Die Beeinflussung der mentalen Prozesse beim kreativen Übersetzen durch Hintergrundinformation


Seminararbeit, 2003

43 Seiten, Note: 2.3

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Vorbemerkung

2 Versuchsaufbau

3 Analyse der LD-Protokolle
3.1 Einleitung zu Methodik
3.2 Bsp: „sponsorship of archaeological field schools“
3.2.1 Gruppe B
3.2.2 Gruppe C
3.2.3 Auswertung und Vergleich
3.3 Bsp.: „not-for-profit organization“ / „Cahokia Mounds State Historic Site“
3.3.1 Gruppe B
3.3.2 Gruppe C
3.3.3 Auswertung und Vergleich
3.4 Bsp.: „mounds“
3.4.1 Gruppe B
3.4.2 Gruppe C
3.4.3 Auswertung und Vergleich

4 Schlußbemerkung

5 Anhang Anhang
5.1 Ausgangstext „The Cahokia Mounds Museum Society“ Anhang
5.2 Hintergrundmaterial Gruppe B Anhang
5.2.1 Beschreibender Text Anhang
5.2.2 Karte Anhang
5.3 Übersetzungen Anhang
5.3.1 Gruppe B Anhang
5.3.2 Gruppe C Anhang
5.4 LD-Protokolle Anhang
5.4.1 Gruppe B (11 Seiten) Anhang
5.4.2 Gruppe C (6 Seiten) Anhang

1 Vorbemerkung

„Über das Thema Denken, Gehirn und Kreativität möchte man mehr wissen, nicht nur, weil es faszinierend ist, sondern auch, weil man sein [eigenes] Denken verbessern möchte.“ Diese Worte, zitiert aus der Einleitung der von Prof. Kußmaul geschriebenen translationswissenschaftlichen Studie „Kreatives Übersetzen“ (Stauffenburg-Verlag, 2000), bringen auf den Punkt, warum es wichtig ist, sich mit den bei übersetzerischer Tätigkeit ablaufenden Kreativprozessen zu beschäftigen. Die Faszination kreativen Schaffens und Denkens zeigt sich im Alltag in seiner Mystifizierung durch Begriffe wie Intuition oder Eingebung, man hat einfach eine gute Idee, eine Vision. Dass hinter diesen scheinbar willkürlich auftretenden und unvorhersehbaren 10 kreativen „Geistesblitzen“ durchaus wissenschaftlich erfass- und benennbare Prozesse stehen, wurde durch die in Prof. Kußmauls Publikation dargestellten Hypothesen, Theorien und Denkmodelle eindeutig belegt. Durch die Kenntnis dieser Modelle wiederum ist es dem Einzelnen möglich, die eigenen Denkprozesse zu analysieren, kreativ zu beeinflussen und so sein eigenes Denken zu verbessern.

Eben diese Verbesserung des Denkens soll eingehender betrachtet werden. Kreatives Denken ist beim Übersetzen besonders dann von Nöten, wenn sich Textpassagen nicht ohne Veränderungen von der Ausgangs- in die Zielsprache übertragen lassen, oder wenn der Ausgangstext von vorneherein missverständlich, verwirrend oder auch schlichtweg sachlich falsch ist. Aber auch bei der „normalen“ Übersetzung laufen ständig und automatisch kreative 20 Denkprozesse ab, da Sprache immer kreativ ist und Übersetzen das Verstehen und Neuformulieren von Gedanken, also einen sprachlichen Prozess, darstellt. In der vorliegenden ProSeminararbeit soll betrachtet werden, wie es sich auf die Prozesse beim Übersetzen sowie auf die fertige Übersetzung auswirkt, wenn versucht wird, Verständnisschwierigkeiten von Anfang an durch die Verfügbarkeit von Hintergrundinformation auszuräumen. Führt ein breiteres Informationsangebot zu einer 25 besseren Übersetzung? Kann Hintergrundinformation genutzt werden, um kreatives Denken zu stimulieren? Inwieweit hilft Hintergrundinformation bei der Evaluierung gefundener Übersetzungsvorschläge? Diese Fragen sollen im Folgenden eingehender betrachtet werden.

2 Versuchsaufbau

Als Versuchstext dient uns der englische Klausurtext einer Übersetzungsübung von StudentInnen des dritten und vierten Semesters am FASK in Germersheim. Der Titel des Textes lautet „The Cahokia Mounds Museum Society“ und entstammt der Internetseite derselben Organisation. Ausgewählt wurde dieser Text aufgrund der Studentenberichten zufolge äußerst kontrovers diskutierten „Ideallösung“ der Klausur, die allerdings nicht vorliegt. Viele Übungsteilnehmer empfanden die Übersetzung als stellenweise unangemessen, vor allem über die Übersetzung einiger Fachbegriffe bzw. Institutionsbezeichnungen herrschte Uneinigkeit. Aus dem Tenor der verschiedenen Meinungen ließ sich entnehmen, dass diese Uneinigkeit vor allem auf der 10 Tatsache beruhte, dass niemand genau zu wissen schien, was mit den betreffenden Bezeichnungen gemeint sei. Das Problem bestand demnach in einem Defizit an exakter Information bzw. in der Mehrdeutigkeit oder Unklarheit der bereits im Text vorhandenen Information. Das übersetzerische Problem dieses Textes sollte sich also durch Verfügbarkeit und Konsultation von Hintergrundinformation lösen lassen.

Um diese Hypothese zu überprüfen, wurde der Text von zwei Gruppen übersetzt. Beide Gruppen bestanden aus einem Student bzw. einer Studentin des vierten Semesters des FASK sowie einer weiteren Person, die nicht im gleichen Fachgebiet studiert, jedoch über weitreichende fremdsprachliche Kompetenz verfügt, so dass je ein/e semiprofessionelle/r ÜbersetzerIn mit einem Laien zusammenarbeitete. Keine der Testpersonen hatte an der oben erwähnten Übersetzungsübung 20 teilgenommen oder verfügte über Vorkenntnisse des Textes. Eine der beiden Gruppen, Gruppe B, erhielt Hintergrundinformationen über die im Text erwähnte Ausgrabungsstätte „Cahokia Mounds State Historic Site“ in Form einer Karte sowie eines kurzen informativen Textes (s. S. Anhang 3). Gruppe C erhielt keine Hintergrundinformationen.

Das LD-Protokoll der Gruppe B wurde auf Stellen geprüft, an denen die Testpersonen bei Verständnis- oder Übersetzungsproblemen die verfügbaren Hintergrundinformationen konsultierten. Diese Stellen wurden eingehender betrachtet und die dort stattfindenden kreativitätsfördernden oder -hemmenden Prozesse unter Verwendung kognitionslinguistischer Modelle analysiert, insbesondere unter Berücksichtigung des Vier-Phasen Modells zur Lösungsfindung. Anschließend wurde die so erarbeitete Lösung auf ihre Kreativität sowie 30 Angemessenheit untersucht und mit den entsprechenden Stellen der Gruppe C verglichen. Auch im LD-Protokoll der Gruppe C finden sich Stellen, an denen die Testpersonen bei Verständnisschwierigkeiten oder Unklarheiten von sich selbst aus in Betracht ziehen, andere Informationsquellen hinzuzuziehen. Die Analyse der Auswirkungen dieser Informationssuche auf die Kreativprozesse wäre durchaus interessant gewesen, leider bleibt es in dieser Gruppe nur bei dem Vorsatz oder Wunsch zur Informationssuche, da weder traditionelle Medien wie z.B. Wörterbücher, noch moderne wie das Internet zur Verfügung stehen. Daher werden entsprechende Stellen des LD-Protokolls nicht wie bei Gruppe B einer eingehenderen Betrachtung unterzogen.

Nun mag man sich fragen, wo denn Gruppe A geblieben sei, wenn von B und C die Rede ist. Ursprünglich war geplant, die Arbeit auf die Basis dreier Lautes-Denken [LD] Protokolle zu stellen. Da jedoch eine der Testpersonen der Gruppe A an der betreffenden Übersetzungsübung teilgenommen und den Text bereits übersetzt hatte, zudem bei der Diskussion der Ideallösung 10 zugegen war, wurde gegen die Verwendung dieses LD-Protokolls entschieden, da es keine Basis der Vergleichbarkeit zu den anderen Gruppen gab.

Die Modelle aus Kognitions- und Psycholinguistik sowie dem Bereich der K.I. Forschung, auf die in der Analyse Bezug genommen wird, entstammen aus Prof. Paul Kußmauls Publikation „Kreatives Übersetzen“, Kapitel 5-7, erschienen im Jahr 2000 beim Stauffenburg 15 Verlag als Band Zehn der Reihe „Studien zur Translation“. Zur genaueren Erläuterung der verschiedenen Modelle und Theorien verweise ich auf diese Quelle.

3 Analyse der LD-Protokolle

3.1 Einleitung zur Methodik

Betrachtet werden solche Stellen, an denen Gruppe B im Lauf des Übersetzungsprozesses ihre Hintergrundinformationen konsultiert. Die entsprechenden Passagen 5 werden mit Hinblick auf die in der Einleitung erwähnten Modelle und Hypothesen der Kognitionslinguistik und anderer Forschungsbereiche analysiert und erläutert. Dasselbe geschieht mit den entsprechenden Passagen des LD-Protokolls der Gruppe C. Anschließend werden die Lösungen der beiden Gruppen verglichen und auf ihre Angemessenheit überprüft. Desweiteren wird untersucht, inwiefern der Lösungsfindungsprozess durch Hintergrundinformation beeinflusst wird.

Die LD-Protokolle sowie die endgültigen Übersetzungen, auf die im Folgenden Bezug genommen wird, finden sich im Anhang.

Der Übersetzungsauftrag lautete, den Text für eine Informationsbroschüre für deutsche Touristen, die die „Cahokia Mounds State Historic Site“ besuchen, zu übersetzen.

3.2 „sponsorship of archaeological field schools“

3.2.1 Gruppe B

Die Textstelle „This role has been expanded to include the operation of a museum shop, publication of the CAHOKIAN newsletter, sponsorship of archaeological field schools, 5 lectures, craft classes, trips to other archaeological sites and many special events.“1 bereitete den beiden Gruppen einige Schwierigkeiten, insbesondere die Stelle „sponsorship of archaeological field schools“.

Der Lösungsfindungsweg der Gruppe B verlief recht flüssig. In der Präparationsphase liest A die betreffende Textstelle vor und und erkennt sie als Problem. Es folgt die 10 Inkubationsphase, die sich durch ein nachdenkliches „Hmmm...“2 äußert, und dazu führt, dass A einen Teil des Problems löst, indem sie beim verbalisierten Verstehen „archaeological“ mit „archäologisch“ übersetzt, während B in eine Blockade verfällt: „Keinen Plan“3. Anschließend fokussiert A die Problemstelle „field school“ und versucht, eine Szene zu visualisieren, angedeutet durch „Was könnte das sein?“4. Hierbei wird in einem top-down Prozess das Weltwissen der 15 Testperson abgerufen, allerdings ohne Resultat, so dass A anschließend versucht, durch bottom-up Prozesse weiterzukommen, indem das Informationsmaterial bzw. die Karte noch einmal konsultiert wird. Dies scheint allerdings keine neuen Ansätze zu Tage zu fördern, so dass A nach einer kurzen Inkubationsphase die Punkte der zuvor übersetzten Aufzählung wiederholt und die dadurch gegebenen Rahmen mit visualisierten Szenen füllt. In diesen Kontext versucht A nun den zu 20 übersetzenden Begriff einzubetten. Hier zeigt sich, dass die Testpersonen [TP] das erste mal versuchen, die betreffende Stelle im Kontext zu sehen, statt wie bisher isoliert. In diesem Zusammenhang visualisiert A „field school“ als „Unterricht[...], da wird ihnen beigebracht, was das [genau] bedeutet“5, als „ein Art Führung“6, als „Anschauungsobjekte“7. Die Testperson A beweist flüssiges laterales Denken, indem sie verschiedene Strategien so lange anwendet, bis sie einige erste 25 Lösungsvorschläge erzielt. Diese ersten Lösungen führen zur Blockadenüberwindung bei TP B, sie evaluiert die von A visualisierten Szenen als angemessen und erwähnt das weitere Szenenmerkmal „Freilichtmuseum“8.

Nach dieser erfolgreichen Visualisierung wenden sich die TP kurz dem Teilproblem „sponsorship“ zu und übersetzen den Begriff zunächst mit „fördern“9, um den Fokus dann wieder 30 auf die Stelle „archaeological field school“ zu richten. Beim verbalisierten Verstehen werden „Unterricht, Seminare, Kurse“10 visualisiert und als Lösungsvorschläge genannt, die von B mit „Ja!“ als angemessen beurteilt, von A jedoch mit einem skeptischen „Oder?“ wieder hinterfragt werden. A wiederholt den zu übersetzenden Begriff und hebt hervor, dass „field“ auch mit „Feld“ übersetzt werden kann, und es wird „Feld der Archäologie“ als Übersetzungsvorschlag für „archaeological field“ genannt11. Auffällig ist, dass die TP an dieser Stelle wieder in 5 mikrostrukturelle Überlegungen verstrickt werden, sich also an der isolierten Wortbedeutung orientieren, statt, wie zuvor bereits geschehen, den Begriff im Kontext zu sehen.

Die TP stehen nun vor einer Denkblockade, und A beschließt, „von vorne“12 anzufangen, den Begriff also aufs Neue in den Kontext einzubetten, bzw. sich anderen Problemen des Satzes zu widmen. Nach der erfolgreichen Übersetzung der Stelle „to include“ kommen die TP 10 wieder auf „archaeological field schools“ zurück. B versucht, „field“ auf die lokalen Begebenheiten der Ausgrabungsstätte zu beziehen, was von A als unangemessen evaluiert wird. A verlegt stattdessen den Fokus auf andere Bedeutungsmerkmale von „field“, nämlich vom materiell-lokalen „Feld“ auf die abstrakte Bedeutung (Fach-)„Gebiet, den Bereich, das Feld der Archäologie“13, was von B mit einem „Ja!“ als angemessen bewertet wird. B erfährt durch A's Hinweis auf „schools im 15 Sinne von Unterricht“14 eine Illumination und bietet „workshops“15 als Lösungsvorschlag an, der von A sofort als gut evaluiert wird. Als endgültige Fassung wird übersetzt:

„Diese Aufgaben wurden erweitert und so zusätzlich ein Museumsshop eröffnet, [...] archäologische Workshops gefördert und [...]Ausflüge zu anderen Ausgrabungsstätten angeboten.“16 Hier liegt eine kreative Lösung vor, denn die TP lösen sich sehr stark vom Wortlaut des Ausgangstextes und ersetzen die Szene „field school“ durch „Workshop“. Aber ist diese Lösung auch angemessen? Auf die Antwort dieser Frage möchte ich im Anschluß an die Analyse des LD-Protokolls der Gruppe C eingehen.

Alle Anmerkungen beziehen sich auf das LD-Protokoll der Gruppe B 1)S. Anhang 1, Z.7-10; 2)S. 6, Z. 18; 3) S. 6, Z. 20; 4) S. 6, Z. 19; 5) S. 6, Z. 27; 6) S. 6, Z. 27; 7) S.6, Z. 29; 8) S. 6, Z. 30; 9) S. 6, Z. 31; 10) S. 6, Z. 31; 11) vgl. S. 6, Z. 34, 12)S. 6, Z.35; 13) S. 6, Z. 34; S. 7, Z. 18; 14) S. 7, Z. 20; 15) S. 7, Z. 21; 16) S. Anhang 3, Z. 7-10.

3.2.2 Gruppe C

Gruppe C diskutierte recht lange über diese Textstelle, bevor eine als angemessen bewertete Lösung gefunden wurde. In der Präparationsphase lesen die TP die betreffende Stelle vor und erkennen sie als Problem. B verbalisiert sein Verstehen und bringt mit „Schulen, die als Fach Archäologie haben“1 einen ersten Lösungsvorschlag, der von A allerdings skeptisch betrachtet wird. A beginnt ein Brainstorming, aktiviert in einem top-down Prozess sein Weltwissen, zieht über TOPs Parallelen von „field school“ zu „field trip“2 und visualisiert diesen dann als „Exkursion, Schulausflug“. Es folgt eine durch eine Sprechpause indizierte Inkubationsphase, in deren Abschluß A die Hypothese formuliert, „field schools“ könnten „praktisch orientiert“3 sein. Diese Hypothese 10 führt mit dem Lösungsvorschlag „Praktikum“4 zur Illumination A's. Da B diesen als unangemessen evaluiert, entbrennt eine Diskussion um die Angemessenheit des Ausdrucks, in deren Verlauf B auf einer wörtlicheren Übersetzung besteht. A versucht durch die gezielte Visualisierung von Szenenelementen B von der Angemessenheit des Lösungsvorschlags zu überzeugen, kann sich allerdings nicht durchsetzen, da B zu sehr mikrostrukturell denkt und sich nicht von der wörtlichen 15 Bedeutung von „school“ lösen kann. A tritt hierauf wieder in die Inkubationsphase ein und beginnt von neuem, nach anderen Ideen zu suchen, steht aber vor einer Blockade: „Wie nennen wir's dann?“5. B schlägt „Sponsoring archäologischer Schulaktivitäten“6 als Übersetzung vor, erfährt allerdings eine negative Evaluation durch A.

An dieser Stelle findet ein Fokuswechsel statt: die TP richten ihre Aufmerksamkeit 20 nun auf die Übersetzung des Begriffs „sponsorship“. Dies führt sofort zu einer Auflockerung der Stimmung, die sich daran erkennen lässt, dass die TP lachen. Zunächst wird „sponsorship“ als „Sponsoring“7 übersetzt, dieser Vorschlag ruft jedoch sogleich skeptische Reaktionen hervor, da der Anglizismus unangebracht erscheint, und es erfolgt eine detaillierte Evaluation des Begriffs, in deren Verlauf sich eine Blockade abzuzeichnen beginnt: „Mir fällt grad kein besseres Deutsches 25 ein...“8. Um den Redefluß anzukurbeln, verbalisiert TP A ihr Verständnis der Stelle noch einmal, visualisiert „Sponsoring“ und findet zunächst den Lösungsvorschlag „Unterstützung“9, dann „finanzielle Unterstützung“10, der von B als „okay“ evaluiert wird.

Die TP wenden nun ihre Aufmerksamkeit wieder dem ursprünglichen Problem „archaeological field schools“ zu. A verbalisiert sein Verständnis als „archäologische 30 Feldschulen“11 und hält sich nun, wie zuvor B, sehr eng an die wörtliche Bedeutung des Ausgangstextes. B betrachtet nun „field“ isoliert und hebt anstelle der lokal-materiellen Bedeutung ein anderes Bedeutungsmerkmal hervor, die abstrakte Bedeutung im Sinne von (Fach-) „Bereich“12. B vollführt an dieser Stelle einen Szenenwechsel: der Rahmen „Feld“ bleibt der gleiche, allerdings ändert sich die Szene und die in ihr enthaltenen Merkmale. A nimmt hierzu keine Stellung, sondern erinnert sich an den TOP „field trip“, tritt in die Inkubationsphase ein und hat schließlich mit „archäologische Ausbildung“13 eine Illumination. Es erfolgt eine ausführliche Evaluation der Übersetzung, in deren Verlauf sich die Stimmung lockert, es wird gelacht und gescherzt. Die Szene 5 „archäologische Ausbildung“ wird visualisiert, zum Kontext in Bezug gesetzt und so auf ihre Angemessenheit überprüft. Im Laufe der Visualisierung fällt mit „archäologische[n] Studien“14 noch ein weiterer Lösungsvorschlag, dieser wird aber zugunsten von „Ausbildung“ wieder verworfen, da die Merkmalsgewichtung und Konnotationen nicht angemessen erscheinen. Man einigt sich auf folgende endgültige Fassung:

10 „Außerdem umfassen die Aufgaben der Stiftung auch die Leitung des Souvenirshops [...], die finanzielle Unterstützung archäologischer Ausbildung, [...] Ausflüge [...] und andere Sonderveranstaltungen [...].“15 Hier liegt definitiv eine kreative Leistung vor, denn die Szene „archaeological field school“ wird durch den weiter gefassten Rahmen „archäologische Ausbildung“ wiedergegeben. Aber ist diese Lösung nun auch angemessen?

__________ Die Anmerkungen beziehen sich auf das LD-Protokoll der Gruppe C 1) S. 3, Z. 4; 2) S. 3, Z.. 5; 3) S. 3, Z. 5; 4) S. 3; Z. 6; 5) S. 3, Z. 21; 6) S. 3, Z. 22; 7) S. 3, Z. 22; 8) S.3, Z. 30 f; 9) S.3, 20 Z. 35; 10) S.3, Z. 35; 11) S. 3, Z. 38; 12) S. 3, Z. 39; 13) S. 3, Z. 42; 14) S. 3, Z. 49; 15) S. Anhang 4, Z. 6-11.

3.2.3 Auswertung und Vergleich

Bevor die beiden Gruppen zu ihren recht verschiedenen endgültigen Lösungen „wurden [...] archäologische Workshops gefördert“ (Gruppe B) und „finanzielle Unterstützung archäologischer Ausbildung“ (Gruppe C) gelangen, herrscht große Unklarheit darüber, was mit 5 „archaeological field schools“ eigentlich gemeint sei. Das Informationsmaterial gibt hierüber keinen Aufschluss, allerdings berichtete mir TP A der Gruppe C, sie hätte, da sie mit der endgültigen Lösung noch nicht vollkommen zufrieden und zudem auch neugierig gewesen sei, im Nachhinein die Internetseite des Museums aufgerufen und per e-mail eine Anfrage bezüglich der genauen Natur des „sponsorships of archaeological field schools“ gesendet. Leider liegt das 10 Antwortschreiben nicht im Original vor, sinngemäß besagte es jedoch, dass die Stiftung Stipendien an Archäologiestudenten vergibt, die ein praktisches Semester absolvieren wollen. Die Studenten nehmen aktiv an den Ausgrabungen und Auswertungen teil und erhalten so tiefe Einblicke in die Praxis archäologischen Arbeitens.

Vor diesen Hintergrundinformationen erscheint die Lösung der Gruppe B, auch wenn 15 sie kreativ ist, weil sie sich vom Wortlaut des Ausgangstextes entfernt, als nicht angemessen, da ein Workshop nicht die gleiche fachliche Tiefe beinhaltet wie ein praktisches Semester, sondern eher den Einstieg in ein Thema beschreibt.

Die Übersetzung der Gruppe C erscheint angemessener, da der Rahmen „archäologische Ausbildung“ die Szenen „Stipendium“ und „praktisches Semester“ sozusagen als 20 Merkmal beinhaltet. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass im LD-Protokoll der Gruppe C „Praktikum“ als Lösungsvorschlag vorkommt und sogar detailliert diskutiert und evaluiert, letztendlich jedoch verworfen wird. Ein sehr angemessener Lösungsvorschlag wird (zumindest von einem Teil der Gruppe) nicht als solcher erkannt, da in den Überlegungen bottom- up Prozesse zu stark sind bzw. zu wörtlich übersetzt wird.

Es könnte auch argumentiert werden, dass der gute Lösungsvorschlag nicht erkannt wird, da während des Übersetzungsprozesses kein Hintergrundmaterial vorliegt. Hätte die Anfrage unmittelbar gestellt und beantwortet werden können, wäre der Vorschlag „Praktikum“ wohl anders evaluiert worden. Dasselbe gilt für Gruppe B. Die TP visualisieren und verbalisieren während ihres Übersetzungsvorgangs sehr treffende Szenen und Merkmale der tatsächlich gemeinten praktischen 30 Semester, versehen sie aber im Endeffekt mit einem Terminus, der eine völlig andere Gewichtung der visualisierten Merkmale mit sich bringt und daher den tatsächlichen Sachbestand nicht unverfälscht wiedergibt. Diese Ungenauigkeit hätte beseitigt werden können, wenn die Gruppe über einen genaueren Hintergrund verfügt hätte, wodurch verdeutlicht wird, dass es nicht auf die Quantität der Information ankommt, sondern auf die Qualität. Trotz des Vorhandenseins eines informativen Hintergrunds fehlt der Gruppe genau die Information, die eigentlich benötigt wird.

[...]

Ende der Leseprobe aus 43 Seiten

Details

Titel
Die Beeinflussung der mentalen Prozesse beim kreativen Übersetzen durch Hintergrundinformation
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Fachbereich Angewandte Sprach- und Kulturwissenschaft)
Note
2.3
Jahr
2003
Seiten
43
Katalognummer
V24683
ISBN (eBook)
9783638275019
Dateigröße
863 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Zuzüglich 24 Seiten Anhang. Analyse ohne Sekundärliteratur.
Schlagworte
Kußmaul, mentale Prozesse, lautes Denken, übersetzungstechniken, kreatives Übersetzen, Übersetzungsanalyse, Übersetzungskritik, Translationswissenschaft, Übersetzungswissenschaft
Arbeit zitieren
Anonym, 2003, Die Beeinflussung der mentalen Prozesse beim kreativen Übersetzen durch Hintergrundinformation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/24683

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