Leseprobe
Gliederung:
1. Einleitung
2. Gefahren von Computerspielen
2.1. Grad der Beständigkeit von Computerspielen
2.1.1. Nicht persistente Onlinespiele
2.1.2. Persistente Onlinespiele
2.1.2.1. Persistente Online-Welten mit Avataranbindung
2.1.2.2. Persistente Online-Welten mit Siedlungsbindung
2.2. Definition des Begriffs Sucht nach Schulz
2.3. Suchtförderndes Potential
2.4. Klassifikation der Computerspielsucht
2.5. Kennzeichen der Computerspielsucht nach Grüsser
2.6. Integratives ätiologisches Modell
2.7. Weitere Gefahren von Computerspielen
2.7.1. Aggressives Verhalten
2.7.2. Soziale Folgen
2.7.3. Realitätsverlust
2.7.4. Physische Folgen
2.7.5. Goldfarmen
2.8. Religionspädagogischer Bezug
3. Resümee
4. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Gefahren von Computerspielen sind in unserer heutigen Gesellschaft nicht zu unterschätzen. Was vor einigen Jahren noch als Einzelfall abgetan werden konnte, ist heute zu einem ernstzunehmenden Problem geworden. Auch Sänger Jan Delay setzt sich in seinem Lied Bürger von Konsolien [1] mit dieser Thematik auseinander. So spricht er an, dass die Menschen durch das Computerspielen ihre Zeit totschlagen, es ist eine Art neue Volksdroge, um vor der Realität zu entfliehen und sich in einer eigenen Welt zu verkriechen. Auch spricht er von „seelenlosen Körpern“[2], da viele Computerspielsüchtige keinen Wert mehr auf das echte Leben legen, sondern sich im Internet eine Wirklichkeit aufbauen, in die sie sich, wie gerade schon erwähnt, zurückziehen können. So trifft auch die Beschreibung zu, dass diese Menschen von anderen für Verlierer gehalten werden, wohingegen sie in ihrer virtuellen Welt alles schaffen können, deshalb ziehen sie sich dorthin zurück, da in der Realität echte Gefahren lauern, die sie womöglich nicht bewältigen können. Denn im echten Leben gibt es eben „bei Gefahr kein Pausenknopf“[3]. So spricht Jan Delay in den Grundzügen bereits das Wesentliche an, was in dieser Arbeit behandelt werden soll.
In der vorliegenden Arbeit, deren Thema die Gefahren von Computerspielen sind, geht es in einem ersten Schritt darum, welche Spiele überhaupt süchtig machen können. Anschließend werden diese Spieltypen näher erläutert, da es verschiedene Arten gibt. Der darauf folgende Absatz beschäftigt sich mit der Definition von Sucht, um ein erstes Grundverständnis davon zu erhalten. Weiterhin wird erörtert, welches suchtfördernde Potential in unserer Gesellschaft vorliegt, bevor es um die eigentliche Klassifikation der Computerspielsucht und den Kennzeichen dieser Sucht geht. Hierzu gehört auch die kurze Betrachtung und Erläuterung eines integrativen ätiologischen Modells, das zu erklären versucht, welche Faktoren eine Sucht begünstigen. Somit wird in dieser Arbeit vornehmlich auf die Computerspielsucht eingegangen, da diese die größte Gefahr bei Computerspielen darstellt. Doch anschließend an die Kennzeichen und die Klassifikation der Computerspielsucht wird versucht, einen ergänzenden Überblick zu geben, der die Gefahren anspricht, welche oft aus der Computerspielsucht entstehen können, wie z.B. das aggressive Verhalten von Betroffenen oder der Realitätsverlust. Am Ende dieser Arbeit soll der Zusammenhang zwischen diesem Thema und dem Lehrplan für den katholischen Religionsunterricht des bayerischen Gymnasiums hergestellt werden. Damit soll gezeigt werden, dass dieses - relativ moderne - Thema im Religionsunterricht gewinnbringend eingebracht werden kann.
2. Gefahren von Computerspielen
2.1. Grad der Beständigkeit von Computerspielen
Bevor auf die Computerspielabhängigkeit an sich eingegangen wird, soll zuerst die Frage geklärt werden, welche Spiele das größte Suchtpotential bieten. Hierzu wird der Grad der Beständigkeit von Computerspielen betrachtet. Denn umso höher dieser ist, desto größer ist die Gefahr von den jeweiligen Spielen süchtig zu werden. Das Hauptaugenmerk liegt bei dieser Betrachtung in allen Kategorien auf den Online Spielen, da diese das größte Suchtpotential besitzen, Spiele ohne Online Spieler Modus werden hierbei außer Acht gelassen, da sie im Grunde für dieses Thema wenig bis gar nicht relevant sind.
2.1.1. Nicht persistente Spiele
Das Wort persistent beschreibt in diesem Zusammenhang, von welcher Dauer das Spiel ist, also ob es kurz gespielt und danach wieder ausgeschaltet werden kann oder ob das Spiel fortgeführt wird, auch wenn der einzelne User gar nicht mehr online ist. Demzufolge sind Spiele nicht persistent, wenn sich auch nur dann in ihrer Handlung fortlaufen, nachdem sie vom Spieler gestartet wurden. Die Handlung steht still, wenn der User nicht vor dem Spiel sitzt und selbiges spielt.
Als ein Beispiel seien hier die „Casual Games“ genannt. Diese sind vorwiegend Knobel- und Geschicklichkeitsspiele, hier „beschränkt sich das Spielen oft nur auf einen kurzen Zeitraum“ [4]. Es ist kein andauerndes Üben notwendig und die Regeln sind meist sehr leicht zu verstehen. Andere Spieler zeigen sich bei solchen Spielen oft nur auf einer Bestenliste, es gibt somit keinen direkten Konkurrenzkampf, der die Spieler dazu verleiten könnte ihre Spielzeit deswegen zu verlängern. Das alles sind Indizien dafür, dass kaum Suchtgefahr besteht.
Ein weiteres Beispiel für diese Spielkategorie sind Online-Spiele, die in vorher abgesprochenem zeitlichen Rahmen gespielt werden. Bei diesen Spielen ist das Erlernen eines anspruchsvollen Regelwerks und das Üben der Steuerung nötig, allein dadurch steigt die vor dem Computer verbrachte Zeit deutlich an. Zu diesen Spielen zählen Strategiespiele, wie „Command and Conquer“, Sportspiele, wie „FIFA“ und Actionspiele, wie „Counterstrike“. Da einige Spieler diese Art von Spielen als ihr Hobby betrachten, gibt es mittlerweile eine „Electronic Sports League“, somit sind die realen Hobbies, wie Fussballspielen, dem Computer gewichen. Da der Sport nun virtuell am PC ausgeführt wird, nennen sich solche Freizeitkulturen „E-Sports“. Diese sind durchaus mit Vereinsaktivitäten vergleichbar. Hierbei gibt es viele Spieler, die diesen „Sport“ exzessiv betreiben, doch kaum einer wird davon abhängig, die Suchtgefahr ist auch hier eher als gering einzuschätzen.[5]
2.1.2. Persistente Onlinespiele
Der suchtförderlichste Typ der Online Spiele, da sie einen sehr hohen Grad an Beständigkeit aufweisen, sind die persistenten Spiele. Fritz und Witting beschreiben diese persistenten Spiele in ihrem Artikel Suche, Sog, Sucht dahingehend, dass die Hauptmerkmale zum einen die ständige Fortführung der Spielhandlung und zum andern die Weiterveränderung des Spieles sind, auch wenn der Spieler gar nicht mehr online ist. Dies ist ausschlaggebend dafür, dass der Spieler seine Abwesenheit so gering wie möglich halten will. Hinzu kommt ebenfalls, dass es kein Ende des Spieles gibt. All diese Merkmale binden den User an das Spiel und fördern in höchstem Maße das Suchtpotential.[6]
Im Folgenden sollen zwei Typen persistenter Online Spiele kurz vorgestellt werden. Die Darstellung ist nicht auf Vollständigkeit angelegt, es geht lediglich darum, dass ein kurzer Eindruck gewonnen wird, um welche Art von Spiele Typen es sich handelt und die Probleme, die sich daraus ergeben. Diese werden aber erst zu einem späteren Zeitpunkt behandelt.
2.1.2.1. Persistente Online-Welten mit Avatarbindung
Diese Art von Spielen erfreut sich größter Beliebtheit und werden MMORPGs genannt. Dieses Akronym steht für Massively Multiplayer Online Roleplaying Game und bezeichnet im Grunde ein Spiel bei dem eine Vielzahl von Usern, die durch eine Onlineanbindung auf dem gleichen Server eingeloggt sind, aufeinandertreffen und zusammen im selben virtuellen Raum spielen können.[7]
Das wohl bekannteste Beispiel dieser Kategorie ist „World of Warcraft“ (WoW). Jeder Spieler sucht sich bei diesem Spiel einen Avatar, also eine Spielfigur, aus und versucht ihm möglichst viele Fähigkeiten zu verleihen. Dadurch wird der Avatar mächtiger und auch wertvoller. Viele Spieler beginnen, sich mit ihrer Figur zu identifizieren, da diese im Spiel selbst einen hohen Wiedererkennungswert besitzt. Hierbei spielt es auch eine Rolle, dass der Spielfigur Eigenschaften gegeben werden können, die dem Spieler selbst im realen Leben verwehrt bleiben. Da viele Aufgaben (sog. Quests) im Spiel nur in Zusammenarbeit mit anderen gelöst werden können, findet auch relativ rasch eine Anbindung an eine Gruppe von anderen Spielern statt. Dadurch erhöht sich das Suchtpotential, da der einzelne Spieler in eine virtuelle Realität eingebunden ist und die Mitglieder seiner Gilde nicht im Stich lassen will. Zudem ist es natürlich nachvollziehbar, dass der User, der sehr viel Zeit in seinen Avatar investiert hat, diesen auch weiter pflegen will, damit er auch mächtig und konkurrenzfähig bleibt.[8]
2.1.2.2. Persistente Online-Welten mit Siedlungsbindung
Im Unterschied zu den Spielen mit Avatarbindung gibt es bei dieser Art von Online Welten keine bestimmten Spielfiguren, aber auch sie zählen zu den MMORPGs. Das bekannteste Spiel ist das von der Firma Gameforge herausgegebene Spiel „Ogame“. Hierbei handelt es sich um ein kostenloses Browsergame, bei dem der User lediglich die Webadresse eingeben muss, anmelden und ohne etwas auf dem PC installieren zu müssen, kann gespielt werden. Bei dieser Art Online-Spiel schließen sich einzelne Spieler zu Allianzen zusammen und tauschen sich in internen Chats über verschiedene Dinge aus. Da das Spiel immer weiterläuft und der Spieler z.B. auch angegriffen werden kann, wenn er nicht online ist, fühlt sich der User dadurch zu jeder Zeit an das Spiel gebunden, da immer etwas passieren kann. Durch erreichen höherer Punktzahlen kann der Spieler in der Rangliste nach oben steigen und wird somit mehr von den anderen Spielern geachtet. Ebenfalls muss hier keine komplizierte Steuerung eingeübt werden, da das Spiel vornehmlich symbolisch vonstattengeht, d.h. es kann nicht durch verschiedene Welten mit einer Figur gelaufen werden, sondern der Spieler sieht auf seinem Bildschirm lediglich beispielsweise Symbole für verschiedene Raumschiffe und die Zeit bis zu ihre Ankunft am jeweiligen Zielort. Dieser Umstand schließt aber nicht aus, dass das Spiel trotzdem sehr komplexes Denken erfordert, da hier äußert vorausschauend und strategisch vorgegangen werden muss. Das sehr hohe Suchtpotential besteht nun zusammenfassend darin, dass sich der Spieler durchgehend an das Spiel gebunden fühlt, da er jederzeit damit rechnen muss, dass er durch einen Angriff an Spielpunkten verliert und damit einen Statusverlust erfährt. Fritz beschreibt das im Titel seines gleichnamigen Aufsatzes, dass den Spieler „Macht, Herrschaft und Kontrolle faszinieren und motivieren“[9]. Dies kann auch der Umstand sein, der einige User dazu bringt süchtig zu werden.[10]
Nach der Darstellung derjenigen Spieltypen, die vorwiegend für das Suchtverhalten verantwortlich sind, soll eine Abgrenzung, bzw. eine Definition des Suchtbegriffes vorgenommen werden. Dies wurde bisher bewusst noch nicht geleistet, da die Informationen zu den verschiedenen Computerspielen vorausgeschickt werden sollten, um dies bei der Beschreibung des eigentlichen Suchtbegriffes und dessen Merkmale bereits in die Überlegungen mit einbinden zu können.
2.2. Definition des Begriffs Sucht
Grünbichler stützt sich in seinem Werk Lost in Cyberspace? auf die Definition nach Schulz, der unter Sucht ein Verlangen nach einem bestimmten Zustand versteht, dass die jeweilige Person nicht einfach unterdrücken kann. Unterscheiden lassen sich hierbei die stoffgebundenen von den stoffungebundenen Süchte, wobei sich ersteres auf Stoffe bezieht, die von außen in den Körper eingeführt werden, wie z.B. Drogen, und letzteres auf bestimmte Handlungen, die der Mensch ausführt, wie z.B. spielen oder arbeiten. Der wichtigste Punkt hierbei ist, dass der Betroffene sich „der willentlichen Kontrolle und Verantwortung für sein Leben entzieht“[11]. Damit geht einher, dass die Person von dem Stoff oder dem Verhalten nicht ablassen kann. Sie benötigt eine immer höhere Dosis um ihre Sucht zu befriedigen. Dies zieht negative Folgen in verschiedenen Lebensbereichen und auch körperlicher Art nach sich. So gesehen kann alles was der Mensch anstrebt zur Sucht werden.[12]
Die Computerspielsucht gehört zur Kategorie der stoffungebundenen Süchte, daher werden im Folgenden auch deren Merkmale näher beschrieben, während die stoffgebundenen Süchte weitestgehend außer Acht gelassen werden, da sie für diese Thematik nur eine untergeordnete Rolle spielen.
[...]
[1] Delay, Jan: Bürger von Konsolien, in: http://www.magistrix.de/lyrics/Jan%20Delay/An-Die-Buerger-Von-Konsolien-ft-Sam-Semilia-65327.html.
[2] Ebd.
[3] Ebd.
[4] Fritz, J./Witting, T., Suche, Sog, Sucht: Was Online-Gaming problematisch machen kann. In: Batthyáni, D./Pritz, A. (Hg.), Rausch ohne Drogen. Substanzungebundene Süchte, Wien und New York 2009, 311.
[5] Vgl. ebd., 311f.
[6] Ebd., 312.
[7] Vgl. Grünbichler, Benjamin: Lost in Cyberspace? Chancen und Risiken von Online-Rollenspielen als Herausforderung für die soziale Arbeit. Norderstedt 2009, S. 19.
[8] Vgl. Suche, Sog, Sucht, 312f.
[9] Fritz J.: Warum eigentlich spielt jemand Computerspiele? Macht, Herrschaft und Kontrolle faszinieren und motivieren. In: Fritz J./Fehr W. (Hrsg): Computerspiele. Virtuelle Spiel- und Lernwelten (RD-Rom). Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2003.
[10] Vgl. Suche, Sog, Sucht, 313f.
[11] Lost in Cyberspace?, 44.
[12] Vgl. ebd., 44.