Auseinandergehen oder Zerfall bedeutet (vgl. Staudt, 1995, 31). Die Zuwanderungskommission nennt noch den Gegenbegriff der Segmentation, der ein beziehungsloses Nebeneinander von Teilen bedeutet (vgl. Zuwanderungskommission, 2001, 200). Hinzufügen möchte ich noch die Bezeichnung Segregation für „die Absonderung einer Menschengruppe aus gesellschaftlichen, eigentumsrechtlichen oder räumlichen Gründen“ (Lexikon der Fremdwörter, 2001, 271). Diesen Vorgang kann man ansatzweise in der sog. „Ghettoisierung“ und Isolierung einzelner Zuwanderungsgruppen beobachten.

1.2 Erwartungen und Mißverständnisse

Die Zuwanderungskommission nennt Erwartungen, die sowohl Zuwanderer wie auch Einheimische mit dem Begriff Integration verbinden. So geht es den Zuwanderern um Akzeptanz und das Gefühl, willkommen zu sein. Wer nur geduldet wird, kann sich nicht wohl fühlen. Fast alle wollen arbeiten, anstatt von der Sozialhilfe zu leben. Sie suchen eine gute Schul- und Berufsausbildung und wollen mit Deutschen zusammenleben, ohne jedoch ihre Herkunft, die oft die Identität bedeutet, aufgeben zu müssen. Den Einheimischen geht es hauptsächlich darum, dass die Integration der Zuwanderer keine Nachteile für sie selber mit sich bringt. Sie erwarten, dass sie mit den Zuwanderern deutsch sprechen können und ihre kulturelle Identität erhalten bleibt (vgl. Zuwanderungskommission, 2001, 200).

Erwartungen können schnell enttäuscht werden, wenn sich Zuwanderer in ihren Heimatländern nur schlecht informiert haben oder informieren konnten über die rechtliche, die arbeits- und wohnungspolitische Situation sowie dem sozialen Klima in Deutschland und mit der Illusion vom besseren Leben hierher kommen.

Andere Gründe für Mißverständnisse können sprachliches Unvermögen oder eine kulturell bedingt andere Assoziation mit bestimmten Begriffen sein.

2. Die Adressaten von Integration

Mehrheitsgesellschaft und eingewanderte Minderheiten: wer ist das? Integration beschreibt einen Prozess gleichberechtigter Teilhabe dieser Personengruppen in allen Bereichen des Lebens. Wer jedoch soll tatsächlich teilhaben an dieser Gleichberechtigung, wer soll in den Genuß der Integrationsmaßnahmen kommen? Was ist gemeint mit dem Wort Mehrheitsgesellschaft und wer sind die eingewanderten Minderheiten? In welchem Maße sind beide bereit, am Integrationsprozess teilzunehmen oder die anderen daran teilhaben zu lassen? Was haben die Zuwanderer für einen Status oder ein Ansehen in der Gesellschaft?

2.1 Die Zuwanderer

Aussiedler, Übersiedler, Spätaussiedler, Flüchtlinge, Asylsuchende, Arbeitsmigranten, die Familien und Nachkommen der ehemaligen Gastarbeiter, Juden aus der ehemaligen Sowjetunion, ausländische Studierende, hoch qualifizierte Arbeitskräfte (IT- Fachkräfte) und die „Illegalen“: Sie alle haben ein gemeinsames Merkmal: sie sind sich gegenseitig fremd und werden von uns als Fremde wahrgenommen. Das Äußere (z.B. die Hautfarbe), Verhalten (z.B. das Tragen des Schleiers) und der soziale Status der Fremden spielen bei manchen mehr, bei anderen weniger eine Rolle. Manche sehen auffällig fremd aus, manche fallen erst durch ihren sprachlichen Akzent auf und wiederum andere „verraten“ sich erst durch ihren Namen.

Es lohnt sich also, nach einem Überblick über die Zuwanderungszahlen, differenzierend hinzuschauen und die verschiedenen Gruppen von Zuwanderern nach Art und Herkunft, Integrationsbereitschaft und ihrem rechtlichen und gesellschaftlichen Status zu unterscheiden. So wird auch die Vielfalt an Problemlagen und Anforderungen deutlich.

2.1.1 Zuwanderung in Zahlen

Im Jahr 2001 lebten 7,31 Millionen Ausländer in Deutschland. Die deutsche Gesamtbevölkerung wies ein Volumen von 82 Millionen Menschen auf. Der Ausländeranteil betrug also 8,92 Prozent. Davon waren 5,8 Millionen ausländische Ein- und Zuwanderer und 1,5 Millionen in Deutschland geborene Ausländer (vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen, 2002a, 413ff). Der Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung Deutschlands lag somit, ähnlich wie in Luxemburg, Belgien und Österreich, deutlich über dem Durchschnitt der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU). Zusätzlich lebten Ende 2000 ca. 3,2 Millionen Aussiedler oder Spätaussiedler und rund eine Million im Inland eingebürgerter Menschen hier. So kommt man insgesamt auf einen Anteil von fast zwölf Prozent der ein- oder zugewanderten Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung (vgl. Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, 2000, 18f / Zuwanderungskommission, 2001, 14).

Nicht zu vergessen ist allerdings, dass es nicht nur Zuwanderung, sondern auch Abwanderung gibt. Dieser Wanderungssaldo war mit den anderen EU-Staaten in den letzten Jahren fast ausgeglichen. Ein Beispiel: Im Jahr 1999 kamen laut Zuwanderungskommission 137.284 EU- Ausländer nach Deutschland. Zugleich wanderten 138.345 ab. Das heißt, das sogar mehr EU- Bürger aus Deutschland wegzogen als zuwanderten. Insgesamt zeigen die Zu- und Fortzüge jedoch einen positiven Saldo, der allerdings – bedingt durch die Rückkehr jugoslawischer Bürgerkriegsflüchtlinge – in den letzten zehn Jahren beständig gesunken ist. So war im Jahr 1991 ein positives Saldo von insgesamt 602.523 Migranten zu verzeichnen, im Jahr 2000 gab es nur noch ca. 167.430 Zuwanderer (vgl. Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, 2001, 14).

Ein Viertel aller in Deutschland lebender Ausländer stammt aus EU-Staaten. Die Bürger der europäischen Mitgliedstaaten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) machen zusammen mit Bürgern aus der Türkei und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion 80 Prozent der ausländischen Bevölkerung in Deutschland aus. Weitere 11,8 Prozent kamen aus einem asiatischen, 4,1 Prozent aus einem afrikanischen Land und 2,9 Prozent stammten aus Nord- oder Südamerika. Den größten Anteil machen dabei Mitbürger türkischer Herkunft und Bürger aus den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien aus (vgl. Zuwanderungskommission, 2001, 14). Die Zuwanderungskommission stellte fest: „Über 40 Prozent aller Ausländer leben seit mehr als 15 Jahren in Deutschland. Fast zwei Drittel der ausländischen Kinder und Jugendlichen sind hier geboren.“ (Zuwanderungskommission, 2001, 15).

Rein zahlenmäßig sind die wichtigsten Gruppen also sämtliche Arbeitsmigranten aus der Anwerbezeit mit ihren Familien und Nachkommen, weitere Bürger aus dem ehemaligen Jugoslawien und der Türkei, die hier Asyl bekommen haben und die Gruppe der Aus- und Spätaussiedler.

2.1.2 Die Art und Herkunft der Zuwanderergruppen
a) Arbeitsmigranten

Nach dem zweiten Weltkrieg war in Deutschland aus verschiedenen Gründen ein deutlicher Mangel an Arbeitskräften zu verzeichnen. Besonders im Bereich der „beschwerlichen, gesellschaftlich wenig anerkannten oder gar niedrig entlohnten Tätigkeiten (z.B. Landwirtschaft, Baugewerbe, eisen- und stahlerzeugende Industrie, Bergbau und einige Dienstleistungsbereiche wie Gastronomie und Krankenpflege)“ (Staudt, 1995, 16) kam es zu Engpässen.

Diesem Mangel sollte durch die gezielte Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte nach dem Prinzip der Rotation[1] begegnet werden. Die Bundesrepublik begann daher in den 1950er Jahren, zuerst mit südeuropäischen, später auch mit nordafrikanischen Staaten, Anwerbeverträge abzuschließen. Italien war 1955 das erste Land, ihm folgten Spanien und Griechenland 1960, Türkei (1961), Portugal (1964), Tunesien und Marokko (1965) und Jugoslawien (1968). Die Arbeiter wurden Gastarbeiter genannt, da von beiden Seiten nur ein vorübergehender Arbeitsaufenthalt angestrebt wurde.

Die Anwerbung erlebte mit der Rezession 1966 bis 1968 einen ersten Einbruch.

Der Höchststand der Ausländerbeschäftigung wurde aber erst 1973 mit 2,6 Millionen Arbeitnehmern bei einer ausländischen Wohnbevölkerung von insgesamt fast 4 Millionen Menschen erreicht (vgl. Barwig/ Schumacher, 2001b, 301). Doch noch im selben Jahr wurde unter dem Druck der ersten Ölkrise am 23.11.1973 der sogenannte Anwerbestopp verhängt. Dieser verhindert seither die Einreise von Arbeitsmigranten aus Nicht- EG- Staaten. Innerhalb der EU besteht allerdings inzwischen Freizügigkeit, die allen Bürgern der Mitgliedstaaten das Recht einräumt, in jedem Mitgliedsland eine Arbeit zu suchen und auszuüben.

Der Anwerbestopp richtete sich gegen die Neueinreise von Arbeitsmigranten, führte aber auch dazu, dass diejenigen, die schon im Land waren, hier blieben, Rückkehrpläne auf später verschoben und ihre Familien nach Deutschland holten. Denn bei einer Ausreise hätten sie nicht mehr zu Arbeitszwecken einreisen können.

Wir haben es hier also mit einer großen Gruppe von Menschen zu tun, die vor Jahrzehnten nach Deutschland gekommen sind um zu arbeiten und so ihr zukünftiges Leben in der Heimat finanzieren zu können. Hinzu kommen die nachgezogenen Ehegatten/ Ehegattinnen und die Kinder, die entweder noch im Ausland oder schon in Deutschland geboren wurden. Inzwischen wächst die dritte Generation heran.

Bei den früheren „Gastarbeitern“ und ihren Nachkommen sind Veränderungen im Integrationsverhalten und Integrationsprozesse sehr gut zu beobachten, da dies die Zuwanderungsgruppe ist, die sich schon am längsten und über Generationen hinweg in Deutschland aufhält.

Heutige Arbeitsmigranten sind z.B. Gast- und Grenzarbeitnehmer aus EU- Ländern oder die Werkvertrags- und Saisonarbeitnehmer. Werkvertragsarbeitnehmer werden von ausländischen Unternehmen für eine befristete Zeit nach Deutschland entsandt. Es gibt allerdings jedes Jahr je nach Arbeitsmarktlage festgelegte Kontingente für Herkunftsländer und Berufssparten (vgl. Zuwanderungskommission, 2001, 60).

Seit 1991 ist es für Mitglieder der osteuropäischen Staaten möglich, für höchstens drei Monate eine Beschäftigung in der Saisonarbeit aufzunehmen. Bei Letzteren sind immer wieder Personen dabei, die illegal in Deutschland bleiben, wie es z.B. auch bei vielen Arbeitnehmern in der Kranken und Altenpflege zu beobachten ist, die oft aus Nicht- EU- Staaten und ohne Arbeitserlaubnis kommen.

Die Lockerung des Anwerbestopps durch die Anwerbestoppausnahmeverordnung (ASAV) wurde im Jahr 2000 durch die sogenannte Greencard erweitert. Die Greencard-Regelung sollte Spitzenkräfte für die Informations- und Kommunikationstechnologie durch ein deutlich vereinfachtes Zulassungsverfahren ins Land holen. Da die Regelung aber keine Perspektive auf einen Daueraufenthalt eröffnet, war sie bisher wenig erfolgreich (vgl. Zuwanderungskommission, 2001, 64).

b) Aussiedler, Spätaussiedler und Übersiedler

„Deutsche Volkszugehörige, deren Lebensgrundlage in Ost- und Mitteleuropa durch den Zweiten Weltkrieg und anschließende Verfolgung oder Vertreibungen zerstört oder massiv beeinträchtigt wurden, kommen seit den fünfziger Jahren als Aussiedler bzw. seit 1993 als Spätaussiedler nach Deutschland“ (Zuwanderungskommission, 2001, 178).

Sie stammen aus ehemals deutschen Gebieten, zu Beginn aus Polen, der Tschechischen Republik, der Ukraine, Ungarn und Rumänien, heute eher aus den Gebieten der ehemaligen UdSSR. Der Begriff Aussiedler steht für Personen deutscher Abstammung, die nach Abschluß der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen (also vor allem ab 1948) ihre Heimat in diesen Ostgebieten vor dem 1.1.1993 verlassen haben (vgl. Haberland, 1997b, 908). Für alle, die später eingereist sind, wurde der Begriff des „Spätaussiedlers“ im Kriegsfolgenbereinigungsgesetz (KfbG) festgelegt. Alle Nachkommen, die nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes, das das Bundesvertriebenengesetz 1993 novellierte, geboren wurden, können den Status eines Spätaussiedlers jedoch nicht mehr erlangen (vgl. Zuwanderungskommission, 2001, 179). Von 1950 bis 2000 sind ca. 4,1 Millionen deutsche Volkszugehörige nach Deutschland eingereist (vgl. Zuwanderungskommission, 2001, 178).

Als Übersiedler bezeichnet man Deutsche, die vor dem 1.7.1990 aus der ehemaligen DDR in die BRD übergesiedelt sind. Dies waren von Kriegsende bis Juni 1990 4,6 Millionen Menschen (vgl. Haberland, 1997b, 908).

c) Flüchtlinge, Asylbewerber und jüdische Emigranten

Aus rechtlicher Sicht gibt es heute Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge, De-facto- und Kontingent- Flüchtlinge, Konventionsflüchtlinge, Asylberechtigte und deren Familienangehörige sowie im Ausland anerkannte Flüchtlinge und Asylbewerber/Antragsteller. Hinzu kommt eine relativ kleine Zahl von heimatlosen Ausländern, hauptsächlich Menschen, die während des Zweiten Weltkriegs verschleppt wurden („displaced persons“) und deren Nachkommen. Jüdische Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion werden rechtlich wie Kontingentflüchtlinge behandelt, ihr Aufnahmeverfahren läuft allerdings schon im Herkunftsland ab.

Die Gründe für eine Flucht sind heute aber so vielfältig, dass man inzwischen auch von Umweltflüchtlingen, Armutsflüchtlingen, Wirtschaftsflüchtlingen, etc. spricht. Es gibt ständig neue Bezeichnungen.

Nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) von 1951 ist ein Flüchtling jede Person, die „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung“ (Art.1A, GFK/ vgl. Barwig/ Schumacher, 2001a, 17) die Heimat verlassen mußte. Ausländer, die aus den vorgenannten Gründen aufgrund staatlicher Verfolgung einer Gefahr für Leib, Leben, die persönliche Freiheit oder die wirtschaftliche Existenz ausgesetzt sind, können in Deutschland als Asylberechtigte anerkannt werden. Allerdings nur, sofern sie nicht über einen sicheren Drittstaat eingereist sind oder ein anderer Mitgliedstaat der EU für die Entscheidung zuständig ist bzw. den Antrag bereits abgelehnt hat ( vgl. Haberland, 1997a, 340).

Ein völkerrechtlich garantiertes Menschenrecht auf Asyl besteht nicht. In der GFK ist jedoch das Verbot der Ausweisung und Zurückweisung an der Grenze festgeschrieben, wenn Gefahr für Leben und Freiheit droht (vgl. Barwig/ Schumacher, 2001a, 17).

Flüchtlinge und Asylbewerber unterliegen meist komplizierten gesetzlichen Regelungen und Verfahren. Besonders problematisch ist die „Duldung“, die keinen Rechtsstatus darstellt und dadurch bei vielen Unsicherheit auslöst und eine Integration verhindert. Trotzdem leben vor allem Flüchtlinge mit einer Duldung. Sie sind zwar zur Ausreise verpflichtet, werden aber aus humanitären Gründen noch in Deutschland geduldet (z.B. viele Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem Kosovo).

Innerhalb der letzten Jahre ist die Anzahl der Flüchtlinge, die sich in der BRD aufhalten, von rund 1,9 Millionen (1993) auf 1,1 Millionen (2000) gesunken. Dabei handelte es sich im Jahr 2000 um 164.000 Asylberechtigte, 54.000 Konventionsflüchtlinge, schätzungsweise 130.000 Familienangehörige von anerkannten Flüchtlingen, ca. 8.000 Kontingentflüchtlinge, 137.000 jüdische Zuwanderer aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion, ca. 140.000 Ausländer mit Aufenthaltsbefugnis nach §§30 und 32 AuslG („Altfallregelung“), 13.000 heimatlose Ausländer, ca. 225.000 de facto Flüchtlinge, 200.000 Asylbewerber sowie rund 40.000 Flüchtlinge aus Bosnien und Herzegowina, von denen 34.000 eine Duldung und ca. 6.500 eine Aufenthaltsbefugnis besaßen (vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen, 2002b, 10).

d) Drittstaatsangehörige, Familiennachzug

Als Drittstaatsangehörige werden Personen ohne EU- Staatsangehörigkeit bezeichnet.

Ein großer Teil dieser Zuwanderungsgruppe besteht aus Familienangehörigen, die im Rahmen des Ehegatten- und Familiennachzugs aus Drittstaaten zu in Deutschland lebenden Personen (Deutsche oder Ausländer) gekommen sind und kommen. Dies betraf zwischen 1996 und 2000 ca. 320.000 Personen (vgl. Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, 2001, 11).

Ein zweiter großer Teil gehört gleichzeitig zum Bereich der Flüchtlinge und Asylbewerber, da sie oft nur über diesen Weg eine Möglichkeit haben, nach Deutschland einzureisen.

Amerikaner, Kanadier, Australier und Neuseeländer zählen nicht zu den Drittstaatsangehörigen. Sie müssen zwar einen Antrag zur Aufenthaltsgenehmigung stellen, haben aber ansonsten einen Status wie EU- Bürger. Sie zählen u.a. zu den gewollten oder gern gesehenen Zuwanderern.

e) Ausländische Studierende

Im Zusammenhang mit der politischen Debatte um Fachkräfte in der IT- Branche wird auch wieder verstärkt um Studierende aus dem Ausland geworben. Etwa zwei Drittel der ausländischen Studierenden kommen tatsächlich aus dem Ausland. Das restliche Drittel besteht aus sogenannten Bildungsinländern, die zwar keinen deutschen Pass, jedoch einen deutschen Schulabschluss besitzen.

Im Wintersemester 1999/2000 studierten insgesamt 175.065 ausländische Studierende und 62.182 Bildungsinländer in Deutschland (vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen, 2002b, 42ff).

f) Illegale

Als illegal werden Personen bezeichnet, die weder einen asyl- noch ausländerrechtlichen Aufenthaltsstatus besitzen. Ihr Leben und ihre Lebensführung wird bestimmt von ihrem fehlenden rechtlichen Status.

Personen dieser Zuwanderergruppe reisen entweder in die Bundesrepublik ein, ohne die hierfür erforderliche Aufenthaltsgenehmigung zu besitzen, reisen nach Ablauf ihrer Aufenthaltsgenehmigung nicht aus oder tauchen nach der unanfechtbaren Ablehnung ihres Asylantrags unter (vgl. Zuwanderungskommission, 2001, 196).

Nicht zu verwechseln ist diese Gruppe jedoch mit Inhabern der sogenannten Duldung. Die Zahl der in Deutschland lebenden Illegalen wird auf bis zu drei Millionen geschätzt (vgl. Der Spiegel, Nr.25/02, 120).

2.1.3 Welche Gruppen sollen integriert werden?
Politische Bestimmungen

Spannend ist nun natürlich die Frage, welche dieser Personengruppen überhaupt integriert werden sollen, alle, oder gibt es Ausnahmen? Innenminister Otto Schily hat wiederholt ausgedrückt, dass „wir“ Flüchtlinge und Asylbewerber nicht integrieren wollen (vgl. ARD, 26.8.2002, 21:00 Uhr). Auch die Zuwanderungskommission schränkt ein und verweist auf die enormen Kosten, die die langen und intensiven Anstrengungen von Integration verursachen. So sollen nur Personen an Integrationsmaßnahmen teilhaben, die eine dauerhafte Bleibeberechtigung besitzen. Menschen, über deren Antrag noch nicht entschieden ist, können daher in der Regel nicht in die Integrationsmaßnahmen einbezogen werden (vgl. Zuwanderungskommission, 2001, 203). Grundsatz ist also, nur bei solchen zuwandernden Gruppen Integrationsmaßnahmen anzustrengen, die auch dauerhaft in Deutschland bleiben werden.

Somit werden die Zuwanderungsgruppen von nur temporär hier lebenden Flüchtlingen, Asylbewerbern und Illegalen zum großen Teil ausgeschlossen. Die Leistungen für Flüchtlinge und Asylbewerber sind anderweitig geregelt (z.B. im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG)). Illegal in Deutschland Lebende werden oft von verschiedenen humanitären Organisationen, besonders aus dem kirchlichen Bereich, unterstützt (vgl. Zuwanderungskommission, 2001, 197). Integration findet jedoch bei keiner der drei Gruppen statt.

Problem Asylverfahren und Duldung

Problematisch sind allerdings die Asylverfahren, die sich oft über Jahre hinziehen. Sie entsprechen weder den Interessen des Aufnahmelandes, das die damit verbundenen Lasten zu tragen hat, noch denen der schutzbedürftigen Antragsteller. Diese leben in einer Krisensituation und in Unsicherheit über ihren weiteren Verbleib. Oft sind sie von großen psychosozialen Problemen bedroht. Sie sollten deshalb so schnell wie möglich über die Gewissheit ihres gesicherten Aufenthaltes in der BRD oder aber über die Ablehnung ihres Antrages unterrichtet werden. Dies hilft einerseits, falsche Hoffnungen auf Asyl so schnell wie möglich richtigzustellen, andererseits bedeutet es aber auch, dass es nicht mehr so attraktiv ist für Ausländer, die „aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland kommen wollen, die Einwanderung unter dem Dach des Asyls zu versuchen“ (vgl. Zuwanderungskommission, 2001, 131).

Auch die Situation von Inhabern der Duldung ist kritisch zu beurteilen. Es handelt sich meist um Flüchtlinge, die aus rechtlichen (z.B. Abschiebungshindernisse nach §53 AuslG) oder tatsächlichen (z.B. Krankheit, Reiseunfähigkeit) Gründen nicht ausreisen können. Die Duldung bedeutet nicht das Recht auf Aufenthalt, sondern lediglich die förmliche Aussetzung der Abschiebung eines ausreisepflichtigen Ausländers. Also die Aufschiebung der Abschiebung. Die Menschen leben auf ihren Koffern und das teilweise jahrelang.

Die Inhaber einer Duldung und die Asylbewerber leben oft viele Jahre in Deutschland, sollen aber nicht integriert werden, da sie entweder nach einer gewissen Zeit abgeschoben werden oder über ihren weiteren Verbleib noch nicht entschieden worden ist.

Es stellt sich hier die Frage, wie „dauerhaft“ definiert wird. Sind z.B. fünf Jahre mit einer Duldung oder acht Jahre als Asylbewerber nicht auch schon ein Zeitrahmen, in dem diese Menschen so gut wie möglich in die Aufnahmegesellschaft integriert werden sollten? Sollten nicht auch Menschen, bei denen es absehbar ist, dass sie über längere Zeit nicht in ihr Heimatland zurückkehren können oder die vielleicht dauerhaft hier bleiben werden an Integrationsmaßnahmen teilnehmen? Aus humanitärer Sicht ja; aber wie aus den Formulierungen der Zuwanderungskommission ersichtlich, ist es „zu teuer“ und „zu anstrengend“.

Wer kann verpflichtet werden?

Ein weiteres Problem stellt sich mit der Frage, wer überhaupt, wenn er denn berechtigt ist, dazu verpflichtet werden kann, an Integrationsmaßnahmen teilzunehmen. Integrationsmaßnahmen sind außer dem Sprachkurs, Hilfen in Form von Beratung, Hilfsdiensten und anderen Unterstützungen z.B. für Bildung und Beruf. Die Zuwanderer werden zwar angehalten, sie je nach Bedarf wahrzunehmen, verpflichtet können sie dazu aber nicht werden. Nur der Sprachkurs bzw. der Nachweis über deutsche Sprachkenntnisse ist in bestimmten Fällen verpflichtend. Er wird als eine der wichtigsten Integrationsmaßnahmen erachtet. Die gemeinsame Sprache ist als Kommunikationsgrundlage ein wesentlicher Schritt zur sozialen Kontaktaufnahme und zur Integration. Viele, die dauerhaft in Deutschland leben, können aber nicht zum Spracherwerb verpflichtet werden.

Mann denke an die EU- Bürger, die in Deutschland Freizügigkeit genießen und sich hier aufhalten können, ohne Voraussetzungen wie den Spracherwerb erfüllen zu müssen. EU- Ausländer machen seit einigen Jahren unverändert ca. 25,7 Prozent der ausländischen Bevölkerung aus (vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen, 2002b, 7). Hinzu kommen Eingebürgerte bzw. nach dem 1.1.2000 in Deutschland geborene, die die deutsche Staatsangehörigkeit bekommen haben. Sie besitzen zwar in der Regel alle gute Sprachkenntnisse. Was aber ist mit ehemaligen Gastarbeitern oder deren Frauen, die teilweise schon über 20 Jahre hier leben, aber nie einen Deutschkurs besuchten und bei denen die Deutschkenntnisse oft wesentlich schlechter als die ihrer Kinder sind? Auch sie kann man nicht (mehr) verpflichten, im Gegenteil, die Bundesrepublik sollte gerade diesen Menschen eine Einbürgerung erleichtern, auch unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit. Auch die Zuwanderungskommission plädiert dafür, dass gerade für Menschen, die noch vor dem Anwerbestopp 1973 nach Deutschland gekommen sind, grundsätzlich eine Einbürgerung auch ohne den Nachweis von Sprachkenntnissen und mit der Möglichkeit der Mehrstaatigkeit zu gewähren ist (vgl. Zuwanderungskommission, 2001, 249).

Auch Personen, die zu Ehepartnern nach Deutschland kommen kann man nicht verpflichten, weder die asiatische „Katalogfrau“, noch andere Ehepartner aus Drittstaaten, die in die BRD „einheiraten“. Die Zuwanderung im Rahmen des Familiennachzugs ist in den letzten Jahren sogar angestiegen. Im Jahr 2000 wurden 75.888 Visa für ausländische Ehepartner und Kinder erteilt, die zu mehr als der Hälfte zu einem deutschen Ehepartner einreisten, der Rest zu einem bereits in Deutschland lebenden ausländischen Ehepartner (vgl. Zuwanderungskommission, 15).

Im Prinzip können nur Personen, die eine Einbürgerung anstreben, dazu verpflichtet werden, einen entsprechenden Nachweis über Sprachkenntnisse zu erbringen bzw. einen Deutschkurs zu belegen.

Integrationsbereitschaft

Je länger der Aufenthalt in Deutschland andauert, desto mehr lösen sich Bindungen zum Heimatland (vgl. Zuwanderungskommission, 2001, 131)

Es scheint so zu sein, dass die Dauer des Aufenthaltes den Willen und die Bereitschaft sich zu integrieren steigern, insbesondere wenn sich der Aufenthaltstatus verfestigt. Dies gilt für die Minderheiten genauso wie für die Mehrheitsgesellschaft. So sind die in zweiter und dritter Generation hier lebenden ehemaligen Gastarbeiter und ihre Familien aus den Mittelmeerländern insgesamt wesentlich besser integriert und von den Deutschen angenommen, als die Gruppe der Spätaussiedler, die noch nicht so lange in der BRD leben.

Die Probleme, die sich heute gerade im Bereich der jugendlichen Spätaussiedler zeigen machen den Integrationsbedarf deutlich. Dies bezieht sich besonders auf den Spracherwerb, Schul- und Ausbildung sowie den Arbeitsplatz.

Übersiedler, also Personen, die aus der ehemaligen DDR in die BRD übergesiedelt sind, haben sich in der Regel gut integriert. Obwohl Übersiedler in der Vergangenheit Zuwanderer in die BRD waren, soll dieser Bereich hier nicht näher betrachtet werden, da es sich nicht um „die Migranten“ handelt, mit denen wir es heute zu tun haben.

Es bleibt also festzuhalten, dass es heute im Wesentlichen um die Integration der drei großen Zuwanderungsgruppen Aussiedler - Spätaussiedler, ehemalige Gastarbeiter - Ehegatten - und Familiennachzug, sowie anderen Personengruppen mit einer dauerhaften Bleibeberechtigung geht. Dabei sind die verschiedenen Integrationsmaßnahmen nicht verpflichtend. Sowohl die Aufnahmegesellschaft als auch die Migranten sollten sich allerdings um die Integration bemühen, um diese Gesellschaft zukunftsfähig zu machen.

Flüchtlinge, Asylbewerber und andere Gruppen ohne dauerhafte Bleibeberechtigung werden zum größten Teil von Integrationsmaßnahmen ausgeschlossen. Sie erhalten lediglich lebensnotwendige Leistungen aus dem Asylbewerbergesetz und der Flüchtlingshilfe.

2.1.4 Welchen rechtlichen und gesellschaftlichen Status haben sie?

Die rechtlichen Grundlagen für Arbeitsmigranten aus der EU sind im Ausländergesetz für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (AuslG/ EWG) zu finden und im Gesetz über Einreise und Aufenthalt von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Aufenthaltsgesetz/ EWG). Alle anderen Arbeitsmigranten aus Drittstaaten gehören in den Bereich des Ausländergesetzes. Zwischen Deutschland und diversen Nicht- EU- Staaten, bestehen allerdings Sonderabkommen, nach denen ihre Bürger den gleichen Status wie EU- Bürger erhalten und die Einreise, auch zur Arbeitsaufnahme, erleichtert wird („assoziierte Staaten“ und Mitgliedsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR)/ vgl. Zuwanderungskommission, 2001, 61).

Im noch geltenden Recht gibt es eine Reihe von Aufenthaltstiteln, die abhängig sind von den Voraussetzungen des jeweiligen Ausländers.

So gibt es im Aufenthaltsgesetz/ EWG die befristete und unbefristete Aufenthaltserlaubnis- EG für EU- Staatsangehörige und gleichgestellte Familienangehörige aus Drittstaaten.

Im AuslG gibt es vier verschiedene Aufenthaltstitel:

a) Die Aufenthaltsbefugnis (§30 AuslG), die aus völkerrechtlichen, dringenden humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der BRD erteilt wird und befristet ist. Sie wird insbesondere Ausländern erteilt, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, für die aber auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen der BRD eine außergewöhnliche Härte darstellen würde.
b) Die Aufenthaltsbewilligung (§§28, 29 AuslG), die immer an einen seiner Natur nach vorübergehenden Zweck (z.B. Besuch, Ausbildung, Saisonarbeiter) gebunden ist und somit auch zeitlich befristet. Sie wird ihrem Zweck entsprechend befristet und für höchstens zwei Jahre erteilt, kann aber verlängert werden.
c) Die befristete bzw. unbefristete Aufenthaltserlaubnis (§§15, 17 AuslG), die an keinen bestimmten Aufenthaltszweck gebunden ist (z.B. bei Familiennachzug). Die Aufenthaltserlaubnis für ausländische Arbeitnehmer verfestigt sich mit zunehmender Aufenthaltsdauer: sie wird zunächst auf ein Jahr befristet, danach zweimal auf zwei Jahre befristet erteilt und schließlich unbefristet. Die unbefristete Aufenthaltserlaubnis bedeutet eine erste rechtliche Absicherung eines Daueraufenthalts.
d) Und die Aufenthaltsberechtigung (§§27 AuslG), die höchstmögliche Aufenthaltsverfestigung. Sie sichert ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht mit verstärktem Schutz vor Ausweisung, die dann nur noch aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit zulässig ist. Sie kann in der Regel erst nach acht Jahren Aufenthaltserlaubnis und unter anderen Voraussetzungen (z.B. gesicherter Lebensunterhalt und Altersversorgung) erteilt werden.

Die wichtigsten Gesetzesgrundlagen für den Flüchtlings- und Asylbereich sind der Art.16 aus dem Grundgesetz, die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), die Europäische Menschenrechtskonvention und das Ausländergesetz (AuslG) sowie das Asylverfahrensgesetz. Letzteres betrifft Asylbewerber während des laufenden Verfahrens, die für die Dauer des Verfahrens eine Aufenthaltsgestattung bekommen. Die Duldung wurde schon vorgestellt, sie ist kein Aufenthaltstitel.

Die deutschstämmigen Aussiedler und Spätaussiedler berufen sich auf das Bundesvertriebenengesetz (BVFG) bzw. das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz von 1993 und den Art.116 GG. Deren ausländische Familienangehörige fallen allerdings in den Bereich des Ausländergesetzes (AuslG) Eine Zuzugssteuerung bzw. Begrenzung sollte das Aussiedleraufnahmegesetz (AAG) von 1990 bringen.

Aussiedler und Spätaussiedler besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit und sind somit der deutschen Mehrheitsgesellschaft rein rechtlich völlig gleichgestellt.

Der gesellschaftliche Status hängt eng mit dem Grad an Integration zusammen. Der Grad an Integration kann jedoch nicht gleichgesetzt werden mit dem gesellschaftlichen Status. Genauso wie in der deutschen Gesellschaft gibt es auch unter den Zuwanderern erfolgreiche Menschen mit hohem gesellschaftlichem Status und auf der anderen Seite die gescheiterten Existenzen, die auf der Liste von gesellschaftlichem Ansehen und Status ganz unten stehen. Man kann in einen Bereich bzw. eine gesellschaftliche Schicht sehr gut integriert sein. Wenn man aber die Integration, wie eingangs beschrieben, als einen Prozeß betrachtet, der die gleichberechtigte Teilhabe aller an den verschiedenen Teilbereichen des Lebens unter Respektierung kultureller Vielfalt ermöglicht, so kann man bei Integration in einen Teilbereich noch nicht von einer vollständigen Integration sprechen. Das kann man erst, wenn Integration in allen Teilbereichen gewährleistet ist bzw. wird.

Allgemein ist jedoch festzustellen, dass in Deutschland inzwischen eine Normalität bezüglich fremder Menschen und Kultur eingekehrt ist. Sie gehören ganz selbstverständlich zu unserem Leben dazu (vgl. Zuwanderungskommission, 2001, 199). Der Kontakt zwischen Migranten und Deutschen hat sich laut ALLBUS „seit 1980 in allen Lebensbereichen kontinuierlich intensiviert“ (zitiert bei Zuwanderungskommission, 2001, 239). Dies sagt zwar noch nicht viel über den gesellschaftlichen Status aus, zeugt jedoch von einem gewissen gesellschaftlichen Aufeinanderzugehen.

Nichtsdestotrotz hängt die Akzeptanz von Zuwanderungsgruppen und damit ihre gesellschaftliche Auf- oder Abwertung von schwankenden Faktoren wie z.B. der Konjunktur ab. Insgesamt scheinen die Aussiedler aus Osteuropa, gefolgt von den Italienern und Türken am besten akzeptiert zu werden. Die Asylbewerber stehen an letzter Stelle (vgl. Zuwanderungskommission, 2001, 240/ vgl. auch Kapitel 7.1).

2.2 Die Mehrheitsgesellschaft

Die deutsche Mehrheitsgesellschaft, das Aufnahmeland, jeder einzelne Bürger: sie werden oft vergessen in der Debatte um Integration. Jedenfalls in der Debatte, wo Integration als einseitige Assimilierung, also Angleichung der ethnischen Minderheiten an die deutsche Mehrheit, verstanden wird. Deshalb soll hier auch ein Blick auf die traditionell eher ungewöhnlichen Adressaten von Integration geworfen werden.

Deutschland ist aus Gründen demografischer Entwicklung und deren Auswirkung auf den Arbeitsmarkt sowie auf die Innovationskraft von Wirtschaft und Gesellschaft auf Zuwanderung angewiesen (vgl. Zuwanderungskommission, 2001, 11). Es geht hauptsächlich um arbeitsmarktbezogene Zuwanderung, aber auch um die Erfüllung humanitärer Verpflichtungen innerhalb der europäischen Asylpolitik. Dies machen die Empfehlungen für die Steuerung und Begrenzung von Zuwanderung der Zuwanderungskommission deutlich (vgl. Zuwanderungskommission, 2001). Diese Notwendigkeit wurde bisher jedoch nicht ausreichend der breiten Öffentlichkeit dargestellt und deutlich gemacht. Viele deutsche Bürger verstehen daher nicht, wieso trotz hoher Arbeitslosigkeit und fast stagnierendendem Wirtschaftswachstum ausländische Arbeitskräfte für bestimmte Bereiche angeworben werden.

Die Akzeptanz oder Ablehnung von Zuwanderung scheint je nach Konjunkturlage und Wahlkampfauseinandersetzung zu schwanken (vgl. Zuwanderungskommission, 2001, 239). Es sind Faktoren wie gesicherter Wohlstand, Bildung und Arbeit, die die Einstellung zum Fremden, gegenüber Zuwanderern und die Bereitschaft, an Integrationsprozessen teilzunehmen bestimmen. Denn auch die Deutschen müssen sich integrieren. Integrieren in das sich ständig ändernde Gefüge, in das ständig im Prozeß der Weiterentwicklung sich befindende Ganze.

Problematisch wird es immer dann, wenn sich Menschen erst mit ihrer Umgebung und ihren Mitmenschen auseinandersetzen, wenn es zu Konflikten kommt. Dann ist es schon reichlich spät! Spätestens wenn Zuwanderer mehr und mehr das Bild der Gesellschaft mitprägen wird es höchste Zeit auch für die Mehrheitsgesellschaft, dies nicht mehr zu ignorieren, sondern sich auseinander zu setzen mit den Veränderungen, die vor sich gehen. Keine Gesellschaft kann auf Dauer so tun als bliebe sie die Selbe, wenn immer mehr Zuwanderer hinzukommen, die ihre Andersartigkeit einfügen in eine Vielfalt von kulturellen Eigenheiten und kulturellem Leben.

Deutschland wird inzwischen als offene, postmoderne Gesellschaft bezeichnet, die, ähnlich wie die anderen Industrienationen, geprägt ist von Entwicklungen wie der Pluralisierung von kulturellen Lebensformen und sozialen Milieus. Diese Entwicklung der Pluralisierung ist unumkehrbar (vgl. Die Integrationsbeauftragten der Stadt Stuttgart, 2001a, 5). Die deutsche Mehrheitsgesellschaft zeigt sich heute als eine pluralistische und multikulturelle Gesellschaft (vgl. hierzu Kapitel 4.1).

Deutschland durchlebt einen Sozialen Wandel, der sich zeigt in einer immer weiter wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich, hoher Arbeitslosigkeit, einer stark geforderten sozialen Mobilität, Politikverdrossenheit, einer immer noch nicht endgültig erreichten Chancengleichheit zwischen Ost und West, zwischen Mann und Frau und zwischen den ethnischen Minderheiten und der Aufnahmegesellschaft (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, 2000).

Die Zuwanderungskommission zeichnet folgendes Bild von Deutschland: es gilt nach wie vor als führender Wirtschaftsstandort, der auch international Verantwortung übernimmt. Es hat den „Ruf eines wohlhabendes Landes mit einem bedeutenden kulturellen und intellektuellen Erbe. Soziale Sicherheit und gesellschaftlicher Frieden bringen Deutschland Ansehen im Ausland.“(Zuwanderungskommission, 2001, 120). Auch die gute Infrastruktur und das breite Spektrum an Freizeitangeboten machen Deutschland attraktiv. Die Kehrseite der Medaille ist natürlich das negative Image von Deutschland im Ausland das es auch gibt. Es ist auf die deutsche Geschichte bezogen und von Vorurteilen bezüglich der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft im Dritten Reich, als auch von den aktuellen ausländerfeindlichen Gewalttaten geprägt. Ausländische Medien, die solche Übergriffe auszuschlachten scheinen, zeichnen diese Vorurteile vor.

Ich selbst habe immer wieder frustrierende Erfahrungen im Ausland gemacht, bei denen ich mit pauschalierten Vorwürfen und Vorurteilen gegen die „rassistischen, ausländerfeindlichen und gewalttätigen Deutschen“ konfrontiert wurde. Gerade hier ist jeder deutsche Mitbürger, der ins Ausland reist, gefordert, diese Vorurteile durch Kommunikation abzubauen und das Bild der mehrheitlich nicht fremdenfeindlichen Deutschen im Ausland zu stärken. Einrichtungen wie das Goethe-Institut, das Bildungszentren rund um den Globus eingerichtet hat, in denen die deutsche Sprache und Kultur vermittelt wird, leisten hier einen entscheidenden Beitrag.

Denkt man nun an die deutsche Mehrheitsgesellschaft und ihre Bereitschaft, sich auf den Integrationsprozeß einzulassen, so darf nicht vergessen werden, dass auch diese scheinbar einheitliche Mehrheitsgesellschaft aus den verschiedensten Gruppen besteht. Sie besitzen zwar alle die deutsche Staatsbürgerschaft, mußten sich aber z.T. selber nach dem Zweiten Weltkrieg als Flüchtlinge oder Vertrieben aus den ehemaligen Ostgebieten des Deutschen Reiches in einer neuen Heimat, einer neuen Umgebung zurechtfinden und einleben. Man denke beispielsweise an die Sudetendeutschen, die noch lange auf ihr „Recht auf Heimat“ pochten. Auch heute versuchen sie durch Landsmannschaften und Verbände sich und ihrer Heimat treu zu bleiben. Oder an die vielen, vielen Menschen, die aus dem früheren Preußen hierher kamen.

Auch später und früher machten Deutsche selber Erfahrungen mit Auswanderung oder Asyl. So haben im 19. und 20. Jahrhundert viele ihr Glück in Übersee gesucht, sind nach Nord- und Südamerika oder nach Australien ausgewandert. Andere suchten vor und während des Zweiten Weltkriegs Asyl in anderen europäischen Ländern oder gingen nach Amerika ins Exil.

Gerade auf diesem geschichtlichen Hintergrund ist die Auseinandersetzung mit der heutigen Situation in Deutschland so wichtig.

Das Integrationsverständnis

Integration muß immer von beiden Seiten ausgehen. Sie muß als Prozeß verstanden werden, der eine gleichberechtigte Teilhabe, also auch eine Chancengleichheit aller Parteien ermöglicht bzw. zum Ziel hat. Integration ist nur dann vollständig, wenn diese gleichberechtigte Teilhabe in allen Bereichen des Lebens stattfindet, also im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Bereich. Der größte Unterschied zu früheren Definitionen von Integration ist jedoch die Respektierung kultureller Vielfalt. Es darf keine Assimilierung mehr erwartet werden.

Dieses Integrationsverständnis wurde von der Zuwanderungskommission (vgl. Zuwanderungskommission, 2001, 200) sowie von anderen Parteien geäußert. Es spiegelt auch mein eigenes Verständnis wider.

Obwohl schon vorher vereinzelt ein solches Integrationsverständnis geäußert und gefordert wurde, stellt die Definition der Zuwanderungskommission in ihrer flächendeckenden Gültigkeit und ihren Konsequenzen für die zukünftige Gestaltung von Zuwanderung und Integration eine Neuorientierung in der Migrationsarbeit dar.

Was im neuen Zuwanderungsgesetz von diesem Integrationsgedanke übrig geblieben ist und was dort verankert wurde, ist eine andere Sache.

3. Zum Begriff Kultur

Besonders seit Beginn der 1990er Jahre hat sich die Zuwanderungssituation in der BRD verändert. Dies brachte einen grundlegenden Wandel in der ethnischen und kulturellen Zusammensetzung der Bevölkerung mit sich, der noch lange nicht abgeschlossen sein wird. Deutschland und seine Gesellschaft ist vielfältiger und farbiger geworden und wird es noch mehr.

Viele fragen sich vielleicht: Was ist da noch deutsch? Was ist aus unserer „deutschen Leitkultur“ geworden, an die sich die Migranten noch vor wenigen Jahren anpassen, assimilieren sollten? Gibt es „sie“ überhaupt noch?

Die kulturell vielfältige Situation in Deutschland wurde in der Ausländer- und Integrationspolitik lange ignoriert. Die Losung war Assimilierung oder Rückführung. Erst in den letzten Jahren ist die, von anderen Seiten schon lang geforderte, Interkulturelle Öffnung der Sozialen Arbeit auch in Politikkreisen als Antwort auf die kulturelle Vielfalt ernst genommen worden. Aber mit welchem Kulturverständnis wird heute deutsche Migrationspolitik und die interkulturelle Öffnung der Sozialen Arbeit betrieben?

[...]


[1] Rotationsprinzip: Das Rotationsprinzip zielt auf den Gedanken des befristeten Aufenthaltes der ausländischen Arbeitnehmer, deren Beschäftigung eine temporäre wirtschaftliche Notwendigkeit darstellt und die nach Ablauf ihres meist zweijährigen Arbeitsvertrages wieder in ihr Heimatland zurückkehren sollen. Für diese zurückkehrenden Arbeitnehmer dürfen dann wieder für eine begrenzte Zeit neue Arbeitskräfte einreisen (Austauschprinzip).

Excerpt out of 120 pages

Details

Title
Die interkulturelle Öffnung der Sozialen Arbeit
College
Catholic University of Applied Sciences Freiburg  (Sozialpädagogik)
Grade
1,4
Author
Year
2002
Pages
120
Catalog Number
V21890
ISBN (eBook)
9783638253918
File size
729 KB
Language
German
Keywords
Sozialen, Arbeit, Thema Soziale Arbeit
Quote paper
Katrien Nouwens (Author), 2002, Die interkulturelle Öffnung der Sozialen Arbeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/21890

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Title: Die interkulturelle Öffnung der Sozialen Arbeit



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