Die höhere Mädchenbildung

Ein Kampf um ebenbürtige Bildung und gegen traditionelle Rollenbilder um 1900


Seminar Paper, 2013

15 Pages, Grade: 1,3


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Schule, Gesellschaft und Wirtschaft im Wandel des 19. Jahrhunderts

3. Die Rolle der Frau und die höhere Mädchenbildung

4. Kompromisse im Mädchenschulwesen ab 1900

5. Schluss

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Die Bedeutung von Geschlecht in Bildungsprozessen war und ist ein seit vielen Jahren bestehendes Forschungs- und Diskussionsfeld, in welchem immer wieder neue Fragen und Schwerpunkte entstehen.“1

Die Bedeutung des Geschlechts in der Bildung ist ein sehr weitreichendes Forschungsthema, welches in dieser Arbeit punktuell aufgegriffen werden soll. Dabei soll der Fokus weniger auf aktuelle gleichstellungspolitische Diskussionen liegen, sondern vielmehr auf Anfänge dieser Kontroverse gesehen werden. In dieser Arbeit möchte ich die Anfänge und Entwicklungen der höheren Mädchenbildung im 19. Jahrhundert darstellen und im Besonderen deren soziale sowie politische Einflüsse erörtern. In meiner Darstellung werde ich mich vor allem auf die Entwicklung des preußischen Schulwesens konzentrieren, da der Umfang dieser Arbeit eine zusätzliche Erweiterung nicht ermöglichen würde. In der vorliegenden Arbeit soll vor allem der Leitfrage nachgegangen werden, welche grundlegenden bildungspolitischen Konflikte aus der Thematik bis heute vorherrschen und beobachtet werden können.

Hierfür soll zunächst eine allgemeine Darstellung der schulgeschichtlichen Entwicklung im 19. Jahrhundert und deren Einflussfaktoren gegeben werden. Darauf aufbauend werden die Anfänge sowie wichtige Ereignisse in der Geschichte der höheren Mädchenbildung und der darin bestehende Konflikt näher erläutert. Folgend sollen wesentliche bildungspolitische Erneuerungen im Zuge des beschriebenen Konfliktes dargestellt werden, um im Abschluss eine Reflexion zu geben sowie einen Bezug zur Gegenwart zu ziehen.

2. Schule und Gesellschaft im Wandel des 19. Jahrhunderts

Die deutsche Schulgeschichte stellt einen höchst komplexen Forschungsgegenstand dar, auf welchen in den folgenden Ausführungen nur schwerpunktmäßig eingegangen werden kann. Betrachtet man die Anfänge der Mädchenbildung und im Besonderen die höhere Mädchenbildung sowie die Bildung von Frauen, sollten vor allem die Entwicklungen ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts näher beleuchtet werden. Eine umfassende Betrachtung der Schulgeschichte bedarf auch einer Berücksichtigung sozialer, politischer und wirtschaftlicher Entwicklungen. Herrlitz et al. beschreiben die Entfaltung deutscher Schulgeschichte ab 1800 sehr treffend als einen kontinuierlichen „Kampf um die Liberalisierung und Demokratisierung von Bildungschancen im öffentlichen Schulsystem“2.

Die vorindustrielle Gesellschaft ist durch eine deutliche soziale Segregation gekennzeichnet, welche sich sowohl auf Bildungsmöglichkeiten als auch auf Berufszugänge, Lebensführung und politische Mitwirkungsrechte auswirkte. So entschied die Geburt (soziale Herkunft) in Adel, städtische Bürger oder bäuerliche Lebenskreise über Anspruch und Teilhabe an den einzelnen Lebensbereichen.3 Die soziale Trennung spielte besonders in der Schulbildung eine tragende Rolle.

Humboldt forderte bereits eine allgemeine Bildung für die ganze Nation.4 1819 sprach auch Süvern sich für ein allgemeinbildendes Schulwesen, bestehend aus allgemeiner Elementarschule, allgemeiner Stadtschule und Gymnasium, aus. Dennoch scheiterte dieses Konzept bereits bei dem Gedanken seiner Verwirklichung, indem der unteren Volksklasse der Besuch allgemeiner Elementarschulen zugestanden wurde, die weiterführenden Schulen jedoch nicht, welches eine erneute Bildungsselektion darstellte.5 Beckedorrf entgegnete Süverns Konzept mit seinem Gedanken einer naturgemäßen Ungleichheit der Standeserziehung (Bildungsbeschränkung), welche die gesellschaftliche Stabilität erhalten würde. Trotz einiger Emanzipationsbewegungen (Reformära 1819; Lehrerkonferenz 1848) zeigt die Stiehlsche Regulative (1854) die deutsche Schulwirklichkeit, nämlich die Schule als eine Institution für herrschaftskonforme Glaubenserziehung-die Schule als „Tochter der Kirche und die Gehülfin der Familie“6.

Diesem starren Bild standen technisch-wirtschaftliche Entwicklungen und darauf aufbauend neue Anforderungen an die Gesellschaft, im Zuge der Industrialisierung gegenüber. Der rasante technische Fortschritt verlangte Entwicklungen in der Wissenschaft, welches sich auch auf die Schule, insbesondere den höheren Bildungsbereich auswirkte. Die Nachfrage nach technisch qualifizierten Facharbeitern stieg zunehmend an und erforderte eine Umstrukturierung der bisherigen Lehrpläne.7 Hierfür sollte das moderne Realgymnasium (ab 1859) mit den Schwerpunktfächern Mathematik und Latein dienen und dem traditionellen Gymnasium zur Seite stehen. Doch trotz der Entwicklung des Realgymnasiums blieb die strukturelle Segregation des höheren Schulwesens bestehen. Dies erklärt sich zum einen durch den weiterhin untersagten Zugang zu den Fakultätsstudien und zum anderen durch den enormen Einfluss der Latinität auf die Anerkennung von Bildung bis 1900.

Durch die Industrialisierung verstärkte sich die Wirkung des Modernisierungsrückstandes in der Bildung und zeigte Defizite in Fremdsprachen, Naturwissenschaften und Mathematik auf. Diese galt es in neuen curricularen Konzepten aufzunehmen, um den akademischen Anforderungen der Wirtschaft gerecht werden zu können.8

Der daraus resultierende Konflikt zwischen den Modernisierungszwängen und den Herrschaftsinteressen blieb bis zum Ende des 19. Jahrhunderts bestehen und klang erst mit der formellen Gleichstellung der Technischen Hochschulen mit den Universitäten (1899) und der Realgymnasien und Oberrealschulen mit den humanistischen Gymnasien (1900) schrittweise ab.

Zusammenfassend kann man die Schulgeschichte des 19. Jahrhunderts als ein Konfliktfeld zwischen Herrschaftsinteressen und Modernisierungszwängen beschreiben. So standen kirchliche und standespolitische Interessen (z.B.: strukturelle Bildungsselektion und die Latinität), technisch-wirtschaftlichen Erneuerungen und einer notwendigen Bildungsneugestaltung gegenüber.

Versucht man das vorhandene Konfliktfeld nun auf die Rolle von Frauen und Mädchen im Schulwesen und speziell auf die höhere weibliche Schulbildung zu übertragen, so kann man diesen Konflikt als ähnlich, jedoch auch wesentlich tiefergreifenden Konfliktherd beschreiben.

Die Idee von freien und gleichen Menschen und dessen Zugang zu Bildung blieb von Frauen nicht unberührt.9 Der Kampf der Männer um Liberalisierung und Demokratisierung von Bildungschancen wurde zwar durch soziale Segregation erschwert, dennoch waren die Chancen für Männer im höheren Bildungsbereich exorbitant höher als für Frauen zu jener Zeit. Dies lag vor allem an dem unterschiedlichen sozialen sowie politischen Rollenverständnis von Mann und Frau sowie ihre soziale Einordnung in den Kontext der Familie.

[...]


1 Rieske, 2011, S. 7

2 Herrlitz et al., 2009, S. 11

3 vgl. ebd., S. 15

4 vgl. ebd., S. 45f und vgl. Kutsche, 2007, S. 9

5 vgl. ebd.; Auch der Interpretation des humboldtschen Bildungskonzeptes ist zu entnehmen, dass er trotz seiner Forderung nach allgemeiner Bildung für alle Menschen, den Bestand sozialer Unterschiede nicht anzweifelte und nicht auf die Herstellung gleicher Bildungschancen oder die Überwindung sozialer Ungleichheiten näher eingeht (vgl. Klafki 1971, S. 152).

6 Centralblatt 1859, S. 291 aus Herrlitz et al., 2009, S. 59

7 vgl. Butschek, 2006, S. 117

8 vgl. Herrlitz et al., 2009, S. 64f; Besonders der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) sowie der Allgemeine Deutsche Realschulmännerverein war an einer Modernisierung des Schulsystems und einer Aufhebung der Monopolstellung des humanistischen Gymnasiums, aus standespolitischen sowie wirtschaftlichen Motiven ausgehend, interessiert.

9 vgl. Hopfner, 1990, S. 20

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Details

Title
Die höhere Mädchenbildung
Subtitle
Ein Kampf um ebenbürtige Bildung und gegen traditionelle Rollenbilder um 1900
College
Helmut Schmidt University - University of the Federal Armed Forces Hamburg  (Allgemeine Pädagogik)
Course
Subjektwerdung und Vergesellschaftung im historischen Prozess: Das historische Verhältnis von Bildung und Staat
Grade
1,3
Author
Year
2013
Pages
15
Catalog Number
V262291
ISBN (eBook)
9783656509943
ISBN (Book)
9783656510055
File size
658 KB
Language
German
Keywords
Mädchenbildung, Rollenbilder;, Rolle der Frau, Mädchenschulwesen 1900, Schule, Gesellschaft, Wirtschaft
Quote paper
Edith Papsin (Author), 2013, Die höhere Mädchenbildung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/262291

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