„Leben heißt blinden Dingen Gesicht sein“

Strukturalistische Analyse nach Roman Jakobson und Claude Lévi-Strauss als Grundlage einer Interpretation des Gedichtes „Die Erblindende“


Trabajo Escrito, 2011

13 Páginas, Calificación: 2,3


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung.

2. Gedichtanalyse „Die Erblindende“.

2.1. Exkurs: Strukturalismus.
2.2. Aufbau & Inhalt
2.3. Analyse.

3. Rilkes Grammatik der Blindheit

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis.
5.1. Quellentexte.
5.2. Forschungsliteratur

1. Einleitung

„Leben heißt blinden Dingen Gesicht sein.“[1]

Dieses Zitat von Rainer Maria Rilke aus dem Jahr 1900 ist repräsentativ im zweifachen Sinne; so richtet der Dichter durch seine Poetik den Blick auf sonst womöglich leicht übersehbare Sachverhalte und Begebenheiten aber zweitens impliziert es auch das Motiv der Blindheit an sich.

Dem Thema „Blindheit“ widmet Rainer Maria Rilke insgesamt sechs Gedichte, jedoch ist der Prozess des Erblindens nur in einem 1906 verfassten Gedicht im Fokus.

Die folgende Arbeit widmet sich dem Gedicht „Die Erblindende“, welchem in der bisherigen Rilkeforschung nahezu keine Beachtung geschenkt worden ist.

In der Arbeit soll besagtes Gedicht, anhand Roman Jakobson und Claude Lévi-Strauss strukturalistischem Vorgehen an einem Gedicht von Baudelairs „Le Chat“, analysiert und interpretiert werden. Spannend dabei ist die Frage, ob Rilke in dem Gedicht eine Poetik/Grammatik des Erblindens entwickelt und inwiefern sich die Aussage des Gedichtes in seinem Aufbau wiederspiegelt.

Die aus der Analyse resultierenden Erkenntnisse werden mit der wissenschaftlichen Forschungslage zum Thema verglichen, um letztlich das strukturalistische Prinzip anhand eines Beispiels in seiner Methodik zu stärken oder aber Mängel aufzudecken.

2. Gedichtanalyse „Die Erblindende“

Im Folgenden soll Rainer Maria Rilkes Gedicht untersucht und interpretiert werden. Zuerst wird jedoch die methodische Herangehensweise kurz erläutert, dann der Inhalt des Gedichtes zusammengefasst um im Anschließenden das Gedicht nach phonologischen, syntaktischen und zuletzt semantischen Gesichtspunkten durchleuchten zu können.

2.1. Exkurs: Strukturalismus

Grundlage zur Analyse des Gedichtes soll der Strukturalismus[2], und genauer: eine Gedichtanalyse Jakobsons und Lévi-Strauss, sein.

Entscheidende Grundannahme ist nach Claude Lévi-Strauss „Die Struktur ist der Inhalt“, d.h., dass sich in sprachliche und anthropologische Erscheinungen immer ein die Elemente zusammenhaltendes System beruht, welches regelhaft und universell gültig ist.[3] Außerdem konstituieren sich im selben Kontext „allgemeine Dichotomien“, also Gegensatzpaare wie beispielsweise belebt und unbelebt. „Die strukturale Analyse Lévi-Strauss‘ führt Glieder syntagmatischer Ketten zurück auf universale paradigmatischer Beziehungen, die als Ihnen zugrundeliegend gedacht sind, und verharrt dabei in der Synchronie.“[4]

Paul Ricoeur beschreibt den strukturalen Grundgedanken wie folgt:

Die Strukturale Erklärung bezieht sich 1) auf ein unbewußtes System, das sich 2) durch Differenzen und Gegensätze (durch signifikative Abstände) konstituiert, die 3) gewissermaßen vom Beobachter unabhängig sind. Die Interpretation eines übermittelten Sinnes jedoch vollzieht sich 1) in der bewußten Wiederaufnahme 2) eines überdeterminierten Symbolgutes, 3) durch einen Interpreten, der sich unmittelbar in das semantische Feld des Gegenstandes, den er verstehen will, hineinbegibt und dadurch den Bedingungen des ‚hermeneutischen Zirkels‘ unterstellt.[5]

Roman Jakobson und Claude Lévi-Strauss übertrugen dann die beschriebene sprachwissenschaftliche Methode auf die Poetik. Demnach hat jedes Gedicht mehrere sich überlagernde Ebenen, die phonologische, die phonetische, die syntaktische, die prosodische und die semantische. [6] Diese sind ineinander verkettet und ergeben eine Struktur.

Ziel sollte es sein

durch möglichst formalisierbare Beschreibungen der Exaktheit der Naturwissenschaften vergleichbare Aussagen zu erzielen. Diese[…]Betrachtungsweise[…] ist bestrebt, die Gesamtheit der die Elemente eines Systems verknüpfenden Relationen integrativ zu beschreiben. [7]

Also ergeben sich, nachdem eine Struktur aufgrund der verschiedenen Ebenen erkannt und analysiert worden ist, tiefergreifende Aufschlüsse über das gesamte System.

Durch das kurz beschriebene Vorgehen, soll das Gedicht Rilkes nun analysiert werden.

2.2. Aufbau & Inhalt

„Die Erblindende“ entstand 1906 in Paris und wurde in den „Neue[n] Gedichte[n]“ veröffentlicht. Das Gedicht besteht aus vier Strophen, die sich aus je vier Quartetten zusammensetzen. Die Reime der ersten drei Strophen folgen dem Schema AbbA (umarmender Reim), die letzte Strophe AbAb (Kreuzreim) – wobei die großen Buchstaben für einen männlichen Reim stehen und die kleinen für einen weiblichen. Das Gedicht ist durchgehend im fünfhebigen Jambus verfasst worden. Formal sind die ersten drei Strophen also äquivalent aufgebaut, die dritte entspricht dem vorangegangenen Muster nicht. Das zeigt sich auch in der Silbenzahl, zählt man diese, fällt ein gleiches Schema in Strophe 1-3 auf (10-11-11-10), die letzte Strophe fällt aus dem Rahmen (10-11-10-11).

[...]


[1] Porombka, Stephan/Brittnacher, Hans Richard: Poetik der Krise. Würzburg: Könighausen & Neumann 2000, S.177.

[2] Einführend dazu beispielsweise: Müller, Hans-Harald/Lepper, Marcel/Gardt Andreas: Strukturalismus in Deutschland Literatur- und Sprachwissenschaft 1910-1975. Göttingen: Wallstein Verlag 2010.

[3] Grübel, Rainer: Formalismus und Strukturalismus. In: Arnold, Heinz Ludwig/Detering, Heinrich (Hrsg.): Grundzüge der Literaturwissenschaft. München: Deutscher Taschenbuchverlag 1996, S. 386- 408. S. 399.

[4] Ebd.

[5] Ricoeur, Paul: Struktur und Hermeneutik. In: Ricoeur, Paul: Hermeneutik und Strukturalismus. Der Konflikt der Interpretationen I. München: kösel-Verlag 1973, S. 37-79, S. 40.

[6] Jakobson/Baudelaire 2007, S. 256.

[7] Strukturalismus, in: Nünning, Ansgar (Hrsg.): Grundbegriffe der Literaturtheorie. Stuttgart: J.B. Metzler 2004, S. 260.

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Detalles

Título
„Leben heißt blinden Dingen Gesicht sein“
Subtítulo
Strukturalistische Analyse nach Roman Jakobson und Claude Lévi-Strauss als Grundlage einer Interpretation des Gedichtes „Die Erblindende“
Universidad
Ernst Moritz Arndt University of Greifswald  (Philologie)
Curso
Literaturtheorie
Calificación
2,3
Autor
Año
2011
Páginas
13
No. de catálogo
V262797
ISBN (Ebook)
9783656516255
ISBN (Libro)
9783656516385
Tamaño de fichero
489 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Rilke, Strukturalismus, Blindheit, Erblinden, Roman Jakobsons, Lévi-Strauss, Die Erblindende
Citar trabajo
Judith Hohmann (Autor), 2011, „Leben heißt blinden Dingen Gesicht sein“, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/262797

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Título: „Leben heißt blinden Dingen Gesicht sein“



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