Kreativität in der Pflege

Die Förderung kreativer Potenziale in der pflegeberuflichen Bildung


Bachelorarbeit, 2012

74 Seiten, Note: 1.3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Fragestellung
1.2 Zielgruppenbestimmung
1.3 Hintergründe
1.3.1 Ausgewählte gesellschaftliche Aspekte
1.3.2 Kreativität- Kompetenz oder Bildungsziel?
1.3.3 Strukturierung der Arbeit und Recherche

2 Begründungslinien zu Kreativität
2.1 Kreativitätsbegriff
2.2 Kreativitätstheorie und -forschung
2.3 Zwischenbetrachtung
2.4 Kreativität aus lernpsychologischer Sicht
2.4.1 Lernen und Lernmotivation
2.4.2 Motivation und Emotion
2.4.3 Zwischenbetrachtung

3 Kreativität im pflegerischen Handeln
3.1 Konstitutive Merkmale pflegerischen Handelns
3.2 Charakteristika kreativer Pflege
3.3 Zwischenbetrachtung

4 Kreativität aus berufspädagogischer Sicht
4.1 Charakteristika einer Lernkultur
4.2 Lebenslanges- oder Lebensbegleitendes Lernen
4.3 Kreativität: Schlüsselqualifikation oder -kompetenz?
4.4 Subjektorientierung als Schlüsselprinzip
4.5 Zwischenbetrachtung

5 Didaktische Einordnung- Konstruktivistische Sicht
5.1 Grundannahmen eines gemäßigten Konstruktivismus
5.2 Lernformen innerhalb des Konstruktivismus
5.3 Zwischenbetrachtung

6 Zusammenschau der Förderungsaspekte

7 Schlussbetrachtung
7.1 Ausgewählte Ergebnisse
7.2 Mögliche Grenzen
7.3 Fazit und Ausblick

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Methoden, Prinzipien und Konzepte zu den Schlüsselbegriffen

Tabelle 2 Literaturhinweise zu Tabelle 1

„Das Auftauchen des Neuen kann nicht vorhergesagt werden, sonst wäre es nicht neu. Das Auftauchen von etwas Kreativem kann nicht im Voraus gewusst werden, sonst wäre es nichts Kreatives“

(Morin 2001 in Girg, Lichtinger, Müller 2012,S.31).

1 Einleitung

Kreativität ist im allgemeinen Sprachgebrauch, aber auch in wissenschaftlichen Beiträgen zahlreicher Disziplinen mit unterschiedlichen Erwartungen und Vorstellungen konnotiert. Die in diesem schillernden Begriff verborgenen Potenziale verändern möglicherweise sowohl im Sinne eines Zieles als auch im Sinne eines Mittels die Bildung (vgl. von Hentig 2000, S.11).

Dies scheint lohnenswert, wenn Kreativität für zukünftig Pflegende als Chance gesehen wird, ihren beruflichen Alltag produktiv zu bewältigen und Gestaltungspotenziale im beruflichen Handeln zu nutzen. Hierzu ist eine explizite Aufmerksamkeit für solche Potenziale erforderlich. Als Zielperspektive pflegerischer Bildungsprozesse kann dann die Erhöhung der Bereitschaft gesehen werden, „sich mit den Herausforderungen der Arbeitswelt kritisch auseinanderzusetzen und sich kreativ und eigenverantwortlich zu engagieren“ (Ertl- Schmuck 2000, S.114).

Die Frage, ob es sich bei Kreativität um ein Bildungsziel, einen Prozess (vgl. Csikszentmihalyi 2010a, S.19) eine Persönlichkeitseigenschaft (vgl. Csikszentmihalyi 2010a, S.80) oder gar eine Kompetenz handelt, wird näher zu beleuchten sein. Kreativität ist zunächst mit Neuartigkeit und Originalität (vgl. von Wissel 2012, S.251), aber auch mit ästhetischen (vgl. Carper 1978 in White 1995, S.1) oder impliziten (vgl. Friesacher 2008, S.208) Wissensformen konnotiert. Letztere werfen für die vorliegende Arbeit die Frage auf, wie viel Raum jenen impliziten, intuitiven Aspekten pflegerischen Handelns (vgl. Friesacher 2008, S.208) vor allem angesichts einer zunehmenden Ökonomisierung im Gesundheitswesen (vgl. Keuchel 2005, S.48) zugebilligt wird. Mit diesem Einwand wird nicht die Notwendigkeit einer ökonomisch orientierten Pflegepraxis in Frage gestellt, vielmehr wird ein Korrektiv gegenüber rein f f unktionaler Arbeitsmarktorientierung (vgl. Keuchel 2005, S.19) als wünschenswert erachtet. Damit soll auch die eine Scheinsicherheit erzeugende alleinige Orientierung an gesicherter Evidenz zur Lösung medizinischer Probleme (vgl. Friesacher 2008, S.223) vermieden werden.

Hieraus ergibt sich die Frage, welche Fähigkeiten in der Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflege der Förderung bedürfen, um neben beruflicher Handlungskompetenz (vgl. Kultusministerkonferenz 2011, S.15) kreative Potenziale im noch zu beleuchtenden Sinne zur Entfaltung zu bringen.

Der Terminus Potenzial kann im Zusammenhang der folgenden Ausführungen als verfügbare Möglichkeit (vgl. Duden 2012) für das Zustandekommen von Kreativität verstanden werden. Ausgangspunkt dieser Arbeit ist die Annahme, dass jene Potenziale grundsätzlich bei allen Lernenden in unterschiedlicher Weise vorhanden sind (vgl. Stender -Monhemius 2006, S.126). Jedoch sind Potenziale nicht nur auf der personalen Ebene verortet, vielmehr stellen darüber hinaus situative Faktoren oder die Beschaffenheit von Lehr/ Lernarrangements verfügbare Möglichkeiten dar.

1.1 Fragestellung

Um sich der Fragestellung der vorliegenden Arbeit anzunähern ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Situationen der Neuheit, Komplexität (vgl. Müller-Christ, Weßling 2007,S. 186) und zeitweise begrenzten Reichweite von Rezeptwissen in der Pflege ein Anlass sind, sich mit der Rolle kreativer Potenziale und deren Förderung in der pflegeberuflichen Bildung zu befassen. Dennoch soll Kreativität nicht auf einen Problemlösungsaspekt (vgl. Memmert 2008, S.21) reduziert werden. Vielmehr werden schwerpunktmäßig Aspekte von Kreativität aus verschiedenen Perspektiven, insbesondere im Kontext pflegerischen Handelns, aufgezeigt. Zum direkten Zusammenhang zwischen Kreativität und pflegerischem Handeln sind nur bedingt Anhaltspunkte zu finden (etwa bei Miller-Babcock 2000), weshalb dieser herauszuarbeiten versucht wird. Eine Begründung dieses Zusammenhangs ist dann Voraussetzung für methodische Anregungen.

Die meisten in der Arbeit vorgeschlagenen kreativitätsfördernden Methoden, Prinzipien und Konzepte sind nicht neu, es handelt sich größtenteils um bereits anerkannte, etablierte Ansätze (vgl. Kapitel 6). Ein Großteil derselben ist durch Merkmale einer neuen Lernkultur (vgl. Helmke 2007 in Reiber 2010, S.127) gekennzeichnet. Charakteristika jener Lernkultur und Veränderungen des Lehr- /Lernverständnisses im Sinne einer Ermöglichungs- statt Erzeugungsdidaktik (vgl. Lehner 2009, S.84) werden daher in den Kapiteln 4 und 5 der vorliegenden Arbeit bezogen auf die Fragestellung aufgegriffen.

Ein Ziel der Arbeit besteht in der Beleuchtung des Kreativitätsbegriffs mit der Absicht, sich dem Konstrukt aus Sicht verschiedener Disziplinen und Blickwinkel anzunähern.

Im Anschluss daran gilt es, seine Relevanz für pflegerisches Handeln und pflegeberufliche Bildung herauszustellen.

Insbesondere ist für diese Arbeit die zentrale Annahme bedeutsam, dass berufliches Lernen Kreativität erfordert (vgl. Kneer, Adolphi, Bonse- Rohmann, Rommel 2011, S.165). Die vorliegende Argumentation versucht, diese Aussage zu unterstreichen.

Aus methodisch/ didaktischer Sicht sollen darüber hinaus erste Impulse zur Förderung erfolgen, wobei bereits nach den jeweiligen Teilkapiteln in Form von Zwischenbetrachtungen Anregungen gegeben werden. Diese sind somit nicht ausschließlich in Kapitel 6 verortet, vielmehr findet hier eine Zusammenschau statt.

Die genauere Strukturierung der Arbeit wird in Kapitel 1.3.3 dargestellt. Zunächst soll eine begründete Eingrenzung der mit der Arbeit angesprochenen Zielgruppe erfolgen.

1.2 Zielgruppenbestimmung

Verschiedene Adressatinnen und Adressaten von Bildungsbemühungen (Ausbildung, Fort/-Weiterbildung, Studium), verfügen über unterschiedliche Lernvoraussetzungen, weshalb für die vorliegende Arbeit eine formale Eingrenzung erforderlich ist. In der Annahme, dass Kreativität von Anfang pflegeberuflicher Sozialisation an bedeutsam ist, fokussiert dieser Beitrag Pflegende in Erstausbildung.

Zudem wird darauf hingewiesen, dass sich methodisch/ didaktische Prinzipien und Konzepte zur Förderung von Kreativität auf theoretische Ausbildungsanteile beziehen. Die Entscheidung für das Lernsetting Unterricht resultiert aus der Vermutung, dass ein geschützter Rahmen, der Probehandeln jenseits von Verwertungsdruck ermöglicht (vgl. Reiber 2010, S.120) die besten Voraussetzungen zur Entfaltung von Kreativität bieten kann, wenngleich sie auch und insbesondere in der Praxis zum Tragen kommen soll. Die Transferfrage bedürfte über diese Arbeit hinaus jedoch einer weiteren Auseinandersetzung.

Ebenso sei auf die hier eingenommene Lernendenperspektive verwiesen, wodurch Aspekte der Lehrendenkompetenz zur Förderung kreativer Potenziale nicht zum Gegenstand werden. Letztere bedürfen ebenso einer gesonderten Betrachtung, die aufgrund ihrer Komplexität über die vorliegende Arbeit hinausweist.

Das Ausmaß an Berufserfahrung nimmt als Einflussfaktor auf pflegerische Kompetenzentwicklung vom Neuling zum/ zur Fortgeschrittenen einen zentralen Stellenwert ein (vgl. hierzu Benner 2012) und hat Konsequenzen für Lehr/-Lernvoraussetzungen. Dieser Zusammenhang zwischen Kreativität und zunehmender Berufserfahrung kann im Rahmen der Arbeit jedoch nicht in den Blick genommen werden.

Obwohl die Arbeit sich primär auf Auszubildendenbelange richtet soll nicht vergessen werden, dass pflegebedürftige Menschen die eigentliche Zielgruppe einer Forderung nach kreativer, individueller pflegerischer Versorgung darstellen. Diese befinden sich in oftmals existenzieller Angewiesenheit auf ein Gegenüber, das auch ihre Potenziale im Sinne von Ressourcen wahrnimmt und kreativ für den Beziehungsaufbau nutzt.

Ein letzter zielgruppenbezogener Hinweis betrifft den Gender- Aspekt. Damit beide Geschlechter angesprochen sind, wird im Rahmen der Arbeit auf neutrale Begrifflichkeiten wie Lernende/ Lehrende zurückgegriffen.

Nach dieser Engführung des Begriffs pflegeberuflicher Bildung auf eine ausgewählte Gruppe kann der Kontext skizziert werden, der die vorliegende Auseinandersetzung mit bedingt.

1.3 Hintergründe

Um Hintergründe der gewählten Fragestellung aufzuzeigen wird zunächst versucht, übergeordnete Entwicklungen als Rahmung weiterführender Argumentation exemplarisch zu benennen. Das Augenmerk wird sich in den darauf folgenden Kapiteln zwar auf meso- und mikrodidaktische Gestaltungspotenziale richten und den Einfluss rahmender Prozesse nicht umfassend beschreiben können. Dennoch bestimmen diese auch pflegerische Beziehungsarbeit und pflegerische Ausbildungsprozesse- und damit die Relevanz kreativer Potenziale, weshalb sie kurz skizziert werden sollen.

1.3.1 Ausgewählte gesellschaftliche Aspekte

Die pflegeberufliche Bildung steht, wie auch andere Bereiche beruflicher Bildung, angesichts komplexer Anforderungen unter einem deutlichen Reformdruck (vgl. Keuchel 2005, S.5). Reformanlässe sind vielfältig und bestehen beispielsweise in gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen, bildungspolitischen Ansprüchen oder arbeitsmarktorientierten Qualifikationsbedarfen (vgl. Keuchel 2005, S.57).

So ist exemplarisch eine zunehmende Technologisierung sowie Ökonomisierung im Gesundheitswesen (vgl. Keuchel 2005, S.46-49) als Rahmung pflegeberuflicher Bildungsfragen zu nennen. Mögliche Folgen der Ökonomisierung entziehen sich aufgrund ihrer Komplexität einer Darstellung im Rahmen dieser Arbeit, beeinflussen die vorliegende Fragestellung jedoch dahingehend mit, dass die Frage nach qualifikatorischen Anforderungen an Pflegende aus Sicht der Pflegepraxis eng an Verwertbarkeitsaspekte geknüpft zu sein scheint.

Hierin besteht ein Anlass für die argumentative Betonung des Erfordernisses, Kreativität sowohl im pflegerischen Handeln als auch in der pflegeberuflichen Bildung einen angemessenen Raum zu geben.

Technologisierung wird hier genannt, um neben ihres innovativen Potenzials für pflegerische Kontexte die Gefahr einer Transformation der vielfältigen menschlichen (und pflegerischen) Erfahrungs- und Wissensformen in einen spezifischen Wissenstypus maschinenlogischer Prägung (vgl. Hülsken- Giesler 2008, S.390) anzusprechen.

Einer solchen Transformation wird die Forderung nach kreativer, individuell ausgerichteter Pflege entgegengehalten.

Weitere gesellschaftliche Transformationsprozesse, die als kreativitätsrelevant angenommen werden, bestehen in Individualisierung und Pluralisierung von Lebensstilen (vgl. von Kardoff 2006, S.145). Im Kontext der Pluralisierung werden neue Anforderungen an Lehrende und Lernende gestellt: Einerseits werden Fähigkeiten im Umgang mit Differenz zwischen Kulturen, Sprachen und geschlechtsspezifischer Zugehörigkeit bedeutsamer; andererseits persönlichkeitsbildende Fähigkeiten auf der Ebene der Haltungen rund um die Anerkennung der Pluralität von Denkmodellen und Lebensformen (vgl. Lanfranchi 2008 in Auernheimer 2010, S.231).

Diversität und Vielfalt fungieren möglicherweise als Chance und Kreativität steigerndes Potenzial, können aber auch mit Überforderung verbunden sein. Daher gilt es auch in der pflegeberuflichen Bildung, Lernenden zu einer offenen Haltung zu verhelfen und divergentes Denken (vgl. von Wissel 2012, S.17) anzuregen.

Gesamtgesellschaftliche Dynamiken wie Pluralisierung und Individualisierung erfordern anhaltende Lernbereitschaft. So scheint es konsequent, die Forderung Lebenslangen Lernens (vgl. Dohmen 2002, S.8) zu stellen. Letztere steht mit Kreativität in einem engen Zusammenhang, weshalb Kapitel 4 diesen Zusammenhang nochmals aufgreifen wird.

Zur Individualisierung ist zu sagen, dass das Leben Einzelner zunehmend geprägt scheint von biographischen Brüchen, Richtungswechseln und Neuanfängen (vgl. Keuchel 2005,S.107). Kreativität hat angesichts dessen eine Schlüsselfunktion im Zusammenhang kontinuierlicher Persönlichkeitsentwicklung inne, wie der Verlauf der Arbeit zu zeigen versucht (vgl. insbesondere Kapitel 4.4).

Die Ausführungen machen deutlich, dass Kreativitätserfordernisse, ähnlich wie Kompetenzerfordernisse an Entwicklungen geknüpft sind, die über eine personale Ebene weit hinausreichen.

1.3.2 Kreativität- Kompetenz oder Bildungsziel?

Mit dem Anspruch einer Förderung kreativer Potenziale scheint die Frage verbunden, wie und ob Kreativität für die Pflegeausbildung im Sinne einer Ziel- oder Prozessdimension curricular verankert werden kann. Im Fokus dieser Arbeit steht jedoch keine Synopse pflegerischer Bildungsgänge und Curricula zum Kreativitätsbegriff, der nach Ansicht der Autorin zunächst an sich einer ausführlichen Betrachtung bedarf.

Die Arbeit möchte vielmehr zur Erhellung des begrifflichen Grundverständnisses einen Beitrag leisten.

Jedoch kann angenommen werden, dass Kreativität einen Bestandteil beruflicher Handlungskompetenz (vgl. Ertl-Schmuck 2000, S.83) darstellt (siehe Kapitel 4.3).

Zum Verhältnis von Kompetenz und Kreativität ist somit vordergründig denkbar, dass Erstere Kreativität impliziert, geht man von Kompetenzen als Dispositionen selbst organisierten Handelns aus, die dem Subjekt erlauben, ausgehend von Wissen schöpferisch- kreativ agieren zu können (vgl. Erpenbeck, Rosenstiel 2003, S.11 in Knigge- Demal, Eylmann 2006,S.9-10). Diesem Zusammenhang wird in Kapitel 4 nachzugehen sein.

Darüber hinaus hat der Bildungsbegriff eine Schlüsselfunktion für die Frage nach Kreativität inne, er kommt daher in Kapitel 7 als wesentliche Argumentationshilfe zum Tragen.

Seine Relevanz begründet sich aus der Tatsache, dass es sich dem oft lediglich quantitativ beklagten Pflegenotstand insbesondere um einen Bildungsnotstand (vgl. Botschafter 1993 in Keuchel 2005, S.17) handelt.

Diese bereits vor beinah zwanzig Jahren gestellte Diagnose hat trotz inzwischen stattgefundener Diskurse zum Verhältnis von Pflege und Bildung (vgl. hierzu Wittneben 2003; Keuchel 2005) bis heute wenig an Aktualität verloren.

Sie ist hier insofern bedeutsam, als dass eine „qualitative Dimension (…) die Diskussion um neue Bildungskonzepte für das Berufsfeld Pflege entfacht.“ (Keuchel 2005, S.17) Qualitative Mitbestimmungs- und Gestaltungserfordernisse scheinen sich in der Pflege aus Veränderungen zu ergeben, welche oftmals durch die Charakteristika Mehrdeutigkeit, Neuheit und Komplexität (vgl. Müller-Christ und Weßling 2007,S. 186) gekennzeichnet sind. Möglicherweise erfordern gerade jene Situationen eine Nutzung kreativer Potenziale.

Auf die Frage, ob es sich bei Kreativität angesichts dessen um eine Kompetenz oder ein Bildungsziel handelt, wird im Verlauf der Arbeit (vgl. Kapitel 4, 7) zurückzukommen sein.

1.3.3 Strukturierung der Arbeit und Recherche

Nachdem die Arbeit mit ihren Zielsetzungen und Hintergründen eingeleitet wurde, wird die Strukturierung vorgestellt.

Die zunächst vorgenommene Analyse des Kreativitätsbegriffs (vgl. Kapitel 2) hat zum Ziel, dessen Ursprung, Vielschichtigkeit und disziplinäre Verankerung zu verdeutlichen. Dabei wird die Fülle an Beiträgen lediglich exemplarisch aufgegriffen. Aufgrund der sich aus der Recherche ergebenden Vielzahl an Perspektiven auf Kreativität wird diesem Teil der Arbeit ein quantitativ hoher Stellenwert zugestanden, da aus Sicht der Autorin eine gedankliche Übertragung jener Aspekte auf pflegeberufliche Bildung lohnenswert ist.

Daran anschließende lernpsychologische Aspekte (vgl. Kapitel 2.4) dienen der Darstellung des Zusammenhangs zwischen Kreativität und ausgewählten, insbesondere motivationalen Aspekten beruflichen Lernens, eine Begründung hierfür versucht das Teilkapitel 2.4 zu liefern.

Der Kern besteht in der Darstellung der Frage, wie und wo Kreativität im pflegerischen Handeln zum Tragen kommen kann (vgl. Kapitel 3). Ein Anspruch, jene Zusammenhänge erschöpfend darzustellen kann damit nicht verbunden sein, jedoch sollen einige Überlegungen zu Kreativität in der Pflege in didaktisch-/ methodischen Impulsen münden (vgl. insbesondere Kapitel 3; 6).

Bevor dies geschieht, wird die Argumentation jedoch aus berufspädagogischer Sicht beleuchtet (vgl. Kapitel 4), da in jenem Kapitel aufgegriffene Schlagworte wie Lernkultur, Lebenslanges Lernen oder Kompetenz- sowie Subjektorientierung in engem Zusammenhang mit Aspekten pflegeberuflichen Lernens und Kreativität stehen. Eine Begründung hierfür wird im Anschluss an Kapitel 4 gegeben.

Die vorliegende Arbeit versucht zudem, die Förderung kreativer Potenziale aus didaktischer Sicht mitzubegründen, weshalb im Anschluss an berufspädagogische Perspektiven eine didaktische Einordnung in den Konstruktivismus erfolgt (vgl. Kapitel 5).

Diese Einordnung begründet sich aus einer hohen Affinität zwischen kreativem und konstruktivistischem Lernen, welche im Verlauf jenes Teilkapitels entfaltet wird.

Förderungsimpulse (vgl. die jeweiligen Zwischenbetrachtungen und Kapitel 6) bauen auf Argumentationen der Arbeit sowie auf bereits in der pflegeberuflichen Bildung verbreitete und anerkannte Konzepte wie Handlungsorientierung (vgl. hierzu Schneider/ Brinker- Meyendriesch/ Schneider 2005), Problembasierung (vgl. Schwarz- Govaers 2011, S.262) und Erfahrungsbezogenes Lernen (vgl. Oelke, Scheller, Ruwe 2000, S.31) )) auf.

Zusätzlich werden ausgewählte allgemeindidaktische, insbesondere konstruktivistische Methoden und Unterrichtprinzipien vorgeschlagen.

Methoden, Prinzipien und Konzepte werden nicht im Einzelnen wiedergegeben, vielmehr liegt der Fokus auf der Begründung ihrer jeweiligen Kreativitätsrelevanz.

Um eine gewisse Übersichtlichkeit zu gewährleisten, erfolgt in Kapitel 6 eine Zusammenschau in tabellarischer Form.

Im Schlussteil sollen auch Grenzen der Förderung kreativer Potenziale skizziert werden

(vgl. Kapitel 7), während die Arbeit Chancen in den Vordergrund zu stellen sucht.

Die Schlussbetrachtung befasst sich zudem mit der Frage, ob die formulierten Ziele erreicht werden konnten. Daraufhin wird ein Ausblick mit Verweis auf offen gebliebene, aus der Arbeit entstandene Fragen vorgenommen.

Recherche

Die Recherche zur vorliegenden Arbeit mit der Fragestellung, wie sich die Literaturbasis zu Kreativität und deren Förderung darstellt, weist auf ein enormes Spektrum beteiligter Disziplinen hin. Benutzt wurden zur ersten Orientierung unter anderem die Schlagworte Kreativität, Kreativitätsforschung/-theorie, Kreativitätsförderung und Kreativität in der Pflege (-bildung).

Die Suche erfolgte zum einen bei der württembergischen Landesbibliothek Stuttgart (17 Treffer zum Stichwort Kreativitätsförderung in der Freitextsuche, 1087 Treffer zu Kreativität), der Bibliothek der Hochschule Esslingen (Stichwort Kreativitätsförderung in der Freitextsuche: 3 Treffer, Kreativität in der Freitextsuche: 144 Treffer) und bildungsbezogenen Datenbanken, beispielsweise dem deutschen Bildungsserver (hier 19 Treffer zu Kreativitätsförderung, eine Metasuche auf weiteren Bildungsservern ergab 39 Treffer). In pflegerischen Fachzeitschriften, allen voran der Pflegewissenschaft fanden sich 51 Treffer zum Stichwort Kreativität.

Darüber hinaus wurde zum Zweck einer Einschätzung der Themenpopularität von Kreativität die Suchmaschine google benutzt, wodurch eine beeindruckende Trefferzahl zu Kreativität festgestellt werden konnte (18.700.000 Ergebnisse in 0.29 Sekunden am 28.10.2012).

Durch die Erschließung relevanter Quellen im Katalog der württembergischen Landesbibliothek) wurden psychologische, organisationspsychologische, betriebswirtschaftlich geprägte, aber auch philosophische und neurowissenschaftliche Beiträge ausgemacht. Die Nähe zum Innovationsbegriff (im Sinne der Förderung kreativer Unternehmen und Arbeitskräfte) wurde offensichtlich, weswegen eine Abgrenzung zu Kreativität im engeren Sinne erforderlich ist.

Eine freie Suche im Literaturbestand der Hochschule Esslingen ergab unter anderem Beiträge zu Unternehmensentwicklung, kreativem Prozessdesign, soziologischen Aspekten und Soft Skills, womit das Spektrum sich als weitläufiger erwies als zuvor angenommen. Daher wird im Rahmen der Arbeit versucht, das Feld bereits stattgefundener Thematisierung von Kreativität und der Forschungsschwerpunkte nur exemplarisch zu eröffnen (vgl. Kapitel 2.2.). Zusammenfassend kann die Relevanz der Thematik auch für pflegerische Kontexte als hoch eingeschätzt werden.

2 Begründungslinien zu Kreativität

Um eine Basis für die Arbeit zu schaffen, wird im folgenden Kapitel der Kreativitätsbegriff ausführlich beleuchtet.

2.1 Kreativitätsbegriff

Zu Anfang werden ausgewählte Bedeutungsebenen eröffnet. Dies scheint notwendig, um der Komplexität des vielfach unterschiedlich verstandenen Begriffs in Ansätzen gerecht zu werden.

Kreativität geht von creativity als ursprünglich US-amerikanischer Wortschöpfung in den deutschen Sprachgebrauch über (vgl. Dukat, Piesbergen 2009, S.13). Die Psychologen Sternberg und Lubart definieren Kreativität pragmatisch als „the ability to produce work that is both novel (...) and appropriate“ (Sternberg, Lubart 1999, S. 3 in Memmert 2008, S.23). Diese knappe Beschreibung enthält einen Fähigkeitsaspekt, einen Produktaspekt sowie die Beschreibung der Produkteigenschaften Neuheit und Angemessenheit. Damit sind erste Bedeutungsebenen angesprochen.

Eine weitere Definition liefert Holm- Hadulla, indem er die Fähigkeit zu Neukombination von Informationen als Kreativität bezeichnet (vgl. Holm- Hadulla 2011, S.71). Darüber hinaus wird Kreativität oft mit Problemlösungsprozessen in Verbindung gebracht. Mit Hilfe von Kreativität entstehen laut Memmert zu einem oft schlecht oder nur vage definierten Problem ohne vorgefertigte Lösungswege Ideen, die als originell und überraschend wahrgenommen werden (vgl. Memmert 2008, S.21).

Darüber hinaus wird Kreatives Denken mit Mut zum spielerisch- ausschweifenden Denken in Verbindung gebracht, Betrachtungsweisen werden gewechselt und neue Erfahrungsfelder durchforstet (vgl. Schlicksupp 1992 in Stender- Monhemius 2006, S.123). Für Lernprozesse in pflegeberuflichen Bildungskontexten scheint dieses Charakteristikum zentral, besonders die Bereitschaft zum Perspektivwechsel ist als Bestandteil der Pflegebeziehung (vgl. Kapitel 3) relevant.

Um sich dem Begriff systematisch anzunähern, sind jedoch zunächst die etymologischen Wurzeln von Bedeutung. Von einem weiteren historischen Abriss wird jedoch aus Stringenzgründen abgesehen.

Das Verb kreieren (creare) stammt aus dem Lateinischen und bedeutet ursprünglich schöpferisch tätig sein (vgl. von Wissel 2012, S.11). Die Fähigkeit zum Schöpferischen wird zunächst (ausschließlich) Göttlichem zugeschrieben und geht erst mit der Verselbstständigung der Kunst vom Religionsbezug auf den Menschen über (vgl. von Wissel 2012, S.11). Um das 17.Jahrhundert wird der Begriff gewissermaßen säkularisiert und auf herausragende Menschen, die „Genies“, übertragen (vgl. Brodbeck 2006, S.3). Zwischen den beiden Polen, Kreativität als Fähigkeit des besonderen Künstlers zu sehen und ihrer Entwicklung hin zu einem Postulat an Alle legt der Begriff einen langen Weg zurück (vgl. von Wissel 2012, S.12).

Besonders prägt der Präsident der American Psychological Foundation Paul Guilford den Diskurs mit seinen Arbeiten um 1950 und in den Folgejahren. Er ermutigt nachdrücklich zur Erforschung von Kreativität (vgl. Benedek, Fink, Neubauer 2007 in Willfort, Tochtermann, Neubauer, S. 28/29). Seine Überlegungen zum konvergenten und divergenten (kreativen) Denken legen einen wichtigen Meilenstein für die Kreativitätsforschung (vgl. von Wissel 2012, S.17). Damit verbundene Fragestellungen um Chancen und Grenzen von Kreativitätstests und deren Aussagekraft können jedoch nicht Gegenstand der Arbeit sein, ebenso wenig neurowissenschaftliche Grundannahmen (vgl. von Wissel 2012, S.3) zu Kreativität. Dies ist erneut der Stringenz bezogen auf die zu bearbeitende Frage geschuldet.

Bereits durch die bisherigen Ausführungen deutet sich an, dass die Psychologie einen großen Stellenwert im Kreativitätsdiskurs einnimmt. Gleichwohl sei auf dessen Interdisziplinarität nochmals verwiesen: Es existieren neben dem in der Intelligenzforschung verwurzelten psychologischen Kreativitätsdiskurs (vgl. von Wissel 2012, S.17) noch weitere Verortungen in philosophischen, soziologischen, neurowissenschaftlichen, pädagogischen sowie ästhetischen, wirtschaftlichen und politischen Kontexten (vgl. von Wissel 2012, S.3). Erwähnenswert ist, dass jede Disziplin dem Begriff eine Bedeutungsebene hinzufügt: das Relationale des Konstrukts Kreativität kommt aus der Soziologie, die Erziehungswissenschaft hingegen sieht Kreativität eher als Kompetenz (vgl. von Wissel 2012, S.12). Die Interessen der ökonomischen Sphäre schließen dahingehend an, als ihr Ziel implizit in Leistungssteigerung besteht (vgl. von Wissel 2012, S.12).

Ebenen des Kreativitätsbegriffs

Fortfolgend bedarf es einer weiteren Differenzierung von Kreativität auf verschiedenen Ebenen wie Person, Produkt, Prozess und Situation (vgl. Taylor 1988 in Brodbeck 2006, S.3). Diese Perspektiven werden im Verlauf der Kreativitätsforschungsgeschichte teilweise integriert, da ihre Trennung nicht aufrechterhalten werden kann (vgl. Spiel 2003 , S.127).

Die Ebene Person bezieht sich auf das Individuum mit seinen jeweiligen Fähigkeiten und Eigenschaften. Mihaly Csikszentmihalyi konstatiert: „Kreative Menschen verfügen über die erstaunliche Fähigkeit, sich fast jeder Situation anzupassen und sich mit dem zu behelfen, was gerade zur Verfügung steht, um ihre Ziele zu erreichen“ (Csikszentmihalyi 2010a, S.80). Er benennt zudem Komplexität als Eigenschaft kreativer Persönlichkeiten (vgl. Csikszentmihalyi 2010a, S. 88).

Zudem werden weitere Eigenschaften als charakteristisch für kreative Persönlichkeiten benannt: Offenheit für neue Erfahrungen, Phantasie, künstlerische Sensibilität, Gefühlstiefe, Flexibilität, Nonkonformismus und Ambiguitätstoleranz (vgl. Csikszentmihalyi 1996, McCrae 1997 in Holm- Hadulla 2011, S.78). Diese Attribute scheinen auch für pflegerische Kreativität interessant, sind etwa Offenheit gegenüber fremden Lebenspraxen und die Bereitschaft, sich auf unterschiedliche Deutungsmuster von Situationen einzulassen unumgänglich für pflegerische Beziehungsarbeit.

Csikszentmihalyi bleibt jedoch nicht auf der Persönlichkeitsebene stehen, wie weitere Ausführungen zeigen werden. Die zweite Dimension von Kreativität ist die Produktebene. Das kreative Produkt bedarf Csikszentmihalyi zufolge einer Domäne, die den Wert des Beitrags bestätigt (vgl. Csikszentmihalyi 2010a, S.49). Dieser Aspekt und die Domänenabhängigkeit impliziert zunächst ein Wissen des kreativen Subjekts darüber, welche Veränderungen relevant sein könnten, wozu Kenntnisse im jeweiligen Bereich erforderlich sind (vgl. von Wissel 2012, S.8).

Eine weitere Ebene des Kreativitätsbegriffs ist jene des kreativen Prozesses (vgl. Brodbeck 2006, S.3). Hierzu existieren verschiedene Phasenschemata, exemplarisch wird hier das 4-Phasenschema nach Wallas von 1926 aufgezeigt (vgl. Wallas 1926 in Dukat, Piesbergen 2009, S.18, 19). In der ersten Phase entsteht hiernach ein Problembewusstsein, sie wird als Vorbereitungsphase bezeichnet. Die zweite Phase besteht in einer Inkubation: das Unterbewusstsein arbeitet an dem Problem. In Phase 3 stellt sich eine intuitive Einsicht, eine Erleuchtung (Illumination) ein; und schließlich wird in der vierten, der Verifikationsphase, die Idee geprüft und präzisiert (vgl. Wallas 1926 in Dukat, Piesbergen 2009, S.18, 19).

Wie bei den meisten Prozessmodellen kann auch hier kein lineares Aufeinanderfolgen der Phasen angenommen werden. Vielmehr beinhaltet jede Phase das Wechselspiel zwischen Ordnung und Chaos, Bestätigung und Labilisierung (vgl. Holm- Hadulla 2011, S.85). Da sich die Wertdimension kreativer Prozesse jedoch in sozialen Systemen entfaltet, ist eine von diesen Bezügen losgelöste Vorstellung von Kreativität als unzureichend (vgl. Brodbeck 2006, S.4).

Vielmehr findet Kreativität in der Interaktion zwischen individuellem Denken und einem soziokulturellen Kontext statt und ist damit ein systemisches Phänomen (vgl. Csikszentmihalyi 2010a, S.41). Hiermit ist die Situationsebene von Kreativität angesprochen. Kreativität kommt demnach durch ein Wechselspiel zustande (vgl. Brodbeck 2006, S.4).

Jener interaktionale, kontextuale Charakter von Kreativität hat einen hohen Stellenwert für das der Arbeit zugrunde liegende Kreativitätsverständnis, da Kreativität in der Pflege(-bildung) nicht losgelöst von Situiertheit betrachtet werden kann. Hierauf wird im Verlauf der Arbeit zurückzukommen sein (vgl. insbesondere Kapitel 3).

Problematische Aspekte des Kreativitätsbegriffs

Da auch negative Konnotationen den Diskurs um Kreativität mitbestimmen, scheint eine Stellungnahme zu Grenzen des Begriffs unumgänglich. Kritische Stimmen wie die des Pädagogen Hartmut von Hentig weisen darauf hin, dass hohe Erwartungen an einen schwachen Begriff bestehen, wenn Kreativität als Heilswort fungiert (vgl. von Hentig 2000, S.9). Seine Einschätzung lautet ferner: „Es (das Wort Kreativität, Anmerkung der Verfasserin) steckt voller Versprechungen. Jeder weiß es zu benutzen, keiner mag es entbehren, keiner kritisiert es. Es ist gleichermaßen beliebt bei Umweltschützern, Wirtschaftsführern und Pädagogen(…)“ (von Hentig 2000, S.10).

Gleichzeitig sieht der Autor Kreativität als notwendiges Korrektiv in einer durchrationalisierenden Gesellschaft an (vgl. von Hentig 2000 in Holm-Hadulla 2005, S.121). Auch wenn die erste Aussage polarisiert, weist sie auf einen problematischen Sachverhalt hin: den durch die Vielschichtigkeit bedingten inflationären Gebrauch in unterschiedlichen Kontexten. Damit verbindet das Wort Kreativität eine Eigenschaft mit Begriffen wie Kompetenz (zum inflationären Gebrauch des Begriffs: vgl. Bodensohn 2002, S.1). Pörksen weist mit seiner Abhandlung über so genannte Plastikwörter (vgl. Pörksen 2011) darauf hin, dass solche Schlagworte „auf beunruhigende Weise austauschbar“ (Pörksen 2001, S.79) seien.

Dieser Hinweis soll verdeutlichen, dass komplexe und schwer operationalisierbare Begriffe oftmals Gefahr laufen, an Aussagekraft zu verlieren. Die zuletzt benannte Austauschbarkeit bezieht sich auch auf die Thematisierung von Kreativität gegenüber Innovation. Daher wird eine Abgrenzung der Begriffe notwendig, wobei die vorliegende Arbeit sich ausdrücklich auf Erstere bezieht. Insbesondere neigt der ökonomische Diskurs dazu, Kreativität und Innovation dicht aneinander zu rücken (vgl. von Wissel 2012, S.7). Innovation hat sich heute „zu einem Synonym für positiv bewertete Veränderung“ (Willfort, Tochtermann, Neubauer 2007, S.12) entwickelt. Im wirtschaftlichen Umfeld versteht man unter Innovation primär die Entwicklung und erfolgreiche Verwertung neuer Dienstleistungen, Produkte, Prozesse und Strukturen im Unternehmen (vgl. Willfort, Tochtermann, Neubauer 2007, S.12).

Hierin kann bereits ein Abgrenzungsaspekt zu Kreativität vermutet werden: Während Innovation berechtigterweise geforderte Verwertbarkeit von Ideen in den Vordergrund stellt, scheint Kreativität die Basis für Innovationen zu sein. Backerra et al. bringen den Zusammenhang auf folgende Formel: Innovationsfähigkeit= Ideenfindung (Kreativität)+ Ideenrealisierung (vgl. Backerra et al. 2002 in Stender- Monhemius 2006, S.127). Dass jedoch an anderen Stellen von Kreativitäts- und Innovationsfähigkeit (vgl. Willfort, Tochtermann, Neubauer 2007, S.49) gesprochen wird, weist darauf hin, dass die begriffliche Abgrenzung unterschiedlich interpretiert wird. Da Innovationsfähigkeit tendenziell in Unternehmenszusammenhängen (vgl. Stender- Monhemius 2006, S.127) thematisiert wird, liegt hier der Fokus also auf Kreativität als deren Voraussetzung.

2.2 Kreativitätstheorie und -forschung

Im Anschluss wird versucht, an ausgewählte Aspekte auf theoretischer Ebene anzuknüpfen um dann einen Einblick in Forschungsergebnisse zu geben.

Der Forschungsteil bezieht auch Beiträge mit ein, die lediglich implizit Aussagen über Kreativität machen und nicht direkt aus der Kreativitätsforschung im engeren Sinne stammen.

Kreativitätstheorie

Folgende Ausführungen stellen themenrelevante kreativitätstheoretische Aspekte heraus. Dabei wurden jene ausgewählt, die Bezug zur Fragestellung dahingehend aufweisen, dass sie Voraussetzungen und Entwicklungsbedingungen kreativer Potenziale beschreiben.

Diese sind zum einen auf der personalen Ebene, zum anderen auf situativer oder die Umgebung betreffenden Ebene angesiedelt. Die quantitativ meisten Beiträge zur Thematik stammen derzeit aus der Psychologie (vgl. von Wissel 2012, S.251).

Vereinfachend lassen sich drei Linien innerhalb dieses Diskurses unterscheiden: Die psychometrische, eine psychodynamische und eine umweltbezogene Linie (vgl. von Wissel 2012, S.17), wobei Zweitere aus Stringenzgründen nicht thematisiert wird (vgl. hierzu von Wissel 2012).

Am Anfang psychometrischer Beschreibungsversuche steht das Konzept Intelligenz, Joy Paul Guilford konzeptualisiert Kreativität als einen Intelligenzfaktor (vgl. von Wissel 2012, S.17). Hierzu unterscheidet er zwischen konvergentem und divergentem Denken (vgl. von Wissel 2012, S.2012). Letzteres ist eng mit kreativem Denken verbunden, indem divergente Denkprozesse neue Hypothesen generieren (vgl. Miller/ Babcock 2000,S.182). Die dritte umweltbezogene Linie, welche Kreativität als ein nicht hinreichend über Persönlichkeit erklärbares Phänomen begreift, führt zusätzlich Konzepte wie Feld und Domäne ein (vgl. Czikszentmihalyi 1990 in von Wissel 2012, S.17).

Im Rahmen seines Systemmodells stellt der Psychologe Czikszentmihalyi fest, dass Kreativität nur „in den Wechselbeziehungen eines Systems wahrnehmbar ist, das sich aus drei Hauptelementen zusammensetzt“ (Czikszentmihalyi 2010a, S.47). Diese Elemente bestehen erstens in der Domäne, die aus über symbolische Regeln und Verfahrensweisen definiert ; zweitens in einem Feld, zu dem alle Personen gehören, die den Zugang zur Domäne überwachen; drittens im Individuum, das neue Muster entwickelt (vgl. Czikszentmihalyi 2010a, S.47).

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Ende der Leseprobe aus 74 Seiten

Details

Titel
Kreativität in der Pflege
Untertitel
Die Förderung kreativer Potenziale in der pflegeberuflichen Bildung
Hochschule
Hochschule Esslingen  (Fakultät Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege)
Veranstaltung
Pflegepädagogik/ Pflegewissenschaft
Note
1.3
Autor
Jahr
2012
Seiten
74
Katalognummer
V231587
ISBN (eBook)
9783656472971
ISBN (Buch)
9783656474265
Dateigröße
669 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kreativität, pflege, förderung, potenziale, bildung
Arbeit zitieren
Viola Straubenmueller (Autor:in), 2012, Kreativität in der Pflege, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/231587

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Titel: Kreativität in der Pflege



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