Deutschland und die Weltwirtschaftskrise 1929/32


Dossier / Travail, 2013

38 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis:

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einführung

2 Überblick über die Weltwirtschaftskrise, insbesondere in Deutschland

3 Ursachen und Verlauf der Weltwirtschaftskrise in Deutschland
3.1 Die Landwirtschaft
3.2 Die deutsche Industrie
3.2.1 Die Hochzollpolitik
3.2.2 Kartellbildungen und Preisabsprachen
3.2.3 Nachlassende Investitionsbereitschaft
3.3 Der deutsche Arbeitsmarkt
3.3.1 Die Arbeitslosigkeit als Massenphänomen
3.3.2 Reform der Arbeitslosenversicherung und Erwerbslosenfürsorge
3.4 Der Finanzmarkt
3.4.1 Reparationszahlungen als dauerhafter Begleiter der Weimarer Republik
3.4.2 Die Auslandsverschuldung
3.4.3 Die Banken und der Börsenkrach
3.4.4 Die Problematik der Währungen
3.5 Deflations- und Parallelpolitik
3.5.1 Lohn- und Gehaltskürzungen
3.5.2 Preissenkungen
3.5.3 Ausgleich des Staatshaushalts
3.5.4 Geld- und kreditpolitische Interventionen
3.5.5 Arbeitsbeschaffung und deren Finanzierung

4 Überwindung der Weltwirtschaftskrise

5 Das Ende der Weltwirtschaftskrise und der Weimarer Republik

6 Ergebnis

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: BNE Deutsches Reich

Abbildung 2: Staatsverschuldung Deutsches Reich

Abbildung 3: Die Entwicklung des Welthandels

Abbildung 4: Umsatzrückgang im Einzelhandel und Handwerk

Abbildung 5: Kreislauf der Auslandsschulden

Abbildung 6: Defizit des Reichs 1925-1933

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: BNE pro Kopf Deutsches Reich

Tabelle 2: Aufwendungen des Osthilfegesetzes von 1931 bis 1936

Tabelle 3: Zahl der registrierten Arbeitslosen in Deutschland

Tabelle 4: Zulassungen fabrikneuer PKW in Einheiten

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einführung

Die Weltwirtschaftskrise zwischen 1929 und 1939 (in Deutschland bis 1936), war die bisher größte wirtschaftliche Krise. In Deutschland folgte auf sie die Diktatur unter Hitler und damit der zweite Weltkrieg.

Es stellt sich die Frage, wie diese Krise entstehen konnte. Diese Arbeit soll die Ursachen für die Weltwirtschaftskrise in Deutschland herausstellen. Selbstverständlich entstand sie nicht autonom, sondern die internationalen Verflechtungen, sowie die Folgen des 1. Weltkrieges sollten eine große Bedeutung haben. Doch waren die Staaten unterschiedlich schwer betroffen. Deutschland, mit Ausnahme der USA, am schwersten. Der Verlauf der Krise in Deutschland wird hier ebenso dargestellt, wie die Maßnahmen die insbesondere die Regierung, unter dem damaligen Reichskanzler Heinrich Brüning, traf.

Abschließend werden noch kurz wirtschaftspolitische Maßnahmen unter Hitler aufgezeigt, die Krise bewertet und im Ergebnis ein sehr knapper Vergleich mit der heutigen Krise gezogen.

2 Überblick über die Weltwirtschaftskrise, insbesondere in Deutschland

In den USA überschätzten Anleger die Aufnahmefähigkeit der Märkte und trieben die Aktienkurse, oftmals über kurzfristige Kredite finanziert, in schwindelerregende Höhen. Im Oktober 1929 genügten geringfügige Kursrückgänge, die die Blase der Aktienspekulationen platzen ließ. Die Banken forderten erstmals Gelder zurück und zwangen somit viele Anleger zu jedem Preis zu verkaufen.[1]

Die Folgen waren zum einen Vermögensvernichtungen, zum anderen hohe Verschuldungen bei großen Teilen der amerikanischen Bevölkerung.

Von den USA breitete sich die Krise global aus. Neben Industrieländern wie Großbritannien oder Frankreich, waren auch aufstrebende und unterentwickelte Staaten wie Australien, Japan, Argentinien oder Brasilien betroffen.

Die härtesten Auswirkungen zeigte die Krise, nach den USA, in Deutschland. In diesen beiden Staaten traten auch die größten politischen Folgen auf. Die USA waren, trotz des Konfliktes zwischen dem Präsidenten und dem Obersten Gericht, welcher das Fundament der Bundesverfassung gefährdete, eine gefestigte Republik. Im Gegensatz dazu stand die Weimarer Republik, eine äußerst labile Demokratie. Eine Vielfalt und Vielzahl von Parteien oftmals mit Maximalforderungen sorgten schon in den mehr oder wenigen ruhigen Jahren zwischen 1924 und 1928 für schwierige Regierungsverhältnisse. Zusätzlich waren 1929 fast ein Drittel der Abgeordneten im Reichstag verfassungsfeindlich eingestellt. Somit ermöglichte die Weltwirtschaftskrise den Aufstieg Adolf Hitlers, auch wenn dieser niemals unausweichlich war.[2]

Schon vor Oktober 1929 befand sich fast die gesamte deutsche Wirtschaft im Abschwung.[3] Diese verschärfte sich nach dem Ausbruch deutlich. Das instabile politische System und soziale Konflikte verschaffte linken wie rechten Kräften steigende Unterstützung.[4]

Die Regierung fand keine oder falsche Rezepte oder war mit anderen, als bedeutender angesehenen Fragestellungen beschäftigt. Teilweise war sie auch Handlungsunfähig aufgrund der schwierigen innen- und außenpolitischen Verhältnisse.

Das Bruttonationaleinkommen[5] (BNE) fiel vom Höhepunkt 1929 mit 52,3 Milliarden (Mrd.) Reichsmark (RM), innerhalb von drei Jahren auf 33,6 Mrd. RM 1932. Dies bedeutete ein Rückgang von fast 36 Prozent. Gleichzeitig stieg die Verschuldung kontinuierlich an.

Abbildung 1: BNE Deutsches Reich

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Erstellt nach Sautter (2004), S.157

Abbildung 2: Staatsverschuldung Deutsches Reich

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Erstellt nach Sautter (2004), S.160 f.

Der Rückgang des BNE und die steigende Verschuldung hängen freilich mit der Massenarbeitslosigkeit zusammen, wie später noch aufgezeigt wird. Der gesamte Welthandel verringerte sich nicht nur aufgrund der Deflation Wertmäßig, sondern auch im Volumen. 1929 wurden Waren im Wert von ca. 285 Mrd. RM gehandelt. Dieser Wert verringerte sich um fast 66 Prozent bis ins Jahr 1933. Das Volumen im gleichen Zeitraum um ungefähr 33 Prozent.

Abbildung 3: Die Entwicklung des Welthandels

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Erstellt nach Schröter (1984), S.517

Der Börsenkrach löste einen Prozess aus, der eine eigene Dynamik entwickelte.[6] Zu beachten ist, dass der Börsenkrach nicht Ursache der Krise war. Maximal war er Auslöser oder eher noch ein Akzelerator. Die eine entscheidende Ursache ist auch nicht vorhanden. Ein ganzes Bündel von Ursachen führte zur Weltwirtschaftskrise.

Zum Wert der RM und damit besserem Verständnis, um die Zahlen des BNE, der Verschuldung und des Welthandels interpretieren zu können, sind nachfolgende Angaben hilfreich.

Der Goldstandard sorgte für einen festen Wechselkurs. Das Verhältnis vom US-Dollar zur RM betrug 1:4,2.[7]

Tabelle 1: BNE pro Kopf Deutsches Reich

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Berechnung nach Sautter (2004), S.21 und 157

Die wachsende Bevölkerung und Arbeitslosigkeit, bei gleichzeitiger Deflation, führte zur dramatischen Abnahme des BNE pro Kopf und damit zur Minderung der Löhne und Gehälter.

Das durchschnittliche BNE pro Kopf lag bei ca. 695 RM.

Als Orientierungspreise seien Brot (welches ca. 50 Pfennig (Pf.) pro Kilogramm (Kg) kostete[8]), Zucker (ca. 73 Pf./Kg), Esskartoffeln (ca. 17 Pf./Kg), Butter (ca. 430 Pf./Kg) und Vollmilch (ca. 30 Pf./Liter) genannt.[9]

3 Ursachen und Verlauf der Weltwirtschaftskrise in Deutschland

Wie bereits erwähnt, war der Börsenkrach nicht die Ursache der Weltwirtschaftskrise. Auch war sie nicht plötzlich vorhanden. Die Ursachen sind ebenso vielfältig, wie sie auch teils schleichend eintraten. Als Verursacher sind u. a. Landwirtschaft, Industrie, Banken, Regierung, Gewerkschaften, Wirtschaftsauffassung und das Ausland zu nennen. Jeder trug mehr oder weniger zur Krise in Deutschland bei.

Die Maßnahmen, anfangs auf konservativer Wirtschaftspolitik aufbauend, halfen nicht, erst später oder verstärkten die Auswirkungen der Krise noch. Besonders die Deflationspolitik Brünings muss kritisch betrachtet werden. Nachfolgend werden die Situationen und Maßnahmen in den einzelnen Bereichen und ihre Auswirkungen auf die Krise aufgezeigt.

3.1 Die Landwirtschaft

Im ersten Weltkrieg hatten viele Staaten die Agrarproduktion ausgeweitet, um die Lücke zu schließen, die die Europäer durch den Krieg hinterlassen hatten. Dort war man auf Importe angewiesen, da man insbesondere Rüstungsgüter produzierte und sich mit Männern und Pferden an der Front befand.

Nach Beendigung des Krieges, wurde die Produktion wieder erhöht. Dies führte zu Überproduktionen.[10] So war die Politik der Sowjetunion darauf ausgelegt, Getreide zu exportieren um Devisen zu generieren, die man für dringend notwendigen Kapitalimporte benötigte. 1929 exportierte man noch 100.000 Tonnen (t). 1930 konnte man, aufgrund einer Rekordernte, 2.290.000 t exportieren.[11]

Die USA hatten ihre Anbauflächen ausgedehnt und Traktoren ersetzten tierische Zugkräfte, womit weniger Futtermittel benötigt wurden. Zudem verbreitete sich der Einsatz von künstlichen Düngemitteln wie Kali, Stickstoff und Phosphorsäure.[12]

Auf dem Weltmarkt war das Angebot allerdings größer als die Nachfrage. Dies führte zu einem Preisfall bei Agrarprodukten. Die Bauern in Deutschland steigerten ihre Produktion, um den Einkommensverlust über einen höheren Absatz auszugleichen.[13]

Die Sowjetunion reagierte mit einem höheren Export. Rationierungen führten 1931 zu einer Exportmenge von 5.220.000 t. Der Exportwert stieg jedoch nicht und Millionen Bauern bezahlten mit dem Hungertod.[14]

In Deutschland verfolgte man schon länger eine protektionistische Agrarpolitik, um größere Autarkie und eine bessere Handelsbilanz zu erreichen. So wurden 1927 Zölle auf Agrarprodukte eingeführt oder erhöht.[15]

Der Preisverfall während der Krise veranlasste die Politik zu weiteren Schutzmaßnahmen. Neben Zöllen, waren dies Einfuhrkontingente und –verbote, Ankäufe durch den Staat, und vieles mehr.[16]

„Am 14. 04. 1930 verabschiedete der Reichstag (…) ein Agrarprogramm[, dass] (…) die Regierung [ermächtigte], den Zollsatz für Roggen, Weizen, Gerste, Hafer, Erbsen und Schweine jeweils so zu gestalten, daß ein bestimmter jährlicher Durchschnittspreis erreicht [werden konnte].“[17]

Im Ergebnis lag der Weizenpreis 230% und der Gerstenpreis 300% über dem Weltmarktpreis und über 100% über dem Inlandspreis. Als Folge stiegen die Preise trotz Deflation in anderen Bereichen, insbesondere bei Löhnen und Gehältern.[18]

Allerdings war diese Politik einseitig zum Vorteil der getreideanbauenden Großgrundbesitzer ausgelegt. Kleinen und mittelgroßen landwirtschaftlichen Betrieben erging es schlechter. Diese mussten für ihre Viehzucht überhöhte Preise für Getreide bezahlen.[19] Die Deflation minderte aber ihre Absatzchancen, zwang sie hingegen noch zu Preisnachlässen.

Zusätzlich sorgte die steigende Arbeitslosigkeit für eine Einschränkung des Fleischkonsums. Da z. B. die Marschbauern in Schleswig-Holstein im Frühjahr Jungtiere mit geliehenem Geld erwarben und im Herbst als Schlachtvieh verkauften, waren sie früh von fallenden Preisen und steigenden Kreditzinsen betroffen. Dies führte zur politischen Radikalisierung[20],da viele Betriebe in finanzielle Schwierigkeiten gerieten und ihre Höfe zwangsversteigert wurden.[21]

Mit großen Schwierigkeiten, wie der Entfernung zu den Verbrauchern, schlechten Verkehrsbedingungen, geringen Erträgen der Böden und raschen Neuverschuldungen, kämpften die ostdeutschen Landwirte. Im März 1931 wurde das Osthilfegesetz verabschiedet.[22]

Die wichtigsten Maßnahmen waren die Umschuldung von Betrieben, wenn sie danach rentabel wirtschaften konnten, nicht umschuldungfähige Großbetriebe sollten aufgesiedelt und die Ertragsfähigkeit sollte durch verschiedene Maßnahmen zur Förderung des Verkehrswesens verbessert werden.[23]

Tabelle 2 zeigt die Aufwendungen des Osthilfegesetzes von 1931 bis 1936.

Tabelle 2: Aufwendungen des Osthilfegesetzes von 1931 bis 1936

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Knoche (1989), S.105

Nach einer Erhebung der Landesfinanzämter, war der gesamte Agrarsektor mit 7,5 bis 10 Mrd. RM verschuldet. In den Augen der agrarischen Interessenvertreter war dies nicht einmal andeutungsweise eine ernstgemeinte Entschuldungshilfe. Zudem sahen die ostelbischen Großgrundbesitzer das landwirtschaftliche Siedlungswesen kritisch. Sie bezeichneten es gar als „Agrarkommunismus“. Eine erhebliche Beteiligung der landwirtschaftlichen Interessenvertreter am Sturz Brünings ist zu vermuten. Brüning musste der Landwirtschaft einen hohen politischen Tribut zollen, obwohl sie im Vergleich zur Industrie wesentlich unbedeutender war.[24]

3.2 Die deutsche Industrie

Deutschland hatte bereits vor dem ersten Weltkrieg die Wandlung zum Industriestaat vollzogen. Inzwischen war man ein bedeutendes Industrieland. So exportierte man in der Zwischenkriegszeit Maschinen, Kleineisenwaren[25], chemische Erzeugnisse und Produkte der Textilindustrie. Während der Export im Produktionsgüterbereich in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre günstig verlief, stagnierte der Konsumgüterexport. Problematisch gestalteten sich auch hier Überkapazitäten. Man war auf Ausfuhren angewiesen.[26]

Allerdings gab es weltweit Überkapazitäten. Der Verbrauch stagnierte, die Lagerhaltung nahm zu und trotz mangelnder Nachfrage kamen sogar neue Kapazitäten auf den Markt. Außerdem bildeten Unternehmen Kartelle, die den freien Wettbewerb verhinderten, sofern dieser überhaupt möglich war, aufgrund der stetig steigenden Zölle. Zuletzt waren die Investitionen der Wirtschaft gering, wozu auch die Gewerkschaften beitrugen.

3.2.1 Die Hochzollpolitik

In den zwanziger Jahren stiegen weltweit die Zölle. Man wollte neu aufgebaute Industrien oder Länder, die aus dem österreichisch-ungarischen Kaiserreich hervorgingen[27], schützen. Auf internationalen Konferenzen in Brüssel (1920), Portorose[28] (1921) und Genua (1922) hatte man bereits erfolglos gegen höhere Zölle argumentiert. 1927 fand eine Weltwirtschaftskonferenz, ausgerichtet vom Völkerbund, erneut in Genua statt. Anlass war die Sorge über den weltweiten Aufwärtstrend der Zölle. Es konnte lediglich ein Stillhalteabkommen, mit dem Ziel späterer Zollsenkungen, vereinbart werden. Mit Ausnahme der britischen Labour-Regierung, befürworteten die großen Industrieländer Zölle. Deutschland hatte sie 1926, Italien 1925 wieder eingeführt. Frankreich führte Zölle und Vermahlungsquoten[29] ein. Auch die USA traten, unter der republikanischen Regierung, für Zölle ein.[30]

Der Zollprotektionismus verhinderte mehr und mehr den freien Warenaustausch.[31]

1929 erhöhten Frankreich und Italien ihre Automobilzölle. Indien die Zölle auf Meterware. Auch Australien verabschiedete eine breite Zollerhöhung.[32] Dies traf die deutsche Industrie, die auf Exporte aber auch Importe angewiesen war, und erschwerte Produktion und Absatz. Anzumerken ist, dass nicht alle Industrien gleichermaßen betroffen waren. Manche Unternehmen hatten keine Exportmöglichkeit. Dies betraf u. a. die Bau- und Textilindustrie. Wesentlich stärker waren exportabhängige Industrien wie Chemie, Elektrotechnik und Maschinenbau betroffen.[33]

3.2.2 Kartellbildungen und Preisabsprachen

Während die private Wirtschaft nur geringen Einfluss auf die Zölle nehmen konnte, beeinflussten die Unternehmen das Preisniveau auf anderem Wege. Der deutschen Industrie gelang nach dem Krieg die rasche Rückkehr in das Netz internationaler Kartelle. In den zwanziger Jahren wurden diese weiter ausgebaut, wobei die deutsche Industrie eine wichtige Stellung einnahm. Mit Ausnahme der Antitrust-Gesetze der Vereinigten Staaten existieren keine Regelungen gegen Preisabsprachen oder Kartellbildungen. In den Jahren der Weltwirtschaftskrise setzte sich der Trend zu Kartellbildung fort. Deutschland war durch Kapazitätsausweitungen und Rationalisierungen besonders stark von der weltweiten Überproduktion betroffen. Die Anstrengungen zur Sicherung der ausländischen Absatzmärkte wurden intensiviert. Zudem erreichte die deutsche Industrie einen hohen Konzentrationsgrad und war auch national vielfach in Kartellen organisiert. Dies führte zu einer starken Stellung bei internationalen Kartellverhandlungen. Ergebnis war, dass z. B. in der chemischen Industrie in ganz Europa kein wichtiges Produkt nicht im Preis oder Absatz per Absprache reguliert war. Zu verstärkten Konflikten kam es dann in der Weltwirtschaftskrise. Jeder versuchte seine Weltmarktposition zu verteidigen oder zu seinen Gunsten zu verschieben.[34]

Die Anpassung der Produktion an die Nachfrage erfolgte nur schwerfällig. Der Wettbewerb war ausgeschaltet. Daher lag die Versuchung nah, die Produktionsanlagen auszuweiten, um Anspruch auf eine höhere Quote zu erlangen. Die Rohstahlindustrie tat dies und stockte, aufgrund des auslaufenden Kartellvertrages 1929, ihre Fertigungskapazitäten ab 1927 um 2 Mio. t Rohstahl auf.[35]

Zwar wurde so einerseits das Preisniveau gesichert, andererseits gestaltete sich der Absatz immer schwieriger. Dies traf zuerst die Kunden der weiterverarbeitenden Industrie. Diese waren oftmals einem scharfen Wettbewerb ausgesetzt. Zudem fielen die Preise. Die Kosten blieben aber gleich. Daher drosselten sie ihre Produktion und verringerten ihre Nachfrage nach Kohle, Eisen, Stahl und chemischen Grundstoffen. Dies traf wiederrum die Hersteller, die aber weiterhin keine Preise senkten, sondern lieber Arbeiter entließen.[36]

3.2.3 Nachlassende Investitionsbereitschaft

Investitionen, nicht nur in der Industrie, waren der Hauptgrund für das Wirtschaftswachstum in Deutschland. Das Jahr 1927 markierte aber bereits den Wendepunkt. Verantwortlich war insbesondere die Industrie für Verbrauchsgüter. Sowohl private Konsumenten, als auch der Staat reduzierten ihre Ausgaben. Ursache war, dass nach der Wirtschaftskrise im Winter 1925/26, ein hoher Nachholbedarf bestand. Zudem waren 1927 die Löhne und Gehälter auf breiter Front erheblich gestiegen.[37]

Dies ermöglichte zwar den Kauf von Verbrauchsgütern während der Zeit des Nachholbedarfs, sorgte aber für geringere Gewinne bei den Unternehmen. Als Folge war weniger Geld für Investitionen vorhanden. Die Produktivität befand sich auf eher geringem Niveau und konnte nicht so gesteigert werden, um die Lohn- und Gehaltserhöhungen zu kompensieren.

Sie erreichte in den zwanziger Jahren nicht einmal das Vorkriegsniveau. Die Löhne lagen hingegen deutlich höher und mussten 1930/31 keinen Vergleich mit den Siegerstaaten des 1. Weltkrieges scheuen. Aufgrund des internationalen Preisverfalls und festen Wechselkursen konnten die Löhne nicht vollständig auf den Preis umgelegt werden. Die Arbeitskraftkosten mussten auf das Einkommen und Vermögen des Unternehmens gehen.[38]

Andererseits wären durch Reallohnkürzungen nur das Nachfragedefizit erhöht worden und die Kapazitätsauslastung zurückgegangen.[39]

3.3 Der deutsche Arbeitsmarkt

Ein Grundproblem der Weimarer Republik war die Wirtschaft. Es handelte sich eher um eine Wirtschaft die sich in Verteilungskämpfen verstrickte, anstatt hohe Wachstumsraten zu generieren.[40] Schon in der Winterkrise 1925/26 hatten sich die Arbeitslosenzahlen drastisch erhöht. Um den Reichshaushalt zu entlasten überführte man 1927 die Erwerbslosenfürsorge in ein Versicherungssystem. Arbeitnehmer und –geber hatten fortan, mit jeweils 3% des Lohnes, den gleichen Betrag an die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (RAfAuA) zu leisten.[41] Am Vorabend der Weltwirtschaftskrise hatte Deutschland, zusammen mit Großbritannien, dass am weitesten ausgebaute System der Arbeitslosenversicherung.[42] Dies erwies sich mit steigender Arbeitslosigkeit als problematisch.

Die verantwortlichen Sozialpolitiker waren bei der Festlegung der Höhe der Beiträge von der guten Wirtschaftslage 1927 ausgegangen. D. h. sie hatten mit einer durchschnittlichen Arbeitslosenanzahl von 700.000 bis 800.000 Arbeitslosen kalkuliert. Schon im Frühjahr 1929, noch vor der Weltwirtschaftskrise, musste das Reich ein Defizit der RAfAuA von fast 350 Mio. RM ausgleichen.[43]

Die Massenarbeitslosigkeit in der Weltwirtschaftskrise stellte die Sozialpolitiker vor schwerwiegende Entscheidungen bei den Reformen der Arbeitslosenversicherung.

3.3.1 Die Arbeitslosigkeit als Massenphänomen

Bei den wirtschaftlichen Schwierigkeiten die in der Landwirtschaft und Industrie herrschten, verwundert es nicht, dass Arbeitskräfte entlassen wurden. Da parallel auch Handwerk und Einzelhandel mit großen Umsatzrückgängen zu kämpfen hatten (siehe Abbildung 4) verschärfte sich die Arbeitslosenproblematik noch. Die Jahresumsätze sanken zwischen 1929 und 1932 in außergewöhnlichen Größen. Schuhgeschäfte verbuchten ein Minus von 39,8%, Textilgeschäfte von 41,3%, Fachgeschäfte für Lebensmittel, Kolonialwaren und Feinkost 34,2%, das Nahrungsmittelhandwerk, hier besonders Bäcker und Metzger, 32,1%, das Metall- und Installationshandwerk 52% und das Bauhandwerk sogar 66,4%. Überdies führte die Arbeitslosigkeit sowohl im Einzelhandel, als auch im Handwerk zum Anstieg der Schwarzarbeit. Dies sorgte für Rückwirkungen auf Zwischenhändler, Verbrauchsgüterhersteller und Industrie.[44]

Daraus resultierten hohe Arbeitslosenzahlen. An der Spitze standen die ungelernten Arbeiter. Diese Gruppe stellte Ende Januar 1933 über 1,3 Mil. Arbeitslose. Danach folgten die Arbeiter der Eisen- und Metallindustrie mit über 900.000, das Baugewerbe mit 600.000 und als 4. größte Gruppe mit fast 580.000 Personen kamen schon die Angestellten. Bei der Altersstruktur stammten die meisten Arbeitslosen aus der Gruppe von 25 bis 39 Jahre. Dies war besonders dramatisch, da diese meist voll Arbeitsfähig und verheiratet waren und schulpflichtige oder in der Ausbildung befindliche Kinder hatten.[45] Oftmals waren ganze Familien betroffen.

Abbildung 4: Umsatzrückgang im Einzelhandel und Handwerk

(in %)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Erstellt nach Blaich (1994), S.71

„Die Arbeitslosigkeit war die am stärksten spürbare Auswirkung der Weltwirtschaftskrise“.[46] Die meisten Arbeitslosen waren im Februar 1932 verzeichnet. Über 6 Mio. Menschen (siehe Tabelle 3) waren offiziell Arbeitslos. Tatsächlich war die Statistik unvollständig. Insbesondere Frauen und Jugendliche hatten sich nicht arbeitslos gemeldet, da sie zum einen die Hoffnung auf einen Arbeitsplatz aufgegeben und zum anderen auch keinen Anspruch auf Unterstützung hatten.[47]

[...]


[1] Vgl. Blaich (1994), S.81

[2] Vgl. Conze (1967), S.176 f.

[3] Vgl. Meister (1991), S.67

[4] Vgl. Kolb (2009), S.112

[5] Früher auch Bruttosozialprodukt

[6] Vgl. Kindleberger (2010), S.162

[7] Vgl. Balderston (2002), S.59

[8] Ungefähre Werte, da die Preise von Stadt zu Stadt schwankten.

[9] Vgl. Statistisches Reichsamt (1928), S.341 ff.

[10] Vgl. Kindleberger (2010), S.111

[11] Vgl. ebd., S.119

[12] Vgl. Henning (1988), S.194

[13] Vgl. Knoche (1989), S.103

[14] Vgl. Kindleberger (2010), S.119

[15] Vgl. Baumgarten (1965), S.135 und 194

[16] Vgl. Stolper (1966), S.128

[17] Knoche (1989), S.110

[18] Vgl. ebd., (1989), S.111

[19] Vgl. ebd., (1989), S.102

[20] Vgl. Blaich (1994), S.73 f.

[21] Vgl. Henning (1988), S.197

[22] Vgl. Knoche (1989), S.103 f.

[23] Vgl. Henning (1988), S.206 f.

[24] Vgl. Golla (1994), S.105 f.

[25] Hiermit sind Werkzeuge, Schrauben, Ketten, usw. gemeint.

[26] Vgl. Schröter (1984), S.52 f.

[27] Z. B. die Tschechoslowakei, Jugoslawien oder Rumänien.

[28] Gelegen an der Adriaküste im heutigen Slowenien.

[29] Die Mühlen wurden verpflichtet, zum Großteil inländischen Weizen dem importierten beizumischen.

[30] Vgl. Kindleberger (2010), S.96 ff.

[31] Vgl. Blaich (1994), S.80

[32] Vgl. Kindleberger (2010), S.170

[33] Vgl. Schröter (1984), S.72

[34] Vgl. ebd., S.290 ff.

[35] Vgl. Blaich (1994), S.77 f.

[36] Vgl. ebd., S.89 f.

[37] Vgl. ebd., S.76 f.

[38] Vgl. Borchardt (1982), S.176 ff.

[39] Vgl. Meister (1991), S.109

[40] Vgl. Borchardt (1982), S.176

[41] Vgl. Lehnert (1999), S.151

[42] Vgl. Berringer (1999), S.122

[43] Vgl. Blaich (1994), S.64 f.

[44] Vgl. ebd., S.72

[45] Vgl. Vierhaus (1967), S.162

[46] Henning (1973), S.153

[47] Vgl. Blaich (1994), S.60

Fin de l'extrait de 38 pages

Résumé des informations

Titre
Deutschland und die Weltwirtschaftskrise 1929/32
Université
University of Siegen
Note
1,7
Auteur
Année
2013
Pages
38
N° de catalogue
V229813
ISBN (ebook)
9783656454366
ISBN (Livre)
9783656456025
Taille d'un fichier
704 KB
Langue
allemand
Mots clés
Weltwirtschaftskrise, Große Depression, Börsenkrach, Börsencrash, Deutschland, Deutsches Reich, Weimarer Republik, Wirtschaftspolitik, Landwirtschaft, Industrie, Banken, Finanzsystem, Brüning, Deflation, Deflationspolitik, Parallelpolitik
Citation du texte
Thorsten Foltz (Auteur), 2013, Deutschland und die Weltwirtschaftskrise 1929/32 , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/229813

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