Standardisierung vs. Differenzierung in der internationalen Markt- und Konsumforschung


Dossier / Travail de Séminaire, 2004

29 Pages, Note: 1,75

André Henrichfreise (Auteur)


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Basisstrategien des internationalen Marketing
2.1 Standardisierung
2.2 Differenzierung
2.3 Grundorientierung internationaler Unternehmen

3. Standardisierung vs. Differenzierung von Marketing-Prozessen

4. Standardisierung vs. Differenzierung von Marketing-Inhalten
4.1 Die internationale Produktpolitik
4.2 Die internationale Kommunikationspolitik
4.3 Die internationale Distributionspolitik
4.4 Die internationale Preispolitik

5. Standardisierungspotential der Marketing-Instrumente
5.1 Produktpolitik
5.2 Distributionspolitik
5.3 Preispolitik
5.4 Kommunikationspolitik

6. Vor- und Nachteile von globalen und international differenzierten Marketing

7. Anforderungen an die internationale Marktforschung

8. Das praktische Beispiel an dem Konsumgüterhersteller Unilever

9. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Aufgrund der Globalisierung der Märkte sowie aufgrund der Notwendigkeit zu Realisation von Kostendegressions- und Erfahrungskurveneffekten, werden die Unternehmungen veranlasst ihre Aktivitäten global auszurichten und ihre Produkte weltweit anzubieten. Die Vorteile eines einheitlichen Erscheinungsbildes des Unternehmens sowie die Existenz anderer Global Player und nicht zuletzt der zu erwartende Markenwert, fördern den Aufbau und die Pflege sogenannter Global Brands.[1]

Die Forderung, dass mehrere Märkte gleichzeitig bearbeitet werden müssen, stellt nahezu zwangsläufig das Entscheidungsproblem ‚Standardisierung oder Differenzierung’ in den Mittelpunkt aller Entscheidungen. Angesichts des Potentials, das die Internationalisierung eröffnet, stellt sich die Frage, wie Unternehmen eine solche Entscheidung erfolgreich umsetzen können. Diese Frage umfasst die Problematik, welche Märkte, zu welchem Zeitpunkt, mit welcher Geschwindigkeit und mit welcher Strategie bearbeitet werden sollen. Unternehmen wie Coca Cola oder Unilever, die in mehr als hundert Ländern vertreten sind, stellen regelmäßig Überlegungen an, ob sie Marketing-Strategie und Marketing-Instrumente global standardisieren können oder länder- bzw. regionalspezifisch differenzieren müssen.[2]

Wohl kein anderes Thema hat in der Wissenschaft und Praxis derart kontroverse Diskussionen ausgelöst, wie das Global Marketing. Die Auseinandersetzung mit der Standardisierungsproblematik begann in den 60er Jahren und wird bis heute geführt. Denn die Aussagen von R.D. Buzzell und T. Levitt haben seither begeisterte Befürworter und auch harte Kritiker gefunden.[3] Im Epizentrum der bisweilen geführten Debatte standen immer wieder nur die beiden Extremtypen der globalen bzw. lokalen Orientierung von Unternehmungen. Die Hauptentscheidung zwischen der Standardisierung bzw. Differenzierung, sowohl auf der Instrumental- als auch der Strategieebene, ist jedoch zu vielgestaltig, als das man diese auf ein einfaches „Ja“ oder „Nein“ reduzieren könnte. Zahlreiche Untersuchungen machen sogar deutlich, dass eine vollkommene Standardisierung oder Differenzierung nicht möglich bzw. nicht sinnvoll ist.[4] Denn die der Globalisierungsdebatte zugrundeliegende Vorstellung von der homogenen oder sich angleichenden Bedürfnissen der Konsumenten ist, selbst innerhalb eines Landes, oft nicht haltbar. Es wird sogar damit gerechnet, dass sich die Erwartungen und Bedürfnisse der Verbraucher noch weiter differenzieren werden.[5]

Viele Unternehmungen haben daher eine Mischstrategie entwickelt, die sowohl standardisierte als auch differenzierte Elemente beinhaltet. Marketingtheorie und Marketingpraxis stehen damit vor einer sehr schwierigen und komplexen Problemlage, die sowohl an die Grundlagen des Managements der Unternehmungen rührt, als auch an die zentralen Erklärungsmuster der Marketingtheorie. Dieses Diellemma, Standardisierung oder Differenzierung, ist somit zu einer Grundsatzfrage des internationalen Marketing geworden.[6]

Vor diesem Hintergrund liegt die Aufgabe dieser Arbeit in der lückenlosen Erfassung der Standardisierung- vs. Differenzierungsproblematik. Im Weiteren soll auf die einzelnen Marketing-Instrumente und –Prozesse und ihr Standardisierungspotential eingegangen werden. Es folgt zusätzlich eine kurze Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile dieser Strategien. Die Ausführungen werden durch einige praktische Beispiele unterstrichen sowie die Anforderungen der beiden Strategien an die internationale Marktforschungen kurz skizziert. In der Zusammenfassung folgt die Betrachtung der Ergebnisse und eine kurze Prognose für die zukünftige Entwicklung.

2. Basisstrategien des internationalen Marketing

Die Besonderheit des internationalen Marketing, dass Marktbearbeitungsentscheidungen nicht länderspezifisch isoliert, sondern im Zusammenhang des weltweiten Geschehens zu treffen sind, führt zu einer Kontroverse darüber, ob es sinnvoll ist, ein weltweit undifferenziertes Marketing umzusetzen oder ein international differenziertes Marketing anzuwenden.[7]

Ausgehend von der in der Literatur üblichen Gegenüberstellung von Standardisierung und Differenzierung als Gegenpole eines Kontinuums, werden die beiden Extrema hier kurz charakterisiert.

2.1 Standardisierung

Die Standardisierungsdebatte begann schon in den 60er Jahren mit der Frage von R.D. Buzzell, ob multinationales Marketing standardisiert und vereinheitlicht werden könnte.[8]

Das Thema gewann erneut an Aktualität mit dem Beitrag von T. Levitt über „Globalisierung der Märkte“. Seine Argumentation wurde in 4 Thesen zusammengefasst. Das sind die Kostenvorteilsthese, Zentralisationsthese, die Konvergenzthese der Nachfrage und die Standardisierungsthese, die aus der Konvergenzthese folgt. Levitt argumentiert, dass das Überleben multinationaler Unternehmen nur durch die Standardisierung der Produkte und der Marketingmaßnahmen garantiert ist. Er forderte ein global einheitliches Marketing unter Hinweis auf die Vereinheitlichung der Nachfrage, die er als Hauptursache für die Angleichung der Weltmärkte ansieht. Demnach sollten international tätige Unternehmen die ganze Welt als Einheit und als ein globales Produkt betrachten, ohne Berücksichtigung länderspezifischer Besonderheiten.[9]

Dabei sind es aber gerade die kulturellen und kaufverhaltensbezogenen Einflussfaktoren die zu den stärksten Barrieren einer Marketingstandardisierung zählen.[10]

Die Marketingstandardisierung umfasst die Vereinheitlichung von Marketing-Inhalten sowie von Marketing-Prozessen. Die inhaltliche Standardisierung beinhaltet die zentrale Entscheidung zwischen den Marketingstrategien und die einzelne Marketing-Mix Elemente. Es stellt sich also dabei die Frage, inwieweit Produkt, Konditionen, Kommunikation und Distribution einzeln oder kombiniert in den anvisierten Ländern vereinheitlicht werden könnten? Prozessual wird die Vereinheitlichung von Strukturen und Verfahren zur Entwicklung, Durchsetzung, Koordination und Kontrolle internationaler Marketingkonzeptionen untersucht.[11] Insgesamt wird die Meinung vertreten, dass eine weitgehende Standardisierung aller Marketing-Mix Elemente kaum denkbar ist, die Vereinheitlichung der Unternehmensprozesse hingegen länderübergreifend mit Erfolg durchgeführt werden kann.[12]

Die Beantwortung der Frage inwieweit standardisiert werden muss und soll, hängt letztlich von vielen Einflussfaktoren ab, die sowohl unternehmensexternen als auch unternehmensinternen Charakter haben. Die Antworten müssen unbedingt einzeln, auf die Art der Unternehmung, die Art des Produkts sowie der Besonderheiten der zu bearbeitenden Ländermärkte zugeschnitten werden. Denn inwieweit Markenelemente und Markenbezogene Instrumente auf allen Märkten einheitlich gestaltet werden können, hängt ab von der Homogenität der Konsumentenbedürfnisse, den geschmacklichen Präferenzen, dem Wettbewerbsumfeld, den Kaufkraftverhältnisse, den politisch-rechtlichen Bedingungen etc. in den unterschiedlichen Ländern.[13]

Abschließend zu diesem Kapitel ist das Beispiel der arabischen Banken zu nennen. An diesem Beispiel sieht man, dass der Standardisierung auch Grenzen gesetzt sind. Islamischen Banken ist es nämlich, laut dem Koran, verboten Zinsen zu erheben (Der Gesandte Allahs sagte: Wissentlich Zinsen zu erheben, ist schlimmer als sechsunddreißig unzüchtige Handlungen.). Der Gewinn wird durch die Beteiligung am Profit erzielt, den das Unternehmen, basierend auf die Investitionen, macht. Laut Koran kann die ursprünglich investierte Summe nur dann zurück verlangt werden, wenn sie tatsächlich auch ohne die geringsten Probleme zurückbezahlt werden kann. Wird nun eine arabische Bank beispielsweise in Deutschland tätig, würde es sich als sehr schwierig erweisen, mit dieser Form der Preispolitik am deutschen Markt zu bestehen.[14]

2.2 Differenzierung

Anders als Levitt sehen viele durchaus auch die Schwächen eines reinen zentralisierten standardisierten Marketings und betonen die Bedeutung der Adaption an Kundenbedürfnisse.

„Für international operierende Unternehmen stellt sich generell die grundlegende Frage, ob

der Marketing-Mix Mix international standardisiert werden kann oder ob es im Hinblick auf spezifische wirtschaftliche, kulturelle und/oder politische Umweltfaktoren in den einzelnen Ländern sinnvoll, wenn nicht notwendig ist, Teile des Marketing-Mix (...) länderspezifisch zu gestalten oder sogar eine weitgehende Länderdifferenzierung des gesamten Marketing-Mix vorzunehmen.“[15] Die Differenzierungsstrategie beinhaltet die länder- oder regionsspezifischen Anpassungen von Marketing-Inhalten und Marketing-Prozessen.[16] Meffert definiert die Differenzierungsstrategie als das Angebot regionalspezifischer Produkte, Dienste und Sortimente zu regionalspezifischen Konditionen, über regionalspezifische Absatzwege, unter Einsatz regionalspezifischer Werbe- und Verkaufsförderungskonzepten.[17] Die Unternehmen befinden sich deshalb in einer Situation, dass sie für unterschiedliche Erzeugnisse und Dienstleistung differenzierte Marketingstrategien entwickeln müssen, die an die jeweiligen Marktstellungen in den unterschiedlichen Ländermärkten angepasst sind.[18] Sliwka schreibt: „es sind die vermehrte Differenzierung und die Feinanpassung an die Bedürfnisse des Menschen - und weder bloße Mehrproduktion von Gütern noch Rationalisierung unter dem Diktat der Kosten-, die auf Dauer für Wachstum und Vollbeschäftigung sorgen.“[19]

Es wird die Meinung vertreten, dass eine vollkommene Differenzierung kaum realisierbar ist.[20] Aufgrund dessen haben viele deutsche Unternehmen eine Mischstrategie entwickelt, bei der standardisierte und differenzierte Marketingelemente nebeneinander existieren. So versteht sich die Deutsche Lufthansa AG durchaus als ein Global Player, der seine globalen Interessen in einer zentralisierten Marketingstrategie wahrnimmt, der aber gleichzeitig auch auf die Interessen einzelner Marktsegmente Rücksicht nimmt. Das geschieht z.B. in der Preispolitik, in der Gestaltung der Menüs und des Bordprogramms, sowie in den vielen Bereichen der Kommunikationspolitik, die auf die einzelnen differenzierten Marktsegmente abgestimmt wird.[21] Welches Ausmaß an Standardisierung und Differenzierung sinnvoll und vorteilhaft ist, ist von jedem Unternehmen für seine Produkte und seine Verbrauchergruppen im Einzelfall zu prüfen. Hierbei dürfen sowohl die unternehmensinternen als auch die unternehmensexternen Faktoren, die einer Strategie förderlich oder hinderlich sein können, nicht übersehen werden.[22]

2.3 Grundorientierung internationaler Unternehmen

Die Planung und Gestaltung internationaler Marketing-Aktivitäten sowie die Wahl der für das jeweilige Unternehmen geeigneten Strategie, hängt im hohen Maße von der Grundorientierung des Managements ab. Demnach befindet sich ein Unternehmen in einem früheren Stadium der Internationalisierung, wenn sehr geringe Lokalisierungserfordernisse (Differenzierung) und sehr niedrige Globalisierungsvorteile (Integration) bestehen. Das Anfangsstadium der Internationalisierung ist für eine ethnozentrische Orientierung des Managements charakteristisch. Dabei orientiert sich das Unternehmen auf den Heimatmarkt und als Hauptkonkurrent gilt für ihn das stärkste inländische Unternehmen. Die Auslandsaktivitäten basieren hauptsächlich auf dem Exportgeschäft, da die Unternehmen in den meisten Fällen nicht über ausreichende Fähigkeiten einer Adaption verfügen. Typisch für diese Orientierung ist eine Organisationsform, die nicht international ausgerichtet ist und somit weitgehende Zentralisierung von Entscheidungen einsetzt. Voraussetzung hierfür ist gleiches Konsumentenverhalten, geringe Kulturgebundenheit der Produkte und relativ große Bekanntheit der Marke.

[...]


[1] Vgl. Meissner, H.G.: „Globales vs. international differenziertes Marketing“ in: Giesel, F./Glaum, M.: „Globalisierung“, München 1999, S.79

[2] Vgl. Müller, S./ Kornmeier, M.: „Internationales Marketing im Spannungsfeld kultureller Einflussfaktoren“ in: Der Markt, H.3, Wien 1995, S.147

[3] Vgl. Meffert, H.: „Globalisierungsstrategien und ihre Umsetzung im internationalen Wettbewerb“ in: Meffert, H.: „Markorientierte Unternehmensführung im Wandel“, Wiesbaden 1999, S.385

[4] Vgl. Meffert, H./ Bolz, J.: „ Erfolgswirkung der internationalen Marketingstandardisierung“ in: Meffert, H.: „Marktorientierte Unternehmensführung (...)“, a.a.O., S.444

[5] Vgl. Müller, S./Kornmeier, M., ebd.

[6] Vgl. Meissner, H.G., ebd.

[7] Vgl. Meffert, H./ Bolz, J.: „Internationales Marketing-Management“, Stuttgart 1988, S.155

[8] Vgl. Buzzell, R.D.: „ Can you Standardize Multinational Marketing?” in: Harvard Business Review, Vol. 46, No. 6, 1968, S.102

[9] Vgl. Levitt, T.: “The Globalization of Markets” in: Harvard Business Review, Vol. 61, No. 3, 1983, S.92

[10] Vgl. Meffert, H./Bolz, J.: „Internationales Marketing-Management“, a.a.O., S.158

[11] Vgl. Meffert, H./Bolz, J.: „Internationales (...)“, a.a.O., S.155

[12] Vgl. Meffert, H./Bolz, J., ebd.

[13] Vgl. Meffert, H.: „Markenstrategien als Waffe im Wettbewerb“ in: Otzen-Wehmeyer, E. „Internationales vertikales Marketing“, Dissertation Nr. 1825, Wiesbaden 1996, S.95

[14] Vgl. Hackensberger, A., „Zinsen verboten: Das islamische Bankensystem“, 18.02.2004, in: http://www.heise.de/tp/deutsch/special/ost/16728/1.html, 06.03.04

[15] Becker, J. zitiert nach: Sacra, E., „Die Bedeutung des kulturellen Umfelds für die Unternehmenspolitik multinationaler Unternehmen“, München 1997, S.65

[16] Vgl. Berndt, R./Fantapié Altobelli,C./ Sander, M.: „Internationale Marketing Politik”, Heidelberg 1997, S.20

[17] Vgl. Meffert, H.: „Multinationales oder globales Marketing?“ in: „Zukunftsaspekte der anwendungsorientierten BWL“, Festschrift zum 65 Geburtstag von E. Grochla, Stuttgart 1986, S.136

[18] Vgl. Meissner, H.G., a.a.O., S.83

[19] Sliwka, M. zitiert nach: Bitsch, M./Martini, J./Schmitt, M.: „Betriebswirtschaftliche Behandlung von Standardisierung und Normung“ in: Schmalenbacher Zeitschrift für Betriebswirtschaftliche Forschung, H.1, Stuttgart 1995, S.66

[20] Vgl. Meffert, H./Bolz, J.: „Erfolgswirkungen der internationalen Marketingstandardisierung“, a.a.O., S.444

[21] Vgl. Meissner, H.G., a.a.O., S.80

[22] Vgl. Schurawitzki, W.: „Praxis des internationalen Marketing“, Wiesbaden 1995, S.46

Fin de l'extrait de 29 pages

Résumé des informations

Titre
Standardisierung vs. Differenzierung in der internationalen Markt- und Konsumforschung
Université
Hamburg University of Ecomomy and Policy
Cours
Marketing III
Note
1,75
Auteurs
Année
2004
Pages
29
N° de catalogue
V23236
ISBN (ebook)
9783638264006
ISBN (Livre)
9783638713467
Taille d'un fichier
422 KB
Langue
allemand
Annotations
Sehr ausführliche Arbeit mit dem Praxisbsp. Unilever.
Mots clés
Standardisierung, Differenzierung, Markt-, Konsumforschung, Marketing
Citation du texte
André Henrichfreise (Auteur)Maja Lodygowska (Auteur), 2004, Standardisierung vs. Differenzierung in der internationalen Markt- und Konsumforschung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23236

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