Was damals Recht war... Eine kritische Betrachtung


Ausarbeitung, 2013

32 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Was eine seriöse Betrachtung des Themas Wehrmachtsjustiz leisten muß

Rechtsvergleichende Untersuchung

Rechtshistorische Einordnung

Bindung des Richters an das Gesetz

Aufgabe der Militärjustiz im Allgemeinen

Fahnenflucht als Widerstandshandlung

Wehrmachtsgerichtsbarkeit als Institution der Rechtssicherheit

Aufgabenbereich der Wehrmachtsgerichte

Sonderproblem Partisanen

Quantitative Betrachtung

Darstellung der Kriegsgerichtsbarkeit in anderen Ländern

Zusammenfassung – „Was damals Recht war“

Literaturverzeichnis

Vorwort

Beginnend mit dem 22.06.2007 bis zum heutigen Tag präsentiert sich eine Wanderausstellung mit dem Titel: „Was damals Recht war… Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht“ in einer Reihe von deutschen und österreichischen Städten. Das Bayerische Armeemuseum stellte in der Zeit vom 01.07. bis 21.08.2011 für diese Wanderausstellung das Zeughaus im Neuen Schloß zur Verfügung. Seither wurde sie in sieben weiteren Städten gezeigt. Geplant ist die Fortsetzung in weiteren Städten. Derzeit ist sie in der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg zu sehen. Weitere Ausstellungsorte werden vorbereitet. Das Begleitbuch zur Ausstellung mit gleichem Titel ist im Buchhandel erhältlich. Die Ausstellung hat zwar in Politik und Medien breite Zustimmung gefunden. Sie ist dennoch nicht unumstritten. Am 30.09.2011 fand hierzu im Fahnensaal des Bayerischen Armeemuseums eine Podiumsdiskussion statt, in der Konzeption und Darstellungsweise dieser Ausstellung auch kritisch gewürdigt wurden. Ich habe an dieser Veranstaltung auf dem Podium teilgenommen. Das war für mich Veranlassung, den bei dieser Diskussion aufgeworfenen Fragen nachzugehen. Gerade weil die Geschichte der Wehrmachtsgerichtsbarkeit weithin unbekannt ist, erscheint es mir erforderlich, die durch diese Wanderausstellung aufgeworfenen Fragen wenigstens kursorisch zu behandeln. Das soll in dem nachstehenden Beitrag versucht werden. In einem so kurzen Beitrag kann keinesfalls eine erschöpfende, wissenschaftlichen Maßstäben genügende Bearbeitung des Themas erfolgen. Das ist auch nicht mein Anspruch. Vielmehr stelle ich einfach die Fragen, die sich einem Besucher dieser Ausstellung aufdrängen, sofern er über mehr als bloß rudimentäre Kenntnisse der Geschichte des vergangenen Jahrhunderts verfügt. Hinzu kommt, daß ich als Jurist und seit Jahrzehnten forensisch tätiger Rechtsanwalt an dieses Thema schon von Berufs wegen anders herangehen kann (und muß!), als jemand, dem die juristischen Probleme der Militärjustiz im Allgemeinen und der Wehrmachtsgerichtsbarkeit im Besonderen fernliegen. Eine seriöse und vom sogenannten Zeitgeist nicht beeinflußte wissenschaftliche Bearbeitung des Themas ist zu wünschen.

Diese Ausstellung ist eine Anklage, aber keine objektive Darstellung eines historischen Sachverhalts. Denn sie beschränkt sich offenbar bewußt auf die Vorstellung solcher Sachverhalte, die aus dem Zusammenhang gerissen nur zu einer Verurteilung der Wehrmachtsgerichtsbarkeit im Ganzen führen können. Allerdings waren, um im Bild zu bleiben, Staatsanwälte am Werk, die es nicht nur unterlassen haben, auch nach hinreichend entlastenden Fakten zu suchen, sondern diese bewußt entweder ganz ausgeklammert oder nur beiläufig erwähnt haben, wenn es gar nicht anders ging. Die durchgehende Bezeichnung der Richter als „Täter“ und der Angeklagten als „Opfer“ tut ein übriges, denn der Ausdruck „Täter“ ist jedenfalls im juristischen Sprachgebrauch nur für den verurteilten Straftäter gebräuchlich, ebenso wie in diesem Zusammenhang vom Opfer einer Straftat die Rede ist. Zwar wird man bei Justizunrecht im Einzelfall, wahrscheinlich sogar in vielen einzelnen Fällen, von Rechtsbeugung und damit einer Straftat sprechen können. Pauschalisierungen indessen sind regelmäßig unzutreffend. Damit fehlt es an der Ausgewogenheit, die von einer seriösen Auseinandersetzung mit jedem Thema, auch diesem, erwartet werden kann. Um nur die wichtigsten Auslassungen und schlichten Unrichtigkeiten vorweg zu benennen:

Unterschlagen wird die Tatsache, daß Richter überall und jederzeit Gesetze anzuwenden haben, die sie nicht gemacht haben. Das gilt im vorliegenden Falle auch für eindeutig nationalsozialistisches Unrecht wie die Kriegssonderstrafrechtsverordnung (KSSVO) und die Abschaffung des Analogieverbots im Strafgesetzbuch. Das war nicht auf das militärische Strafrecht beschränkt, sondern allgemein galt nicht mehr der Grundsatz: „Nulla poena sine lege- Keine Strafe ohne Gesetz“, was bedeutet, daß der gesetzliche Tatbestand einer Straftat buchstabengetreu erfüllt sein muß, um zu einer Strafbarkeit zu gelangen. Statt dessen sollte ausdrücklich auch strafbar sein, was nicht vom Wortlaut der Strafvorschrift gedeckt war, wobei das sogenannte „gesunde Volksempfinden“ den Beurteilungsmaßstab geben sollte.

Nur sehr kursorisch behandelt wird die Situation in anderen Staaten, sowohl in demokratischen Rechtsstaaten wie den USA, als auch in diktatorischen Unrechtsstaaten wie der Sowjetunion.

Rechtlich nicht haltbar ist es, Verurteilungen von Nichtkombattanten, die dann auch noch ebenso beschönigend wie fehlerhaft Widerstandskämpfer genannt werden, in eine Reihe mit typischem NS-Unrecht oder im Einzelfall überzogener Rechtsanwendung zu stellen. Ebenso unvertretbar ist es, kommunistische Regimegegner und Angehörige einer vom Feind gegen Deutschland aufgebauten Organisation wie des „Nationalkommittees Freies Deutschland“ (NKFD) in eine Reihe mit den Opfern einer auf spezifischem NS-Unrecht basierenden Rechtsprechung zu stellen.

Die durchaus feststellbare Vielschichtigkeit der Wehrmachtsjustiz wird zugunsten eines nahezu formatfüllenden Bildes einer Organisation von „Blutrichtern“ negiert. Nur als Unverschämtheit kann die Darstellung des vom Naziregime am 09.04.1945 unter erniedrigenden Umständen ermordeten Heeresrichters Dr. Sack gewertet werden, von dem zwar notgedrungen berichtet wird, daß er dem Widerstand gegen Hitler angehört hat, dem aber unterstellt wird, durch seine Weisungen an nachgeordnete Dienststellen zur Verschärfung der Rechtsprechung beigetragen zu haben. Liest man als Jurist allerdings das zum Beleg dieser Behauptung wiedergegebene Schriftstück, dann kommt man nicht umhin festzustellen, daß das Gegenteil richtig ist. Dr. Sack fordert in dieser Weisung eine genaue Subsumtion des Sachverhalts unter die betreffende Strafvorschrift und eine am Zweck des Gesetzes orientierte Auslegung der Tatbestandsmerkmale. Das entspricht ja dem herkömmlichen Rechtsgrundsatz des nulla poena sine lege, was tendenziell den Angeklagten schützt. Die Darstellung des Falles Filbinger kann nur als verleumderisch bezeichnet werden. Erstaunlich ist vor allem, daß so etwas noch im Jahre 2011 und später in einer solchen Ausstellung passiert, wo doch inzwischen jedes Kind wissen sollte, daß es sich bei der Kampagne gegen Filbinger im Jahre 1978 um eine von der Stasi gesteuerte Aktion gehandelt hat, die ihre mediale Wirkung in nicht mehr zu steigerndem Maße erfuhr, als ein mittelmäßiger Schriftsteller zum zweiten Mal die Chance gekommen sah, sich auf Kosten einer großen Persönlichkeit aus dem im weiten Sinne konservativen Lager geschichtsklitternd zu profilieren.1

Vorgestellt werden ausschließlich Sachverhalte, die in den meisten Fällen nicht nur aus heutiger Sicht schlicht und einfach nur als himmelschreiendes Unrecht bezeichnet werden können. Aber eben ausschließlich. Das gilt ebenso für die namentlich benannten Wehrmachtsjuristen. So wird etwa Schwinge wohl zu Recht hier eingereiht, Filbinger und Sack eben nicht zu Recht. Es wird der Eindruck erweckt, Wehrmachtsjuristen seien regelmäßig systemaffine „Blutrichter“ gewesen.

Das ist eine eifernd-kategoretische Darstellung. Kategoretisch (anklagend), weil sie den Vorgang gewissermaßen vor dem Gesinnungsgerichtshof der politisch korrekt denkenden Intellektuellen dieses Landes, und das mit dem Pathos der berühmten Streitschrift von Emile Zola in der Affäre Dreyfus – „J’accuse!“ –, zur Verhandlung bringt. Das erklärt wohl auch die panegyrischen Elogen der politischen Prominenz im Anhang der Lehrerhandreichung zur Ausstellung. Wegen der geballten Intensität dieser Lobhudeleien sei mir ausnahmsweise der vorstehende Pleonasmus gestattet. Ginge es in dieser Ausstellung um das, was ihre Bezeichnung nahelegt, nämlich die Darstellung dessen, „was damals Recht war“, so müßte sie thematisch sehr viel weiter ausgreifen und das damalige Kriegsrecht in seiner ganzen Bandbreite darstellen, auch das Kriegsrecht anderer Staaten, hinsichtlich der jeweils geltenden Rechtsvorschriften und ihrer praktischen Anwendung.

Was das im einzelnen heißt, will ich nachfolgend skizzieren. Mir geht es natürlich nicht um eine beschönigend apologetische Behandlung des Themas. Das wäre ja nur das antagonistische Vexierbild dieser Ausstellung. Mir als Juristen geht es darum, daß eine wahrheitsgemäße Darstellung wenigstens bemüht sein muß, das ganze Bild zu zeichnen.

1 Was eine seriöse Darstellung des Themas Wehrmachtsjustiz leisten muß:

Die zielführende Darstellung, die es dem Betrachter ermöglicht, sich sein eigenes Urteil zu bilden, statt reflexhaft zuzustimmen, darf keine an das Mitgefühl des Betrachters appellierende Aneinanderreihung von tatsächlichen oder auch nur vermeintlichen Grausamkeiten sein. Sie darf sich aber auch nicht in einer bloß abbildenden Schilderung der Wehrmachtsgerichtsbarkeit erschöpfen. Denn das genügt nicht zur historischen Einordnung des betrachteten Geschehens. Notwendig ist also die objektive, vor allem nicht unter volkspädagogischen Gesichtspunkten selektive Darstellung des Geschehenen im Rahmen der – nicht lediglich kursorischen - rechtshistorischen und rechtsvergleichenden Betrachtung. Nur eine solche Darstellung ist wissenschaftlich nicht angreifbar, weil sie sich der Überprüfung an Wahrheitskriterien stellt, eben das „logon didonai“ (Rechtfertigung [des Behaupteten] geben) leistet. Das bedeutet, daß weit umfassender recherchiert, ausgewählt und dargestellt werden muß, als dies hier geschehen ist.

2 Rechtsvergleichende Untersuchung:

Die Darstellung der Kriegsgerichtsbarkeit während eines bestimmten Zeitraumes nur in einem Land, ohne eine zum Vergleichsmaßstab taugende Erläuterung der Rechtslage und –praxis in anderen Ländern, macht es dem Besucher der Ausstellung unmöglich, die ihm vorgestellten Sachverhalte historisch einzuordnen. Das gilt vor allem im Hinblick darauf, daß vom Besucher der Ausstellung nicht erwartet werden kann, er verfüge über auch nur halbwegs hinreichende Kenntnisse der Geschichte, insbesondere der Geschichte der Weltkriege. Das gilt – leider – vor allem für die Schulklassen, die in großer Zahl durch diese Ausstellung geführt werden (sollen). So erfährt man zum Beispiel, daß damals in Deutschland die Fahnenflucht im Kriege mit der Todesstrafe bedroht war, und diese auch von den Kriegsgerichten der deutschen Wehrmacht sehr häufig verhängt wurde. Eine objektive Bewertung dieser Tatsache kann jedoch nicht erfolgen, wenn man nicht weiß, wie die Rechtslage zur gleichen Zeit in anderen Staaten war, und wie die Kriegsgerichte dieser Länder judiziert haben. Erst dann wird man festgestellte Unterschiede oder auch Gleichartigkeiten etwa daraufhin untersuchen können, aus welchen Gründen dieses Vergehen im Staat A unnachsichtig geahndet worden ist, und im Staat B eine völlig andere Rechtspraxis festzustellen ist. Eine Ausstellung, die für sich in Anspruch nimmt, auf wissenschaftlicher Grundlage dem Besucher ein historisches Thema nahezubringen und auch den Geschichtsunterricht in den Schulen ergänzen und unterstützen will, muß auf einer breiten Tatsachenbasis eigene Schlußfolgerungen ermöglichen.

Das leistet diese Ausstellung nicht. Vielmehr wird dem Betrachter sein Urteil bereits durch die Verengung der Darstellung auf die Wehrmachtsgerichtsbarkeit im II. Weltkrieg vorgegeben. Hinzu tritt die Auswahl sowie die Art und Weise der Aufbereitung der vorgestellten Texte. Weil die einzelnen Fälle vor allem aus heutiger Sicht bedrückend wirken und der Sprachgebrauch der Richter vielfach unbarmherzig und fanatisch klingt, kann der Besucher nur zu einem vernichtenden Urteil über die Wehrmachtsjustiz im Ganzen gelangen. Die für die visuelle Aufbereitung verantwortliche Gestalterin bekundet diese Absicht auf S. 10 f. der Lehrerhandreichung zur Ausstellung auch in dankenswerter Offenheit.

3 Rechtshistorische Einordnung:

Weil es bei der Ausstellung um ein historisches Thema geht, muß es auch in seinen historischen Rahmen gestellt werden. Denn sowohl die Gedankenwelt jener Zeit als auch ihre Rechtsvorstellungen sind nur zu verstehen im Wege eines gedanklichen Nachvollzugs. Erst wenn man weiß, was Kriegsgerichtsbarkeit in den Jahrzehnten zuvor bedeutet hat, und wie sich das allgemeine Strafrecht und das Militärstrafrecht bis zu der Zeit entwickelt haben, in der die Fälle spielen, über die diese Ausstellung berichtet, ist man in der Lage zu urteilen. Dazu gehört ganz sicher die Rechtslage und –praxis während des I. Weltkrieges, selbstverständlich wiederum rechtsvergleichend.

4 Bindung des Richters an das Gesetz:

Der Besucher der Ausstellung kann den Eindruck gewinnen, die Wehrmachtsgerichte hätten doch ohne weiteres auch anders, gewissermaßen menschlicher, judizieren können. Denn in dem Vorwurf, Terrorinstrument eines Unrechtsregimes gewesen zu sein, steckt ja auch die Unterstellung, die Richter hätten auch anders entscheiden können, wenn sie gewollt hätten. Weil sie das nicht getan hätten, seien sie eben nichts anderes als Schergen des Regimes gewesen. Dabei wird völlig übersehen, daß bis 1946 jedenfalls in Deutschland kein Jurist in Zweifel gezogen hat, daß Gesetze, und seien sie noch so drakonisch, grundsätzlich von den Gerichten anzuwenden sind. Die berühmte Radbruch‘sche Formel ist ja erst nach dem Zweiten Weltkrieg von dem Strafrechtslehrer Gustav Radbruch formuliert worden. Sie sie lautet nach dem von Radbruch selbst 1956 veröffentlichten Text:

[...]


1Bruno Heck (Hrsg.) Hans Filbinger, Der Fall und die Fakten, v. Hase & Koehler Verlag Mainz 1980 Franz Neubauer, Der öffentliche Rufmord, Verlag S. Roderer Regensburg, 2. Aufl. 2007

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
Was damals Recht war... Eine kritische Betrachtung
Autor
Jahr
2013
Seiten
32
Katalognummer
V264055
ISBN (eBook)
9783656533528
ISBN (Buch)
9783656535652
Dateigröße
575 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
recht, eine, betrachtung
Arbeit zitieren
Rainer Thesen (Autor:in), 2013, Was damals Recht war... Eine kritische Betrachtung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/264055

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Was damals Recht war...  Eine kritische Betrachtung



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden