Weiblich, qualifiziert, unterbezahlt. Die Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt


Textbook, 2013

64 Pages


Excerpt


inhalt

Formen der Diskriminierung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt von Konrad Brylla
Einleitung
Was hat man unter Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt zu verstehen?
Quellen der Diskriminierung
Ist Diskriminierung „rational“?
Empirie: Einkommensdiskriminierung
Empirie: Allokative Diskriminierung
Empirie: Evaluative Diskriminierung
Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis

Ursachen der Diskriminierung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt von Sarah Diekow
Einleitung
Ursachen der Benachteiligung von Frauen
Geschlechtsspezifische Arbeitsteilung und die Diskriminierung von Frauen
Motivationen zur Aufnahme eines Berufes
Perspektiven der Frauen auf dem Arbeitsmarkt
Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis

Zur Situation von Frauen auf dem Arbeitsmarkt im Kontext der Globalisierung von Susanne Altmann
Einleitung
Der Begriff Globalisierung
Der Begriff Arbeit
Die geschlechtsspezifischen Unterschiede am Arbeitsmarkt
Frauen als Globalisierungsgewinner oder -verlierer?
Schlussbemerkungen
Literatur

Formen der Diskriminierung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt von Konrad Brylla

2005

Einleitung

Diskriminierung ist ein theoretisches Konstrukt, um welches sich seit den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zahlreiche politische und gesellschaftliche Debatten drehen. Dabei bringt die Benutzung dieses Begriffes unweigerlich auch Probleme und Schwierigkeiten mit sich: So ist Diskriminierung nicht immer eindeutig feststellbar, schwer messbar und wird zudem häufig mit Ungleichheiten verwechselt.[1] Dies führt zu Missverständnissen und Fehlinterpretationen, so dass es leicht passieren kann, dass Diskriminierung gerne verharmlost oder auch übertrieben wird, was nicht selten durch politische Attitüden bedingt ist. Dennoch ist Diskriminierung zweifelsohne existent und auch nachweisbar. Gerade auf dem Arbeitsmarkt, der als Paradebeispiel dient – wenn auch nicht nur dort – kann sie für die Betroffenen erhebliche Benachteiligungen erzeugen.

Ziel dieser Arbeit ist es, Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt näher zu beleuchten und die häufigsten Missverständnisse zu widerlegen. Die wichtigsten unabhängigen Variablen sind eindeutig Geschlecht und Ethnie, die zu einem großen Teil ähnlichen Mechanismen unterliegen. Die Arbeit wird sich der Einfachheit halber in der Regel auf die Geschlechterdiskriminierung beziehen, wenn nicht explizit anders vermerkt. Dies bietet sich an, weil gerade für diese Form der Diskriminierung eine sehr umfangreiche Literatur existiert und zahlreiche Studien vorliegen.

Zunächst wird der Begriff der Diskriminierung näher definiert und etwas eingeschränkt. Aufgrund des enormen Umfangs des Gebietes ist es unmöglich, auf alle Aspekte und Feinheiten einzugehen, doch die wichtigsten Theorien werden selbstverständlich vorgestellt. Danach werden die möglichen Formen der Arbeitsmarktdiskriminierung sowie ihre Quellen erläutert. Des Weiteren wird die Frage behandelt, inwiefern Diskriminierung ökonomisch „rational“ ist. Zuletzt werden die möglichen Formen der Diskriminierung durch empirische Daten verdeutlicht. Dabei geht es nicht darum, Diskriminierung zu „beweisen“, sondern eher Ansätze aufzuzeigen, wie man sie empirisch untersuchen kann. Die Arbeit ist also in einen Theorie- und Empirieabschnitt unterteilt, die sich gegenseitig stützen.

Dabei orientiert sich diese Arbeit vor allem an zwei Schwerpunkten: Der erste hat zum Gegenstand, dass Diskriminierung trotz aller Bemühungen, sie zu bekämpfen, noch existent sowie nachweisbar ist und nicht mit Ungleichheit verwechselt werden sollte. Der zweite Schwerpunkt beschäftigt sich mit den Gesetzen des Marktes, die durch Diskriminierung an ihrer vollen Entfaltung gehindert werden. Es sollte im Verlauf der Arbeit klar werden, dass Diskriminierung für den freien Wettbewerb eine Mobilitätsbarriere darstellt.

Was hat man unter Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt zu verstehen?

Ehrenberg und Smith zufolge liegt Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt vor, „if individual workers who have identical productive characteristics are treated differently because of the demographic groups to which they belong.“[2]

Auch wenn diese sehr knappe Definition recht allgemein klingt, trennt sie das Konstrukt Diskriminierung sehr scharf ab. So werden systematische Ungleichheiten nicht mit einbezogen, auch wenn diese auf der Basis von Diskriminierung entstehen können. Dennoch muss man erwähnen, dass Ungleichheiten auch produktive Charakteristika beeinflussen und beinhalten, die wiederum auf dem Arbeitsmarkt zu Tage treten können. So haben die Mitglieder zweier Gruppen mit systematisch verschiedenen Eigenschaften auch bei Absenz von Diskriminierung unterschiedliche Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Diese Unterscheidung, sowie der Hinweis darauf, ist besonders wichtig, denn die Trennung zwischen Ungleichheit und Diskriminierung wird in der Literatur nicht immer klar getroffen.

Ebenso schließt diese Definition jegliche Diskriminierung aus, die eventuell schon vor dem Eintritt ins Berufsleben aufgetreten ist, z.B. in der Schule, bei der Sozialisation etc. also die so genannte „pre-entry discrimination“. Es interessiert hier lediglich die „post-entry discrimination“.[3]

Wichtig ist, dass es möglicherweise auch gruppenspezifische Präferenzen gibt, die bei der Definition ebenfalls außen vor gelassen werden. D.h. es kann sein, dass Frauen häufiger als Männer Studiengänge belegen, die später weniger lukrative Berufe ermöglichen. Hier würde es zu Lohnunterschieden kommen, die aber ganz klar nicht auf Diskriminierung basieren.

All diese Einschränkungen ignorieren im Grunde einen großen Teil der Diskriminierung. Allerdings nur solche Gebiete, die nicht im engeren Sinne mit dem Arbeitsmarkt zusammenhängen. Zwar haben diese ausgeblendeten Elemente auch ihre Auswirkungen auf die Chancen auf dem Arbeitsmarkt, doch hat beispielsweise ein Arbeitgeber keinen Einfluss auf eventuelle Benachteiligungen in der Schule, der Familie etc.

Kurz: Es geht hier lediglich um Diskriminierung, die direkt auf dem Arbeitsmarkt auftritt.

Formen der Diskriminierung :

Einkommensdiskriminierung

Einkommensdiskriminierung liegt dann vor, wenn Frauen trotz identischer relevanter Charakteristika, innerhalb derselben Beschäftigung systematisch weniger Lohn erhalten als Männer.[4]

In diesem Zusammenhang spricht man häufig auch von der so genannten „Gender Wage Gap“. Hiermit meint man die Gesamtheit der Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen, wobei diese in Ungleichheiten (z.B. Humankapital, Berufserfahrung, Partizipation, etc.), Präferenzen (Frauen arbeiten beispielsweise häufiger Halbtags, nehmen eher Erziehungsurlaub etc.) oder Geschlechterdiskriminierung begründet sein können. Auch wenn ein Rückgang der Gender Wage Gap aufgrund veränderter Präferenzen oder sich angleichender Unterschiede geschehen kann, assoziiert man dies häufig auch mit einem Rückgang der Arbeitsmarktdiskriminierung. Die Gender Wage Gap ist tatsächlich gut dazu geeignet, die Entwicklung der Diskriminierung zu betrachten. Kontrolliert man nämlich statistisch für alle berufsrelevanten Variablen, so kann ein verbleibender Geschlechterunterschied auf ein Diskriminierungspotential hinweisen.

Eine Möglichkeit dieses Potential zu berechnen, ist das Dekompositionsverfahren von Alan S. Blinder und Ronald L. Oaxaca.[5] Vereinfacht kann man sagen, dass hier die Einkommensdifferenzen in zwei Komponenten zerlegt werden: Die erste beinhaltet Lohndifferenzen aufgrund von unterschiedlichen Gruppenmerkmalen, die zweite aufgrund unterschiedlicher Behandlung der Gruppen.[6] Dies ermöglicht es, ein hypothetisches Durchschnittsgehalt zu berechnen, welches eine Frau beziehen würde, wenn sie dieselben produktionsrelevanten Charakteristika eines durchschnittlichen Mannes hätte.[7] Der Unterschied zwischen diesem hypothetischem Gehalt und dem tatsächlichen Durchschnittsgehalt eines Mannes stellt dann das Potential für Diskriminierung dar.

Hier muss man allerdings vorsichtig sein, denn zum einen könnten wichtige Variablen nicht berücksichtigt worden sein und zum anderen könnte es sein, dass die Gruppenunterschiede aufgrund diskriminierender Mechanismen entstanden sind (z.B. wenn Frauen weniger Berufserfahrung sammeln können, weil sie seltener eingestellt werden).[8] Ein weiteres Problem bei diesem Verfahren ist, dass Männer eine „positive Diskriminierung“ erfahren, also überbezahlt werden.[9] Vermutlich liegt die Wahrheit, wie so oft in der Mitte. Dennoch kann man gerade bei einer großen Kluft mit Sicherheit auch von Einkommensdiskriminierung sprechen.

Allokative Diskriminierung

Diese Form der Diskriminierung liegt vor, wenn Frauen gegenüber Männern systematisch bei der Einstellung, bei Beförderungen und Entlassungen benachteiligt werden.[10] Gerade hier gibt es viele Gelegenheitsstrukturen, Frauen zu diskriminieren, oftmals ohne dass sie es überhaupt bemerken. Bei der Einstellung kann man beispielsweise steuern, wer von einer vakanten Stelle überhaupt erfährt. Streut man die Informationen über männlich dominierte informelle Netzwerke, so werden sich deutlich mehr Männer als Frauen bewerben. Auch wenn das eigentliche Auswahlverfahren dann nicht diskriminierend ist, werden Frauen dennoch indirekt benachteiligt. Weiter ist es häufig der Fall, dass Frauen bei der Einstellung einen geringeren Einstiegslohn beziehen und in der Hierarchie auch oftmals auf niedrigeren Ebenen beginnen müssen.

Ein weiteres Element der allokativen Diskriminierung ist die Beförderungspolitik eines Betriebes. Herrscht hier Diskriminierung vor, so kann es sein, dass Frauen seltener befördert werden und auch den so genannten „Glass Ceiling“-Effekt erfahren. D.h. Frauen ist es unmöglich oder erheblich erschwert, die Spitze einer Firmenhierarchie zu erreichen.

Die Entlassungspolitik als dritter Aspekt ist dann von Diskriminierung geleitet, wenn Frauen trotz identischer Merkmale eher entlassen werden als Männer. Gerade solche Fälle beschäftigen die Gerichte am intensivsten.[11]

Evaluative Diskriminierung

Diese Form der Diskriminierung beinhaltet eine berufliche Segregation von Frauen und wird auch von der allokativen Diskriminierung bedingt. D.h. sie haben in attraktiven Berufsfeldern geringere Einstellungschancen und werden in solche abgedrängt, die relativ niedrige Einkommen bringen und schlechtere oder gar keine Aufstiegschancen bieten. Folgenden Punkt muss man sich vor Augen halten: Würde keine allokative Diskriminierung existieren, würde auch die Evaluative verschwinden, weil sich Männer und Frauen gleichmäßig auf alle Berufsfelder verteilen würden – identische produktive Charakteristika und Präferenzen natürlich vorausgesetzt.[12]

Hier spricht man häufig auch von so genannten „dualen Arbeitsmärkten“. Der Primärsektor – die attraktiven Berufe – ist meist von Männern dominiert, der Sekundärsektor – die unattraktiven Berufe – oft von Frauen oder Minderheiten.[13] Die reine Existenz eines dualen Arbeitsmarktes ist natürlich noch keine Diskriminierung, eine ungleiche Geschlechterverteilung auf die Sektoren dagegen schon. Wichtig ist, dass ein Teil der Konzentration von Frauen auf diese Berufsgruppen auch durch unterschiedliche Ausstattung an produktiven Charakteristika erklärt werden kann, denn der Primärsektor erfordert zumeist mehr Humankapital als der Sekundärsektor.

Weiter kann man nicht eindeutig sagen, ob die Frauen nun in diese Berufe abgedrängt werden, oder ob es geschlechtsspezifische Präferenzen gibt. Interkulturelle Analysen zeigen, dass es für manche Berufe eindeutige Abneigungen bzw. Vorlieben existieren. Doch der Anteil der Berufe, in denen es in allen Gesellschaften fast nur Männer bzw. Frauen gibt, ist verschwindend gering (z.B. körperlich sehr anstrengende Berufe wie Schmied etc.). Vermutlich verstecken sich hinter solchen „Präferenzen“ nicht selten einfach nur Geschlechtsstereotype. Ergo ist die These der geschlechtsspezifischen Berufspräferenzen sehr angreifbar und im allgemeinem nicht haltbar.[14]

Wenn diese Segregation durch das Humankapital bedingt ist, wieso verdient dann ein Fabrikarbeiter in der Regel mehr als eine Altenpflegerin? Es ist im Prinzip sehr schwer, den „relativen Wert“ einer Arbeit einzuschätzen, gerade wenn sich die Arbeitssektoren deutlich unterscheiden. Nicht selten rechtfertigen Arbeitgeber deshalb die unterschiedliche Attraktivität der Berufe durch die Gesetze des Marktes. Die Berufe sind demnach deshalb gut oder schlecht bezahlt, weil sich die ausgleichenden Marktkräfte nun mal auf dieses Niveau eingependelt haben. Ignoriert wird bei dieser Argumentation aber, dass auch Diskriminierung eine Barriere ist, welche die Marktkräfte an ihrer vollen Entfaltung hindert.

Schwierigkeiten bei der Erfassung von Diskriminierung :

Es gibt bei der Erfassung von Diskriminierung drei Gesichtspunkte, die man beachten muss: Zum einen, wie transparent ein potentiell diskriminierendes Verhalten ist und wie schwer man an diese Informationen gelangt. Zum zweiten, wie eindeutig die Informationen interpretierbar sind und zuletzt, ob es einen potentiellen Kläger gegen diese Diskriminierung gibt.

Bei der Einkommensdiskriminierung ist die Durchführung von Diskriminierung eher schwierig. Aufgrund der guten Vergleichbarkeit kann man ungleiche Löhne für dieselbe Arbeit relativ schnell erkennen. Es ist deshalb zu erwarten, dass die Einkommensdiskriminierung heute eher seltener vorkommt.

Was die allokative Diskriminierung betrifft, so ist die Lage recht durchwachsen. Bei der Einstellung kann man Diskriminierung gut „vertuschen“, weil die Firmen selten Informationen über abgelehnte Bewerber archivieren. Bei Beförderungen wird es schon schwieriger, dennoch deutet der Fakt, dass in den Spitzenpositionen fast keine Frauen zu finden sind, deutlich auf den „Glass Ceiling“-Effekt hin. Bei Entlassungen wird Diskriminierung ebenfalls relativ schwierig durchführbar sein: Zum einen, weil die Hemmschwelle, dagegen vor Gericht zu ziehen, sehr gering ist, zum anderen, weil gerade hier systematische Benachteiligungen schnell auffallen können.

Bei der evaluativen Diskriminierung wird es höchstwahrscheinlich sehr einfach sein, Diskriminierung aufrecht zu erhalten, unter anderem wegen der bereits erwähnten Problematik der Vergleichbarkeit von Arbeit. Interessant ist allerdings die Tatsache, dass die Gender Wage Gap in typischen Frauenberufen weitaus kleiner ist als in gemischten Feldern, bzw. typischen Männerberufen.[15] Eine Erklärung könnte sein, dass sich die produktiven Eigenschaften der Männer in den weiblich dominierten Berufsfeldern im Schnitt kaum von denen der Frauen unterscheiden. Eine andere Erklärung könnte sein, dass die geringe Lohnkluft auf Berufsmerkmale zurückzuführen ist und dass diese Berufe aufgrund Diskriminierung weiblich dominiert sind. D.h. der Beruf an sich hat auf dem Arbeitsmarkt einen „geringeren Wert“, so dass dies keine große Einkommensvarianz zulässt. Wie man merkt, ist die Situation wenig transparent; gerade diese Undurchsichtigkeit bietet viele Möglichkeiten zur Diskriminierung.[16]

Quellen der Diskriminierung

Natürlich existiert die Benachteiligung bestimmter Gruppen nicht ohne Grund; es gibt unterschiedliche Mechanismen, welche dahinter stecken. Insgesamt unterscheidet man drei große Quellen für Diskriminierung: Persönliche Vorurteile gegen bestimmte Gruppen, statistische Diskriminierung und nonkompetitive Quellen.

Persönliche Vorurteile :

Vorurteile von Seiten der Arbeitgeber

Gerade diese Quelle der Diskriminierung sorgt häufig für Aufsehen. In diesem Fall haben Arbeitgeber eine Abneigung gegen bestimmte Gruppen und werden diese gar nicht oder nur zu geringeren Gehältern einstellen. Oftmals behandeln sie Frauen so, als wären ihre produktiven Eigenschaften geringer als sie es tatsächlich sind. In Abschnitt 4 wird erläutert, wieso ein auf Profitmaximierung orientierter Arbeitgeber keine Benachteiligung aufgrund von Vorurteilen aufrechterhalten kann. Entsprechend muss man hier von Nutzenmaximierung sprechen, d.h. der Arbeitgeber bezieht einen intrinsischen Nutzen daraus, dass er Frauen benachteiligt. Gerade deswegen ist das Modell problematisch. Man muss davon ausgehen, dass neben den Vorurteilen noch andere Bedingungen am Wirken sind, z.B. eine Monopolstellung oder diskriminierende, gesetzliche Rahmenbedingungen etc. Wie groß die Lohneinbußen und/oder Benachteiligungen bei der Einstellung sind, hängt auch von der Anzahl der diskriminierenden Arbeitgeber, sowie deren Ausmaß an Vorurteilen ab.[17]

Vorurteile von Seiten der Mitarbeiter

Existieren Vorbehalte unter den männlichen Mitarbeitern, so werden es diese ablehnen, mit Frauen zusammenzuarbeiten. Der Arbeitgeber hat dann mehrere Möglichkeiten: Entweder stellt er keine Frauen ein, er schafft segregierte Arbeitsplätze oder er bezahlt den Männern einen höheren Lohn als „Ausgleich“, damit sie nicht kündigen. Zynisch gesprochen, werden die Männer sogar noch dafür „belohnt“, dass sie Vorbehalte gegen Frauen haben. Natürlich kann man sich die Frage stellen, wieso Arbeitgeber – vor allem dann, wenn sie selbst keine Vorurteile haben – eine solche Unternehmenspolitik fahren sollten. Sie könnten die vorurteilsbelasteten Männer auch einfach kündigen lassen und stattdessen Frauen einstellen. Das Problem liegt allerdings darin, dass Männer eine sehr große und gut ausgebildete Gruppe auf dem Arbeitsmarkt bilden. Somit haben sie ein Druckmittel auf ihrer Seite, zumindest so lange Männer im Schnitt höhere produktive Charakteristika haben. Folglich bedeutet dies auch, dass es in einer solchen Gesellschaft deutliche Unterschiede im Humankapital und der Bildung gibt; womöglich auch auf Diskriminierung zurückführbar.[18]

Im Gegensatz zu der Arbeitgeberdiskriminierung kann man bei der Mitarbeiterdiskriminierung noch einige Aspekte ausfindig machen, die als Erklärung für das „Warum“ dienen können. Unter männlichen Mitarbeitern existieren häufig Stereotype bezüglich der Geschlechterrollen, welche auch ein Male-Breadwinner-Modell beinhalten. Dieses Modell sieht eine klare Geschlechtertrennung vor, die Frauen in den Haushalt abschiebt sowie für die Kindererziehung einteilt und Männer stattdessen als alleinige Verdiener ansieht. Eine solche Einteilung stärkt die Position und Autorität der Männer.

Die zunehmende Prävalenz von Frauen im Erwerbsleben, wird häufig als Bedrohung der Vorherrschaft von Männern auf dem Arbeitsmarkt angesehen.[19] Eine Gruppe, deren Vormachtstellung in Gefahr ist, wird natürlich versuchen, diese zu verteidigen, wodurch wiederum Vorurteile entstehen können. Selbstverständlich ist das keine „Rechtfertigung“ für diskriminierendes Verhalten.

Vorurteile von Kunden

In diesem Fall lehnen es die Kunden ab, das Angebot der Unternehmen in Anspruch zu nehmen, wenn diese bestimmte Gruppen beschäftigen. Dies geschieht eher in Bereichen, in denen es persönlichen Kontakt zwischen Kunden und Mitarbeitern gibt, wobei die Kunden so handeln, als hätten sie durch den Kontakt psychische Kosten.[20] Das Unternehmen hat nun zwei Möglichkeiten: Entweder es stellt diese Gruppen nicht ein oder nur zu niedrigeren Gehältern, so dass durch die Ersparnis die entgangenen Einnahmen kompensiert werden können. Dies könnte ein Grund dafür sein, wieso in sehr teuren gastronomischen Betrieben deutlich weniger weibliche Kellner angestellt sind, als in eher einfachen Restaurants.[21]

Statistische Diskriminierung

Vor der Einstellung will ein Arbeitgeber natürlich möglichst viele Informationen über die Aspiranten für eine freie Stelle erhalten. Während eines Vorstellungsgespräches erhält er eine Reihe individueller Informationen, die aber einigen Problemen unterliegen. Nicht immer kann der potentielle Arbeitnehmer seine produktiven Charakteristika angemessen „signalisieren“ und nicht immer kann der Arbeitgeber ihn zuverlässig „screenen“. Also greift letzterer häufig auf statistische Daten zurück, um den Jobbewerber anhand durchschnittlicher Gruppenmerkmale einzuschätzen.[22] Mit Hilfe dieser kann er schließlich die Einstellungsentscheidung vornehmen, sowie das Einkommen bestimmen.

Doch ist es meist der Fall, dass Frauen und Minderheiten im Schnitt ungünstigere berufsrelevante Merkmale, wie Berufserfahrung oder Ausbildung, haben. Bei Frauen besteht insbesondere noch die Möglichkeit, dass sie eine Babypause oder einen Erziehungsurlaub einlegen, was Arbeitgeber sehr oft abschreckt. Verlässt er sich zu sehr auf solche Statistiken, so kann es sein, dass er Frauen dadurch deutlich benachteiligt, beispielsweise beim Gehalt, der Einstiegsposition, etc. Es kann natürlich sein, dass der Arbeitgeber die Gruppenmerkmale deshalb zu Rate zieht, weil er Vorbehalte gegenüber Frauen hat. Doch solche Vorbehalte sind keine zwingende Voraussetzung für statistische Diskriminierung: Gerade wenn sich die spezifischen Merkmale der konkurrierenden Gruppen stark unterscheiden, kann ein Unternehmen mit solchen Auswahlmethoden auf lange Sicht gut fahren. D.h. wenn es sein Personal vorwiegend aus der durchschnittlich höher qualifizierten Gruppe bezieht, wird es im Großen und Ganzen einen relativ hochwertigen Mitarbeiterstamm haben. Entsprechend kann hinter dieser Form der Diskriminierung auch das Motiv der Profitmaximierung stecken.[23]

Doch riskiert er durch diese Einstellungspolitik, dass er auch unzureichend qualifizierte Männer einstellt und hoch qualifizierte Frauen ablehnt. Die beste Möglichkeit, statistische Diskriminierung zu verhindern – sofern sie nicht auf Vorurteilen basiert – wären bessere Screening-Methoden bei der Einstellung.

Nonkompetitive Quellen der Diskriminierung

Bei den folgenden Punkten kann man sich streiten, ob es sich überhaupt um Diskriminierung handelt, oder eher um Unvollkommenheiten auf dem Markt. Zumindest können sie bestimmte Formen der Diskriminierung begünstigen; so ist z.B. Crowding eine potentielle Quelle von Lohndiskriminierung, etc. Zweifelsohne wirken diese Marktunvollkommenheiten auf Frauen unverhältnismäßig benachteiligend, insbesondere dann, wenn sie gleichzeitig mit anderen diskriminierenden Mechanismen auftreten.

Crowding

Von Crowding spricht man, wenn es in bestimmten Sektoren des Arbeitsmarktes ein Überangebot an Arbeitskräften gibt, meist dadurch bedingt, dass bestimmte Gruppen in diese Sektoren abgedrängt werden. Dies kann beispielsweise entstehen, wenn Frauen aufgrund des erschwerten Zugangs zu männlich dominierten Berufen auf andere Arbeitsmarktsegmente ausweichen. Diese Situation kann ein Arbeitgeber ausnutzen und Löhne unter dem Gleichgewichtslohn entrichten.[24] Gleichzeitig steigen die Einkommen in den männlich dominierten Feldern, aufgrund des geringeren Angebotes an Arbeitskräften. Crowding geht meist mit anderen Arten der Diskriminierung einher (z.B. Vorurteile) und betrifft somit überproportional Frauen und Minderheiten.

Unterschiedliche Suchkosten

Oftmals gibt es zwischen den konkurrierenden Gruppen auch unterschiedlich hohe Kosten bei der Suche nach einer neuen Arbeitsstelle; d.h. benachteiligte Gruppen müssen bei der Stellensuche mehr Mühe, Zeit und somit auch mehr Geld aufbringen. Die erhöhten Suchkosten können durch Vorurteile und/oder statistische Diskriminierung bedingt sein, aber auch durch geringere finanzielle Ausstattung – letzteres ist insbesondere bei Minderheiten ein Problem. Dadurch, dass Frauen weitaus höhere Suchkosten haben als Männer, ergeben sich eine Reihe weiterer Konsequenzen.

Zum einen wird es so sein, dass sie stärker vor einer Kündigung zurückschrecken. Dies kann ein Arbeitgeber ausnutzen und ihnen geringere Löhne zahlen. Die privilegierten Männer werden schon bei relativ geringen Lohneinbußen kündigen, weil sie recht schnell eine neue Stelle finden können. Ein anderes Problem liegt darin, dass Frauen womöglich die erstbeste Stelle annehmen werden, wodurch sie eine geringere Chance haben, einen auf ihre Talente optimal zugeschnittenen Arbeitsplatz zu finden, der zudem gerecht entlohnt wird.[25]

Ist Diskriminierung „rational“?

Wie bereits angedeutet, leiden die diskriminierenden Mechanismen unter mehreren Schwächen. Insbesondere bezüglich der vorurteilsbehafteten Diskriminierung drängt sich die Frage auf, ob sie auf dem Arbeitsmarkt überhaupt rational ist, bzw. ob es in einem freien Konkurrenzmarkt überhaupt zu Diskriminierung kommen kann?

Der Arbeitsmarkt ist – wie der Name schon andeutet – ein Markt. Die Löhne kann man als den „Preis für Arbeit“ ansehen, womit sie auch durch Angebot und Nachfrage bestimmt werden, sofern nicht anderweitig kontrolliert. Die Akteure auf diesem Markt sind die Arbeitnehmer und Arbeitgeber, wobei erstere Arbeit anbieten und letztere Arbeit nachfragen.[26] Die Tatsache, dass die Preise durch Angebot und Nachfrage bestimmt sind, impliziert, dass die Akteure die Preise beobachten und Mengenanpassungen vornehmen können. D.h. sie können, je nach Preislage, mehr oder weniger Arbeit anbieten, beispielsweise in bestimmten Branchen, in denen die Nachfrage höher ist. Diese Mengenanpassungen wirken sich wiederum auf die Preise aus, so dass mit der Zeit ein Gleichgewicht entsteht. Ein freies Spiel der Preise garantiert also ein totales Gleichgewicht auf allen Märkten.[27]

Ist es aus Sicht des Marktes „sinnvoll“, bestimmte Bevölkerungsgruppen zu diskriminieren? Theoretisch würden die Arbeitgeber davon profitieren, nämlich dann, wenn sie sich absprechen und beschließen, manche Menschen schlechter zu bezahlen als sie es eigentlich verdient haben. Doch wenn man sich einmal das Idealbild eines absolut freien Marktes betrachtet, dann erkennt man Mechanismen, die für Ausgleich sorgen und lediglich von diversen Barrieren behindert werden.

Das Smithsche Ausgleichstheorem hat zum Gegenstand, dass es in einem freiem Wettbewerbsmarkt nicht zu Lohnunterschieden für exakt dieselbe Arbeit kommen könnte. Wenn der Markt seinem natürlichen Lauf nachgeht, würden sich die Vor- und Nachteilsaspekte mit der Zeit ausgleichen, weil sie sich stets in Richtung eines Gleichgewichtes bewegen. Dazu muss natürlich vorausgesetzt sein, dass die Akteure stets nutzenmaximierend handeln und keine Mobilitätsbarrieren herrschen. D.h. würden die Arbeitnehmer in einem Betrieb A für dieselbe Arbeit weniger Lohn erhalten als in einem Betrieb B, so werden sie – vorausgesetzt es gibt keine Mobilitätsbarrieren – in Betrieb B anheuern. Betrieb A wird die Löhne erhöhen, um wieder Arbeiter anzulocken, Betrieb B kann die Löhne aufgrund eines Überangebotes an Arbeitern etwas senken.[28] Mit der Zeit zahlen beide Betriebe denselben Preis für dieselbe Arbeit. Sollten dennoch Lohnunterschiede auftreten, sind diese durch Humankapital, Gefährlichkeit der Arbeit, Schwierigkeit ihrer Erlernung etc. erklärt.

Auf Geschlechterdiskriminierung übertragen könnte Betrieb A ein Arbeitgeber sein, der diskriminierende Berufsbedingungen für bestimmte Gruppen aufrechterhält. Betrieb B könnte weniger oder gar nicht diskriminieren, wodurch die entsprechenden Gruppen bei diesem Arbeitgeber anheuern können. Daraufhin müsste Betrieb A reagieren und seine Unternehmenspolitik entsprechend anpassen. So kommt es schließlich zu einem Gleichgewicht. Diskriminierung zählt zwar auch als eine Mobilitätsbarriere, doch der Dynamik des Smithschen Theorems zufolge, könnte sie auf Dauer nicht bestehen. Adam Smith zufolge gibt es also keinen Grund dafür, wieso bestimmte Individuen aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit geringer entlohnt werden sollten. Es zählen allein die produktionsrelevanten Eigenschaften sowie die Vor- und Nachteilsaspekte der Berufe.

[...]


[1] Zur „Verwechslung“ von Ungleichheit mit Diskriminierung siehe z.B. von Kulmiz, 1999: Die geringere Entlohnung weiblicher Arbeitnehmer, Lohndifferenzierung oder Lohndiskriminierung? S. 75f.

[2] Ehrenberg und Smith, 1997: Modern Labor Economics. S. 418.

[3] Siehe Joshi und Paci, 1998: Unequal pay for women and men: Evidence from the British birth cohort studies. S. 23.

[4] Vgl. Ehrenberg und Smith, 1997: Modern Labor Economics. S. 418.

[5] Siehe beispielsweise Blinder, 1973: Male-Female Wage Differentials in Urban Labor Markets.

[6] Vgl. Achatz, Gartner und Glück, 2004: Bonus oder Bias? Mechanismen geschlechtsspezifischer Entlohnung. S.21f.

[7] Siehe Beblo, Beninger, Heinze und Laisney, 2003: Measuring Selectivity-Corrected Gender Wage Gaps in the EU. S. 10f.

[8] Vgl. Achatz, Gartner und Glück, 2004: Bonus oder Bias? Mechanismen geschlechtsspezifischer Entlohnung. S.23.

[9] Vgl. Lauer, 2000: Gender Wage Gap in West Germany: How far do Gender Differences in Human Capital Matter? S.12.

[10] Vgl. Petersen und Saporta, 2004: The Opportunity Structure for Discrimination. S. 852f.

[11] Siehe Petersen und Saporta, 2004: The Opportunity Structure for Discrimination. S. 859ff.

[12] Vgl. Petersen und Saporta, 2004: The Opportunity Structure for Discrimination. S. 861f.

[13] Vgl. Ehrenberg und Smith, 1997: Modern Labor Economics. S. 445.

[14] Vgl. Jacobsen, 1998: The Economic of Gender. S. 219.

[15] Siehe Jacobsen, 1998: The Economic of Gender. S. 222f.

[16] Siehe Petersen und Saporta, 2004: The Opportunity Structure for Discrimination. S. 856ff.

[17] Vgl. Ehrenberg und Smith, 1997: Modern Labor Economics. S. 433ff.

[18] Vgl. Ehrenberg und Smith, 1997: Modern Labor Economics. S. 438ff.

[19] Siehe Becker-Schmidt, 2002: Gender and Work in Transition. S. 31.

[20] Vgl. Von Kulmiz, 1999: Die geringere Entlohnung weiblicher Arbeitnehmer, Lohndifferenzierung oder Lohndiskriminierung? S. 48.

[21] Vgl. Jacobsen, 1998: The Economics of Gender. S.303.

[22] Vgl. Von Kulmiz, 1999: Die geringere Entlohnung weiblicher Arbeitnehmer, Lohndifferenzierung oder Lohndiskriminierung? S. 62f.

[23] Vgl. Ehrenberg und Smith, 1997: Modern Labor Economics. S. 440ff.

[24] Vgl. Achatz, Gartner und Glück, 2004: Bonus oder Bias? Mechanismen geschlechtsspezifischer Entlohnung. S.8.

[25] Vgl. Ehrenberg und Smith, 1997: Modern Labor Economics. S. 446ff.

[26] Vgl. Granovetter, 1981: Toward a Sociological Theory of Income Differences. S. 16.

[27] Cezanne, 1999: Allgemeine Volkswirtschaftslehre. S. 181.

[28] Siehe Smith, 1974: Der Wohlstand der Nationen. S. 85f.

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Details

Title
Weiblich, qualifiziert, unterbezahlt. Die Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt
Authors
Year
2013
Pages
64
Catalog Number
V231479
ISBN (eBook)
9783656470298
ISBN (Book)
9783956870460
File size
695 KB
Language
German
Keywords
Arbeitsmarkt, Geschlecht, Diskriminierung, Familie, Lohnunterschiede, Frauen
Quote paper
Sarah Diekow (Author)Konrad Brylla (Author)Susanne Altmann (Author), 2013, Weiblich, qualifiziert, unterbezahlt. Die Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/231479

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