Beyond 2014? Die Zukunft Afghanistans

Eine multidimensionale und subjektive Bewertung


Ensayo, 2013

30 Páginas


Extracto


Inhalt

1. EINLEITUNG

2. HERLEITUNG: MEINE PERSÖNLICHEN BETRACHTUNGSWINKEL
2.1. Die soldatische Dimension meines Denkens
2.2. Die private Dimension meines Denkens

3. PERSÖNLICHER AUSBLICK, Zwischenfazit

4. AFGHANISTAN - seziert
4.1. Historie
4.2. ETHNISCHE BETRACHTUNG
4.3. KULTURELLE BETRACHTUNG

5. QUO VADIS AFGHANISTAN - Wie geht es weiter nach 2014?

Exkurs 1: NIE VERGESSEN - unsere Gefallenen!

Fortsetzung: QUO VADIS AFGHANISTAN - Wie geht es weiter nach 2014?

Exkurs 2: COUNTERINSURGENCY

Fortsetzung: QUO VADIS AFGHANISTAN - Wie geht es weiter nach 2014?

6. DER MOHR HAT SEINE SCHULDIGKEIT GETAN

7. SCHLUSSPLÄDOYER

8. Literaturverzeichnis

1. EINLEITUNG

Oft wurde ich gefragt, was ich aufgrund meiner Erfahrungen in Afghanistan, von dem deutschen militärischen Engagement halte und vor allem von der Zukunft des Landes, die ja immer wieder in der breiten Öffentlichkeit diskutiert wird angesichts der Berichterstattung über unsere "verratenen Helfer".

Ich habe mir angewöhnt dieses bis hin zu epischer Breite erklären zu wollen. Das soll hier auch der Fall sein. Daher wird der nun folgende Aufsatz meine private Meinung unter Betrachtung ethnisch-historisch-kultureller Aspekte wiedergeben, die durch meine persönlichen Erfahrungen und Bewertungen geprägt sind. Dieser Aufsatz dient als Grundlage für einen durch mich gehaltenen Vortrag zum gleichen Thema. Dabei habe ich auf Informationen und Kenntnisse aus meiner Einsatzausbildung sowie persönlicher Erfahrungen im Einsatz zurückgegriffen. Auf eine akademische Bearbeitung mittels Fachquellen wurde bewusst verzichtet.

Das Bild auf der Titelseite stammt aus meinem persönlichen Fundus aus dem Einsatz und zeigt Kinder aus dem Distrikt Chahar Darreh, Provinz Kunduz.

2. HERLEITUNG: MEINE PERSÖNLICHEN BETRACHTUNGSWINKEL

Als Herleitung zu dem Engagement in Afghanistan an sich muss ich erst einmal klarstellen, wie ich überhaupt zu dem Einsatz stehe. Das Ganze MUSS ich meiner Meinung nach aus zwei Blickwinkeln angehen und diese dann zur Person Björn Schreiber vereinen:

2.1. Die soldatische Dimension meines Denkens

Ich war 12 Jahre Soldat. Ich habe die Bundeswehr freiwillig verlassen, aber in meinem Herzen wird diese doch immer einen großen Platz einnehmen: Ich bin 12 Jahre als Soldat sozialisiert worden, habe extrem viele schöne Momente erleben dürfen, viele Erfahrungen sammeln können und weiß, wie es sich anfühlt unter einer dauerhaften latenten Bedrohung zu agieren. Sicherlich bin ich kein simpler Befehlsempfänger gewesen, das verbietet mir als Offizier auch das Prinzip der Inneren Führung! Ich habe (fast) immer jeden Befehl verstehen können, und wenn es mal nicht der Fall war, so habe ich meinen Vorgesetzten vertraut. Das Verständnis hat sich meistens während des Auftrags eingestellt, spätestens aber nach Beendigung und Zielerreichung.

Und nun kommen wir zum Hauptaspekt: Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee und somit habe ich auch die Abgeordneten zumindest als indirekte Vorgesetzte wahrgenommen. Wenn diese also einen Beschluss für ein Mandat getroffen haben, so werden diese das nicht einfach so getan haben! Aus Gesprächen und Schriftwechseln mit Abgeordneten weiß ich, dass diese sich diese Entscheidungen nicht leicht machen.

Zwar halte ich nicht allzu viel von der Aussage unseres mittlerweile verstorbenen ehemaligen Verteidigungsminister Struck, dass "Unsere Sicherheit nicht nur, aber auch am Hindukusch verteidigt wird" (Struck, 2004). Aber falsch ist diese Aussage auch nicht! Im Rahmen unseres Beitritts zur NATO haben wir uns auch zur kollektiven Sicherheit verpflichtet, die die USA nach dem 11. September 2001 (an diesen Tag erinnere ich mich noch sehr gut - änderte er doch mein komplettes Weltbild, als ich an dem Tag an Oberdeck der Gorch Fock stand und die Nachricht hörte) einforderten. Dass Afghanistan damals unter der Herrschaft der Taliban Osama bin Laden und Al Qaida Unterschlupf gewährte, um Ausbildungscamps zu betreiben, führte dazu, dass das Taliban-Regime in den Fokus geriet.

Um meine Sicht als Soldat abschließend zu beschreiben: Ja, ich stehe zu diesem Einsatz, weil das Parlament (wenn auch mit knapper Mehrheit und nach Kopplung der Abstimmung an die Vertrauensfrage Schröders) es so beschlossen hat! Und - wie oben beschrieben: Die Gründe dieser Entscheidung sind für mich nachvollziehbar gewesen. Der einzige Fehler war, dass Deutschland blauäugig in das Land gegangen ist mit der Ansicht, es halte sich um einen Wiederaufbaueinsatz, bei dem nicht viel passieren wird.

2.2. Die private Dimension meines Denkens

Als Privatperson kann ich den Unmut vieler Menschen nachvollziehen, warum die Bundeswehr nichts im Ausland zu suchen hat und erst recht nicht in Kampfhandlungen. Zu tief sitzen Erinnerungen an Krieg, Leid und Tod in unserer Gesellschaft verwurzelt. Auch wenn es nicht mehr viele deutsche Bürger gibt, die die Grauen der Weltkriege miterlebt haben. Und aus eigener Erfahrung: Es ist ein Sch...-Gefühl, wenn man gefallenen Soldaten die letzte Ehre erweist! Da spielt die Nationalität im Übrigen nicht ansatzweise eine Rolle: Die Tränen stehen einem bei jedem Einzelnen in den Augen. Dazu empfehle ich den von der WELT-Journalistin Simone Meyer geschriebenen Artikel "Wir haben Verantwortung" (Meyer, 2011), auch wenn dieser auf etwas anderes abzielt zeigt es doch auch die Emotionalität, die sich bei solchen Anlässen aufbaut.

ABER: Ich als Staatsbürger bin mir bewusst, dass Deutschland nicht einerseits auf großer Bühne mitspielen will und sich dann brav zurücklehnt, wenn es heikel werden kann. TEAM heißt eben nicht "toll ein anderer macht‘s" - und ich sehe UNO, NATO und EU in Form von Staatengemeinschaften eben auch als große Teams an.

Wenn tatsächlich eine Mehrheit der Deutschen die Einsätze ablehnen würde, dann müssten doch die Parteien eine deutliche Mehrheit bekommen, die einen sofortigen Abzug einfordern und dann sicherlich auch durchsetzen würden, oder? Na gut... So einfach ist das dann auch nicht abzuhandeln.

Diese beiden Sichtweisen machen deutlich, dass ich hinter dem militärischen Engagement in Afghanistan stehe.

3. PERSÖNLICHER AUSBLICK, Zwischenfazit

Kommen wir nun zu meiner Ansicht, wie sich Afghanistan nach dem Abzug der Haupttruppen 2014 weiterentwickeln wird. Dabei betrachte ich bewusst nicht die dann - wie auch immer gestaltete - "Post-ISAF-Mission". Wenn Sie, geneigter Leser, bis hierhin gelesen haben, könnte ich das Ganze nun ziemlich schnell zum Ende bringen, indem ich antworte: "Man wird es sehen!" Wie drückt es ein Oberfeldwebel im Film "Foxtrott 4" von Jonathan Schnitt so schön aus? "Ob dieser Krieg verloren ist oder nicht, werden wir erst wissen, wenn wir aus diesem Land wieder raus sind." (Schnitt, 2012)

Das wäre aber zu einfach, wenn ich das hier nun so beenden würde und Sie würden sich ärgern, dass Sie überhaupt so weit gelesen haben, weil man diese Antwort überall hören kann. Außerdem habe ich ja versprochen meine Sicht der Dinge zu erläutern und das Ganze auch detaillierter auszuführen. Und meine Meinung die Helfer betreffend ist mit der Antwort nicht ausgedrückt. Also: Bleiben Sie dabei - ich werde Antworten geben und Ihnen vor allem sagen, warum ich so denke.

4. AFGHANISTAN - seziert

Afghanistan nur auf die Talibandiktatur oder die Zeit nach 9-11 zu reduzieren ist grundlegend falsch und entbehrt jeden wahrhaftigen Ernstes! Auch die Einbeziehung der Sowjetbesatzung wird einer umfänglichen Betrachtung nicht gerecht: Afghanistan war schon immer ein Land, das im Rahmen der Weltgeschichte zu leiden hatte, sich aber auch zur Wehr setzte. Gerade aus diesem Grund ist es - meiner Meinung nach - nicht zulässig Afghanistan ohne ethnisch-historisch-kulturelle Betrachtung zu bewerten.

4.1. Historie

War selbst Alexander der Große schon am Hindukusch, so ist die erste wirkliche Zäsur in der Geschichte dieses Landes mit der britischen Kolonialherrschaft bzw. den Streitereien um Vormachtstellungen im "Great Game" zwischen Russland und Großbritannien wahrzunehmen. 1919 wurde Afghanistan von den Briten als souverän anerkannt, der Wachan-Korridor (also der "schmale Finger" im Nordosten) wurde im 19. Jahrhundert als Pufferzone im Speziellen zwischen Russland und Großbritanniens Kolonien eingerichtet, grundsätzlich galt aber ganz Afghanistan als Puffer. Auch der Grenzverlauf zu Pakistan ist nicht unstrittig, zumal in Afghanistan nicht geographische Grenzen von Bedeutung sind, sondern ethnische Verwandtschaften. Die Durand-Linie ist die am geringsten akzeptierte „Grenze“ in der Region: Kein afghanisches Oberhaupt kann diese willkürliche Grenze anerkennen. Auf die Frage, was passieren würde, wenn es ein Oberhaupt täte, antwortete mir mal ein hochgebildeter Exil-Afghane: „Falls er es doch tut unterschreibt er sein eigenes Todesurteil!“

4.1.1. 1919 - 1945

Wie auch immer: Afghanistan erlebte nach 1919 einen gewissen Aufschwung, wie auf vielen Bildern gesehen werden kann. Nur eine dieser Bildersammlungen finden Sie im Internet[1]. Auch der Roman und der Film "Drachenläufer" zeigt das florierende Afghanistan kurz vor der russischen Besetzung. Doch wie kam es zu der russischen Invasion?

Hatte doch das Land nach 1919 unter der konstitutionellen Monarchie und der Unterstützung Deutschlands viele Fortschritte gemacht und sich gegen Ende des 2. Weltkriegs zu einem neutralen Staat erklärt.

4.1.2. Ende der konstitutionellen Monarchie

In den 70ern bereits nahm das "Unheil" seinen Lauf: Der König wurde während eines Kuraufenthaltes entmachtet zugunsten einer Republik, die sein Schwager mittels Staatsstreich initiierte. Die Irren und Wirren des Konflikts zwischen einer sozialistisch geprägten Partei, islamistischen Bewegungen und dem Staatsapparat endeten schließlich in einer Machtübernahme der Sozialisten, die die "Demokratische Republik Afghanistan" ausriefen. Bodenreformen, Radikalisierung und Aufstände von enteigneten Besitzern (inklusive Unterstützung durch China und die USA) gipfelten in offenen Konflikten mit konservativ-islamistischen Bewegungen. Dieses motivierte Russland im Jahr 1979 seinem sozialistischen Nachbarn "zu helfen": Als die UdSSR sah, dass die Putschisten sich nicht mehr an der Macht halten konnten, marschierte die Sowjet Union in Afghanistan ein. Hier wurde die sog. Breschnew Doktrin[2] als Maßstab herangezogen.

Mittels Guerillataktiken wie auch schon in den Kriegen gegen Großbritannien gelang es den "Mujaheddin" aber mithilfe verschiedener Verbündeten - vor allem den USA - die Sowjetarmee zurückzudrängen. Afghanistan war somit Schauplatz für einen der vielen Stellvertreterkriege des Kalten Krieges geworden, obwohl sich die Sowjetunion in diesem Fall nicht stellvertreten ließ!

4.1.3. Machtübernahme der Taliban

Im nun herrschenden Machtvakuum eskalierte die Lage - es kam zu einem Bürgerkrieg. Ehemalige Verbündete im Kampf gegen die Sozialisten strebten nun nach der Macht im Land. Am Ende obsiegten die Taliban unter Mullah Omar, errichteten das Afghanische Emirat und gestalteten das Land zu einem streng-islamisch geprägten Land um. Al Qaida unterstütze die Taliban schon sehr früh nach ihrem Bestreben das Land zu übernehmen, sodass Osama bin Laden ein "gern gesehener Gast" in dem neuen Gottesstaat wurde.

Alles andere (Anschläge auf Botschaften, 9-11) ist bekannte Geschichte, sodass ich hier an dieser Stelle den historischen Part beenden kann.

4.1.4. Bewertung der Historie

Afghanistan hat nur wenige Einwohner die so alt sind, dass sie ein relativ verlässliches und stabiles politisches System kennengelernt haben. Vorausgesetzt man wertet das Talibanregime mit dem durch die Sharia verlässlich geprägte Rechtssystem nicht! Bzw. wenn sie sich mit ihrer Geschichte auskennen ist ein demokratisches System nicht wirklich der Garant für Frieden und Sicherheit. Wie sollen die Menschen also in weniger als 15 Jahren Vertrauen aufbauen in dieses System, wenn wir Deutschen schon wahrnehmen, dass da nicht alles gut ist im Staate Afghanistan? Die Menschen spüren dieses jeden Tag am eigenen Leib.

In meinem Studium der Erziehungswissenschaften haben wir uns schon über die Illusionisten gewundert, die nach dem "PISA-Debakel" sofortige Reformen im Schulsystem forderten und dann 2 Jahre später bei der nächsten Studie dem Suizid nahe waren, weil die Ergebnisse nicht besser waren... Dieses einfach mal übertragen: Da leben Menschen in einem seit fast 35 Jahren von Krieg geprägten Land und sollen dem politischen System vertrauen, was letztlich der Auslöser der Kriegswirren ist? Einer Republik? Nur weil die dieses Mal "Islamische Republik Afghanistans" heißt?

[...]


[1] U.a. hier: http://www.pbase.com/qleap/afghan

[2] „Die Breschnew-Doktrin ist die Doktrin des sowjetischen Staats- und Parteichefs Leonid Breschnew die von der "beschränkten Souveränität" der sozialistischen Staaten ausging und daraus das Recht ableitete einzugreifen wenn in einem dieser Staaten der Sozialismus bedroht werde. Der Einmarsch der Armee des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei 1968 wurde damit nachträglich gerechtfertigt. Ähnliches gilt für die Militärintervention der Sowjetunion in Afghanistan 1979 .Michail Gorbatschow hob die Breschnew-Doktrin 1989 auf.“ (Unbekannt, 2013)

Final del extracto de 30 páginas

Detalles

Título
Beyond 2014? Die Zukunft Afghanistans
Subtítulo
Eine multidimensionale und subjektive Bewertung
Autor
Año
2013
Páginas
30
No. de catálogo
V265547
ISBN (Ebook)
9783656552017
ISBN (Libro)
9783656552123
Tamaño de fichero
798 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
beyond, zukunft, afghanistans, eine, bewertung
Citar trabajo
Björn Schreiber (Autor), 2013, Beyond 2014? Die Zukunft Afghanistans, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/265547

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