Extrait
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Begriffserklärung
2.1 Die Risikogesellschaft
2.2 Der Risikobegriff
3. Der Umgang mit großtechnischen Anlagen
3.1 Kernenergie
3.1.1 Three Mile Island
3.1.2 Der Umgang mit der Kernenergie
3.2 Chemische Anlagen
3.2.1 Der Umgang mit chemischen Anlagen
3.3 Gentechnologie
3.3.1 Landwirtschaft und Ernährung
3.3.2 Medizinische Anwendungen
4. Der Umgang mit dem Risiko
4.1 Risikomanagement und Risikobewertung
4.2 Risikoerkennung
4.3 Risikowahrnehmung und Risikokommunikation
5. Zusammenfassung und möglicher Ausblick
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Seit der Industrialisierung und den darauf aufbauenden technologischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts ist der Zustand des Risikos ein beständiger Teil der Gesellschaft geworden. Die Menschen haben sich durch einen beständigen Glauben an die Technik in die Abhängigkeit dieser begeben. Moderne Techniken bestimmen heute unser Leben und sichern nicht nur unseren Wohlstand, sondern auch den Lebensstandard, die Lebenserwartung und unsere Gesundheit. Deshalb messen wir den Naturwissenschaften eine absolute Zuverlässigkeit bei, da sie die wesentlichen Sachverhalte erklären und belegen können – aber meistens ohne ihre Ergebnisse zu hinterfragen. Dem Problem der Bevölkerungsexplosion, der Angst vor dem Ende der Energieressourcen und dem Streben nach Wirtschaftlichkeit wurde die Entwicklung von Technologien als Lösung vorgesetzt. Alle Techniken beherbergen Nutzen und Chancen, aber eben auch Risiken. Die tiefgreifenden Auswirkungen dieser Entwicklungen und die enormen Veränderungen in Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft der Moderne veranlassen die Soziologie zu immer wieder neuen Theorien. Im Bezug auf das Thema Risiko hat sich vor allem der Soziologe Ulrich Beck mit dem von ihm geprägten Schlagwort der „Risikosoziologie“ in seinem 1986 veröffentlichten Buch Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne[1] beschäftigt. Daher soll in dieser Arbeit zunächst der Begriff der Risikogesellschaft beziehungsweise des Risikos näher erläutert und einige Merkmale beschrieben werden. Vor diesem Hintergrund soll anschließend anhand Charles Perrows Normale Katastrophen. Die unvermeidbaren Risiken der Großtechnik[2] und Niklas Luhmanns Soziologie des Risikos[3] auf die Euphorie und den Umgang mit großtechnischen Anlagen eingegangen werden. Am Ende der Arbeit sollen in einer Zusammenfassung noch einmal die wichtigsten Erkenntnisse dieser Arbeit dargestellt und ein möglicher Ausblick vorgenommen werden.
2. Begriffserklärungen
2.1. Die Risikogesellschaft
Der Begriff der Risikogesellschaft geht einher mit Becks Grundthese, dass sich ein Bruch innerhalb der Moderne vollzieht. Die klassische Industriegesellschaft löst sich auf und eine Risikogesellschaft entsteht.[4] Dieser Übergang ist laut Beck durch zwei zentrale Merkmale gekennzeichnet. Erstens entstehen in der Gesellschaft zunehmend Individualisierungstendenzen. Die Schicht- und Klassenstrukturen der Industriegesellschaft verblassen und mit dem wirtschaftlichen Aufschwung vor allem in den westlichen Industrieländern steigt der Lebensstandard der Menschen. Gleichzeitig werden sie aus dem traditionellen familiären Gefüge herausgelöst. Diese Gesellschaft der Moderne ist vor allem durch technische, chemische, biologische und wirtschaftliche Entwicklungen gekennzeichnet. Ulrich Beck schreibt, dass sich die Entwicklungen weitgehend auf nationaler wie auf internationaler Ebene den gültigen Kontroll- und Sicherheitsmechanismen entziehen und dass alle Menschen unabhängig von Schicht, Ethnie, Nation oder ähnlichem den Risiken in der Risikogesellschaft ausgesetzt sind.[5] Auch Niklas Luhmann sieht die heutige Gesellschaft als Risikogesellschaft. Allerdings liegen die Gründe dafür bei Luhmann nicht wie bei Ulrich Beck in Zerstörung, Leid und Unfällen sondern darin, dass die immer stärkere Technisierung der Gesellschaft erstens zu einer Kontrollierbarkeit von Abläufen, zweitens zu Planbarkeit von Ressourcen und drittens zu Erkennbarkeit und Zurechenbarkeit von Fehlern und somit zu einem neuen Begriff der Technik, als „funktionierende Simplifikation im Medium der Kausalität“[6] führt.
2.2. Der Risikobegriff
Aus der Sicht Luhmanns ist Risiko ein Zeitproblem, von dem immer dann gesprochen wird, „wenn eine Entscheidung ausgemacht werden kann, ohne die es nicht zu dem Schaden kommen könnte“[7]. Es werden Entscheidungen getroffen, obwohl man die Zukunft nicht kennt, was ihren Aufmerksamkeitswert steigert und die Person beziehungsweise das System in eine Situation der Unsicherheit drängt. Deshalb ist nach Niklas Luhmann die Gesellschaft eine Risikogesellschaft, da die Entscheidungen immer riskant sind, ihre Zukunft unsicher ist und diese auf Grund von Entscheidungen möglicherweise negativ verlaufen kann.[8] Luhmann unterscheidet außerdem zwischen Risiko als entscheidungsabhängige und Gefahr als entscheidungsunabhängige Variable[9], was später noch genauer dargestellt werden soll. Neue Technologien schaffen nicht nur ungeahnte Möglichkeiten und Chancen, gleichzeitig erhöht sich auch das Ausmaß eines möglichen Schadens. Die Technik ist außerdem durch die enormen Fortschritte in der Forschung von immer komplexeren Systemen geprägt. Das trifft vor allem auf den Bereich von Hochtechnologien zu. Das Kennzeichen von Hochtechnologien ist allerdings, dass die Risiken bereits bekannt sind, man sich trotzdem für die Technologie entscheidet und dass genau deswegen gleichzeitig Sicherheiten geschaffen werden, die mögliche Schäden verhindern sollen. Diese Zusatztechnologien können schwieriger einzurichten sein als die Hochtechnologie selbst.
3. Der Umgang mit großtechnischen Anlagen
Technischer Fortschritt gilt seit jeher als eines der Merkmale der Moderne. Beginnend mit den Erfindungen zur Zeit der Industrialisierung (Dampfmaschine, mechanischer Webstuhl, Dampflokomotive) kamen über die Jahrhunderte immer neuere Technologien hinzu. Damit stieg aber auch das Risiko. Dieses Problem ist nicht auf nationale Grenzen begrenzt, denn die Entscheidungen und die damit verbunden Auswirkungen betreffen die gesamte globale Gemeinschaft.
In Anbetracht der hohen Komplexität, die Großtechnologien mit sich bringen, soll in diesem Kapitel der Umgang mit großtechnischen Anlagen anhand von Beispielen genauer dargestellt werden.
3.1. Kernenergie
Seit den ersten erfolgreichen Kernwaffentests in Alamogordo in der Wüste New Mexico am 16. Juli 1945, den katastrophalen Folgen der Atombombenabwürfe auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki im August 1945 und dem Reaktorunglück im Kernkraftwerk Tschernobyl im April 1986, weckt die militärische und zivile Nutzung der Atomkraft soziale Ängste. In Deutschland führte das Reaktorunglück im japanischen Fukushima im März 2011 zu einer großen Anti-Atombewegung, einer Risikoneubewertung der Kernenergiegewinnung und einem beschleunigten Ausstieg bis 2022.
3.1.1. Three Mile Island
Charles Perrow beschäftigt sich in seinem Buch Normale Katastrophen eingehend mit der Thema Kernenergie. Am Beispiel des Atomkraftwerkes Three Mile Island in Pennsylvania erläutert er die Problematik der Nutzung von Kernkraftwerken, sowie den Umgang und die Folgen dieses Unfalls. Der schwerste Reaktorunfall in der Geschichte der USA ereignete sich am 28. März 1979 im Atomkraftwerk Three Mile Island, Pennsylvania. Durch eine zu enge Koppelung des Systems gepaart mit Fehlern im Sicherheitssystem und Fehlhandlungen seitens der Operateure, kam es zu einer partiellen Kernschmelze und zur Freisetzung von Radioaktivität.
Nach Perrow ist ein Atomkraftwerk demnach ein komplexes System, dass durch eine „Common-Mode-Funktion“ gekennzeichnet ist. Das bedeutet, dass eine Komponente gleichzeitig mehrere Funktionen übernimmt. In Kernreaktoren übernehmen oft die Stromgeneratoren gleichzeitig auch die Kühlfunktion. Folglich ergeben sich bei der Störung einer Komponente eine Reihe von (komplexen) Interaktionen, da sich diese enge Koppelung auf weitere Subsysteme überträgt und somit die Kontrolle bei Unfällen erheblich erschwert.[10]
3.1.2. Der Umgang mit Kernenergie
Der Umgang mit solchen Problemen ist weitgehend identisch. Je komplexer und enger gekoppelter die Systeme sind, desto größer ist das Risiko. Gerade in Atomkraftwerken aber gibt es ausgefeilte Sicherheitssysteme, die häufig der Auslöser von Störfällen waren. Nach dem Unfall von Three Mile Island, und ebenso nach den Reaktorkatastrophen von Tschernobyl und Fukushima, wurden immer neue Sicherheitssysteme gefordert und installiert. Doch gerade die Betrachtung von Risiko und die Analyse des Sicherheitsstandards bei Kernreaktoren, wird durch die Komplexität der verschiedenen Prozesse sehr erschwert, physikalisch wie technisch.
[...]
[1] Beck, Ulrich: Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt a. M. 1986.
[2] Perrow, Charles: Normale Katastrophen. Die unvermeidbaren Risiken der Großtechnik.
Frankfurt a. M.2 1992.
[3] Luhmann, Niklas: Soziologie des Risikos. De Gruyter 2003.
[4] Vgl. Beck (1968): S. 13f.
[5] Vgl. Ebd., S. 31 – 48.
[6] Vgl. Luhmann (2003): S. 97f.
[7] Luhmann (2003): S. 25.
[8] Vgl. Luhmann (2003): S. 51f.
[9] Vgl. Ebd., S. 30.
[10] Vgl. Perrow (1992): S. 108 – 116.
- Citation du texte
- Cornelia Lang (Auteur), 2012, Soziologische Systemtheorie. Die moderne Gesellschaft als Risikogesellschaft, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/231473
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