Umweltbewusstsein und Umweltverhalten bei Kletterern - eine empirische Untersuchung


Examination Thesis, 2003

156 Pages, Grade: Sehr gut


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

DIAGRAMMVERZEICHNIS

TABELLENVERZEICHNIS

1 EINLEITUNG

2 KLETTERN
2.1 GESCHICHTE DES KLETTERNS
2.2 SPIELFORMEN DES KLETTERNS
2.2.1 Felsklettern
2.2.2 Technisches Klettern
2.2.3 Freiklettern
2.2.3.1 Sportklettern
2.2.3.2 Alpines Sportklettern
2.2.3.3 Bouldern
2.3 ETHIK UND BEGEHUNGSSTILE DES KLETTERNS
2.3.1 Ethik
2.3.2 Begehungsstile
2.4 SCHWIERIGKEITSBEWERTUNG UND VERSCHIEDENE BEWERTUNGSSYSTEME
2.5 SPORTKLETTERN IN DEUTSCHEN MITTELGEBIRGEN VERSUS KLETTERN IN DEN ALPEN
2.5.1 Sportklettern im deutschen Mittelgebirge
2.5.2 Klettern in den Alpen
2.6 ANZAHL UND DEMOGRAPHISCHE DATEN DER FELSKLETTERER IN DEUTSCHLAND
2.7 KLETTERORGANISATIONEN IN DEUTSCHLAND
2.7.1 Deutscher Alpenverein e.V. (DAV)
2.7.2 Interessensgemeinschaft Klettern e.V. (IG Klettern)
2.7.3 Bundesausschuss Klettern und Naturschutz
2.7.4 Kuratorium für Sport und Natur e.V
2.7.5 Deutsche Sportbund (DSB)
2.8 ZUSAMMENFASSUNG

3 UMWELTBEWUSSTSEIN
3.1 KLÄRUNG ZENTRALER BEGRIFFE WIE NATUR, UMWELT, NATURSCHUTZ UND UMWELTSCHUTZ ZUM BESSEREN VERSTÄNDNIS
3.2 WAS IST UMWELTBEWUSSTSEIN ÜBERHAUPT?
3.3 UMWELTWISSEN, UMWELTEINSTELLUNG UND PERSÖNLICHE BETROFFENHEIT
3.4 EIGENTLICHES KLETTERSPEZIFISCHES UMWELTBEWUSSTSEIN
3.5 KLETTERSPEZIFISCHE UMWELTEINSTELLUNGEN
3.6 KLETTERSPEZIFISCHES UMWELTWISSEN IN VERSCHIEDENEN BEREICHEN
3.6.1 Bundeslandspezifische Kletterkonzeptionen
3.6.2 Das Felsbiotop im Mittelgebirge
3.6.3 Belastungen und Schädigungen des Felsbiotops durch das Klettern
3.6.4 Strategien zum naturverträgliches Klettern in den außeralpinen Felsgebieten Deutschlands
3.7 ZUSAMMENFASSUNG

4 UMWELTVERHALTEN
4.1 WAS IST UMWELTVERHALTEN BZW. UMWELTRELEVANTES VERHALTEN?
4.2 KLETTERSPEZIFISCHES UMWELTVERHALTEN
4.2.1 10 Regeln zum naturverträglichen Klettern
4.2.2 Verkehrsbedingtes Umweltverhalten
4.3 BEEINFLUSSUNG DES UMWELTVERHALTENS
4.3.1 Wirkkette bzw. die Stufen der Beeinflussung des Umweltverhaltens
4.3.2 Diskrepanz zwischen dem Umweltbewusstsein und dem Umweltverhalten
4.3.3 Erklärung für die Diskrepanz
4.4 ZUSAMMENFASSUNG

5 EMPIRISCHE UNTERSUCHUNG - PLANUNG, DURCHFÜHRUNG, DARSTELLUNG UND DISKUSSION
5.1 PLANUNG DER UNTERSUCHUNG
5.1.1 Kleiner Exkurs in die bisherige Umweltbewusstseins- und Umweltverhaltensforschung
5.1.2 Fragebogen als Untersuchungsmethode
5.1.3 Befragungsprobleme
5.1.4 Untersuchungsinhalt
5.1.5 Aufbau und Struktur der Untersuchung
5.1.6 Datenauswertung
5.2 DURCHFÜHRUNG DER UNTERSUCHUNG
5.3 DARSTELLUNG DER ERGEBNISSE
5.4 DISKUSSION DER ERGEBNISSE
5.4.1 Ergebnisse
5.4.2 Methode

6 RESÜMEE UND AUSBLICK

7 LITERATURVERZEICHNIS

8 ANHANG

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Kletterer am Fermadaturm

Abb. 2: Damaliger Kletterer

Abb. 3: Kletterausrüstung zur damaligen Zeit

Abb. 4: Kamin am Stabeler-Turm

Abb. 5: Kletterer am Falkenstein-Südriss

Abb. 6: Rudolf Fehrmann am Winklerturm

Abb. 7: R. Fehrmann am Dreifingerturm

Abb. 8: Alpines Sportklettern heute

Abb. 9: Spielformen des Kletterns

Abb. 10: Das heutige Freiklettern

Abb. 11: Sportkletterer im heimischen Mittelgebirge

Abb. 12: A. Huber alpin sportkletternd in der Schlüsselseillänge der „Bellavista“ an der Westlichen Zinne

Abb. 13: Pärchen beim Bouldern im heimischen Mittelgebirge

Abb. 14: Aktuelle Vergleichstabelle unterschiedlicher Bewertungssysteme

Abb. 15: Mittelgebirge in Deutschland

Abb. 16: An den Kippkopffelsen im Norden des Dahner Felsenlandes/Pfalz ist der Wechsel zwischen helleren und dunkleren, zwischen tonig bis feinsandigen und grobsandigen Sandsteinbänken deutlich erkennbar

Abb. 17: Verdrängungseffekte durch Kletterverbote in Deutschland

Abb. 18: Wirkmodell

Abb. 19: Grundlegende Naturvorstellungen

Abb. 20: Betreuungsbereiche der außeralpinen Klettergebiete in Deutschland

Abb. 21: Idealisierte Felsstrukturen

Abb. 22: Immergrünes Felsenblümchen

Abb. 23: Wanderfalke auf Felskopf

Abb. 24: Die drei Organisationsebenen der Betreuung der außeralpinen Klettergebiete

Abb. 25: Markierungs-Symbole

Abb. 26: Wirkkette für Umweltverhalten im Alltagsverständnis

Abb. 27: Erweiterte Wirkkette für Umweltverhalten

Diagrammverzeichnis

Diagramm 1: Anzahl der Kletterjahre

Diagramm 2: Sportkletterniveau

Diagramm 3: Kletterhäufigkeit

Diagramm 4: Dauer des Kletteraufenthalts

Diagramm 5: Organisationsgrad der Felskletterer

Diagramm 6: Kletterausbildung

Diagramm 7: Selbsteinschätzung des Klettertypus

Diagramm 8: Bewertung des eigenen Wissens beim Einstieg ins Klettern

Diagramm 9: Mittelwertvergleich zwischen naturbezogenen und sportbezogenen Themen

Diagramm 10: Verteilung der Wissenspunkte in der Frage „Kreuzen Sie alle Antworten an, von denen Sie glauben, dass sie richtig sind!“

Diagramm 11: Verteilung der Wissenspunkte in der Frage „Was beinhalten die bundeslandspezifischen Kletterkonzeptionen Ihrer Meinung nach?“

Diagramm 12: Motive beim Klettern

Diagramm 13: Mittelwertvergleich naturerlebnis-, leistungs- und thrill-orientierter Motive beim Klettern

Diagramm 14: Die Verteilung der mythischen Naturbilder bei Kletterern

Diagramm 15: Mittelwerte der Umweltbetroffenheit und Handlungsabsicht/bereitschaft

Diagramm 16: Wahl des Verkehrsmittels

Diagramm 17: Bildung von Fahrgemeinschaften bei Felsfahrten

Diagramm 18: Durchschnittliche Anfahrtsstrecke bei Felsfahrten

Diagramm 19: Durchschnittsdauer der fußläufigen Zustiege zum Felsen

Diagramm 20: Anteil richtiger und falscher Antworten der Abschlussfrage

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Verschiedene Gesteinsarten bedeutender Mittelgebirgsklettergebiete

Tab. 2: Einteilung und Entstehung wichtiger Kletter-Gesteine

Tab. 3: Alters- und Geschlechtsverteilung der Gesamtstichprobe

Tab. 4: Aufschlüsselung der Aspekte aus Frage 11 in drei Motivkategorien

1 Einleitung

Im Rahmen meines Sportstudiums habe ich die Sportart Klettern als meine große Leidenschaft und Hobby entdeckt. Dabei stand zunächst für mich persönlich immer erst einmal die Sicherheit für eine sichere Ausübung dieses Sports im Vordergrund. Im Laufe der ersten drei Jahre konnte ich diesbezüglich vielschichtige, grundlegende Erfahrungen sammeln. Dabei kam ich irgendwann an einen Wendepunkt. Von da an wurde mir zunehmend bewusst, dass ich mich, zusätzlich zu den schon erwähnten Sicherheitsaspekten, intensiv mit der Natur auseinandersetzen muss, um der Natursportart Klettern überhaupt gerecht werden zu können. Nach anfänglichem Nicht-Wissen über Probleme und Konflikte zwischen Naturschutz und Klettersport fielen mir immer wieder Werke und Arbeiten in diesem Zusammenhang in die Hände und weckten mein Interesse. Diese bereicherten mein kletterspezifisches Umweltwissen zusehends und beeinflussten meine Einstellung zur Natur und Umwelt in hohem Maße. In diesem Kontext stellte sich mir zunehmend die Frage, wie das erworbene Wissen in der Kletterpraxis anwendbar ist. Ich versuchte, wo möglich, mein Verhalten diesem Wissen anzupassen. Bei zufälligen Beobachtungen während weiterer Kletteraufenthalte wurde mir irgendwann klar, dass ein Problembewusstsein nicht zwingend zu diesbezüglichem Verhalten führen muss. Die auf diese Weise gesammelten Erfahrungen und Erkenntnisse weckten mein Interesse für eine intensivere Auseinandersetzung mit dieser Thematik in der hier vorliegenden Arbeit „Umweltbewusstsein und Umweltverhalten bei Kletterern - eine empirische Untersuchung“.

Zur Verbesserung der Lesbarkeit werden in dieser Arbeit Personenbezeichnungen in der männlichen Form verwendet. Dabei sind in allen Fällen Frauen und Männer gemeint.

Ziel dieser Arbeit ist es, die Bereiche Umweltbewusstsein und Umweltverhalten bei Kletterern empirisch zu untersuchen, wobei auch Unterschiede zwischen den Geschlechtern und Alterszusammenhänge Berücksichtigung finden sollen. Weiterhin soll festgestellt werden, inwieweit sich das Umweltbewusstsein auf das Umweltverhalten auswirkt, wobei auch hier eventuell existierende Unterschiede einerseits zwischen Männern und Frauen und andererseits zwischen Älteren und Jüngeren entdeckt werden sollen.

Schon im Vorfeld zur Anfertigung dieser Arbeit mussten Recherchen zur Konzipierung der durchzuführenden Untersuchung angestellt werden, um den wissenschaftlichen Hauptgütekriterien Objektivität (Genauigkeit), Validität (Gültigkeit) und Reliabilität (Zuverlässig keit) gerecht werden zu können (ROTH, 1983, S. 110ff). Des Weiteren wurde der Inhalt auf das Klettern in den Felsgebieten deutscher Mittelgebirge eingegrenzt, da diese aufgrund ihrer biologischen Wertigkeit gegenüber den Alpen eine übergeordnete Rolle im Zusammenhang mit dem Thema dieser Arbeit spielen. Als wesentlicher Bestandteil wird das Sportklettern in den Mittelgebirgen als dominierende Spielform des Kletterns betrachtet.

Anhand der recherchierten Literatur wird die kletterspezifische Problematik zunächst theoretisch aufgearbeitet bevor sie dann in die Praxis mittels der durchgeführten Erhebung übertragen wird.

Das einführende Kapitel „Klettern“ präsentiert für das Verständnis des Gesamtkontexts grundlegende Informationen über diese Sportart. Themen wie die Entwicklungsgeschichte, die unterschiedlichen Spielformen und Begehungsstile, die Kletterethik und die Schwierigkeitsbewertung werden, neben den Mittelgebirgen und den Alpen als Sportstätten, nach ökologischen Gesichtspunkten behandelt. Des Weiteren wird ein Gesamtüberblick über die demographische Situation der Felskletterer in Deutschland und über die sie vertretenden Kletterorganisationen gegeben.

Im anschließenden Kapitel „Umweltbewusstsein“ wird selbiges vorgestellt und auf den Natursport Klettern bezogen. Dabei werden zunächst wichtige und zentrale Begriffe erklärt, bevor das dieser Arbeit zu Grunde liegende Verständnis von Umweltbewusstsein definiert wird. Danach geschieht dasselbe für die Teilfaktoren Umweltwissen, Umwelteinstellung und Umweltbetroffenheit. Im Anschluss daran werden die Definitionen des kletterspezifischen Umweltbewusstseins und der Umwelteinstellungen davon abgeleitet. So werden in diesem Zusammenhang die Motive beim Klettern, die Felsbiotope im Mittelgebirge, Belastungen und Schädigungen dieser durch den Klettersport und bundeslandspezifische Kletterkonzeptionen mit den in ihnen enthaltenen Strategien zum naturverträglichen Klettern in außeralpinen Felsgebieten beschrieben.

Im dritten Kapitel des Hauptteils „Umweltverhalten“ wird dessen Thema definiert und auf den Klettersport im Mittelgebirge übertragen. In diesem Kontext werden die ‚10 Regeln zum naturverträglichen Klettern’ des Deutschen Alpenvereins und das verkehrsbedingte Umweltverhalten der Kletterer näher betrachtet und diskutiert. Anschließend werden die Möglichkeit zur Beeinflussung des Umweltverhaltens, dessen Wirkungskette und die sich abzeichnende Diskrepanz zwischen Umweltbewusstsein und umweltgerechten Verhalten im Einzelnen erörtert. Der Abschluss dieses Kapitels gibt mögliche Erklärungen für die bestehende Diskrepanz.

Im Rahmen dieser Arbeit wurde ein Fragebogen entwickelt, der Erkenntnis über die Bereiche des Umweltwissens, der Umwelteinstellung, der Umweltbetroffenheit, der Handlungsbereitschaft, welche zusammen das Umweltbewusstsein bilden, und des Umweltverhaltens bei Kletterern liefern soll. Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden im Kapitel „Empirische Untersuchung - Planung, Durchführung, Darstellung und Diskussion“ vorgestellt.

Den Abschluss dieser Arbeit bildet das Kapitel „Resümee und Ausblick“, welches insgesamt die wichtigsten Aspekte noch einmal zusammenfasst und eine persönliche Stellungnahme beinhaltet.

2 Klettern

„Klettern ist wie Gehen, Laufen, Hüpfen, Springen, usw. eine Grundtätigkeit, die jeder Mensch zumindest in der Kindheit in irgendeiner Form (auf einen Baum, über eine Mauer, auf die Sprossenwand, auf eine Leiter) schon ausgeführt hat“ (ELSNER & HAASE, 2000, S. 72).

In den letzten Jahren fand das Klettern enormen Zuspruch, so dass es schon fast als eine Trendsportart bezeichnet werden kann. Dies beruht nicht nur auf der Tatsache, dass es unter anderen eine Grundbewegungsform des Menschen ist, sondern auch darauf, dass es in den Medien regelmäßig auftaucht, wie zum Beispiel in Kinofilmen und Reportagen. Trotz dieser großen Beliebtheit ist die Kenntnis über die Vielfältigkeit, wie der Klettersport auf verschiedenste Weisen praktiziert werden kann, noch eher unbekannt. Deshalb widmet sich das erste Kapitel dieser Arbeit der allgemeinen Aufklärung über die historische Entwicklung des Kletterns in Deutschland, seine unterschiedlichen Spielformen, gefolgt von diversen Begehungsstilen im Zusammenhang mit der Ethik des Kletterns. Im Anschluss daran wird die Vielfältigkeit des Klettersports anhand der verschiedenen Bewertungssysteme und deren Schwierigkeitsgrade verdeutlicht. Daraufhin werden die großen Kletterorganisationen und ihre Mitgliederzahlen kurz skizziert. In den einzelnen Abschnitten wird in regelmäßigen Abständen auch immer wieder auf das Spannungsfeld zwischen dem Klettern und dem Naturschutz hingewiesen, dessen Kenntnis für das Verständnis der folgenden Kapitel und für den Gesamtzusammenhang dieser Arbeit von grundlegender Bedeutung ist.

2.1 Geschichte des Kletterns

Die Geschichte des Kletterns reicht Jahrtausende zurück (MESSNER, 2002, S. 20). Die nachfolgenden Ausführungen haben schon allein aus diesem Grund keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Was aber jedoch vermittelt werden soll, ist inwieweit die größeren Ereignisse der Geschichte des Kletterns und Bergsteigens in einem logischen Zusammenhang stehen und somit das heutige Klettern in seinem Selbstverständnis entscheidend geprägt haben.

„Weltweit, überall dort, wo Schäfer oder Holzfäller zwischen Felsen ihrer Arbeit nachgehen, wird man dann und wann gezwungen gewesen sein, zu klettern. Um den Tieren nachzusteigen, eine Felsspitze zu erreichen oder einen Baumstamm umzusägen, der an exponierter Stelle stand“ (Ebenda).

„Die Geschichte des Kletterns ist eng mit der des Bergsteigens und des Alpinismus verbunden“ (SENN, 1995, S. 32). Mit der Besiedlung bergiger Regionen, war der Mensch unmittelbar gezwungen „bergzusteigen“. Diesem Vordringen des Menschen in ihm bis dahin nicht bekannte Lebensräume lagen im Wesentlichen zwei Motive zugrunde. Einerseits sah der mittelalterliche Mensch das Gebirge zunächst als nutzbaren Lebensraum. So kletterten bzw. bestiegen Jäger, Hirten, Bergbauern oder Krieger unwirtliche, höher gelegene Bergregionen in Ausübung ihres Berufes und keinesfalls zum Selbstzweck (HUBER, 1981, S. 10). Andererseits hatten Berggipfel schon seit Urzeiten eine religiöse Bedeutung für den Menschen. Er benutzte sie als Kult- und Opferstätten, um seine feierlichen Rituale zu Ehren der Götter abzuhalten, denn die Gipfel galten als Symbole der Verbindung zum Himmel und zu den Göttern (ZIMMERMANN, 1990, S. 7, zit. nach SENN, 1995, S. 32).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Kletterer am Fermadaturm (MESSNER, 2002, S. 9)

„Die Entwicklung des Bergsteigens um

seiner selbst willen ist historisch relativ jung“

(GOEDEKE & MAILÄNDER, 2000a, S. 17)

und hatte zwei geistesgeschichtliche Voraussetzungen. Die erste Voraussetzung für das Bergsteigen um seiner selbst willen war die Entmythologisierung der Natur durch die Zeit der Aufklärung und die damit verbundene Ausbreitung der naturwissenschaftlichen Betrachtung der Natur. Die zweite Voraussetzung war die durch die Industrialisierung hervorgerufene, von der Natur entfremdete,

Lebensweise mit der sich als Reflex darauf entwickelnden bewussten Naturwahrnehmung der Romantik (1790-1840) (Ebenda).

So kam es, dass die eigentliche Entwicklung des Bergsteigens gegen Ende des 18. Jahrhunderts in den Alpen begann. Vorangetrieben wurde diese Entwicklung durch das natur wissenschaftliche Denken der Aufklärung, welches ein starkes wissenschaftliches Interesse an der Erforschung der Bergwelt initiierte. Daraufhin folgten die Erstbesteigungen der größeren Gipfel in den Alpen, zuerst der Mont Blanc (1786) und der Großglockner (1800). Hervorgerufen durch das Einsetzen der Industrialisierung brachte das romantische Naturerleben einen ganz anderen Zugang zum Bergsteigen, welches ebenfalls für die Frühphase des Bergsteigens eine bedeutende Rolle spielte. Der ehemals wissenschaftliche Hintergrund wich jetzt der sportlichen, ja sogar kämpferischen Einstellung der Pioniere des Bergsteigens (HUBER, 1981, S. 10).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Damaliger Kletterer (MESSNER, 2002, S. 62)

Das Bergsteigen in dieser Zeit hatte zunächst einen gewissen Eroberungscharakter, der gelegentlich auch durch aufkommende nationale Konkurrenz überzogen war (z.B. Erstbesteigung des Matterhorns 1865). Um somit in die Geschichte eingehen zu können, wollte jeder der Erste sein, der einen gewissen Gipfel noch vor allen anderen bestieg. Bergsteigen wurde somit zum Selbstzweck betrieben (SENN, 1995, S. 33; GOEDEKE et al., 2000a, S. 17). Da es zu dieser Zeit ohnehin wegen der mangelhaften Sicherungstechnik (siehe Abb. 2) problematisch genug war, einen Gipfel zu erklimmen, wurde naturgemäß der ein fachste Weg zum Ziel, dem Gipfel, gesucht und verfolgt (siehe Abb. 1) (SENN, 1995, S. 33).

Der nächste Schritt in der Entwicklung des Bergsteigens unterlag der Erkenntnis, dass „nicht nur das Ziel, sondern auch der Weg das Wesentliche ist“ (GOEDEKE et al., 2000a, S. 17), aufgrund der Erfahrung, dass das Besteigen von schwierigen und bis dahin ‚unmöglichen’ Gipfeln doch erfolgreich vollbracht wurde. Somit wurden gegen Ende des 19. Jahrhunderts, mit Hilfe verbesserter Ausrüstung (Seil, Haken, Karabiner usw.; siehe Abb. 3) und Seiltechnik, Bergfahrten unternommen, welche bis dahin für undenkbar gehalten wurden. Diese hatten das Aufsuchen von schwierigeren Anstiegen zum bewussten Ziel (SENN, 1995, S. 34). Auf diese Weise wurden dann in den dreißiger Jahren die letzten großen Herausforderungen der Alpen (z.B. die Nordwände des Matterhorns, 1931; der Grandes Jorasses, 1935, und des Eigers, 1938) gemeistert (DAV, 1999a, S. 10).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Kletterausrüstung zur damaligen Zeit

(MESSNER, 2002, S. 84)

„Es dauerte nicht lange, bis sich das Bewusstsein durchsetzte, dass nicht nur die Erstbegehung eines Kletterweges, sondern auch das Wiederholen von bereits begangenen Routen als eine individuelle ‚Eroberung’ im Sinne des Kennenlernens und Sich-Bewährens einen Wert hat“ (GOEDEKE et al., 2000a, S. 18).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Kamin am Stabeler-Turm

(MESSNER, 2002, S. 58)

Parallel zu den Geschehnissen in den Alpen wurden die gleichen Problemstellungen auch in den außeralpinen Felsgebieten in Deutschland verfolgt. Anfangs wurden noch alle freistehenden Felsnadeln und Türme, auch die besonders schwierigen und abweisenden, erklettert. Auch hier wurde aus Gründen der Knappheit an geeigneten Felsen bald dazu übergegangen, noch schwierigere Routen auf die Gipfel der Türme zu suchen und zu klettern. Da die Anzahl der freistehenden Felsnadeln und Türme in den deutschen Mittelgebirgen begrenzt war, wurde das Augenmerk der Kletterer bald auf Kamine und Risse (siehe Abb. 4) in umgebenden Massivwänden gerichtet, wo später

auch steilere Wandbereiche durchstiegen werden konnten (GOEDEKE et al., 2000a, S. 17; DAV, 1999a, S. 10).

Aufgrund der sich aus dem alpinen Bergsteigen des 18. Jahrhunderts einsetzenden touristischen Entwicklung des Alpenraumes wurde 1857 der erste Alpin- und Bergsteigerclub, der Alpine Club London, gegründet. 1862 folgte dann der Österreichische Alpenverein (OeAV). Der erste deutsche Klub war der Deutsche Alpenverein (DAV), der seit 1869 bis heute noch besteht. Im Jahre 1890 waren dann schon Alpenvereinssektionen in vielen größeren deutschen Städten zum Leben erweckt worden. Durch diese Entwicklung stiegen die Mitgliederzahlen und somit auch die Zahl der Kletterer rasch an. Bis zu dieser Zeit war das Klettern nur das Ansinnen und Privileg einiger weniger, was sich aber von dort an änderte. Der Klettersport zog nun breitere Kreise aus vorwiegend bürgerlichen Schichten alpenferner Städte, so war z.B. auch die Frankfurter DAV-Sektion eine der Gründungssektionen des Deutschen Alpenvereins (GOEDEKE et al., 2000a, S. 18; DAV, 1999b, S. 5f).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Kletterer am Falkenstein-Südriss (GOEDEKE et al., 2000a, S. 17)

Hierin liegt auch die Begründung für das noch vor dem 20. Jahrhundert einsetzende Aufsuchen der stadtnahen Mittelgebirge zum Klettern (siehe Abb. 5) - übrigens nicht nur ein deutsches Phänomen, sondern Ähnliches passierte zum Beispiel auch in Frankreich und Großbritannien. Die Gründe dafür sind vor allem in folgenden zwei Aspekten zu sehen. Zum einen war ein ganzjähriges körperliches Training eine Voraussetzung für erfolgreiches Gelingen von Bergbesteigungen und Klettereien im Hochgebirge. In Anbetracht der den damaligen Menschen zur Verfügung stehenden zeitlichen und finanziellen Möglichkeiten bot sich das Klettern an den Mittelgebirgsfelsen der näheren Umgebung an. Zum anderen brauchten die noch jungen Vereine ein Zusammengehörigkeitsgefühl, welches am besten durch regelmäßige sportliche Aktivitäten gefördert werden konnte. Erst durch diese Regelmäßigkeit konnte sich Kontinuität in den Vereinen entwickeln (GOEDEKE et al., 2000a, S. 18; DAV, 1999b, S. 5f).

„Klettern an den heimatlichen Cliffs [Klippen] war also Übung und Selbstzweck, Vergleichsspiel und Training“ (MESSNER, 2002, S. 21).

Noch in dieser Zeit wurde der Grundstein für das Klettern unter sportlichen Gesichtspunkten in Sachsen gelegt. Hier wurde schon ab 1874 bewusst auf technische Hilfsmittel zur Fortbewegung am Fels verzichtet. Unter dem Einfluss der Elbsandstein-Pioniere OSCAR SCHUSTER und RUDOLF FEHRMANN wurde diese Idee des freien Steigens ab 1890 aufgegriffen und weiter verbreitet (siehe Abb. 6 und Abb. 7)

(DAV, 1999b, S. 6; GOEDEKE et al., 2000a, S. 19).

Abb. 6: Rudolf Fehrmann am

Winklerturm (MESSNER, 2002, S. 81)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 7: R. Fehrmann am Dreifingerturm

(MESSNER, 2002, S. 82)

Auch heute noch bildet diese Idee, die 1913 in einem Nachtrag zu dem 1907 erschienen Kletterführer von den beiden erstmals publiziert wurde, den Grundsatz für das sportliche Freiklettern: Geklettert wird frei ohne Zuhilfenahme von künstlichen Steighilfen zur Überwindung der Schwerkraft (siehe Abb. 7), des Weiteren wird die Felsoberfläche nicht verändert bis auf Sicherungsringe, und beklettert werden nur freistehende Felstürme von unten nach oben ohne vorheriges Inspizieren durch

Abseilen (DAV, 1999b, S. 6; GOEDEKE et al., 2000a, S. 19).

„Außerhalb des Elbsandsteingebirges fand die sportive Idee des Freikletterns allerdings keinen nachhaltigen Widerhall“ (DAV, 1999b, S. 6).

So hielt man sich in den anderen deutschen Klettergebieten dennoch an die Auffassung, dass das Bezwingen einer Kletterroute als Ziel im Vordergrund stand, wobei die Art und Weise, in der eine Begehung zustande kam, von untergeordneter Bedeutung war; gemäß dem alpinistischen Sinne: Der Gipfel ist das Ziel und Klettern nur ein Mittel, es zu erreichen. In der Nachkriegszeit des Zweiten Weltkrieges und mit der sich aus dem einsetzenden Wirtschaftswunder hervorgehenden Ideologie, dass alles machbar ist, gipfelte das Technische Klettern im „Direttissima-Zeitalter“. Direttissima bedeutet nichts anderes, als vom Startpunkt ausgehend in lotrechter Linie direkt zum Gipfel zu klettern ohne dabei etwaigem schwierigen Felspassagen auszuweichen (DAV, 1999b, S. 6). Gründe dafür sind vor allem in dem stetig verbesserten Sicherungsmaterial (unter anderem Seil, Hammer, Haken, Trittleitern, Karabiner, Holzkeile, Meißel, Bohrdübel, Sitzbrett und Hängematte) zu finden (GOEDEKE et al., 2000a, S. 19):

„Ein ‚Erschließer’ musste die ‚Eroberung’ einer Wand nur mit dem hinreichenden Material-, Zeit- und Arbeitsaufwand betreiben, um zum Erfolg zu gelangen.“

Auf diese Weise kam es dazu, dass man auch heute noch in manchen Gebieten auf ganze „Hakengalerien“ im Fels trifft (SENN, 1995, S. 34), denn das Technische Klettern hielt natürlich auch Einzug in die als Übungs- und Trainingsstätten dienenden deutschen Mittelgebirge. Mitte der 60er Jahre machte sich schließlich die Einsicht breit, dass der Klettersport in eine Sackgasse geraten war (GOEDEKE et al., 2000a, S. 19). Sogar Reinhold Messner, einer der wohl bekanntesten Bergsteiger weltweit, bezeichnete das Technische Klettern als „Mord am Unmöglichen“ und setzte sich „für eine Rückbesinnung auf die fast in Vergessenheit geratenen Werte und Erlebnismöglichkeiten des Freikletterns“ ein (Ebenda).

Durch die politische Isolation war das Klettern in Sachsen „von den Tendenzen im Alpenraum abgeschottet“ (DAV, 1999b, S. 7) und konnte sich somit ungestört entfalten. Die sächsischen Kletterfreunde blieben dem Freiklettergedanken treu. In den restlichen westdeutschen Klettergebieten wurde die Idee des freien Kletterns erst Mitte der siebziger Jahre sozusagen als „Ré-import“ aus Amerika übernommen. „Ré-import“ deshalb, weil die Idee des freien Kletterns ursprünglich durch FRITZ WIESNER, einem sächsischer Auswanderer, nach Amerika gelangte und dort seit 1947 immer größere Akzeptanz erfuhr (DAV, 1999b, S. 7).

1977 durchstiegen HELMUT KEINE und REINHARD KARL zum ersten Mal die „Pumprisse“ an der Fleischbank im Wilden Kaiser frei. Eine bisher noch nie frei bewältigte Schwierigkeit, die oberhalb der bislang existierenden Skala lag. Sie eröffneten den siebten Grad in der UIAA-Skala (siehe 2.4) (HÖFLER, 1989, S. 183; GOEDEKE et al., 2000a, S. 20). Mit dem freien Klettern, von bis dahin nur technisch zu überwinden geglaubten Schwierigkeiten, musste die bisherige Schwierigkeitsbewertung nach oben hin erweitert und wenig später sogar völlig geöffnet werden (GÜLLICH & KUBIN, 1987, S. 19).

„Das Klettern emanzipierte sich nun endgültig vom traditionellen Alpinismus, was sich in Deutschland an dem Begriff des Sportkletterns manifestierte“ (DAV, 1999b, S. 7).

In den folgenden Jahren explodierte die Leistungsentwicklung im Sportklettern durch systematisches Training und den Einsatz moderner Sicherungsmittel. Schon sechs Jahre nach der Einführung des siebten Grades „beging der Engländer JERRY MOFFAT mit seiner Kreation The Face im Unteren Altmühltal die erste Route im zehnten Grad“ (DAV, 1999a, S. 11; GOEDEKE et al., 2000a, S. 20). 1991 hat WOLFGANG GÜLLICH mit der Begehung der Route Action Directe am Waldkopf im Nördlichen Frankenjura die Ära des elften Grades begonnen. Bis zum heutigen Tag ist noch kein Ende in der Leistungsentwicklung des Sportkletterns anzunehmen (Ebenda).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 8: Alpines Sportklettern heute (MESSNER, 2002, S. 281)

„Die Bewegung des Sportkletterns blieb selbstverständlich nicht nur dort wirksam, wo sie ihren Ausgang nahm, in den Mittelgebirgs-Klettergebieten, sondern sie zog ihre Kreise, stets mit einem Rückstand von etwa einem Schwierigkeitsgrad [UIAA], auch in den hohen und höchsten Wänden der Alpen“ (siehe Abb. 8)

(GÜLLICH et al., 1987, S. 10).

2.2 Spielformen des Kletterns

„Klettern ist jede Fortbewegung, bei der es notwendig ist, die Hände zur Erhaltung des Gleichgewichts oder auch zur Kraftunterstützung einzusetzen. Allerdings kann in Sonderfällen der Übergang zwischen dem gerade noch ohne Einsatz der Hände begehbaren Gelände und tatsächlichem Klettergelände fließend sein, da die Notwendigkeit des Einsatzes der Hände auch vom Können des Kletterers abhängt“ (DAV, 1999b, S. 5).

‚Klettern’ ist der Sammelbegriff für eine nicht homogene Sportart, denn klettern kann man auf unterschiedlichste Weise. So kann man zum Beispiel an vier Meter hohen Felsblöcken seine athletischen Fähigkeiten trainieren, eine Gratüberschreitung im Wettersteingebirge unternehmen oder die winterliche Eigerwand durchsteigen. Alles fällt unter den Sammel begriff ‚Klettern’. Um nun die verschiedensten Weisen des Kletterns verständlicher erscheinen zu lassen, muss man sie in diverse Spielformen kategorisieren (GOEDEKE et al., 2000a, S. 21).

„Das moderne Klettern stellt sich nicht als eine homogene Sportart dar, sondern als eine Vielzahl diverser Aktivitäten, die sich - obwohl sie miteinander in Zusammenhang stehen - doch in vielem unterscheiden“ (DAV, 1999a, S. 14).

Da es in der Literatur keine übereinstimmende Meinung über die Spielformen des Kletterns gibt, sondern nur teilweise Übereinstimmungen und scheinbare Gleichsetzungen, ist es nicht von Vorteil die einzelnen Meinungen aufzuführen und damit Verwirrung zu stiften. Vielmehr besteht die Chance, aus diesen eine neue Kategorisierung der Spielformen zusammenzufassen. Die nachfolgende Betrachtung der Spielformen des Kletterns (siehe Abb. 9) basiert auf einer Kategorisierung des Kletterns in „Klettern in natürlicher Umgebung“ und „Klettern in künstlich angelegten Sportstätten“ aufgrund folgender Quellen:

DAV, 1999a; HOFFMANN, 2003; DAV, 1999b; WINTER, 2000; HOFFMANN & POHL, 1996; GOEDEKE et al., 2000a; HARTMANN, 2003; ELSNER & HAASE, 2000; HUBER & HUBER, 2000; GÜLLICH et al., 1987; DEINET, 2000a; DEINET, 2000c; SENN, 1995.

„Klettern in natürlicher Umgebung“ kann man entweder an Felsen oder an Bäumen, „Klettern in künstlich angelegten Sportstätten“ hingegen in Kletterhallen, an Gebäuden bzw. Mauern oder in Seilgärten. Klettern an Felsen, auch Felsklettern genannt, ist wohl die ursprünglichste Form des Kletterns, welche sich auch in die beiden Hauptbereiche Technisches Klettern und Freiklettern unterteilt. Dem Technischen Klettern werden das Klassische Alpinklettern, das Klettersteigklettern, das Eisklettern, das Höhlenklettern, das Expeditionsbergsteigen und schließlich das Mixed Climbing zugeordnet. Unter dem Begriff Freiklettern versteht man das Sportklettern, das Alpine Sportklettern und das Bouldern. Klettern an Bäumen hingegen ist nichts anderes als eine Variante des Sportkletterns; auch bekannt unter dem Namen „Treeing“.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 9: Spielformen des Kletterns (modifiziert nach HARTMANN, 2003, S. 5, 8)

„Klettern in künstlich angelegten Sportstätten“ unterteilt man in die drei Bereiche: Kletterhalle, Gebäude/Mauern und Seilgarten. In Kletterhallen kann man entweder Sportklettern, auch „Hallenklettern“ genannt, bzw. Bouldern. Eine besondere Form des „Hallenkletterns“ bildet hier das Wettkampfklettern, welches ursprünglich an Felsen durchgeführt wurde, doch heute aus Gründen des Naturschutzes ausschließlich in Kletterhallen vollzogen wird. Dem Klettern an Gebäuden bzw. Mauern ist einerseits ein Abkömmling des Sportkletterns -„Buildering“- zugeordnet, und andererseits das Bouldern. Das Klettern in Seilgärten umfasst hohe und niedrige Seilelemente.

2.2.1 Felsklettern

Felsklettern umschreibt alle Spielformen des Kletterns, welche am Felsen stattfinden. Es wird unterschieden in die beiden Teilbereiche Technisches Klettern und Freiklettern. Spricht man von der Natursportart Klettern, so sind damit jegliches Felsklettern und das Sportklettern an Bäumen („Treeing“) gemeint.

2.2.2 Technisches Klettern

„Werden zur Fortbewegung und, streng genommen, auch zum Ausruhen künstliche Hilfsmittel (Haken, Keile, Karabiner, Schlingen, Trittleitern usw.) benutzt, spricht man vom technischen Klettern“ (ELSNER et al., 2000, S. 73).

Zum Technischen Klettern zählen die Spielformen: Klassisches Alpinklettern, Klettersteigklettern, Eisklettern, Höhlenklettern, Expeditionsbergsteigen und Mixed Climbing.

Klassisches Alpinklettern

Unter Klassischem Alpinklettern versteht man das Felsklettern im alpinen Gebirge. Hier wechseln sich überwiegend frei zu bekletternde Passagen mit kurzen technisch zu bekletternden Passagen ab. Als Sicherungspunkte dienen im Allgemeinen geschlagene Normalhaken, Klemmgeräte aller Art, Sanduhren bzw. Felsköpfe, die mit Hilfe von Schlingen abgebunden werden, usw.

Klettersteigklettern

Klettersteigklettern beschreibt das Klettern in leichtem Felsgelände, welches durch Drahtseile und eventuell durch Leitern abgesichert ist. Es ist ein Phänomen der Alpen, insbesondere in den Dolomiten, wo es als ein Relikt des Ersten Weltkrieges bis heute noch Tradition hat. Doch auch in deutschen Mittelgebirgen wurden aus Übungsgründen Klettersteige angelegt.

„Streng genommen dürfen generell alle Steiganlagen, die der Erreichbarkeit von Felsgipfeln dienen, als Klettersteige erachtet werden, also auch Treppen, Leitern und trassierte Wege, die beispielsweise zu Aussichtspunkten auf Felsen führen“ (DEINET, 2000c).

Eisklettern

Das Eisklettern ist der Begriff für das Klettern an vereisten Wasserfällen, verschneiten und überfrorenen Felsformationen und anderen Eiswänden mittels Eispickel, Eisbeil, Steigeisen, Eisschrauben, Eishaken u.a. technischer Geräte. Diese werden nicht nur zur Sicherung gebraucht, sondern auch, um sich im Eis halten bzw. fortbewegen zu können.

„Diese Form der Kletterei ist notwendig, für die Vorbereitung extremer alpiner Unternehmungen, hat aber im engeren Sinne nichts mit Felsklettern zu tun“ (DAV, 1999b, S. 9).

Doch auch hier hat inzwischen eine Entwicklung stattgefunden, die das Eisklettern zum Selbstzweck und nicht nur zur Vorbereitung auf größere alpine Unternehmungen beschreibt.

Höhlenklettern

Der Begriff Höhlenklettern umschreibt nichts anderes als Technisches Klettern in Höhlen.

Mixed Climbing

Mixed Climbing steht für das Klettern an Fels und Eis im Wechsel mittels der Ausrüstungsgegenstände, welche auch zum Eisklettern gebräuchlich sind.

Expeditionsbergsteigen

Beim Expeditionsbergsteigen ist das Ziel immer der Gipfel eines Berges im Hochgebirge. Im Grunde genommen stellt das Expeditionsbergsteigen ein Extrem an Verschmelzung jeglicher Varianten des Technischen Kletterns dar, um einen Berg zu besteigen. Dabei ist praktisch jedes „Hilfsmittel bis auf die maschinelle Beförderung von Personen und Material am Berg erlaubt“ (GOEDEKE et al., 2000a, S. 25).

2.2.3 Freiklettern

„Freiklettern bedeutet Klettern nur an den natürlichen Strukturen des Felses. [Hilfsmittel wie] Seil, Haken, Klemmkeile, Schlingen, usw. werden dabei ausschließlich zur Sicherung verwendet. Freiklettern bedeutet nicht, wie in den Medien fälschlicherweise oft behauptet, Klettern ohne Sicherung“ (siehe Abb. 10) (ELSNER et al., 2000, S. 73).

„Zur Überwindung der Schwerkraft beim Klettern werden allein die vom Fels gegebenen, natürlichen Haltepunkte, wie Griffe, Tritte, Risse etc., verwendet“ (GÜLLICH et al., 1987, S. 17).

„Die Auseinandersetzung mit den von der Natur gestellten Aufgaben ist […] also nicht nur eine rein sportlichkörperliche Aufgabe, sondern ebenso auch ein intellektuelles Spiel“ (DAV, 1999b, S. 8).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Freiklettern, auch Free Climbing genannt, unterteilt sich im Wesentlichen in die folgenden drei Spielformen: Sportklettern, Alpines Sportklettern und Bouldern.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 10: Das heutige Freiklettern (GÜLLICH et al., 1987, S. 39)

2.2.3.1 Sportklettern

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 11: Sportkletterer im heimischen Mittelgebirge

Das Sportklettern basiert auf der Idee des Freikletterns. Das bedeutet, ohne technische Unterstützung nur an den natürlichen Felsstrukturen, aber am Seil gesichert zu klettern (siehe Abb. 11). Dabei steht nicht das Erreichen des Gipfels, sondern das Klettern selbst im Vordergrund. Meistens wird dabei eine Höhe von einer Seillänge (ca. 30 Meter) nicht überschritten, maximal aber spricht man vom Sportklettern bis zu einer Kletterhöhe von drei Seillängen (ca. 100 Meter), das nur in Ausnahmefällen überhaupt möglich ist, denn meist findet das Sportklettern im Mittelgebirge, in so genannten „Klettergärten“, statt. Diese heimi schen Mittelgebirgsfelsen dienen den Felsgehern, die alpenfern leben, als unschätzbare Vorbereitung und Sicherheitstraining für ihre geplanten Unternehmungen im Hochgebirge. Nichtsdestotrotz ist die Tendenz dahingehend, dass das Sportklettern immer häufiger zum Selbstzweck und nicht zur Vorbereitung betrieben wird. In Folge dessen ist es nicht mehr nur interessant, „was geklettert wird, sondern von mindestens gleichem Interesse ist, wie eine Route geklettert wird“ (DAV, 1999b, S. 11).

„Fälschlicherweise wird der Begriff Sportklettern […] immer wieder als das Klettern von sehr gut abgesicherten […] Kletterrouten oder gar als Wettkampfklettern missverstanden. Ob jemand „sportlich“ klettert bzw. sich als Sportkletterer versteht, hängt aber in keiner Weise von der Qualität der Absicherung, von der Art des „Kletteruntergrundes“ (natürlicher Fels oder Kunstwand) oder von dem zu kletterndem Schwierigkeitsgrad ab“ (DAV, 1999b, S. 8, 377; DEINET, 2000c).

Varianten des Sportkletterns: Wettkampfklettern, Treeing, Buildering, Hallenklettern

Wettkampfklettern

Obwohl das Wettkampfklettern mit dem Sportklettern nicht identisch ist, hat es sich mit der zunehmenden Popularität des Sportkletterns Mitte der achtziger Jahre daraus entwickelt. Der Begriff Wettkampfklettern steht für das Klettern mit leistungssportlichem Charakter. Grundsätzlich werden die zwei Disziplinen Schwierigkeitsklettern und Geschwindigkeitsklettern (Speedclimbing) unterschieden. Ursprünglich fanden die Kletterwettkämpfe an Naturfelsen statt, doch seit 1987 finden die Wettkämpfe gemäß der UIAA (Union Internationale des Associations d’ Alpinisme), dem Dachverband aller Kletterwettkämpfe auf nationaler und internationaler Ebene, aus Gründen des Naturschutzes und der objektiven Vergleichbarkeit ausschließlich in der Halle statt. Auch das Wettkampfklettern erfreut sich in den letzten Jahren mit dem Herausbilden immer neuer Kletterhallen besonders auf regionaler und lokaler Ebene wachsender Beliebtheit.

„Durch klar definierte Wettkampfrouten und für alle Teilnehmer gleiche Ausgangsbedingungen (für alle sind die jeweiligen Routen unbekannt) ist ein objektiver Leistungsvergleich möglich“

(ELSNER et al., 2000, S. 73).

Treeing

„Treeing“ ist nichts anderes als das Sportklettern an und auf Bäume anstatt an Felsen oder an künstlich angelegten Sportstätten.

Buildering

Die Spielform „Buildering“ umschreibt das Sportklettern an Gebäuden und Mauern. Der Begriff „Buildering“ ist aus dem englischen Wort „building“ abgeleitet, was für Gebäude steht. Herausgebildet hat sich diese Variation des Sportkletterns aus dem Mangel an geeigneten Naturfelsen in der näheren Umgebung. Besonders in größeren Städten und Ballungszentren hat das „Buildering“ Tradition. Doch nimmt der Stellenwert dieser Spielform mit der Zunahme von Kletterhallen stetig ab. Unterscheiden lässt sich das „Buildering“ vom Hallenklettern vor allem dadurch, dass es wetterabhängig ist und nur vorgefundene Strukturen als Griff- und Trittmöglichkeit benutzt werden.

Hallenklettern

Hierbei handelt es sich (noch) nicht um eine selbständige Ausprägungsform des Sportkletterns, sondern um eine Übertragung des Sportkletterns auf eine künstliche Anlage -die Kletterhalle. „Hallenklettern“ dient meist zur Vorbereitung auf das Klettern in der Natur oder zum Training für einen Wettkampf. Es wird (noch) nicht zum Selbstzweck durchgeführt. Eine Tatsache, die sich in den nächsten Jahren ändern könnte, da immer mehr Kletterhallen ihre Dienste anbieten. Zusätzlich zur Vorbereitungs- und Trainingsfunktion sind die Kletterhallen auch Kommunikationsstätten unter den Kletterern, was natürlich nicht zuletzt damit zusammenhängt, dass die wohnortnahe Lage den Zeit- und Kostenaufwand im Vergleich zum Nutzen in einem positiven Verhältnis erscheinen lässt. Folglich ist es den Kletterern möglich, sich trotz ihres bestehenden Arbeitsverhältnisses während der Woche sportlich zu betätigen, und auch ganzjähriges sowie wetterunabhängiges Klettern zu betreiben.

2.2.3.2 Alpines Sportklettern

In den letzten Jahren wurde durch viele Kletterer der Gedanke des Sportkletterns ins Gebirge übertragen. Alpines Sportklettern ist somit nichts anderes, als Sportklettern im alpinen Gelände (siehe Abb. 12) mit all dessen zusätzlichen Gefahren (Wetter, Steinschlag, Orientierung, psychische und physische Belastung) - über mehrere bis viele Seillängen (ab ca. 100 Meter aufwärts). „Die Formen des Sportkletterns haben die Kletterei in den Alpen nachhaltig beeinflusst, allerdings dort die alpine Kletterei nicht verdrängt, da in den Alpen der Gefahrenaspekt nicht gänzlich beseitigt werden kann. Insofern dienen Klettergärten immer noch als

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 12: A. Huber alpin sportkletternd in der Schlüsselseillänge der „Bellavista“ an der Westlichen Zinne (MESSNER, 2002, S. 282) Übungsgebiet für alpine Formen des Kletterns“

(DAV, 1999b, S. 12).

2.2.3.3 Bouldern

Der Begriff Bouldern ist die eingedeutschte Form des Begriffes "Bouldering". Es steht für seilfreies Klettern bis zu einer Höhe, von der noch verletzungsfrei abgesprungen werden kann (siehe Abb. 13). Das Bouldern hat seinen Ursprung im englischen Wort „boulder“, was soviel wie Felsblock heißt. Gebouldert wird entweder in geringer Höhe über dem Erdboden an Felsblöcken oder am Fuß höherer Wände. Die dabei kritische Absprunghöhe ist subjektiv abhängig vom Gelände und den Fähigkeiten des Kletterers. Ursprünglich hatte das Bouldern eine Trainings- und Vorbereitungsfunktion für die ansonsten im Hochgebirge oder Mittelgebirge Kletternden, doch seit seiner Entstehung in den fünfziger Jahren erfreut sich das Bouldern besonders seit den neunziger Jahren immer größerer Beliebtheit, denn seit dieser Zeit wird zum Selbstzweck gebouldert.

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Abb. 13: Pärchen beim Bouldern im heimischen Mittelgebirge

„Für manche Kletterer ist das Bouldern die reinste Form des Kletterns, für andere ist es die ideale Trainingsform für das Sportklettern“ (ELSNER et al., 2000, S. 72).

Bouldern kann man am Felsen selbst und an künstlichen Wänden, wie zum Beispiel in Kletterhallen in den eigens dafür vorgesehenen Boulderbereichen, an Gebäuden oder an Mauern.

2.3 Ethik und Begehungsstile des Kletterns

In den folgenden Unterabschnitten werden Ethik und Begehungsstile des Kletterns detailliert behandelt.

2.3.1 Ethik

Zu Anfang des Kletterns waren noch keine „gemeinsamen Spielregeln“ vereinbart, um eine Wand zu erklimmen. 1874 kam es dann zur ersten freien Begehung unter sportlichen Gesichtspunkten im Elbsandsteingebirge. Diese Idee fand unter den Elbsandsteinpionieren SCHUSTER und FEHRMANN in den Jahren unmittelbar vor und nach der Jahrhundertwende großen Zuspruch und wurde weiterentwickelt zur Grundidee des heutigen sportlichen Freikletterns. Dabei wurde in der 1913 erstmals publizierten ‚Idee vom freien Steigen’ festgeschrieben, dass auf sämtliche künstliche Steighilfen verzichtet wird (DAV, 1999b, S. 6). Erst Jahre später wurde dieser Grundgedanke auch in anderen Klettergebieten in Deutschland aufgegriffen. Als Folge dessen wurden auch keine Griffe und Tritte mehr in den Fels geschlagen, denn die Kletterer orientierten sich jetzt an den natürlichen Strukturen des Gesteins wie Kanten, Risse, Verschneidungen, Kamine und dergleichen (Ebenda, S. 10).

Ab den fünfziger Jahren wurde das freie Steigen zugunsten des Klassischen Alpinkletterns vernachlässigt bzw. aufgegeben. Die Fortbewegung im Fels war nun gekennzeichnet von der Benutzung von künstlichen Hilfsmitteln wie Haken, Holzkeile, Strickleitern, Rissklemmen etc. Seile wurden zu dieser Zeit nicht nur zur Sicherung sondern auch als Steighilfe mittels Seilzug in allen erdenklichen Variationen benutzt. Es war normal, alle Haken als Griff- und Trittmöglichkeiten zu benutzen. In dieser Zeit wandte man sich den heimischen Mittelgebirgsfelsen als ideales Trainings- und Vorbereitungsgebiet für die Alpen zu. Somit übertrug man das Technische Klettern in fast alle Mittelgebirge, die sozusagen als „Minialpen“ gesehen wurden. Das klassische Alpinklettern fand seinen Höhepunkt um 1970 im „Ideal der Direttissima“ (geradlinig zum Gipfel klettern) (DAV, 1999b, S. 10f).

Erst Ende der siebziger Jahre wurde das Frei- und Sportklettern aus den USA nach Deutschland zurückimportiert, nachdem es dort durch den aus Sachsen stammenden FRITZ WIESNER populär wurde. „Seit diesem Zeitpunkt wurde im Klettergarten - später auch in den Alpen - die alpine Kletterei durch das Frei- und Sportklettern abgelöst“ (DAV, 1999b, S. 11). Das Leitmotiv dieser Zeit hieß Klettern „by fair means“ oder „clean climbing“, was soviel heißt wie:

- nur natürliche Haltepunkte dienen zur Fortbewegung,
- nur mobile Sicherungsmittel (Friends, Klemmkeile, Schlingen usw.) werden verwendet,
- am Fels werden keine Spuren hinterlassen (DAV, 1999b, S. 11, 373; ELSNER et al., 2000, S. 73; DEINET, 2000b).

Beinahe zur gleichen Zeit wurde zunächst nur im Frankenjura ein eigenständiger Freiklettergedanke durch KURT ALBERT entwickelt - das „Rotpunkt“-Klettern. ALBERT markierte nämlich alle Routen, die er zuvor ohne technische Hilfsmittel und ohne naturschädigende Spuren zu hinterlassen frei durchstiegen hat, mit einem roten Punkt am Einstieg. Beeinflusst von immer mehr freien Begehungen von bis dato technischen Kletterrouten durch die wachsende Anzahl von Sportkletterern wurde schließlich die alte Schwierigkeitsskala der UIAA (Union Internationale des Associations d’ Alpinisme) nach oben hin erweitert und letztlich völlig geöffnet (DAV, 1999b, S. 11).

Um in noch größere Schwierigkeiten vordringen zu können, wurde seit Mitte der achtziger Jahre die Idee des „Clean Climbing“ zugunsten von im Fels fest angebrachten Bohrhaken verlassen. Das Prinzip des Freikletterns blieb hierbei jedoch unangetastet, denn zur Fortbewegung dienten weiterhin nur natürliche Haltepunkte. Die Begründung für das Verwenden von fixen Bohrhaken ist denkbar einfach, da noch schwierigere Routen nicht zwingend der natürlichen Strukturierung des Felsens folgten, sondern vielmehr durch kompakte Wandbereiche führten (DAV, 1999b, S. 11; DEINET, 2000b).

„Das Klettern nahe der persönlichen Leistungsgrenze ist mit einem hohen Sturzrisiko behaftet. Dieses wiederum ist nur bei einer angemessenen guten Absicherung verantwortbar“ (Ebenda, S. 12).

2.3.2 Begehungsstile

Auch ohne das Existieren eines verbindlichen Regelwerks für das Fels- und Sportklettern, haben sich international übergreifende Regeln für Begehungsstile herausgebildet. Diese dienen einerseits der objektiven Vergleichbarkeit von verschiedenen Kletterleistungen in denselben Routen, andererseits stellen sie auch die notwendigen Regeln für das Erstbegehen von Routen in einer sensiblen Natursportart dar (HOFFMANN et al., 1996, S. 79).

Der Begehungsstil beschreibt die Art und Weise, in welcher eine Begehung aus sportlicher und sicherungstechnischer Sicht durchgeführt wird. Das entscheidende Maß im Sportklettern ist, „wie“ eine Begehung vorgenommen wird (DAV, 1999b, S. 372; DEINET, 2000c). Für die meisten Kletterer stellt eine „On Sight“ oder eine „Flash“ -Begehung einer Route das höchste Ideal dar (GÜLLICH et al., 1987, S. 18). Die Begehungsstile werden nachfolgend erläutert.

Beim Sportklettern wird unterschieden zwischen dem Vorstieg und dem Nachstieg. Beim Vorstieg klettert der Vorsteiger die Route vor, wobei er von seinem Sicherungspartner von unten gesichert wird. Er trägt dabei immer auch das Risiko eines möglichen Sturzes, weil das Seil an den verschiedenen Sicherungspunkten auf dem Weg nach oben erst eingehängt werden muss (DAV, 1999b, S. 378; DEINET, 2000c). Beim Nachstieg hingegen kommt das Seil schon von oben - es besteht also keinerlei Sturzgefahr für den Nachsteiger. Es kann nur nach einem vorangegangenen Vorstieg nachgestiegen werden (DAV, 1999b, S. 375; DEINET, 2000c).

Die verschiedenen Begehungsstile beziehen sich alle mit Ausnahme des Toprope-Stils auf den Vorstieg. Das Toprope-Klettern ist nichts anderes als eine besondere Form des Nachstiegs und hat wie auch das Ausbouldern und das Free Solo keine sportliche Bedeutung (ELSNER et al., 2000, S. 74; HOFFMANN et al., 1996, S. 80). Die nachfolgend aufgeführten Begehungsstile sind ihrer sportlichen Wertigkeit nach (von hoch- bis wenigwertig) aufgeführt in Anlehnung an folgende Quellen: GÜLLICH et al., 1987, S. 17f; ELSNER et al., 2000, S. 73f; HOFFMANN et al., 1996, S. 79f; HOFFMANN, 2003, S. 151-157; DEINET, 2000c; DAV, 1999b, S. 372-378; HUBER et al., 2000, S. 18.

On Sight

Der „On Sight“ ist das sturzfreie, freie Begehen einer dem Kletterer unbekannten Route beim ersten Versuch. Dabei ist es erlaubt, die Route vom Boden aus zu inspizieren, wobei man aber keinen anderen Kletterer beobachten darf.

Flash

Der „Flash“ ist nichts anderes als ein „On Sight“, nur dass es jetzt gestattet ist, sich nähere Informationen zur Route einzuholen. Dies kann entweder durch das Beobachten eines anderen Kletterers in eben dieser Route erfolgen oder durch eine genauere Besichtigung von oben auf abseilende Art und Weise.

Rotpunkt

Wie auch beim „On Sight“ und beim „Flash“ bezeichnet der „Rotpunkt“ das sturzfreie, freie Begehen einer Route von unten. Dabei darf die Route dem Kletterer aber schon vorher bekannt sein; sei dies durch frühere Versuche, durch Beobachten oder durch Abseilen.

Pinkpoint

„Pinkpoint“ ist die Bezeichnung für eine „Rotpunkt“-Begehung mit schon vorbereiteten Zwischensicherungen, dass heißt, man muss nur noch das Seil in die schon angebrachten Expressschlingen einhängen. Manchmal findet auch die französische Bezeichnung „en libre“ anstatt „Pinkpoint“ Verwendung.

Rotkreis

Wenn das Seil nach einem Sturz in seiner letzten Zwischensicherung belassen wird und so ein neuer Versuch unter erleichterten Bedingungen von unten aus gelingt, nennt man diesen Begehungsstil „Rotkreis“.

Die folgenden drei Begehungsstile haben keinerlei Bedeutung aus sportlicher Sicht, werden aber dennoch von Sportkletterern häufig angewendet, so dass sie an dieser Stelle auch genannt werden sollen.

Ausbouldern

„Ausbouldern“ ist das passagenweise Erlernen und Einstudieren von Bewegungsabläufen als Voraussetzung für einen späteren erfolgreichen Durchstieg. Es kann im Vorstieg oder im Nachstieg geschehen. Für das „Ausbouldern“ im Vorstieg ist es auch unter den Bezeichnungen „a. f.“ (all free) oder „hangdogging“ bekannt.

Toprope

Das „Toprope“-Klettern ist eine besondere Form des Nachstiegs bei dem der Kletternde am vom oben kommenden Seil gesichert ist. Der Partner sichert vom Boden aus, indem das Seil mittels einer Umlenkung am Ende der Route zurück nach unten gelenkt wird. Diese Methode ist besonders beliebt in Klettergärten im Mittelgebirge, da es aus trainingstaktischer und methodischer Sicht einen hohen Stellenwert besonders im Anfängerklettern besitzt.

Free Solo

Das „Free Solo“ ist wohl die spektakulärste Art und Weise, eine Kletterroute zu begehen, aber auch die gefährlichste. „Free Solo“ oder auch „Soloklettern“ meint nichts anderes als das freie Klettern über Absprunghöhe ohne jegliche Art der Sicherung. Im Falle eines Sturzes ist mit ernsten Konsequenzen wie Verletzung oder Tod für den Kletterer zu rechnen.

2.4 Schwierigkeitsbewertung und verschiedene Bewertungssys teme

Generell gilt im internationalen Klettersport, dass die Schwierigkeitsbewertung mittels unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade vorgenommen wird. Dabei haben sich international verschiedene Skalen (siehe Abb. 14) in den jeweiligen Klettergebieten weitestgehend unabhängig voneinander herausgebildet, die jedoch eine Gemeinsamkeit besitzen: In jedem Meßsystem wird die Schwierigkeit einer Route durch eine empirische, nach obenhin offene Skala definiert (DAV, 1999b, S. 13; HOFFMANN, 2003, S. 90).

Die Schwierigkeitsbewertung im Klettern unterliegt also keinem objektiven Maßstab (Messen von Höhen oder Zeiten), der wiederum als Grundlage für eine gemeinsame internationale Schwierigkeitsbewertung genommen werden kann. Vielmehr sind die Schwierigkeitsgrade als ein Kommunikations- und Informationsmittel zwischen den Sportkletterern zu verstehen, um somit notwendige und hilfreiche Kriterien für eine Auswahl und Planung von Kletterrouten zur Hand zu haben (GÜLLICH et al., 1987, S. 18f; ELSNER et al., 2000, S. 75). Die Schwierigkeitsbewertungen sind zwar als sportliche Herausforderung für den Kletterer zu verstehen, doch keineswegs aber der „Maßstab aller Dinge“. Die Stilform, in deren Rahmen man einen Schwierigkeitsgrad bewältigt, ist von wesentlicherer Bedeutung. So ist zum Beispiel eine freie Begehung einer schwierigeren Route nach tagelangem Versuchen und Einstudieren zweifelsohne eine sportliche Leistung, doch eine freie Begehung einer verhältnismäßig einfacheren unbekannten Route ist trotzdem wertvoller, da sie mit ungleich mehr persönlicher Befriedigung für den Kletternden verbunden ist (GÜLLICH et al., 1987, S. 19f).

„Griff- und Trittgröße, Steilheit der Wand, Kompliziertheit der Kletterbewegungen und die damit verbundene Auswahl an Haltepunkten sind einige der Kriterien, die den Schwierigkeitsgrad beeinflussen“ (Ebenda, 1987, S. 19).

Die Anzahl der Griffe und Tritte, die Länge bzw. Höhe der Wand sowie die Art des Kletterns (Wand, Riss, Platte, Verschneidung, Kamin etc.) sind weitere Faktoren bei der Bewertung (ELSNER et al., 2000, S. 75). Da es äußerst schwierig ist und viel Erfahrung bedarf, eine Route möglichst objektiv zu bewerten, werden gerne „Vergleichs-„ oder „Standardrouten“ als klassisches Beispiel für einen bestimmten Grad der Schwierigkeit zur vergleichenden Einstufung eines neuen Anstiegs herangezogen (GÜLLICH et al., 1987, S. 19).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 14: Aktuelle Vergleichstabelle unterschiedlicher Bewertungssysteme (ELSNER et al., 2000, S. 75)

Eine vergleichende Gegenüberstellung (siehe Abb. 14) der international verschiedenen Bewertungsskalen ist keineswegs unproblematisch, da die Anforderungen an den Kletterer gebietsweise abhängig sind von den unterschiedlichen Kletterstilen und der Art des Gesteins. Eine weitere Erschwernis diesbezüglich ist die Tatsache, dass in der englischen und der sächsischen Skala Faktoren wie die psychische und physische Gesamtbeanspruchung in die Bewertung mit einfließen (GÜLLICH et al., 1987, S. 19; HOFFMANN, 2003, S. 91). So ist ein Rasten an den ohnehin in der Anzahl nur spärlich vorkommenden Sicherungsringen im Elbsandsteingebirge schon mit in die Bewertung einbezogen. Die englische Skala hingegen ist als völlige Ausnahme unter den anderen zu verstehen (HOFFMANN, 2003, S. 91):

„Der englische Grad bezeichnet die schwerste Stelle der Seillänge. Für die physische und psychische Gesamtanforderung wird eine Zusatzbewertung angegeben, die von E1 (gut gesichert, wenig anstrengend) bis E7 (äußerst anstrengend und gefährlich) reicht.“

Der Grund für diesen besonderen Modus der Schwierigkeitsbewertung in der englischen Skala liegt wahrscheinlich darin, dass in Großbritannien und Irland ausschließlich ohne jeglich vorhandene Haken, also „clean“, geklettert wird (siehe Kap. 2.3.1). Diese Tatsache setzt eine besondere kognitive Vorbereitung auf das Vorhaben voraus, was die Existenz der Zusatzbewertung (E1 bis E7) erklären dürfte.

2.5 Sportklettern in deutschen Mittelgebirgen versus Klettern in den Alpen

Um Gelegenheit zur Bewegung verbunden mit dem Erproben der eigenen körperlichen Leistungsfähigkeit und mit dem Naturerlebnis zu finden, sucht die Sportart Klettern den unmittelbaren Kontakt zur weitgehend unberührten Natur. Die wichtigsten Aktivitätsräume für den Klettersport sind somit die zum Klettern geeigneten Mittelgebirgsfelsen und wenige erschlossene Teile der Alpen. Aus umweltrelevanten Gründen muss man zwischen dem Sportklettern im Mittelgebirge, der hier vorherrschenden Spielform des Kletterns, und dem Klettern in den Alpen unterscheiden. Aufgrund der Knappheit der zum Klettern geeigneten Felsen in den deutschen Mittelgebirgen kommt es dort zu einer hohen Konzentration von Kletterern, so dass Konflikte mit dem Naturschutz unvermeidbar bleiben. Resultierend daraus kommt es zu einer wesentlich häufigeren Frequentierung der Routen, als in den Alpen, wo man durch die weitläufigen Klettermöglichkeiten auf unproblematische Gebiete ausweichen kann. Aus diesem Grund blieb das Klettern in den Alpen bisher von nennenswerten Konflikten verschont. Sicherlich muss man an dieser Stelle eingestehen, dass es in Zukunft auch hier zu Konflikten mit dem Naturschutz begründeterweise kommen wird (SCHEMEL & ERBGUTH, 2000, S. 300ff).

2.5.1 Sportklettern im deutschen Mittelgebirge

Als Mittelgebirge bezeichnet man mittelhohe Gebirge, die von Talsohle bis Gipfel eine Höhe von 1000 bis 1500 Meter nicht überschreiten. Sie besitzen meist abgerundete Geländeformen und sind von ausgedehnten, flachwelligen Hochflächen geprägt. Da die Mittelgebirge noch unterhalb der montanen Waldgrenze von 1400 bis 1600 Meter liegen, sind sie fast gänzlich bewaldet - entweder mit Wärme liebenden Eichenmischwäldern in 300 bis 500 Meter Höhe oder oberhalb davon mit an das kühlere Klima angepassten Buchenwäldern (GÖBEL, 2003, „Mittelgebirge“).

Da der Wald das vorherrschende Ökosystem ist, sind Felsen im Mittelgebirge nur vereinzelt anzutreffen. Mittelgebirgsfelsen bilden immer Sonderstandorte für ökologisch besonders bedeutende Tier- und Pflanzenarten, die hier isoliert von anderen Tier- und Pflanzengemeinschaften ohne die Möglichkeit des genetischen Austauschs überleben konnten. Felsen im Mittelgebirge zählen immer zu den so genannten Reliktstandorten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 15: Mittelgebirge in Deutschland (SCHULZE, 1977, S. 78)

(SPEER, 1984).

Die deutsche Mittelgebirgszone (siehe Abb. 15) besteht aus dem Weser-Leine-Bergland (u.a. Ith, Selters, Süntel) und dem Harz im Norden, dem Rheinischen Schiefergebirge (Eifel, Westerwald, Taunus, Hunsrück, Rothaargebirge) im mittleren Westen, dem Hessi schen Bergland, Thüringer Wald und der Rhön im Zentrum, dem Frankenwald, der Fränkischen Schweiz, dem Fichtelgebirge, Erz- und Elbsandsteingebirge im mittleren Osten, dem Pfälzer Wald, Schwarzwald, Spessart und Odenwald im Südwesten, der Schwäbischer und Fränkischer Alb im Süden und dem Oberpfälzer Wald genauso wie dem Bayerischen Wald im Südosten (MICROSOFT ENCARTA, 2003, „Deutschland“).

Damit ein Felsen im Mittelgebirge zum Sportklettern überhaupt geeignet ist, sollte er nach DEINET (2000d) mehrere, wenn auch nicht alle, der nun folgenden Eigenschaften aufweisen: Er sollte eine gewisse Festigkeit besitzen, denn jegliches Ausbrechen von Gestein stellt ein großes Risiko dar. Weiterhin sollte er möglichst hoch und nicht feucht sein, denn Feuchtigkeit macht den Felsen rutschig und somit wiederum gefährlich. Der Vegetationsbewuchs der Felsoberfläche sollte möglichst gering sein. Die Felsneigung sollte mehr als 60 Grad betragen, denn je steiler ein Fels ist, desto fester und weniger bewachsen ist er. Er sollte auch so exponiert sein, dass er genügend Sonne abbekommt, damit er nach Regenfall schneller wieder abtrocknet. Der Felsfuß sollte möglichst eben und glattflächig beschaffen sein, um Risikopotential zu minimieren. Des Weiteren sollte er leicht über enge, kurze und flächenschonende Zuwege erreichbar sein, wobei Wohnortnähe erwünscht ist. Auch sollte man per Fahrrad oder öffentlichen Verkehrsmitteln dorthin gelangen können. Falls dies nicht möglich ist, so sollten doch Parkmöglichkeiten in angemessener Entfernung vorhanden sein.

„Jede Kletterroute ist einmalig und bietet andere landschaftliche Eindrücke und andere sportliche Herausforderungen als Folge ihrer jeweils individuellen Gestalt. Dies bedeutet letztlich, dass kein Kletterfelsen, keine Kletterroute ‚ersetzbar’ ist“ (DEINET, 2000d).

Das Hauptindiz für die Einmaligkeit einer Kletterroute liegt wohl in dem verschiedenartigsten Charakter des Gesteins, was nicht nur von Mittelgebirge zu Mittelgebirge oder von Fels zu Fels innerhalb eines Mittelgebirges, sondern auch innerhalb eines Felsens variieren kann (siehe Abb. 16). Einerseits gibt es Felsstandorte, die von verschiedenen Gesteinsarten durchwachsen sind, andererseits gibt es auch solche, wo nur die Struktur der einen vorkommenden Gesteinsart immer wieder variiert. Letzteres ist weit häufiger der Fall. Tab. 1 verdeutlicht die Verschiedenheit des Gesteins in den jeweiligen Mittelgebirgsklettergebieten Deutschlands. In der Anpassung an die Besonderheiten unterschiedlichster Felsarten liegt eine der spezifischen Herausforderungen des Klettersports (SENN, 1995, S. 62).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 16: An den Kippkopffelsen im Norden des Dahner Felsenlandes/Pfalz ist der Wechsel zwischen helleren und dunkleren, zwischen tonig bis feinsandigen und grobsandigen Sandsteinbänken deutlich erkennbar (BARNERT & GOEDEKE, 2000, S. 106)

Tab. 1: Verschiedene Gesteinsarten bedeutender Mittelgebirgsklettergebiete (SENN, 1995, S. 56)

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Excerpt out of 156 pages

Details

Title
Umweltbewusstsein und Umweltverhalten bei Kletterern - eine empirische Untersuchung
College
University of Kassel  (Institut für Sport und Sportwissenschaft)
Grade
Sehr gut
Author
Year
2003
Pages
156
Catalog Number
V22406
ISBN (eBook)
9783638257541
ISBN (Book)
9783638713344
File size
3602 KB
Language
German
Keywords
Umweltbewusstsein, Umweltverhalten, Kletterern, Untersuchung
Quote paper
Andreas Hohmann (Author), 2003, Umweltbewusstsein und Umweltverhalten bei Kletterern - eine empirische Untersuchung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/22406

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Title: Umweltbewusstsein und Umweltverhalten bei Kletterern - eine empirische Untersuchung



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