Heuristiken am Kapitalmarkt


Dossier / Travail de Séminaire, 2002

23 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Heuristiken
2.1. Bewusste Heuristiken
2.2. unbewusste Heuristiken
2.2.1. Vereinfachungsheuristik
2.2.1.1. Theorie
2.2.1.2. Beispiele
2.2.1.3. Experiment
2.2.1.4. Auswirkungen der Heuristik
2.2.1.4.1. individuelle Auswirkungen
2.2.1.4.2. Auswirkungen auf die Preisbildung
2.2.2. Verfügbarkeitsheuristik
2.2.2.1. Theorie
2.2.2.2. Beispiele
2.2.2.3. Auswirkungen der Heuristik
2.2.2.3.1. individuelle Auswirkungen
2.2.2.3.2. Auswirkungen auf die Preisbildung
2.2.3. Mental Accounting
2.2.3.1. Theorie
2.2.3.2. Beispiele
2.2.3.3. Experiment
2.2.3.4. Auswirkungen der Heuristik
2.2.3.4.1. individuelle Auswirkungen
2.2.3.4.2. Auswirkungen auf die Preisbildung
2.2.4. Verankerung und Anpassung
2.2.4.1. Theorie
2.2.4.2. Beispiele
2.2.4.3. Experiment
2.2.4.4. Auswirkungen der Heuristik
2.2.4.4.1. individuelle Auswirkungen
2.2.4.4.2. Auswirkungen auf die Preisbildung
2.2.5. Repräsentativitätsheuristik
2.2.5.1. Theorie
2.2.5.2. Beispiele
2.2.5.3. Experiment
2.2.5.4. Auswirkungen der Heuristik
2.2.5.4.1. individuelle Auswirkungen
2.2.5.4.2. Auswirkungen auf die Preisbildung
2.3. Ausscheiden, Arbitrage und Lerneffekte

3. Fazit

1. Einleitung

Bis zu den fünfziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts rühmte sich die neoklassische Wirtschaftstheorie, den Alleinvertretungsanspruch für die Erklärung des Geschehens an den Börsen zu haben. Dann begannen die ersten zaghaften Bemühungen der Wirtschaftspsychologie, die sich bislang auf Themen wie Arbeitspsychologie, Mitarbeiterführung sowie Marketingpsychologie beschränkt hatte, das Verhalten von Börsenakteuren zu erkunden. Doch erst in den siebziger Jahren wurde die schon seit Längerem untersuchte Psychologie der Spieltheorie mit weiteren verhaltenswissenschaftlichen Erkenntnissen zum neuen Forschungsgebiet Behavioral Finance entwickelt. Sie bot neue Erklärungsansätze für Phänomene wie die Milchmädchenhausse oder Börsencrashs, mit deren Erklärung die neoklassische Theorie bisher große Mühe hatte. Leider gehört die Behavioral Finance noch nicht zum Handwerkszeug der Börsenakteure, deren Kenntnis ist jedoch eine Bereicherung für jeden Anleger. Daher thematisiert diese Arbeit einen ausgewählten Aspekt der Behavioral Finance, nämlich Heuristiken am Kapitalmarkt.

2. Heuristiken

Ein Akteur mit dem Anspruch der Rationalität hat bei der Aufnahme und Verarbeitung von Informationen, die seine Anlageentscheidungen betreffen, bestimmten Anforderungen zu genügen[1]. Er hat die entsprechenden Informationen neutral und vollständig aufzunehmen, zu verarbeiten und dann eine nachprüfbar optimale Entscheidung zu treffen. Hierbei bedient er sich insbesondere wissenschaftlicher Modelle, etwa der Kombinatorik und Wahrscheinlichkeitsrechnung[2]. Betrachtet man hier den realen Anleger und nicht einen „homo oeconomicus“[3], so wird klar, dass auch unter optimalen Bedingungen (z.B. ausreichend Zeit, Methoden- und Fachwissen, Erfassung der Komplexität etc.) die optimale Entscheidung nicht einfach und ohne Anstrengung erzielbar ist. Von Nitzsch behauptet, dass auch unter optimalen Bedingungen die meisten Entscheidungen suboptimal seien[4].

Bei der Betrachtung von tagtäglichen Entscheidungen an den Finanzmärkten wird klar, dass hier alles andere als optimale Rahmenbedingungen vorliegen. Entscheidungen müssen unter Zeitdruck gefällt werden (denn die optimale Entscheidung ist wertlos, wenn sie auf Grund eines „time lag“ auf bereits veralteten Situationen basiert)[5]. Aufnahmefähigkeit und Verarbeitungskapazität des menschlichen Gehirns sind limitiert. Kahneman, Slovic und Tversky sowie Hammond, Keeney und Raiffa zeigten experimentell, dass Menschen im strikt logischen Sinn langsame und schlechte Rechner sind[6]. Eine Erklärung liefert die Erkenntnis der Hirnforschung: Der Mensch ist kaum in der Lage, in einer Situation mehr als sieben Informationen gleichzeitig zu erfassen[7]. Die Beschränktheit der geistigen Verarbeitungskapazität wird auch beim Versuch der Lösung von Aufgaben zu Wahrscheinlichkeitsrechnung und Kombinatorik schnell bewusst. Bei steigender Schwierigkeit gelangt man ohne Stift und Papier, Taschenrechner oder Computer bald an seine Grenzen. Der Mensch als „kognitiver Geizhals“ muss also effizient mit seinen geistigen Ressourcen umgehen[8]. Zusätzlich herrscht in Entscheidungssituationen meist eine nicht beherrschbare Komplexität der Sachlage vor, zudem hat der Akteur oft unzureichendes Methoden- und Fachwissen.

Um Lösung auf die Fragestellungen an den Finanzmärkten (unter Vorhandensein obiger Probleme) zu finden, behelfen sich die Individuen oft Heuristiken zur Vereinfachung und Beschleunigung der Urteilsfindung. Kirchler definiert: „Heuristiken sind Faustregeln, die den Vorteil haben, Urteilsprozesse zu erleichtern, aber unter bestimmten Bedingungen zu systematischen Fehleinschätzungen führen[9].“ Von Nitzsch konkretisiert diese Aussage wie folgt: „Heuristiken sind hierbei Mechanismen der Informationsverarbeitung, die mit geringem Aufwand zu einem schnellen, aber nicht garantiert optimalen Ergebnis kommen[10].“ Der Einsatz von Heuristiken ist also analog zu obigen Ausführungen vor allem dann anzutreffen, wenn die Rahmenbedingungen für Entscheidungen widrig sind: bei zeitlicher Knappheit[11], unvollständiger Information und hoher Komplexität[12]. Aronson entdeckte, dass die Wahrscheinlichkeit für den Einsatz einer Heuristik steigt, je weniger wichtig das Ergebnis für das Individuum ist[13]. Die Verwendung von Heuristiken kann, wenn man explizit von dem Vorhandensein von Informationskosten ausgeht, sogar rational sein. Dies ist der Fall, wenn man das Verhältnis zwischen aufgewandten Informationskosten und dadurch erzieltem Zusatzgewinn (durch optimalere Urteilsmöglichkeit) optimiert[14].

Grundsätzlich lassen sich bewusste sowie im Normalfall unbewusste Heuristiken unterscheiden. Unbewusste Heuristiken kann sich das Individuum bewusst machen, wenn es sich intensiv mit dieser Thematik beschäftigt[15]. Die meisten Börsenakteure wissen jedoch gar nicht, dass sie diesen Phänomenen unterliegen, geschweige denn, dass sie sich mit ihrer Urteilsbildung auseinandersetzen. Daher wird im Folgenden davon ausgegangen, dass sich die Börsenakteure ihrer im Normalfall unbewussten Heuristiken nicht bewusst sind.

2.1. Bewusste Heuristiken

Bewusste Heuristiken sind Strategien, die Individuen explizit entwickeln, um in bestimmten Situationen zu relativ guten Urteilen / Ergebnissen zu gelangen. Ein Beispiel liefern Daytrader oder Devisenhändler, die an einem Multi-Bildschirm-Arbeitsplatz sitzen und neben Kurslisten, „Times and Sales“-Tabellen und Charts auch ein Fenster mit „Ticker“-Nachrichten empfangen. In diesem Fenster werden stets die Schlagzeilen der aktuellsten Börsennachrichten eingeblendet. Ist die Schlagzeile für die Entscheidungsfindung eines Händlers relevant, so hat er die Möglichkeit, auf die Schlagzeile zu klicken. Dadurch wird die gesamte Nachricht dargestellt. Viele Händler verzichten aber bewusst auf Wahrnehmung des gesamten Inhalts der Nachrichten, auch wenn diese extrem relevant für sie zu sein scheinen. Vielmehr beschränken sie sich auf die Aussage der Schlagzeile und handeln nach dieser Information. Sie versprechen sich dadurch einen Zeitvorteil und gehen bewusst den Nachteil ein, auf die detaillierte Information der Meldung zu verzichten. Ein weiteres, etwas komplexeres Beispiel beschreibt Müller[16]. Er führt ein Experiment durch, bei dem Probanden die Aufgabe haben, einen einmaligen Geldbetrag für verschiedene Perioden aufzuteilen. A Priori ist die Anzahl der Perioden unbekannt, es existiert nur eine Bandbreite der möglichen Ausprägungen. Im Laufe der verschiedenen Perioden werden mehr und mehr Informationen über die mögliche Anzahl der verbleibenden Perioden gegeben. Um nun unter Berücksichtigung der sequentiell eintreffenden Informationen die optimalen Beträge für jede einzelne Periode zu berechnen, muss sich der Proband verschiedener Methoden der Kombinatorik und Wahrscheinlichkeitsrechnung bedienen. Neben einer kleinen Anzahl von Probanten, die dies tatsächlich meisterten, konnte man eine große Anzahl von Probanten beobachten, die mehr oder weniger detaillierte Heuristiken anwendeten. So kamen Daumenregeln zum Einsatz, pro Runde beispielsweise zwei Geldeinheiten zu veranschlagen, obwohl mit dieser Berechnung auch bei der maximalen Anzahl der Perioden am Ende noch Geld übrig blieb. Besser war schon die Heuristik, den erhaltenen Betrag durch die maximale Anzahl der Perioden zu teilen. Andere Probanten berechneten unter Annahme der Gleichwahrscheinlichkeit die mittlere Periodenanzahl und verteilten die Beträge entsprechend.

Der maßgebliche Unterschied zu den unbewussten Heuristiken ist, dass sich der Börsenakteur bei bewussten Heuristiken über seine Unzulänglichkeiten und Risiken im Klaren ist. Er geht diese Risiken gegebenenfalls absichtlich ein und akzeptiert gelegentliche Fehlurteile[17]. Im Gegenzug profitiert er von z.B. höherer Schnelligkeit oder kann mit Hilfe einer Vereinfachung überhaupt erst eine Lösung finden. In der Forschung gibt es bislang keine wesentliche Meinung, dass bewusste Heuristiken in nicht unerheblichem Maße das Urteil der Anwender systematisch verzerren, obwohl im Beispiel des Daytraders eine gleichgerichtete Verzerrung der Urteile aller Nutzer dieser Heuristik nicht unwahrscheinlich erscheint.

Sichere Unterscheidbarkeit zwischen bewussten und unbewussten Heuristiken gibt es nicht. Zum einen wurde schon ausgeführt, dass man sich unbewusste Heuristiken bewusst machen kann, zum anderen ist denkbar, dass Individuen anfangs bewusste Heuristiken durch intensiven und regelmäßigen Gebrauch so „in Fleisch und Blut“ übergegangen sind, dass sie nur noch unbewusst ablaufen. Im Regelfall sind solche ehemals bewussten, nun unbewusst gewordenen Heuristiken jedoch höchst individuell, da sie extra und bewusst für ein bestimmtes Problem konstruiert wurden. Sie sind also determiniert von Psyche der Person und aktueller Situation und führen zu unterschiedlichen Umsetzungen.

2.2. Unbewusste Heuristiken

Im Gegensatz zu den bewussten Heuristiken setzten Individuen unbewusste Heuristiken ein, ohne dies im Bewusstsein zu registrieren. In der Literatur werden verschiedene Formen der unbewussten Heuristik beschrieben[18]. Diese lassen sich nach der Systematik von von Nitzsch / Goldberg in Heuristiken zur Komplexitätsreduktion und Heuristiken zur Beschleunigung der Urteilsfindung aufgliedern. Manche Autoren trennen hier nicht, sondern subsumieren alle Arten der unbewussten Heuristiken unter Urteilsheuristiken[19]. Die im Anhang angefügte Darstellung veranschaulicht die Einteilung der im Folgenden beschriebenen Heuristiken nach von Nitzsch und Goldberg.

2.2.1. Vereinfachungsheuristik

2.2.1.1. Theorie

Nach Erkenntnissen von Kahneman und Tversky zeigen Individuen die Tendenz, die Komplexität von Sachverhalten zu verringern, indem sie geringe Unterschiede bei Entscheidungssituationen außer Acht lassen oder schwierige Sachverhalte so umformen, dass die Einflussgrößen des Problems nur minimal verändert werden, diese Änderungen aber weitaus besser weiterverarbeitet werden können[20]. Die Individuen gehen hierbei jedoch nur subjektiv davon aus, dass die Abwandlung bzw. Vernachlässigung kaum einen Effekt auf das Ergebnis hat, objektiv ist dies jeweils im Einzelfall zu ermitteln. Häufig anzutreffende Vereinfachungsoperation ist Rundung von krummen Beträgen.

[...]


[1] Ein rationaler Entscheider, also ein sog. „homo oeconomicus“ unterliegt keinen geistigen Restriktionen, hat keine Gefühle und orientiert sich bei Entscheidungen nur en der Maximierung des Erwartungsnutzens.

[2] Vgl. Strack (1985), S. 241.

[3] Vgl. Wiswede (1996), S. 13 f.

[4] Vgl. von Nitzsch/Friedrich (1999), S. 13.

[5] Vgl. Goldberg (2000), S.50.

[6] Vgl. Kirchler (1999), S. 27.

[7] Vgl. Goldberg (2000), S. 50.

[8] Vgl. von Nitzsch/Friedrich (1999), S. 13.

[9] Vgl. Kirchler (1999), S.29.

[10] Vgl. von Nitzsch/Friedrich (1999), S.13.

[11] Vgl. Strack (1985), S.241.

[12] Vg. Maas/Weibler (1990), S.82.

[13] Vgl. von Nitzsch/Friedrich (1999), S. 13.

[14] Gerke, mündliche Äußerung.

[15] Vgl. Goldberg (2000), S.51.

[16] Vgl. Müller (2001), S. 494-520.

[17] Vgl. von Nitzsch/Friedrich (1999), S.13 f.

[18] Vgl. Oehler (1995), S. 23-26.

[19] Vgl. Strack (1985), S.240-262 sowie Pelzmann S. 14 f.

[20] von Nitzsch/Friedrich (1999), S.15.

Fin de l'extrait de 23 pages

Résumé des informations

Titre
Heuristiken am Kapitalmarkt
Université
Friedrich-Alexander University Erlangen-Nuremberg  (Lehrstuhl für Bank und Börsenwesen)
Cours
Hauptseminar Bank- und Börsenwesen
Note
1,7
Auteur
Année
2002
Pages
23
N° de catalogue
V2469
ISBN (ebook)
9783638115001
Taille d'un fichier
570 KB
Langue
allemand
Mots clés
Heuristiken, heuristics, Börsenpsychologie, Behavioral Finance, Anchoring, Vereinfachungsheuristik, Verfügbarkeitsheuristik, Mental Accounting
Citation du texte
Mark Bauer (Auteur), 2002, Heuristiken am Kapitalmarkt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/2469

Commentaires

  • invité le 2/6/2021

    Die Hausarbeit gibt einen interessanten Überblick über die Heuristiken an Kapitalmärkten. Nur leider genügt diese Arbeit nicht den wissenschaftlichen und formalen Standards. Beispielsweise werden zu einigen Kapiteln nur zwei Sätze geschrieben, was vor dem Kauf des Buches nicht deutlich wird. Damit verbunden ist die Arbeit in bis zu fünft Unterkapitel unterteilt, obwohl es nur insgesamt 15 Seiten Fliestext sind. Also gut angefangen aber inhaltlich leider enttäuschend.

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Titre: Heuristiken am Kapitalmarkt



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