Wie erfolgreich ist die berufliche Integration von MigrantInnen aus Südost-Europa?

Eine Schichtungsanalyse der österreichischen Gesellschaft mit Beginn des EU-Beitritts 1995 und 2010 unter Bezugnahme auf ihre beiden größten MigrantInnengruppen


Estudio Científico, 2013

47 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Inhalt

1. Einleitung – Die Integration von MigrantInnen aus Südost-Europa an Hand einer Schichtanalyse

2. Zentrale Begriffe, Fragen und Hypothesen
2.1. Basale Konzepte zur Strukturierung der Überlegungen
2.2. Untersuchungsleitende Fragestellungen und Hypothesen

3. Datenbasis, Dimensionen und Auswertemethoden
3.1 Operationalisierung im Mikrozensus, Variablen

4. Ergebnisse
4.1. Das „Aufnahmeland“ Österreich - Vorüberlegungen zu einer geeigneten Darstellungen
4.2. Der Vergleich der zwei größten MigrantInnengruppen mit Österreich als Referenzgruppe
4.3. Das Erklärungsmodell im Einzelnen, verwendete Analysedimensionen und ihre Relevanz

5. Schlussbetrachtung, Zusammenfassung und Fazit

6. Literaturverzeichnis

7. Anhänge
7.1. ISCO 88 (Berufsgruppenbezeichnungen)
7.2. Variablen / (Um)Kodierungen
7.3. Korrelationen
7.4. SPSS Syntax

Tabellenverzeichnis:

Tab. 1: Übersicht über die ISCO Berufshauptgruppen, Anzahl der Untergruppen und zugeordneten Skill Level

Tab. 2: Eintrittswahrscheinlichkeiten von ÖsterreicherInnen in die 8 ISCO Berufshauptgruppen (1995–2010), im Verhältnis zur Gruppe der Hilfskräfte.

Tab. 3: Eintrittswahrscheinlichkeit in die ISCO Berufshauptgruppen nach Nationalität für die Jahre 1995-2010

Tab. 4: Eintrittswahrscheinlichkeit für die Berufshauptgruppen „Topmanagement“ bzw. „Wissenschaft“ von TürkInnen und Ex-Jugoslawinnen nach weiteren Eigenschaften für die Jahre 1995 bzw. 2010.

Abbildungsverzeichnis:

Abb. 1: grundlegende Betrachtungsgrößen der binären, logistischen Regression.

1. Einleitung – Die Integration von MigrantInnen aus Südost-Europa an Hand einer Schichtanalyse

Aktuell wird auf politischer Ebene wiederholt die Revision der österreichischen Einbürgerungsgesetze diskutiert (Brickner 2013), d.h. die genauen Modalitäten und Bedingungen, die ein Ausländer / eine Ausländerin erfüllen muss, um an die „Vorteile“ der österreichischen Staatsbürgerschaft bzw. einer europäischen Staatsbürgerschaft zu gelangen (Zoller 2013). Eine diesen Regelungen zu Grunde liegende Überlegung setzt zunächst voraus, dass tendenziell die „Gefahr“ einer Unterschichtung der österreichischen Aufnahmegesellschaft und damit eine Belastung des Sozialstaates durch diesen Personenkreis wahrgenommen wird. Sowie andererseits nur solche (prominente) Personen in den Genuss dieser Staatsbürgerschaft kommen sollten, die auf Grund ihrer Sprache, gesellschaftlicher Aktivitäten und (vor allem) ihres finanziellen Hintergrundes als bereits „integriert“ anzusehen sind. Also davon auszugehen ist, dass ihr (finanzieller) Beitrag zur Aufnahmegesellschaft ein „Positiver“ sein wird. Gleichzeitig werden bis heute die schlechtbezahlten und mit wenig Status ausgestatteten Tätigkeiten gerne den „Ausländern“ überlassen.

Im Fokus der vorliegenden Forschungsarbeit stehen damit die ZuwanderInnen aus Südost-Europa. Anhand eines Vergleichs mit der österreichischen Aufnahmegesellschaft soll gezeigt werden, in wie weit es diesem Personenkreis gelingt im Laufe der Aufenthaltsjahre zwischen 1995 (dem Beitritt Österreichs zur EU und damit der Anerkennung der Niederlassungsfreiheit) bis 2010 sich in diese zu integrieren bzw. welche Dynamiken sich hieraus ergeben. Dieses nicht nur im Vergleich zur Aufnahmegesellschaft geschehen, sondern auch im Vergleich zwischen den beiden größten MigrantInnengruppen, den StaatsbürgerInnen aus den ehemaligen Jugoslawischen Staaten und denen der Türkei. Eigene Voruntersuchungen zeigten bereits, dass im Bereich des Top-Managements nicht unbedingt zu erwartende Änderungen zu bemerken sind, auf welche in einem abschließenden Modell auch in qualitativer Hinsicht genauer eingegangen werden wird.

Die empirisch-quantitative Fundierung dieser Arbeit basiert auf den Daten des von der Statistik Austria erhobenen österreichischen Mikrozensus aus den Jahren 1995, 2000, `05 und `10. Als Indikatoren werden zunächst neben der Staatsbürgerschaft, wobei diese in diesem Zusammenhang als durchaus kritisch betrachtet werden darf, auch noch die sogenannten ISCO[1] Berufsgruppen zur Definition eines „vorläufigen“ Schichtenmodells herangezogen. Vorläufig insofern, dass die Lösung einer Einteilung in Schichten über die ISCO Gruppierungen durchaus seine Einschränkungen hat und möglicherweise bei der Beschreibung der Phänomene etwas zu kurz greift. Diese beiden Punkte werden im folgenden noch eingehender, hinsichtlich ihrer Grenzen und weiteren möglichen Implikationen auf das Forschungsergebnis, diskutiert.

2. Zentrale Begriffe, Fragen und Hypothesen

Soll eine Gesellschaft hinsichtlich der in ihr lebenden Minderheiten analysiert werden, bedarf es zumindest irgendeiner Art von Strukturierung, auf die im Laufe des Forschungsprozesses generell Bezug genommen werden kann. Wie in der Einleitung bereits zu erkennen ist, lässt sich diese „Notwendigkeit“ auf die im folgenden genauer erklärten Begrifflichkeiten eingrenzen. Zunächst wird daher zu klären sein, was hier exakt mit dem Begriff der „Schichtung“ gemeint ist. Also in wie weit sich dieser Begriff aus grundlegenden Theorien erklären lässt und sich hieraus bereits Konsequenzen und Einschränkungen auf die Sichtweisen möglicher Ergebnisse folgern lassen. Der zweite große Themenkreis ist die Migration. Dieses Kapitel widmet sich dem eigentlichen Ziel der vorliegenden Untersuchungen, dem Personenkreis der MigrantInnen. Hierzu zunächst ein kurzer historischer Abriss über Österreichs Weg von einem Auswanderungsland zu einem Einwanderungsland „wider Willen“. Allerdings zeigen sich hier bereits zugrundeliegende erste Verbindungen in Richtung sozialem Kapital und Arbeitsmarkt. Die entsprechenden Theorien werden in einem letzten Abschnitt in diesem Kapitel zum Thema gemacht.

Die Diskussion einer Umsetzung dieser „Konstrukte“ in quantitativ „abfragbare“ Dimensionen, also einer Operationalisierung, und in wie weit eine Verbindung der Ergebnisse dann diese Strukturen abzubilden vermögen, wird im folgenden Kapitel zu finden sein. In wie weit die Zugrundelegung der Staatsbürgerschaft als Indiz für einen Migrationshintergrund gelten kann und welche anderen, womöglich geeigneteren Ansätze es noch gibt, um das Phänomen Migration besser fassbar zu machen, werden hier näher erörtert. Gleiches gilt für den Schichtaufbau. Aus verständlichen Gründen werden sich die Hypothesen bzw. zu beantwortenden Forschungsfragen an möglichen, durch die Datenbasis gegebenen, Einschränkungen orientieren müssen.

2.1. Basale Konzepte zur Strukturierung der Überlegungen

Schichten und Klassen , funktionalistische Schichtungstheorie und Forschungsstand

Die historischen, sowie die aktuellen Bezüge zu diesen Begriffen werden häufig in Untersuchungen zum Thema Armut bzw. sozialer Ungleichheit herangezogen (Berger/Schmidt 2004, Verwiebe 2010). Diese sind hier jedoch nicht Teil der zentralen Fragestellung. Falls überhaupt, sind diese Themen im Laufe der vorliegenden Analyse lediglich am Rande interessant. Das hat nicht zuletzt in den zur Verfügung stehenden Daten seinen Ursprung, da diese keinerlei Aussagen über die Einkünfte (aus unselbstständiger Erwerbsarbeit) der befragten Personen enthalten. Will man aber eine Gesellschaft hinsichtlich dieser Einkommen strukturieren, ist dies, mit Einschränkungen, auch anhand von Berufsgruppen möglich. Im Folgenden seien dazu einige Gründe genannt:

In der einfachsten Form wird eine (kapitalistische) Gesellschaft an Hand von Produktions- und Eigentumsverhältnissen strukturierbar (Marx 1867). Etwas zugespitzt formuliert also in den Personenkreis, der vom eingesetzten „Kapital“ und der Arbeit einer anderen Personengruppe leben kann und einer zweiten Gruppe, die diese Arbeit erbringen „muss“, um selbst „überleben“ zu können. Nun ist Besitz lediglich nur eine Dimension, neben der Macht einzelner Personen und Gruppen, die eine Gesellschaft weiter ausdifferenzieren (Weber 1922). Folgerichtig ist damit die Struktur einer Gesellschaft als ein historisch abhängiger, dynamischer Prozess zu verstehen, der sich von den Subsistenzwirtschaften über die Stände des Mittelalters bis zu modernen Gesellschaften hin entwickelt hat.

Hieran schließen die Ideen der funktionalistischen Schichtungstheorie (Spencer 1874, Dürkheim 1893, Davis/Moore 1945; Burzan 2004:37ff) an, die wie Weber die Marx‘sche These kritisch hinterfragten und entsprechend erweiterten. Zentral dabei sind die ökonomischen Anreize, neben Prestige, Macht (und Arbeitsbedingungen), zu einer entsprechenden gesellschaftlichen Schicht zu gehören, soweit eine solche Zugehörigkeit über eigenes Engagement bzw. Lebenschancen (z.B. in Form von entsprechender Bildung) zu erreichen ist.

Eine weitere Ausdifferenzierung dieser Strukturen in Form von zusätzlichen Zugangsprozessen zu den verschiedenen Schichten geschieht über (neben dem ökonomischen Kapital) kulturelle, symbolische und soziale Kapitalien (Bourdieu 1979). Während sich unter kulturellem Kapital Bildung und damit auch (akademische) Titel sowie damit verbundener möglicher „intellektueller Genuss“ subsummiert, geht es beim sozialen Kapital um die Zugehörigkeit zu einer Gruppe (Sprache, gemeinsame Umgangsformen, Rituale und Wertesysteme etc.), vulgo dem sogenannten „Vitamin B“. Dieser letzte Aspekt ist zwar für die Inklusion bzw. Exklusion von MigrantInnen und damit der Art und dem Grad ihrer Integration in eine Aufnahmegesellschaft von Bedeutung, bildet jedoch ebenfalls kein zentrales Thema in dieser Arbeit.

Was genau bezeichnet der Begriff der „MigrantInnen“ im vorliegenden Kontext?

Österreich kann, sowie die meisten westeuropäischen Nationen, durchaus auf eine Einwanderungsgeschichte zurückblicken (Marik-Lebeck 2009), die nicht zuletzt mit der gewollten Zuwanderung aus Südosteuropa in den wirtschaftlich florierenden 50er und 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts seinen Ausgang hat. Damals waren auf Grund der strukturellen und wirtschaftlichen Bedingungen - zum einen der Mangel an Personal in einer stark expandierenden, industriell und produktionsorientierten Arbeitswelt des 2. Sektors, zum anderen dem Wiederaufbau von Immobilien und Verkehrsinfrastruktur nach dem 2. Weltkrieg - allerdings weniger Fachkräfte, denn auch ungelernte Arbeitskräfte gefragt. Der Familiennachzug in den 70ern, sowie die Integration und Assimilation der 2. Generation über das Bildungswesen, tat neben dem politisch instabilen Balkan ein Übriges, dass aus den ehemaligen „Gastarbeitern“ eine für die Einheimischen wenig ausdifferenzierte Gruppe von MigrantInnen wurde.

Diesen hier beschriebenen „Auffälligkeiten“ mögen langfristig Wirkungen von Status-vererbungen innerhalb der jeweiligen ethnischen Schichtungen im Aufnahmeland zugrunde liegen, wie sie selbst für offene Gesellschaften nicht untypisch sind. Dennoch bleiben sie als askriptives Fremdelement immer auch ein politisches Ärgernis, da sie in Opposition zu den verfassten Gleichheitsrechten stehen bzw. mit diesen nur schwer vereinbar sind. Diese Prozesse führen zumeist zu einer Unter- und wesentlich seltener zu einer Überschichtung der Aufnahmegesellschaft. Wobei erstere häufig über die Funktionen des Sozialstaates politisch in rezenten (Massen-) Publikationen problematisiert werden, während letztere im Rahmen einer kompetitiven Herausforderung, speziell in Leistungsgesellschaften, zunächst als positiv gesehen wird (vgl. Esser 2004:53).

Dass Migrationsprozesse und damit die Zusammensetzung der Bevölkerung einer Nation stark ökonomisch und politisch gesteuert, bzw. ein momentanes Abbild der weit über nationale und kontinentale hinausgehende Kontexte sind, sollte hier keines weiteren Kommentars bedürfen. Auch dass sich diese Kontexte in einem ständigen Veränderungsprozess befinden und diese sich auf globaler Ebene gegenseitig beeinflussen, schließt leicht an entsprechende Befunde an (Parnreiter 2000). Tatsächlich lässt sich diese Dynamik nutzen, um die über einen Zeitraum stattfindenden Veränderungen in den Wanderungsströmen zu analysieren, und zwar wie sich diese auf die Zusammensetzung einer Gesellschaft bzw. deren Schichtstruktur auswirkt. Eine diesbezügliche Zäsur fand für Österreich mit dem EU-Beitritt im Jahr 1995 statt. Ab diesem Zeitpunkt unterlag auch Österreich dem Gesetz der sog. Niederlassungsfreiheit und damit wurde für alle (zumeist westlicheren) Bevölkerungen der „Rest-EU“ eine solche in Österreich deutlich einfacher möglich. Diese Möglichkeit galt jedoch nicht für speziell die „östlicheren“ im Jahre 2004 der EU beigetretenen Nationen (Krämer 1999). So wurde bei deren Beitritt, nicht zuletzt auch von Österreich, gegen das Recht sich in jedem beliebigen europäischen Staat eine Arbeit zu suchen (Arbeitnehmerfreizügigkeit) aufs Heftigste erfolgreich protestiert. Interessanterweise traten die nach Ablauf dieses „Suspens“ im Jahre 2008 zunächst vermuteten Effekte in Form Strömen von ArbeitsmigrantInnen keinesfalls auf. Ein Effekt der womöglich auch mit der inzwischen EU-weit immer schwächer werdenden und sich in den 3. Sektor der Dienstleistungen wandelnden Wirtschaft samt den an diese geknüpften Randbedingungen für den jeweiligen nationalen Arbeitsmarkt zusammenhängen mag. Auch wenn ein inzwischen stetig zunehmender Anteil der MigrantInnen aus Westeuropa stammen mag, wird diese Personengruppe nicht im Fokus stehen und daher nur am Rande in Erscheinung treten, wenn es um generellere Aussagen gehen sollte.

MigrantInnen: Soziales Kapital und Integration am Arbeitsmarkt

Dass das Sozialkapital den Migrationsprozess und damit die Integration in die Aufnahmegesellschaft (bzw. die Remigration) wesentlich beeinflusst, ist inzwischen unbestritten (Massey et. al 1939,‘94,’98). Dabei werden innerethnische Kontakte für eine erste „Berührung“ mit der Aufnahmegesellschaft in Form von (familiären) Netzwerken als positiv bewertet. Diese Geschlossenheit erlaubt jedoch lediglich einen Zugriff auf Ressourcen und Positionen innerhalb dieses Netzwerkes mit entsprechenden Verbindlichkeiten auch in Form von sozialer Kontrolle innerhalb dieser „Ethnien“. Diese beiden Faktoren, Geschlossenheit und Kontrolle, erschweren jedoch gleichzeitig den Zugriffes auf landesspezifische Ressourcen bzw. den Auf- bzw. Ausbau der hierfür notwendigen schwachen interethnischen Netzwerke. Letztlich geht es darum, das mitgebrachte, herkunftsortspezifische Sozialkapital um ein zielortspezifisches zu erweitern (vgl. Haug/Pointner 2007:389).

Zugespitzt lässt sich dieser Erwerb des zielortspezifischen Sozialkapitals auf der Ebene der individuellen Integration einer MigrantIn in die Aufnahmegesellschaft in vier Aspekte der Assimilation ausdifferenzieren (vgl. Esser 2004:46). Eine kulturelle Assimilation geht hierbei vor allem mit dem Spracherwerb (der Sprache der Aufnahmegesellschaft) einher. Im vorliegenden Zusammenhang ist die strukturelle Assimilation wichtig (hinsichtlich der Schichtzugehörigkeiten), die sich an der mitgebrachten oder (besser) im Aufnahmeland erworbenen Bildungsqualifikation orientiert und damit eine entsprechende Platzierung am Arbeitsmarkt erlaubt. Die soziale Assimilation beschreibt die schon erwähnten schwachen interethnischen Netze, also die Kontakte zur einheimischen Bevölkerung und die emotionale Assimilation, die Identifikation bzw. Übernahme der Wertesysteme der Aufnahmegesellschaft.

Auch wenn über Generationen hinweg, ähnlich wie in Deutschland, eine merkliche Sozialintegration stattfindet, so gilt dies nicht für die strukturellen Dimensionen. Trotz aller Assimilation kommt es dabei zumeist zusätzlich zur Etablierung einer ethnischen Schichtung, der Bildung einer Art von ethno-religiöser Subgesellschaft (vgl. Esser 2001:45ff). Diese bezieht sich auf Ähnlichkeiten im Sprach- und Wohnverhalten, sozialen Kontakten, (innerethnischen) Heiratsmustern und der damit verbunden Fertilität über mehrere Generationen hinweg. Ein Prozess der Selbstexklusion, der über einen Code der Gruppenzugehörigkeit bei gleichzeitiger Polarisierung an ihren Rändern letztlich die soziale Distanz zur Aufnahmegesellschaft fördert und schärft.

Entsprechend zeigt sich auf empirischer Ebene, dass auch die Folgegenerationen zumeist nur in eher schlechter positionierten und strukturell schwachen Branchen eine Beschäftigung finden. Diese sind üblicherweise von höherer Arbeitslosigkeit betroffen, ausgelöst durch eine vorhergehende deutliche Unterrepräsentanz an weiterführenden Schulen. Hieraus ergibt sich ein Zusammenhang zwischen einer strukturellen Assimilation auf dem Arbeitsmarkt und dem Bildungsverhalten bzw. der Bildungsbeteiligung (vgl. ebda: 47).

Andere empirische Untersuchungen (Fassmann 2008) belegen, dass z.B. Migrantinnen aus der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien (sowie allen anderen Herkunftsgebieten) einen nahezu mehr als doppelt so hohen Anteil an Null- bis 15 Jährigen als die Aufnahmegesellschaft besitzen. Auch sind die Männer offensichtlich zuwanderungswilliger als die Frauen (vgl. ebda:252). Über zumindest einen Pflichtschulabschluss verfügen dabei rund 53% der TürkInnen und der MigrantInnen aus dem ehemaligen Ex-Jugoslawien, jedoch nur 8% über eine sekundäre oder tertiäre Ausbildung (vgl. ebda:254). Damit wird Dequalifikation leicht zu einer weiteren Eigenschaft der Ost-West Wanderung. Dieses zeigt sich folglich auch in einer unterschichtenden Zuwanderung an Hand der sektoralen Verteilung der Beschäftigten (vgl. ebda:256). Eine deutliche Ausnahme bildet die Beschäftigung in der Land und Forstwirtschaft. Diese bleibt nahezu „exklusiv“ den Inländern vorbehalten (vgl. ebda:257).

Eine andere Studie beschäftigt sich mit veränderten Erwerbschancen von MigrantInnen und strukturellen Faktoren des Arbeitsmarktes in Westdeutschland anhand von Mikrozensusdaten. Auch die Zugangschancen von MigrantInnen im Alter zwischen 30 und 39 Jahren zu unterschiedlichen Klassenpositionen (nach ESeC [2], basierend auf ISCO88) werden untersucht. Dabei ist für die Autoren die zeitliche Dimension von zentraler Bedeutung. Im Vergleich von 1976 und 2008 wird konstatiert, dass MigrantInnen in den qualifizierten Angestellten- und Dienstklassenpositionen weiterhin schlechtere Chancen auf Erwerbstätigkeit haben (vgl. Konietzka/Herwig 2012). Allerdings werden in den oberen Dienstklassen (Klassen 1 und 2) nur die Faktoren Staatsbürgerschaft bzw. Migrationsstatus, Bildung, Gender und Zuwanderungsgeneration berücksichtigt. Dieses scheint zur Integrationsbeurteilung etwas verkürzt und wird in der vorliegenden Arbeit unter Verwendung weiterer Faktoren differenzierter untersucht werden.

Einen interessanten Überblick über die möglichen Assimilationsprozesse bietet eine Typisierung von europäischen Berufsbiographien (vgl. Verwiebe/Müller 2006:99) auf der Basis von qualitativen Interviews. Die Autoren unterteilen hier in zunächst 5 „Schichten“: der europäischen Elite, der oberen, mittleren und unteren Mittelschicht und der europäischen Unterschicht. In ihnen wird der Verlauf von „typischen“ Berufsbiographien aufgezeigt. Diese beinhaltet Abstufungen von einer hohen Standardisiertheit (Eliten) derselben, bis zur deren vollkommener Unstandardisiertheit (Unterschicht). In der Dimension des verfügbaren, kulturellen Kapitals reicht das Spektrum von einer hohen Inkorporiertheit elitären Bildungskapitals bis zum kaum inkorporierten niedrigen Bildungskapital. Ebenso die Dimension der Verfügbarkeit über soziales Kapital; diese verläuft von einer auf sehr hohem Niveau international/globalen Vernetztheit bis zu wenig dichten regionalen und herkunftsorientierten Netzwerken. Weiters interessieren hier auch die Wanderungsgründe, die auf der Ebene der Eliten rein auf die Karriere bezogen sind, während sich diese in der Unterschicht sehr undifferenziert und als eher nicht berufsbezogen darstellen.

2.2. Untersuchungsleitende Fragestellungen und Hypothesen

Als Ausgangspunkt für weitere Fragestellungen und Hypothesen dient die Annahme, dass die Erwerbstätigkeit ein wichtiger Baustein zur Integration von MigrantInnen darstellt. In Anlehnung an Bourdieu´s Klassenmodell, orientiert sich das vorliegende Schichtmodell jedoch an Berufsgruppen, d.h. zur Klassifizierung (Schichtung) wird der ISCO-Einsteller verwendet, der neben dem Beruf auch die Indikatoren Betriebsgröße, Branche, Bildung und Stellung innerhalb des Betriebs berücksichtigt. Detaillierte Definitionen dazu, siehe Kapitel 3. Daraus ergibt sich die Forschungsfrage :

Wie erfolgreich ist die berufliche Integration von MigrantInnen aus Südost-Europa?

Dem eher explorativen ersten Teil ist ein detaillierter zweiter Teil angeschlossen, der sich speziell um die Aufklärung der (demographisch-askriptiven) Eigenschaften in der hier interessierenden Schicht von TopmanagerInnen und WissenschaftlerInnen bemüht. Die TopmanagerInnen fielen hierbei im ersten Teil der Analyse durch eine deutliche Steigerung der Eintrittswahrscheinlichkeiten auf, die per se so nicht vorherzusehen war. Selbst wenn diese Steigerung in vielen der statushöheren Berufsgruppen mit einer gleichzeitigen Reduktion der Eintrittswahrscheinlichkeiten der ÖsterreicherInnen als Referenzgruppe einhergeht, gelingt es beiden Migrantengruppen diesen „Vorteil“ zu erhalten bzw. auszubauen. Da dieser Effekt erst im Verlauf der Jahre eintritt, liegt es nahe, dass dieser eben auch mit der Aufenthaltsdauer der Zugewanderten und damit mit einer möglichen Akkumulation von sozialem und kulturellem Kapital zusammenhängt. Daher ist anzunehmen, dass ältere Menschen über mehr kulturelles und soziales Kapital verfügen als jüngere und dieser Vorteil speziell in oberen Berufsgruppen auch genutzt werden kann (vgl. Verwiebe/Müller 2006:99).

Eine weitere Dimension wird bei Esser (vgl. Esser 2001:46) angesprochen. Diese bezieht sich auf interethnische Heiratsmuster, Fertilitätsraten und damit letztendlich auf traditionelle Rollenverteilungen hinsichtlich der Reproduktionsarbeit. Gleichzeitig zeigt Fassmann (vgl. Fassmann 2008:252), dass die Migrationsbereitschaft bei Frauen deutlich geringer ist (war) als bei Männern. Diese beiden „Strömungen“ zugrundelegend, wird man sich entsprechend deutliche geschlechtsspezifische Verteilungen bei den Eintrittswahrscheinlichkeiten zwischen Männern und Frauen erwarten können.

Für das Phänomen Arbeitsmarkt mit seinen Berufsgruppen ist auch eine regionale Komponente wichtig. Dabei geht es vor allem um Interaktionen zwischen Stadt-Land-Gebieten. Diese werden über die Besiedlungsdichte abgebildet (vgl. Statistik Austria 2001). „Auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene ist die Entwicklung des ländlichen Raumes Gegenstand des allgemeinen Interesses. Um diese Entwicklungen beschreiben zu können, ist es daher notwendig das Stadt-Land-Kontinuum abzubilden und Abgrenzungen vorzunehmen.“ (Statistik Austria 2013).

Wie bereits mehrfach erwähnt, ist die Dimension der Bildung, speziell, wenn es um den Zugang zu bestimmten Berufsgruppen oder eine damit verbundene Mobilität geht von zentraler Bedeutung. Wenn dieses Faktum bereits für „Inländer“ gilt, so wird es für den Personenkreis der „Zugewanderten“ von zentraler Bedeutung, speziell was den Erwerb von aufnahmelandspezifischem kulturellen Kapital angeht (Haug/Pointner 2007:389, Bourdieu 1979). Speziell letzteres wird zumeist nur dann anerkannt, wenn es im Aufnahmeland erworben wurde und „degradiert“ damit weitestgehend die von den MigrantInnen „mitgebrachten“ bzw. bereits erworbenen Kenntnisse und Qualifikationen (Stadler/Wiedenhofer-Galik 2011)

Von dieser Basis ausgehend, ergeben sich folgende Hypothesen :

1. Ältere, erwerbstätige MigrantInnen haben höhere Chancen in obere Berufsgruppen aufgenommen zu werden als MigrantInnen mittleren Alters

2. Frauen mit ex-jugoslawischem bzw. türkischem Migrationshintergrund haben weniger Chancen, sich in den oberen Berufsgruppen des „Topmanagements“ und der „Wissenschftlern“ zu etablieren als Männer

3. MigrantInnen, die in dicht besiedelten Gebieten leben haben höhere Chancen in die oberen Berufsgruppen zu kommen als MigrantInnen, die in schwach besiedelten Gebieten leben

4. Bildung korreliert mit der Besetzung in allen Berufsgruppen. D.h. für die Berufsgruppen des Topmanagements bzw. der Wissenschaft sind entsprechende Abschlüsse Voraussetzung.

Die Aufstellung und Formulierung der Hypothesen unterlag gewissen Einschränkungen, die sich aufgrund der in den Mikrozensi erhobenen Merkmalen und Datenbeständen ergaben. Damit bleiben Fragestellungen nach Einkommensverteilungen, Vermögensverhältnissen und Betriebsgrößen als weitere mögliche Faktoren/Kovariaten zunächst offen

[...]


[1] ISCO = International Standard Classification of Occupations

[2] ESeC = European Socio-economic Classification

Final del extracto de 47 páginas

Detalles

Título
Wie erfolgreich ist die berufliche Integration von MigrantInnen aus Südost-Europa?
Subtítulo
Eine Schichtungsanalyse der österreichischen Gesellschaft mit Beginn des EU-Beitritts 1995 und 2010 unter Bezugnahme auf ihre beiden größten MigrantInnengruppen
Universidad
University of Vienna  (Institut für Soziologie)
Curso
Forschungspraktikum 1+2: Migrationsforschung in der Soziologie
Calificación
1,0
Autores
Año
2013
Páginas
47
No. de catálogo
V262367
ISBN (Ebook)
9783656512165
ISBN (Libro)
9783656511694
Tamaño de fichero
865 KB
Idioma
Alemán
Notas
Diese Studie zeigt die Entwicklung und Veränderung der beiden größten österreichischen MigrantInnengruppen (Ex-Jugoslawien und Türkei)im beruflichen Sektor, sowie geeignete Erklärungsfaktoren für diese Entwicklung. Im Anhang sind detaillierte Grundlagen der erfolgten Analysen angeführt, die eine Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse unterstützen.
Palabras clave
Piwonka, Helke, Migration, Österreich, Schichtung, Klasse, Sozialstruktur, Integration, Südosteuropa, Ex-Jugoslawien, Türkei, ISCO, Schichtungsanalyse, Heinz, Hermann, Migranten, Migrantinnen, EU-Beitritt, 1995, 2010, Überschichtung, Unterschichtung, Migrationsforschung, Berufsgruppen, österreichische Gesellschaft, Sozialsystem, Mobilität
Citar trabajo
Heinz Piwonka (Autor)Hermann Helke (Autor), 2013, Wie erfolgreich ist die berufliche Integration von MigrantInnen aus Südost-Europa?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/262367

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