Die Theoriengeschichte der Anthropologie des Körpers


Seminararbeit, 1992

25 Seiten, Note: 1,00


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

I. Einführung

II. Theoriengeschichte
Marcel Mauss
Mary Douglas
Nancy Scheper-Hughes und Margaret Lock
Bryan Turner
Barbara Duden

III. Schluß

IV. Bibliographie

Die Theoriengeschichte der Anthropologie des Körpers

I. Einführung

Vorstellungen vom Körper hatten die Menschen immer schon. Für die später christliche Welt bedeutete die Trennung von Körper und Geist, wie die Griechen sie vollzogen, eine folgenschwere Neuerung. Die Griechen waren es, die menschliche Emotionen auseinanderpflückten und jeder einzelnen eine Gottheit zuordneten: Aphrodite für die Liebe, Dionysos für eine gewisse Triebhaftigkeit etc. Zwar gab es zuvor schon in anderen Kulturen Götter, die bestimmte "Spezialgebiete" abzudecken hatten (so gab es im alten Ägypten z.B. den Totengott Osiris, Isis, die die Mutter und deren Kinder schützte oder Thot, den Gott der Schreiber), doch wird deutlich, daß diese Gottheiten nicht für Gefühle oder Emotionen standen, sondern ihre Zuständigkeit sich auf bestimmte soziale Gruppen (als kleinste Einheiten) bezog.

Das hellenisierte Christentum übernahm von den Griechen die Trennung von Körper und Geist. Verdeutlichten bei letzteren auf Götterebene Apollo und Dionysos den Gegensatz zwischen Körper (Körperform) und Lust, so verschob sich im Christentum diese Ebene. Der menschliche Körper (in späteren Zeiten gerade der Frauenkörper) wurde nun zum Symbol einer Triebhaftigkeit (und Sünde), die nur mittels bestimmter disziplinärer Maßnahmen (z.B. Abstinenz) unterdrückt, bestenfalls kontrolliert werden konnte.

Die auf dem Hellenismus basierende christliche Weltanschauung durchdrang natürlich jede sonstige (wissenschaftliche) Beschäftigung mit dem Menschen und machte auch vor der Medizin nicht halt. Ausgehend von Hippokrates, über Descartes (der zwei Klassen von "Substanzen", die den menschlichen Organismus ausmachten, unterschied, nämlich den greifbaren Körper und den unfaßbaren Geist), bis hin zur heutigen klinischen Psychologie und psychosomatischen Medizin, ist diese Dichotomie in Form einer Kategorisierung auszumachen, die menschliches Leiden für entweder ganz organischen oder ganz psychologischen Ursprungs hält (Scheper-Hughes, Lock 1987: 9).[1]

Ausgangspunkt moderner Körpertheorien ist die Vorstellung eines ganzheitlichen Menschen, Ziel ist eine "Wiedervereinigung" von Körper und Geist. Tendenzen dieser Art sind, zumindest Ansatzweise, auch in der Medizin zu erkennen.[2] Die Frage ist jedoch, wo diese "Theorie der Wiedervereinigung" zuerst ansetzen muß, um durchdringenden Erfolg haben zu können.

In dieser Arbeit geht es um die Theoriengeschichte der Körperanthropologie. Zunächst werden die Theorien von Marcel Mauss und Mary Douglas vorgestellt, die grundlegend sind für das Verständnis der auf diesen basierenden Theorien und Ansätzen von Nancy Scheper-Hughes und Margaret Lock, Bryan Turner und Barbara Duden. Die jeweiligen Arbeiten werden im Folgenden zusammengefaßt und auf das Wesentliche beschränkt dargestellt.

Ein Ziel dieser Arbeit ist es aufzuzeigen, wie diese Theorien ineinandergreifen und aufeinander aufbauen. Es wird auch auf Michel Foucault Bezug genommen werden, da deutlich gemacht werden soll, welchen Stellenwert die Medizin in unserem Alltag eingenommen hat, wie die Religion (mit ihrer sozialen Funktion) verdrängt und ersetzt wurde und wie verantwortungslos und oberflächlich gerade die Medizin Werte wie Ethik und Moral auslegt, ausnutzt und für ihre Zwecke mißbraucht.[3] Neueste Entwicklung innerhalb dieser Kette, und nur im Zusammenhang mit "Körperkontrolle" und "Körperpolitik" zu verstehen, ist der "Schönheitswahn", wie er sich parallel zur "Bildergläubigkeit" in der westlichen Gesellschaft entwickelt und ausgebreitet hat. Er verleitet die Deutschen dazu, immerhin jährlich 180 Millionen Mark für Schönheitsoperationen auszugeben und garantiert der Kosmetikindustrie einen Umsatz von 14 Milliarden Mark.[4]

Zum Schluß dieser Arbeit möchte ich zusammenfassend darstellen, daß vor allem die Medizin Ansatzpunkt dieser hier zu behandelnden Körpertheorien sein sollte, daß letztendlich aber die Gesellschaft als Ganzes von dieser Einsicht durchdrungen werden muß.

II. Theoriengeschichte

Die Trennung von Körper und Geist kann auch die Trennung von Natur und Kultur bedeuten. Der Dualismus steht aber ebenso für magisch/rational, real/irreal, sichtbar/unsichtbar, natürlich/übernatürlich. Obwohl diese Dichotomie nicht universell ist, existiert z.B. in der Humanbiologie die Vorstellung, dieser Dualismus sei der determinierte Ausdruck der Lateralisation des menschlichen Gehirns und aus diesem Grunde natürlichen (biologischen) und nicht kulturellen Ursprungs, wobei die linke Hemissphäre kognitive, rationale und analytische Funktionen kontrolliere, die rechte dagegen intuitive, expressive und künstlerische. Geht man jedoch davon aus, daß das Gehirn aller Menschen gleich strukturiert ist, so bedeutet alleine schon die Tatsache, daß in nicht-christianisierten Kulturen ein Körper/Geist-Dualismus nicht existiert, eine Widerlegung dieser Annahme. Weiterhin gehen die Vertreter dieser Theorie davon aus, die Dominanz der linken Hirnhemissphäre (wie sie eine einheitliche menschliche Spezialisierung sei) wäre der Grund für die Dominanz des Verstandes über die Leidenschaft, des Geistes über den Körper, der Kultur über die Natur und des Mannes über die Frau. Eine solche Vereinfachung ist jedoch nicht akzeptabel und abzulehnen.[5]

Je nachdem welcher wissenschaftlichen Disziplin der Betrachtende angehört, entscheidet er sich für einen bestimmten Dualismus. Wahrscheinlich ist es nicht möglich sich einer solchen Entscheidung zu entziehen, wenn man der westlichen Kultur angehört und eine entsprechende Sozialisation erfahren hat.

Ich werde keine weiteren Theorien anführen, die versuchen die Trennung zwischen Körper und Geist (und alle anderen Dualismen) zu begründen und für natürlich und allgemein menschlich zu erklären. Vielmehr möchte ich gleich auf neuere Ansätze zu sprechen kommen, die die Dichotomie des Körpers als kulturell bedingt erkannt haben und von diesem Gesichtspunkt ausgehend neue Betrachtungsweisen des Körpers (und dessen Kontextes) fordern.

Marcel Mauss

Marcel Mauss beschreibt, wie ihm während des 1. Weltkrieges bewußt wurde, wie unterschiedlich Menschen verschiedener Gesellschaften dieselben Dinge tun. So konnten die Engländer nicht auf französische Musik marschieren, und die Franzosen hatten Schwierigkeiten bei der Handhabung englischer Spaten. Diese Beobachtungen veranlaßten ihn zu Überlegungen bezüglich "Körpertechniken". Was z.B. die Schwimmtechnik anbelangt, so schreibt er, gibt es die Technik des Tauchens, aber auch eine Technik der Erziehung zum Tauchen. Eine Eigenheit solcher Techniken ist, daß Erlerntes nicht/oder kaum abzugewöhnen ist, sich aber andererseits Fertigkeiten nur langsam erlernen lassen. Jede Technik und jedes (Körper-) Verhalten hat seine spezielle Form, und jede Gesellschaft hat ihre eigenen Gewohnheiten.[6] Die Stellung der Arme und Hände während des Gehens ist z.B. eine soziale Eigenheit "und nicht einfach ein Produkt irgendwelcher rein individueller, fast ausschließlich psychisch bedingter Handlungen und Mechanismen" (Mauss 1989: 202). Fazit: Es gibt eine Erziehung zum Gehen (und zu allen sonstigen Verhaltensweisen). In diesem Zusammenhang verweist Mauss aber auch darauf, daß der Mensch auch Manipulationen ausgesetzt ist. "'Gewohnheiten' variieren nicht nur mit den Individuen und ihren Nachahmungen, sie variieren vor allem mit den Gesellschaften, den Erziehungsweisen, den Schicklichkeiten und den Moden, dem Prestige. Man hat darin Techniken und das Werk der individuellen und kollektiven praktischen Vernunft zu sehen, da, wo man gemeinhin nur die Seele und ihre Fähigkeiten der Wiederholung sieht" (Mauss 1989: 202f). Die Betrachtung des "totalen Menschen" bedeutet für Mauss nicht die bis dahin immer vertretene dualistische, sondern eine dreifache, biologisch-psychologisch-soziologische Betrachtungsweise.[7]

Eine weitere Erkenntnis seiner Beobachtungen war die einer Klassifizierung der Körpertechniken nach der Biographie des Individuums: die Techniken der Geburt und Geburtshilfe, Techniken der Kindheit, der Adoleszens und des Erwachsenenalters. Alle diese Techniken sind physisch-psychisch-soziologische Verbindungen von Handlungsreihen, die allein durch und für die soziale Autorität aufgebaut werden. "Dank der Gesellschaft gibt es die Sicherheit einsatzbereiter Bewegungen, die Herrschaft des Bewußtseins über Emotion und das Unbewußtsein" (Mauss 1989: 219).

Mary Douglas

"Der Körper als soziales Gebilde steuert die Art und Weise, wie der Körper als physisches Gebilde wahrgenommen wird; und andererseits wird in der (durch soziale Kategorien modifizierten) physischen Wahrnehmung des Körpers eine bestimmte Gesellschaftsauffassung manifestiert. Zwischen dem sozialen und dem physischen Körpererlebnis findet ein ständiger Austausch von Bedeutungsgehalten statt ..." (Douglas 1974: 99). Douglas schreibt in dem oben zitierten Aufsatz, daß es ihr darum geht, natürliche Tendenzen aufzudecken. Was das Körperverhalten angeht, so ist die Opposition zwischen Natur und Kultur wie Mauss sie sieht nach Douglas nicht die entscheidende. Sie schreibt, natürliche Tendenzen sind überall da zu finden, wo bestimmte Situationen durch einen ihnen angemessenen körperlichen Verhaltensstil zum Ausdruck gebracht werden.

Die zentrale Opposition ist die zwischen formalem und informellem Ausdrucksverhalten. Je stärker die Rollenstruktur der betreffenden Gesellschaft ausgeprägt ist, desto höher werden die formalen Verhaltensweisen bewertet. Während Formalität ein Index für soziale Distanz ist, steht informelles Verhalten für Familiarität und Intimität. "Weiter korrespondiert der hoch bewerteten Formalität die strikte Körperkontrolle, und zwar ganz besonders dort, wo die Kultur der Natur mit Entschiedenheit übergeordnet wird" (Douglas 1974: 107). Mit anderen Worten: Formales Körperverhalten steht für Kultur, informelles Körperverhalten für Natur. Douglas verweist aber darauf, daß "jedes Individuum zwischen Bereichen des sozialen Lebens hin- und herwechselt, in denen formales Verhalten unbedingt erforderlich ist bzw. unangebracht wäre" (Douglas 1974: 108). Daraus ergeben sich zwei Grundregeln des Ausdrucksverhaltens: "Erstens der einer bestimmten 'Nachricht' angemessene Stil koordiniert die unterschiedlichen 'Kanäle', auf denen sie übermittelt wird; und zweitens: Beim Gebrauch des Körpers als Ausdrucksmedium wird das zulässige Ausdrucksverhalten durch die Anforderungen des zum Ausdruck zu bringenden Sozialsystems eingeschränkt" (Douglas 1974: 108). "Der menschliche Körper ist das mikrokosmische Abbild der Gesellschaft, ihrem Machtzentrum zugewandt und in direkter Proportion zum zu- bzw. abnehmenden gesellschaftlichen Druck 'sich zusammennehmend' bzw. 'gehenlassend'. Seine Gliedmaßen (...) repräsentieren die Glieder der Gesellschaft und ihre Verpflichtungen gegenüber dem Ganzen" (Douglas 1974: 109f).

Douglas' Leitthese lautet, daß körperliche Dissoziationen symbolisch die Unartikuliertheit der sozialen Organisation zum Ausdruck bringen. Je schwächer die Gesellschaft strukturiert ist, desto eher werden Dissoziationen gebilligt (Douglas 1974: 113). An Hand des Ritualismus und der Begeisterungsreligiosität, was dem zentralen Gegensatz zwischen formalem und informellen Verhalten entspricht, stellt sie die gesellschaftlichen Vorbedingungen dar, die diese These verdeutlichen. Sie kann aufzeigen, daß parallel zur sozialen Dimension eine symbolische Ordnung existiert. Beispiele wie Trance oder das "Zungenreden", der in diesem Falle in England lebenden Pfingstgläubigen, bestätigen dies: "Je unartikulierter der Zungenredende wird, desto überzeugter ist die Gemeinde, daß er 'nicht mehr er selbst' ist und daß seine Äußerungen nicht von ihm selber kommen. Die totale Unartikuliertheit gilt als Beweis der göttlichen Inspiration (...). Ihre Gruppenzugehörigkeit ist nicht eindeutig fixiert, sie haben kein gemeinsames Ursprungsland, keine einheitliche und umfassende Organisation, die für sie selbst geltenden sozialen Kategorien sind nur schwach ausgeprägt, ihre Bindungen an lokale Gruppen sind extrem locker; im Gegensatz zu ihren weißen Mitbürgern haben sie kaum engere oder dauerhafte Kontakte mit Repräsentanten der Staatsmacht und -autorität - es gibt z.B. kaum westindische Lehrer, Polizisten oder Sozialarbeiter" (Douglas 1974: 120).

Mauss ging davon aus, daß keine Körperaktivität natürlich ist (wenn sie nicht rein biologischer Art ist), Douglas dagegen meint "natürliche Tendenzen" aufzeigen zu können. Diese natürliche Tendenzen sind (natürliche) Symbole, die die Reaktionen des Systems Körper auf das System Gesellschaft zum Ausdruck bringen. Mit anderen Worten, der Körper reagiert auf natürliche Weise symbolisch auf das Sozialsystem. Die Symbole sind es, die das Verhältnis des einzelnen zu seiner Gesellschaft beeinflussen, das heißt aber auch, daß sich über die Symbole Körper und Gesellschaft gegenseitig bedingen, denn eine Gesellschaft besteht aus einer Vielzahl von "Körpern".

Nancy Scheper-Hughes und Margaret Lock

In ihrem Artikel setzen sich Nancy Scheper-Hughes und Margaret Lock mit drei Ebenen des menschlichen Körpers auseinander. Der Körper als erfahrbare individuelle Körperlichkeit (jeder Mensch hat ein gewisses intuitives Verständnis vom eigenen Körper), der Körper als sozialer Körper/natürliches Symbol: "The body in health offers a model of organic wholeness; the body in sickness offers a model of social disharmony, conflict, and disintegration. Reciprocally, society in 'sickness' and in 'health' offers a model for understanding the body" (Scheper-Hughes, Lock 1987: 7) und der Körper als Folie für Körperpolitik (der Körper als künstlicher Gegenstand sozialer und politischer Kontrolle).

[...]


[1] Eine andere Auffassung bezüglich Descartes vertritt H. Weiner (von Uexküll 1986: 147): "Er [Weiner] nimmt Descartes gegen den Vorwurf in Schutz, der Urheber unseres medizinischen Dualismus zu sein, weil er mit seiner Metaphysik einer res extensa und einer res cogitans eine unüberbrückbare Kluft zwischen einem körperlichen und einem geistigen Sein aufgerissen habe. Descartes habe ganz andere Vorstellungen gehabt, solange es um medizinische Probleme ging, und Weiner zitiert als Beweis einen Satz aus der 6. Meditation: 'Die Natur lehrt mich durch die Erfahrung von Schmerz, Hunger, Durst usw. ..., daß ich in meinem Körper nicht wie ein Lenker in einem Schiff wohne, sondern daß ich innig mit ihm vereint, sozusagen mit ihm vermischt bin, so daß ich mit ihm zusammen eine Einheit zu bilden scheine'".

[2] "Die Bemühungen, die in den letzten fünfzig Jahren unternommen wurden, diesen Zustand eines 'real existierenden Dualismus' in unserem Gesundheitssystem zu überwinden und zu einem einheitlichen Menschenbild zu kommen, werden unter dem Namen 'Psychosomatische Medizin' zusammengefaßt. Dabei geht man von der Vorstellung aus, die psychosomatische Medizin versuche die Kluft zwischen Seele und Körper zu überbrücken. Aber das ist eine problematische Deutung, denn mit ihr setzt man die Kluft und den leib-seelischen Dualismus bereits voraus" (von Uexküll, op.cit., 146). Der Spiegel (1992a: 207) stellte die vom Wissenschaftsrat ausgearbeiteten neuen Leitlinien für das deutsche Medizinstudium vor. Einer der wichtigsten Punkte: "Die ganzheitliche Medizin wird Ziel der Lehre. Die alte Aufgliederung in Fächer müsse aufgehoben werden. Die monokausale Darstellung von Krankheiten sei oft stark vereinfacht. Auch die psychischen, familiären und beruflichen Umstände, in denen sich der Patient befindet, müßten im Studium berücksichtigt werden". Dazu Kirmayer (in: Lock, Gordon 1988: 58), der schreibt, die Psychosomatik würde als Korrektiv zur depersonalisierten Sicht des Patienten durch die Biomedizin gesehen, reproduziere aber dennoch dieselben Werte wie diese: "In the healing vision of psychosomatic medicine, mind and body are to be brought into harmony. Most often, however, this goal is described not as an equal marriage but as the reestablishment of the mind's dominance and control over the body and with it, of reason over emotion". "... je mehr die Einheit des Menschen als ein Ganzes aufgefaßt wird, desto mehr verflüchtig sich die Wirklichkeit der Krankheit als einer spezifischen Entität; und um so vordringlicher wird anstelle der Analyse der natürlichen Formen der Krankheit die Beschreibung des Individuums in seinen pathologischen Reaktionen auf seine Situation". Jedoch: "Eine Einheitspathologie, die dieselben Methoden und dieselben Begriffe auf psychologischem wie auf physiologischem Gebiet anwenden würde, gehört heute unter die Mythen, auch wenn die Einheit des Körpers und der Seele unter die Wirklichkeit fällt" (Foucault 1968: 21).

[3] "Embryotransfer, Genklonierung mit Reproduktion von Embryonen für 'organverbrauchende Experimente', bei denen Föten regelrecht 'geschlachtet' werden, um einzelne Organe nach Belieben zu gewinnen, Samen-, Ei- und Embryobanken, Herstellung von Menschen- und Tier-Hybriden, künstliche Geschlechtswahl und Vermarktung von Samen- und Eizellen sowie von Embryonen, sind nicht utopische Horrorbilder, sondern Realitäten unseres Lebens geworden ... Noch an keiner Stelle medizinisch-wissenschaftlicher Forschung ist der einzelne Wissenschaftler und der beteiligte Arzt in seiner ethischen Verantwortung so unmittelbar gefordert worden" (V. Diehl zitiert von Uexküll, op.cit., 151f).

[4] Der Spiegel 1992b: 109

[5] "Modern biology explains mindful action as an emergent property of the hierarchical organization of the nervous system. A more sophisticated version of this materialism recognizes that mind and consciousness are not simply functions of the isolated nervous system but can be better understood as emergent properties of social systems, that is, of interactions between many individual organisms" (Kirmayer, in: Lock, Gordon 1988: 57).

[6] Katharine Hepburn beschreibt eine solche "körpertechnische Gewohnheit" in ihrem Buch: "African Queen - oder Wie ich mit Bogart, Bacall und Huston nach Afrika fuhr und beinahe den Verstand verlor". Sie hielt sich 1950/51 für die Dreharbeiten zu "African Queen" im damaligen Belgisch-Kongo auf: "Wir schauten uns im Lager um und fuhren dann durch die winzige Ansammlung von Hütten, aus denen das Dorf Biondo bestand. Ziegen und Kinder schwärmten über die Straße. Sie winkten wie verrückt, wenn wir vorbeifuhren, und beantworteten unser 'Jambo' - was 'Guten Tag' heißt - mit ihrem 'Jambo'. Beim Winken strecken sie beide Arme aus, biegen die Handfläche hoch und drehen sie rasch von links nach rechts - von rechts nach links; sie schwenken die Hand nicht auf und ab wie wir". Interessanter Weise hat sich diese Gewohnheit geändert. In den 90er Jahren winken wir (wie in Filmen festzustellen zumindest US-Amerikaner und Westeuropäer) nicht mehr auf und ab, sondern wie die beschriebenen Afrikaner hin und her.

[7] "Das Kind, auch der Erwachsene, imitiert Handlungen, die Erfolg hatten, die zudem bei Personen Erfolg hatten, in die es Vertrauen setzt, und die Autorität auf es ausüben. Das Verhalten wird von außen her, von oben vorgegeben, es sei denn, es handelte sich um einen ausschließlich biologischen Vorgang, der den Körper betrifft. Das Individuum übernimmt den Bewegungsablauf aus dem Verhalten, das von anderen vor ihm oder mit ihm praktiziert wird. Genau in diesem Begriff des Prestiges der Person, die im Hinblick auf das nachahmende Individuum befiehlt, herrscht, bestimmt, befindet sich das ganze soziale Element. In der folgenden Nachahmung liegen das psychologische und das biologische Element" (Mauss 1989: 203). Mit anderen Worten es gibt kein natürliches, von der Gesellschaft unbeeinflußtes Verhalten. Machte Karl Marx den Gegensatz von Natur und Kultur aus, so war für Emile Durkheim die fundamentale Opposition die von Individuum und Gesellschaft. Durkheim war ein radikaler Vertreter einer deterministischen Soziologie ("Nicht ich denke, sondern die Gesellschaft denkt in mir"). Mauss vollzog mit seinem Ansatz die Fusion von Durkheims Lehre mit der Psychologie (Mühlmann 1986: 115).

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Die Theoriengeschichte der Anthropologie des Körpers
Hochschule
Universität Hamburg  (Seminar für Völkerkunde)
Veranstaltung
Oberseminar: Zur Anthropologie des Körpers (I)
Note
1,00
Autor
Jahr
1992
Seiten
25
Katalognummer
V233552
ISBN (eBook)
9783656505242
ISBN (Buch)
9783656505761
Dateigröße
506 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Es handelt sich um eine Seminararbeit aus dem Jahr 1992. Sie ist entstanden im Rahmen des Oberseminars "Zur Anthropologie des Körpers (I)" am Seminar für Völkerkunde der Universität Hamburg. Ein Großteil der Zitate wurde englischen Büchern entnommen.
Schlagworte
Ethnologie, Medizin, Medizinethnologie, Frauen, Körpertheorie, Marcel Mauss, Mary Douglas, Theoriengeschichte, Soziologie, Körper, Psychiatrie
Arbeit zitieren
M.A. Sabine Neureiter (Autor:in), 1992, Die Theoriengeschichte der Anthropologie des Körpers, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/233552

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