Der Kapitalbegriff bei Karl Marx und Pierre Bourdieu


Dossier / Travail, 2013

20 Pages, Note: 1,7

Anonyme


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Kapital
1.2 Forschungsstand

2 Karl Marx
2.1 Theorie und zentrale Begriffe
2.2 Kapitalbegriff

3 Pierre Bourdieu
3.1 Theorie und zentrale Begriffe
3.2 Kapitalbegriff

4 Vergleich

5 Fazit

6 Quellenverzeichnis

1 Einleitung

Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen des Moduls Gesellschafts- und Kulturkritik. „Kritik heißt in diesem Sinne, die in gesellschaftlichen Strukturen und kulturellen Gedankenformationen enthaltenen Uniformisierungen, Hierarchisierungen, Totalisierungen in Zweifel zu ziehen und ihnen die emanzipatorische Einbeziehung von Alteritäten gegenüberzustellen“ (Gruber o.J.). Die Ausarbeitung setzt sich mit zwei unterschiedlichen Konzepten auseinander – unterschiedlich u.a. in ideologischer Hinsicht oder in Hinblick auf die Entstehungszeiträume – die sich z.T. doch auf gleiche Begriffe beziehen. Ein Kernbegriff in beiden kritischen Theorien ist das Kapital. Doch ist der Begriff wirklich der gleiche oder sind die Bedeutungen, die jeweils dahinterstehen, so verschieden, dass er höchstens als ver gleichender Begriff nützt?

Es sei an dieser Stelle vorweggenommen, dass sich Gemeinsamkeiten finden lassen, trotz aller Differenzen. Nicht zuletzt, weil Bourdieu sich teilweise auf Marx bezieht - wenngleich er ihm oft auch widerspricht. Die marxsche Theorie ist die Basis für viele Gesellschaftskritiker, die Frankfurter Schule ist das beste Beispiel dafür (vgl. Lempert 2010: 268). Genau mit dieser bedeutenden Theorieströmung des 20. Jahrhunderts, deren Wirken sich mit dem Bourdieus zeitlich überschneidet, gab es jedoch große Uneinigkeit und Konflikte. Die Abgrenzung erfolgte v.a., weil Bourdieu die Frankfurter Schule für nicht praxisnah und wissenschaftlich fundiert genug hielt (ebd.: 262). „Die gegenseitige Rezeption allerdings ist von Missverständnissen und Abgrenzungskämpfen durchzogen“ (Bauer et al. 2013). Nichtsdestotrotz ist Pierre Bourdieu einer der wichtigsten Soziologen Frankreichs, der v.a. durch seinen Lehrstuhl am Collège de France große Popularität und wissenschaftliche Anerkennung erhielt (Mörth/Fröhlich 1994: 41).

Beide, Marx wie Bourdieu, haben also bis heute relevante sozialkritische Theorien aufgestellt. Diese sollen in den Kapiteln 2 und 3 vorgestellt werden. Das besondere Augenmerk liegt dabei natürlich auf dem zu vergleichenden Begriff des Kapitals, der hier als lose Verknüpfung zwischen beiden dient. In Kapitel 4 sollen dann zusammenfassend die grundlegenden Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten herausgearbeitet werden.

1.1 Kapital

Das heutige Verständnis von Kapital ist zumeist ein rein ökonomisches. Dies bestätigen auch die Definitionen in Wahrings Herkunfts-Wörterbuch und im DUDEN:

„Vermögen an Bargeld und Aktien; aus ital. capitale, frz. capital, das frühnhd. mit ‚Hauptgeld, Hauptgut‘ übersetzt wurde und womit das Gewinn bringend angelegte Geld im Unterschied zu den Zinsen gemeint war; später setzte sich das Fremdwort Kapital durch, aus lat. capitalis ‚zum Kopf, Hauptgehörig, Haupt-, wichtigst‘, zu caput ‚Kopf‘“ (Hermann 2002)

„alle Geld- und Sachwerte, die zu einer Produktion verwendet werden, die Gewinn abwirft, Vermögen eines Unternehmens; Grundkapital; Anlagekapital [oder] verfügbare Geldsumme, die bei entsprechendem Einsatz geeignet ist, dem Besitzer oder Nutznießer nennenswerten Gewinn zu bringen […]“ (Bibliographisches Institut GmbH/Dudenverlag 2013)

In der vorliegenden vergleichenden Arbeit kann man feststellen, dass auch Marx‘ Kapitalbegriff ökonomischer Natur ist – auch wenn soziale, gesellschaftliche und politische Zusammenhänge eine große Rolle spielen. Bourdieu hingegen nähert sich dem Begriff soziologisch – gleichwohl die Ökonomie dabei eine primäre Funktion hat. Im Laufe der Zeit haben sich u.a. Ökonomen und Soziologen auf unterschiedliche Weise mit dem Begriff auseinandergesetzt. Eine gute Übersicht, zumindest bis zum Jahr 1938, bietet dafür die Gliederung der Dissertation von Edgar Schreiber, in der Bourdieu dementsprechend nicht aufgeführt ist. (Auch in dieser Einteilung ist die ökonomische Sicht vorrangig.)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 Die Entwicklung des Kapitalbegriffs nach Schreiber 1938: 3 (eigene Darstellung)

In der modernen Volkswirtschaft ist Kapital einer von drei Produktionsfaktoren für die Entstehung von Produkten. Das Kapitalgut setzt sich aus den anderen Faktoren, natürliche Bodenstoffe und menschliche Arbeit, zusammen. Deswegen ist Kapital auch ein sogenannter abgeleiteter Produktionsfaktor. Das Kapital „bildet sich volkswirtschaftlich durch Sparen und Investition. Sparen bedeutet Verzicht auf Konsum. Durch die Investition verwandelt sich Geldkapital in Realkapital“ (Heiring/Lippens 2002).

1.2 Forschungsstand

Zu den Theorien oder gesamten Werken Marx‘ bzw. Bourdieus gibt es zahlreiche analysierende oder erklärende Sekundärliteratur (vgl. Herz 1996: 13). Auch in Bezug auf einzelne Aspekte der jeweiligen Ansätze oder die Anwendung auf andere Fachbereiche (bspw. Bock, U. 2007: Prekäre Transformationen: Pierre Bourdieus Soziologie der Praxis und ihre Herausforderungen für die Frauen- und Geschlechterforschung) gibt es diverse Literatur.

In Publikationen über Bourdieu findet man häufig zumindest Verweise auf Marx als entsprechende Bezugsgröße für Bourdieus Kapitalbegriff. Der detaillierte Vergleich zwischen den beiden Kapitalbegriffen (oder auch Klassenbegriffen) wird jedoch nur selten aufgenommen. Die ausführlichsten Auseinandersetzungen sind in Fachzeitungen oder online zu entdecken. Festzuhalten ist, dass die Konzepte beider Gesellschaftstheoretiker nach wie vor wesentlicher Bestandteil der Soziologie sind.

2 Karl Marx

„Marx zeigte, dass menschliches Verhalten weitgehend gesellschaftlich bestimmt ist.“ (Berger 2003: 7)

Neben „Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie“ (1867-1894) zählen „Ökonomisch- philosophische Manuskripte“ (1844), „Die deutsche Ideologie“ (1845–1847) und „Das Manifest der kommunistischen Partei“ (1847/1848) zu den bedeutendsten Werken von Karl Marx (und Friedrich Engels). Karl Marx‘ (1818-1883) Theorien, die er gemeinsam mit Friedrich Engels entwickelte, sind umstritten, aber in Teilen auch eine treffende Analyse des Kapitalismus und v.a. Grundlage der Arbeiterbewegungen. Sie sind allerdings auch Ausgangspunkt oder Diskussionsgegenstand vieler gesellschaftskritischer Ansätze des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart (Matthiessen 2000: 71). Denn Marx‘ Werk ist nicht nur auf die ökonomische Betrachtung zu reduzieren – es ist natürlich auch ein weltanschaulicher und politischer Beitrag (Heiring/Lippens 2002:57).

Dieses Kapitel wird nun Marx‘ grundlegende Annahmen sowie einzelne Kernbegriffe vorstellen. Besonders soll dabei auf den Kapitalbegriff eingegangen werden.

2.1 Theorie und zentrale Begriffe

Karl Marx beschäftigte sich, in Zeiten der Industrialisierung, vor allem mit der politischen Ökonomie (heute: Volkswirtschaftslehre) und der Spaltung der Gesellschaft in unterschiedliche Klassen durch Besitzverhältnisse, bei der die Klasse der Besitzenden (Bourgeoisie) die Klasse der Arbeiter (Proletariat) bis zur Ausbeutung beherrscht (Lukes 1983: 111; Matthiessen 2000: 72). Die Besitzenden verfügen dabei nicht nur über Maschinen, Gebäude, Rohstoffe oder Energie als Produktionsmittel (Berger 2003: 237), sondern auch über die Arbeitskraft der Arbeiter, was die Grundlage ihrer Herrschaft bildet. Dieses System ist auch der prinzipielle Kritikpunkt Marx‘ am Kapitalismus. Sein Ziel war es, dass sich das Proletariat seiner Situation bewusst wird und sich zum „revolutionären Klassenkampf“ zusammenzuschließt (Matthiessen 2000: 72). „Ziel dieser Kämpfe ist die Abschaffung des Privateigentums, die klassenlose Gesellschaft und das Absterben des Staates, der ein Zwangsinstrument der Klassengesellschaft ist. Das Proletariat hat die weltgeschichtliche Aufgabe, diesen Prozess voranzutreiben“ (Berger 2003: 13).

Dieses Klassensystem findet sich auch im Basis-Überbau-Modell von Karl Marx wieder. Die Basis ist demnach die ökonomische Grundlage einer Gesellschaft (Produktionsverhältnisse, Klassenstrukturen). Berger versteht unter Basis sogar eine Metapher für „arbeitende Menschen mit technischem Wissen und Fähigkeiten“ (ebd. 2003: 233). Der Überbau steht für die gesellschaftlichen Grenzen, innerhalb derer die Menschen agieren können (ebda.) bzw. den Staatsapparat: „Kultur, Moral, Politik und Religion“ (Pfahl-Traughber 2008: 1). Dieses Modell entspricht einer Art Bedürfnispyramide, in der zuerst die grundlegenden Bedürfnisse der Menschen befriedigt werden müssen (bspw. Nahrung), bevor man sich anderen Dingen widmen kann (bspw. Kultur). Beide Ebenen sind in ihrer jeweiligen Ausgestaltung abhängig von der Zeit, in der die Gesellschaft lebt und sie beeinflussen sich gegenseitig, so dass „ein ökonomischer auch zu einem politischen Wandel“ führt (ebda.).

Die kapitalistische Produktionsweise ist „das erste ökonomische System der Menschheitsgeschichte, indem [sic] die Produktion von Waren dominierend ist“ (RSO 2013). Die historische Herleitung von Marx‘ Theorien beginnt deshalb mit dem 16. Jahrhundert, seit dem die Arbeit nicht mehr den Zweck hat, die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen (Subsitenzwirtschaft), sondern die Produkte der Arbeit, die Waren, gegen andere (benötigte) Waren zu tauschen. Dabei ist natürlich der Wert der einzelnen Waren entscheidend, weswegen Marx seine Wertlehre entwickelte, um herauszufinden: „[…] wie entsteht der Wert und was bestimmt seine Größe“ (Berger 2003: 18). Dabei stützt er sich auf Ricardos These, laut derer die Ware ihren Wert durch die Arbeitsmenge erhält und der Wert die „Verteilung [der Waren] in einer Gesellschaft“ regelt (ebda.). Dabei ist die Arbeitskraft in Marx‘ Theorie jedoch auch selbst eine Ware (ebd.: 235). Der (ökonomische) Wert einer Ware wird ersichtlich durch ihren Preis, der Mehr wert hingegen ist der erzielte Gewinn. Dieser Mehrwert entsteht durch die Arbeit in den Fabriken und davon profitiert nicht nur der Unternehmer (Fabrikbesitzer), sondern auch der Händler (In Marx‘ Modell erhält der Händler also einen Rabatt auf das Produkt dafür, dass er für den Produzenten das Handeln übernimmt.). Ein Mehrwert kann nur entstehen, wenn der Arbeitslohn nicht dem eigentlichen Wert der Arbeit entspricht; um den Mehrwert zu steigern, gibt es zwei Wege: „die Verlängerung der Arbeitszeit und die Steigerung der Produktivität durch Maschineneinsatz“ (ebd: 64). Das System des Kapitalismus nötigt die Arbeiter einerseits, Arbeit anzunehmen, da sie den Lohn zum Überleben brauchen und andererseits, „einen Lohn zu akzeptieren, der niedriger ist als der Wert, den seine Arbeitskraft schafft“. Dies ist der Vorteil der Besitzenden gegenüber dem Proletariat, obwohl sie zahlenmäßig eigentlich unterlegen sind (Lukes 1983: 111).

[...]

Fin de l'extrait de 20 pages

Résumé des informations

Titre
Der Kapitalbegriff bei Karl Marx und Pierre Bourdieu
Université
University of Applied Sciences Merseburg
Note
1,7
Année
2013
Pages
20
N° de catalogue
V230235
ISBN (ebook)
9783656463962
ISBN (Livre)
9783656468509
Taille d'un fichier
509 KB
Langue
allemand
Mots clés
Marx, Bourdieu, Gesellschaftskritik, Kapital, Frankfurter Schule
Citation du texte
Anonyme, 2013, Der Kapitalbegriff bei Karl Marx und Pierre Bourdieu, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/230235

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