Die Bedeutung von Vorwissen für den Lernerfolg.

Einsatz einer Lerntheke im Erdkundeunterricht zur Kompensation individueller Defizite im Hinblick auf relevantes Vorwissen zu Beginn der gymnasialen Oberstufe


Proyecto/Trabajo fin de carrera, 2013

43 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1 Darstellung der Problemsituation und Begründung der Themenwahl
1.1 Heterogene Leistungsvoraussetzungen beim Übergang von der Mittelstufe in die gymnasiale Oberstufe
1.2 Die Bedeutung von Vorwissen für den Lernerfolg

2 Situation der Lerngruppe und Ermittlung der Lernausgangslage

3 Didaktische Überlegungen

4 Didaktisches Zentrum und zu fördernde Kompetenzbereiche

5 Methodische Überlegungen
5.1 Mögliche Vorgehensweisen zur Erreichung der Zielsetzung
5.2 Einsatz einer Lerntheke zur Kompensation relevanter klimageographischer Grundlagen

6 Durchführung der Lerntheke

7 Evaluation und Handlungsempfehlungen für einen zukünftigen Einsatz der Lerntheke

Literaturverzeichnis

Anhang

1 Darstellung der Problemsituation und Begründung der Themenwahl

1.1 Heterogene Leistungsvoraussetzungen beim Übergang von der Mittelstufe in die gymnasiale Oberstufe

„Die gymnasiale Oberstufe baut auf der Erziehungs- und Bildungsarbeit der Mittelstufe auf, vertieft und erweitert sie.“[1] Die Grundstruktur der gymnasialen Oberstufe in der Sekundarstufe II sieht bundesweit eine einjährige Einführungsphase gefolgt von einer zweijährigen Qualifikationsphase auf dem Weg zum Erwerb der allgemeinen Hochschulreife vor.[2] „In der Einführungsphase sollen personale, soziale und fachliche Kompetenzen gezielt gefördert werden, um unter anderem einen Ausgleich unterschiedlicher Voraussetzungen bei den Schülerinnen und Schülern vor Eintritt in die Qualifikationsphase herzustellen.“[3] In dieser Jahrgangsstufe wird an hessischen Schulen i.d.R. verbindlicher Unterricht gemäß einer vorgegebenen Stundentafel im Klassenverband, in Vorkursen oder Mischformen erteilt.[4] Am xxx-Gymnasium im südhessischen xxxxxxxx hat man in diesem Zusammenhang ein Vorkurssystem eingerichtet.[5] Im Schuljahr 2012/13 werden dort alle SuS[6], mit Ausnahme eines der beiden aktuellen Abiturjahrgänge, nach dem G8-Modell[7] unterrichtet, weshalb der Übergang von der Mittelstufe in die Einführungsphase am Ende der Jahrgangsstufe 9 erfolgt.[8] Die Schulkonferenz hat entschieden, das dem gesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfeld zuzuordnende Unterrichtsfach Erdkunde im Rahmen der fünf Kompensations- bzw. Orientierungs- bzw. Profilbildungsstunden[9] als zweistündiges Fach anzubieten. Eine durchgehende Teilnahme am Erdkundeunterricht während der gesamten Einführungs- und anschließenden Qualifikationsphase ist Voraussetzung, um das Fach Erdkunde als Prüfungsfach im Abitur wählen zu können.[10] Für die Gestaltung des (Erdkunde-)Unterrichts gelten Lehrpläne bzw. Kerncurricula des Bundeslandes Hessen sowie ggf. auf dieser Basis von Schulen, unter Berücksichtigung standortspezifischer Bedingungen[11], selbst entwickelte Fach- bzw. Schulcurricula.[12] Im Lehrplan bzw. Kerncurriculum finden sich zudem allgemeine Angaben darüber, welche Kenntnisse und Fähigkeiten/Fertigkeiten bzw. Kompetenzen die SuS am Ende der Sekundarstufe I erworben haben sollen, um einheitliche (Lern-) Voraussetzungen beim Eintritt in die gymnasiale Oberstufe zu gewährleisten.[13] Während meiner Unterrichtsplanung zu Beginn des Schuljahres für die dieser Arbeit zugrunde liegende Lerngruppe[14] der Einführungsphase wurde ich diesbezüglich jedoch mit möglichen Schwierigkeiten konfrontiert. „Oft stehen wir im Fach Erdkunde, stärker als in anderen Nebenfächern, vor dem Problem, dass wir insbesondere im Hinblick auf unsere inhaltlichen Schwerpunktsetzungen sehr unterschiedliches Vorwissen der Schülerinnen und Schüler beim Übergang von der Mittelstufe zur Einführungsphase der gymnasialen Oberstufe feststellen, was in der Unterrichtsgestaltung berücksichtigt werden muss.“[15] Neben unterschiedlichen individuellen Behaltensleistungen[16] könnte ein weiterer Grund dafür sein, dass die SuS während der Mittelstufe von verschiedenen Fachlehrern unterrichtet werden, die während der relativ geringen Anzahl der zur Verfügung stehenden Unterrichtsstunden verschiedene inhaltliche Schwerpunkte setzen müssen.[17] Des Weiteren wird das Fach Erdkunde während der Sekundarstufe I nicht kontinuierlich, sondern ausschließlich in den Jahrgangsstufen 5, 6.1, 8.2 und 9.1 unterrichtet.[18] Zudem kommen zu Beginn der Einführungsphase oft SuS benachbarter Schulen ohne gymnasiale Oberstufe hinzu, die am xxxxxx-Gymnasium ihr Abitur erwerben möchten. In der Literatur der konstruktivistisch orientierten pädagogischen Psychologie und Didaktik spielt die Bedeutung des Vorwissens für den Lernprozess eine grundlegende Rolle.

1.2 Die Bedeutung von Vorwissen für den Lernerfolg

Im Rahmen des Lernens[19] als Wissenserwerb[20] beruht Lernen im Sinne der menschlichen Informationsverarbeitung „auf einem Informationsfluss zwischen drei Hauptkomponenten des Gedächtnissystems – den sensorischen Reizen, einem Kurzzeit- oder Arbeitsgedächtnis und einem Langzeitgedächtnis.“[21] Wird den über Sinnesorgane rezipierten und transformierten Umwelteinflüssen[22] bewusste Aufmerksamkeit geschenkt, so gelangen diese in das Kurzzeit- bzw. Arbeitsgedächtnis[23]. Dort werden die aufgenommenen Daten erst dadurch zur Information, „dass sie auf Basis des Vorwissens des Einzelnen (aus dem Langzeitgedächtnis[24]) interpretiert werden, ihnen also Bedeutung verliehen wird.“[25] Die konstruktivistische Auffassung von Lernen sieht Wissen vor diesem Hintergrund nicht als abgeleitetes Produkt, welches sich aus objektiven Reizinformationen, die wahrgenommen und verarbeitet werden, eindeutig vorhersagen lässt. Sie sieht Lernen vielmehr als Konstruktion von Wissen und geht von einem individuellen Aufbauprozess statt einem mechanischen Abbildungsprozess aus.[26] „Lernen ist ein konstruktiver Prozess: Wissen kann nur erworben und genutzt werden, wenn es in die bereits vorhandenen Wissensstrukturen implementiert wird und auf der Basis individueller Erfahrungen interpretiert werden kann.“[27] Den Mittelpunkt der Erkenntnistheorie des Konstruktivismus bildet damit die Frage, „wie der Mensch seine Welt konstruiert“[28] und damit die Auffassung, „dass Wahrnehmung nicht als passive Abbildung von Wirklichkeit verstanden werden darf, sondern als das Ergebnis eines außerordentlich aktiven, konstruktivistischen Prozesses gesehen werden muss, bei dem das Gehirn die Initiative hat.“[29] Das menschliche Gehirn entwickelt sich so, dass sich einmal geknüpfte Verbindungen zu Mustern verdichten, die in strukturähnlichen Situationen aktiviert werden.[30] Damit stellt es mit Hilfe der bereits gesammelten Erfahrungen ständig Hypothesen auf, mit denen es die Vielfalt an einströmenden Sinnesreizungen ordnet und auf diese Weise die Objekte der Wahrnehmung definiert. Aus diesem Grund erscheinen die Situationen und Objekte der Außenwelt nicht auf eine für jeden Menschen einheitliche Weise, sondern, aufgrund der eigenen Hypothesenmuster, in einer individuell konstruierten Form. Der britische Psychologe Frederic C. Bartlett führte 1932 eine empirische Untersuchung zum rekonstruktiven Charakter des Verstehens und Behaltens von Texten durch, welche die oben angegebenen Annahmen untermauert.[31] Den Probanden wurde ein Text zu einer indianischen Sage vorgelegt, dessen Inhalte den Untersuchungsteilnehmern fremd und unverständlich erscheinen mussten. Die anschließenden Wiedergaben wiesen deutliche Unterschiede zum Original auf, wobei unpassend erscheinende Informationen weggelassen und andere umgedeutet wurden, um dem fremden Inhalt „Sinn“ zu verleihen. Diese Ergebnisse galten als „Beleg dafür, dass das Erinnern komplexer Textinformationen eher durch Rekonstruktions- als durch Reproduktionsprozesse geprägt sei.“[32] Das bereits verfügbare Wissen, das sog. „Vorwissen“, ist folglich eine der wesentlichen Voraussetzungen für weiteres Lernen, da die Fähigkeit, neue Informationen mit bereits Bekanntem zu verknüpfen, besser gelingt, wenn bereits zu Beginn des Lernprozesses mehr bekannt ist.[33] Der systematische Aufbau von Vorwissen gilt daher als zentrales Anliegen schulischen Unterrichtens. „Es kommt darauf an, neue Informationen mit dem Wissen aufzuarbeiten, das der Schüler bereits hat.“[34] Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass unterschiedliche Lernausgangslagen im Hinblick auf das Vorwissen dazu führen können, dass gleiche Vorlagen, wie bspw. Lehreräußerungen oder Schulbuchtexte, von den SuS unterschiedlich interpretiert und damit unterschiedlich „verstanden“ werden.[35] „Die besten Voraussetzungen zum Erlernen neuer Informationen sind […] gegeben, wenn sie einem Themenbereich entstammen, mit dem sich der Lernende bereits eingehend beschäftigt hat und in dem er bereits hinreichend fundiertes Wissen besitzt, an das er anknüpfen kann.“[36] Der Erwerb von Wissen wird zudem erleichtert, indem eine hinreichende Wiederholung relevanter Informationen stattfindet, was die Vernetzung der bereits gespeicherten Inhalte des Langzeitgedächtnisses erhöht.[37] Je fester und vielfältiger Informationen im Gedächtnis eines Menschen miteinander vernetzt sind, desto günstiger sind die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Abruf bzw. eine treffsichere Erinnerung. Jeder Erarbeitungsphase des Unterrichts sollte die Aktivierung relevanten Vorwissens vorausgehen, denn relevantes „Vorwissen kann nur dann die Lernleistung verbessern, wenn es tatsächlich aktiviert wird und mit der zur Verarbeitung anstehenden Information kompatibel ist“[38]. Relevantes Vorwissen über neu zu lernende Inhalte erleichtert den SuS die Entscheidung über die Relevanz von Informationen und unterstützt damit die Prozesse der selektiven Aufmerksamkeit. Zudem entlastet es das Arbeitsgedächtnis durch eine schnellere Aktivierung von Konzepten und erleichtert damit deren Verknüpfung untereinander. Des Weiteren weckt es ein vermehrtes Interesse am Thema und erhöht somit die Bereitschaft, weitere Ressourcen für den Lernprozess zu mobilisieren. Offene Lernformen, die selbstständiges Lernen, Kooperation und soziales Lernen unterstützen sollen, schneiden in einer Studie von John Hattie (2009) u. a. so schlecht ab, weil den SuS oft zu wenig Ordnungsstrukturen und Orientierungen in Lernprozessen zur Verfügung gestellt wird und sie deshalb neues Wissen nicht effektiv verarbeiten können.[39] Dies gilt insbesondere bei einem Mangel an erforderlichem Vorwissen, was meistens bei der Einführung eines neuen Themenfeldes der Fall ist. Insbesondere schwächere SuS haben dann große Probleme, fühlen sich oft allein gelassen und überfordert. Daraus wird ersichtlich, dass ein zeitgemäßer Unterricht beim Aufbau von Wissen und Kompetenzen an das Vorwissen und die Erfahrungen der SuS anknüpft, was das Institut für Qualitätsentwicklung des Hessischen Kultusministeriums in seinem „Referenzrahmen Schulqualität“ mit Nachdruck betont.[40] AUSUBEL/NOVAK/ HANESIAN gehen in ihren Überzeugungen sogar so weit, zu sagen, dass der „wichtigste Einzelfaktor, der das Lernen beeinflußt, [das ist], was der Lernende bereits weiß. Dies ermitteln Sie, und danach unterrichten Sie Ihren Schüler.“[41]

Die bisher ausführlich dargestellten Erkenntnisse machen deutlich, dass die Vermittlung weiterführender, durch das Fachcurriculum für die Einführungsphase verbindlicher Unterrichtsinhalte im Fach Erdkunde eine besondere Herausforderung darstellen kann, da mit heterogenen Lernausgangslagen, insbesondere im Hinblick auf fachliches Vorwissen, zu rechnen ist.[42] Für die Unterrichtsplanung sind daher die Überprüfung des bei den SuS vorhandenen Vorwissens über geographische Inhalte der Mittelstufe sowie eine Wiederholung der für die Einführungsphase vorausgesetzten Inhalte von besonderer Bedeutung. Ein entsprechendes Schließen möglicher (Vor-) Wissenslücken würde gewährleisten, dass die verbindlichen Inhalte der Einführungsphase unmittelbar auf das bestehende Vorwissen aufbauen. Auf diese Weise könnten wichtige Voraussetzungen geschaffen werden, um die Lernergebnisse zu verbessern. Die Fachkollegen am xxx-Gymnasium beklagen in diesem Zusammenhang den Umfang der notwendigen Wiederholungsphasen, was durch die Aussage von Hr. xxxxxxxxxxxx[43] deutlich wird: „Ein stark unterschiedliches Vorwissen der Schüler zu grundlegenden geographischen Zusammenhängen aus der Mittelstufe fällt mir ebenfalls oft auf. Meistens läuft es darauf hinaus, dass ich bei jedem aktuellen Themengebiet die Grundlagen im Vorhinein noch einmal wiederholen muss, was einen entsprechend hohen Zeitaufwand bedeutet. Diese Zeit fehlt an anderer Stelle natürlich.“

Vor diesem Hintergrund erschien es mir notwendig, eine eigene Vorgehensweise zu planen, durchzuführen und im Anschluss einer kritischen Reflexion zu unterziehen, mit der der dargestellten Problematik sinnvollerweise begegnet werden kann. Meine Zielsetzung bestand darin, ein Konzept zur Wiederholung der für das bevorstehende Unterrichtshalbjahr unmittelbar relevanten Mittelstufeninhalte zu entwickeln und dadurch heterogene Leistungsvoraussetzungen im Hinblick auf individuelles Vorwissen auszugleichen, d.h. zu kompensieren. Mein Vorhaben sollte innerhalb eines zeitlichen Rahmens von zwei Doppelstunden erprobt werden, um nicht zu viel der für die eigentlichen Inhalte der Einführungsphase vorgesehenen Zeit zu beanspruchen. Des Weiteren sollte das Konzept nach Möglichkeit auf den Grundlagen modernen[44] Unterrichts und damit einer geeigneten Methode basieren.

2 Situation der Lerngruppe und Ermittlung der Lernausgangslage

Mein seit Beginn des Schuljahres 2012/13 eigenverantwortlich geleiteter Erdkunde-Kurs der Einführungsphase (E-XI) besteht aus 18 SuS, darunter 14 Mädchen und vier Jungen. Der Erdkundeunterricht findet als Doppelstunde mittwochs in der 5./6. Stunde in Raum B 226 statt. Der Raum ist relativ groß und daher für eine Vielzahl von Unterrichtsmethoden geeignet. Im Nebenraum befindet sich die Erdkunde-Mediensammlung, was den Einsatz von Wandkarten, Atlanten und weiteren Unterrichtsmaterialien begünstigt. Der Kurs wurde zu Schuljahresbeginn, d.h. unmittelbar vor der Durchführung der dieser Arbeit zugrunde liegenden Untersuchung, neu zusammengesetzt, sodass sich die SuS teilweise noch nicht sehr gut untereinander kannten. Hier sind insbesondere L., N. und Z. zu nennen, die zuvor die kooperative xxxxxxxxxxxxx-Schule in xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx besucht haben, welche nicht über eine gymnasiale Oberstufe verfügt. Die übrigen SuS wurden im Verlauf der Mittelstufe, je nach Klassenzugehörigkeit, von insgesamt vier verschiedenen Fachkollegen unterrichtet. Die Lerngruppe zeigt gegenüber dem Unterrichtsfach Erdkunde eine positive Einstellung.[45] Die Unterrichtsatmosphäre ist seit Beginn des Schuljahres stets entspannt und lernförderlich, da die Gruppe sehr umgänglich ist. Um wichtige Erkenntnisse für die Planung des bevorstehenden Schuljahres, insbesondere im Hinblick auf das bestehende Vorwissen zu gewinnen, wurde zur Ermittlung der Lernausgangslage während der ersten Doppelstunde ein Selbsteinschätzungs- bzw. Selbstdiagnosebogen eingesetzt.[46] Der Bogen sollte Aufschluss über mögliche Heterogenitäten bzgl. des vorhandenen Fachwissens über inhaltliche Schwerpunktsetzungen des Mittelstufenunterrichts sowie über persönliche Interessen der SuS geben, u.a. um Unterrichtsmethoden und Medien zukünftig möglichst schülerorientiert einsetzen zu können. Insgesamt ging es mir durch den Einsatz des Fragebogens weniger um die Ermittlung des genauen Vorwissens jedes einzelnen Kursteilnehmers, als vielmehr darum, markante Auffälligkeiten zu diagnostizieren. Insbesondere sollte überprüft werden, welche Themengebiete insgesamt besser bzw. schlechter beherrscht werden, aber auch inwieweit es ggf. zu Streuungen kommt, d.h. tatsächlich auffallend unterschiedliches Vorwissen zu bestimmten (Teil-)Themengebieten vorliegt. Die einzelnen Items (Untersuchungsmerkmale) zu den Rubriken „Fachwissen“ und „allgemeine Interessen“ waren anhand vier vorgegebener Antworten einer symbolischen Rating-Skala (++ , + , - , --) einzuschätzen. Die Auswahl der Untersuchungsmerkmale erfolgte zum einen durch Rücksprache mit Fachkollegen bzgl. der Inhalte, die während der Mittelstufe und Einführungsphase unterrichtet werden. Zum anderen fanden Lehrplan und Fachcurricula der Jahrgangsstufen 8.2 und 9.1 sowie der Einführungsphase Berücksichtigung.[47] Auf diese Weise kristallisierten sich die beiden Themenfelder „Endogene Kräfte“ sowie „Klima und Vegetation“ heraus, anhand deren eine Bestimmung der Lernausgangslage vorgenommen werden sollte. Als Untersuchungsmerkmale wurden solche ausgewählt, die einen möglichst guten Überblick über die Kenntnisse der SuS zu den entsprechenden Themengebieten zu vermitteln versprachen. Die Angabe eines Namens war nicht erforderlich, da es lediglich darum ging, herauszufinden, bei welchen (Teil-)Themen sich der Kurs unsicher ist und welches Ausmaß eine mögliche Heterogenität annimmt. Dies diente dazu, um abschätzen zu können, in welchem Umfang eine mögliche Wiederholungs- bzw. Kompensationsphase anzulegen ist. Ohne die Angabe von Namen ist zudem mit genaueren Ergebnissen zu rechnen, da die SuS sich beim Ankreuzen der rechten Spalten (- , --) nicht bloßgestellt fühlen und keine Bewertungsangst aufkommt. Stattdessen sollte ein persönliches Symbol vermerkt werden, um später den eigenen Diagnosebogen wiederfinden zu können. Die Auswertung des Selbstdiagnosebogens erfolgte in mehreren Schritten. Zuerst wurde die Verteilung der Schülerangaben in Form der in Abb. 1 dargestellten schwarzen Zahlen visualisiert.[48] Im Bereich des Fachwissens werden bei der überwiegenden Zahl der Items große Streuungen deutlich, die auf ein z.T. sehr unterschiedliches Vorwissen der SuS hindeuten. Einzelne „Ausreißer“, wie bspw. bei Untersuchungsmerkmal 11, könnten auf einfaches Vergessen zurückzuführen sein, während Items mit auffallend auseinanderklaffenden Antworten (z.B. Item 9) auf unterschiedliche Schwerpunktsetzungen verschiedener Fachkollegen des xxxxx-Gymnasiums oder benachbarter Schulen während der Mittelstufe hinweisen könnten. Nicht zuletzt werden die im Folgenden veranschaulichten Ergebnisse durch unterschiedliche Leistungsniveaus beeinflusst.

[...]


[1] OAVO, 2010, S. 5.

[2] Vgl. dazu Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister, 2012, S. 4. Die weitere, über die allgemein formulierte Grundstruktur hinausgehende Ausgestaltung der gymnasialen Oberstufe obliegt den Bundesländern. Im Folgenden soll diese Arbeit somit den schulrechtlichen Bestimmungen des Bundeslandes Hessen unterstehen.

[3] OAVO, 2010, S. 15.

[4] Vgl. dazu OAVO, 2010, S. 11, 15-16, sowie zur Stundentafel HKM4, 2010, S. 19. Im Bundesland Hessen müssen die

Schulen das Unterrichtsfach Erdkunde in der gymnasialen Oberstufe nicht verpflichtend anbieten.

[5] Beim Vorkurssystem wird der Unterricht beider Halbjahre in Form von Kursen angeboten, während bei der Mischform im ersten Halbjahr noch Unterricht im Klassenverband stattfindet.

[6] Im Folgenden durch SuS abgekürzt.

[7] Im Gegensatz zum früheren G9-Modell machen die SuS dabei nach acht statt nach neun Jahren Gymnasium Abitur.

[8] Vgl. zu den Aufnahmevoraussetzungen OAVO, 2010, S. 6-7.

[9] Am xxx-Gymnasium können die SuS in diesem Zusammenhang zweistündig Erdkunde, Informatik, bilingualen oder Kompensationsunterricht wählen. Zwei weitere zu wählende Stunden stellen jeweils einstündige Orientierungskurse dar, während die fünfte Stunde auf das Unterrichtsfach Deutsch entfällt.

[10] Fächer, die während der Einführungsphase nicht belegt werden, können im Rahmen der Qualifikationsphase nicht als Leistungskurs gewählt werden. Vgl. dazu HKM4, 2010, S. 23-24. Am xxx-Gymnasium xxxxxxxxx wird Erdkunde während der Qualifikationsphase ohnehin nicht als Leistungsfach angeboten. Eine Wahl des Grundkurses Erdkunde während der Qualifikationsphase ohne eine vorausgegangene Teilnahme am Erdkundeunterricht während der Einführungsphase ermöglicht lediglich das Einbringen einzelner Erdkunde-Grundkurse aus der Qualifikationsphase in die Gesamtqualifikation.

[11] Standortspezifische Besonderheiten könnten bspw. die Ausstattung oder geographische Lage der Schule sein, welche die Auswahl bestimmter Unterrichtsmethoden oder außerschulischer Lernorte begünstigen.

[12] Vgl. dazu OAVO, 2010, S. 10. Die einzelnen Fachkonferenzen haben die Möglichkeit, unter Berücksichtigung der Kompetenzformulierungen und Inhaltsfelder des Kerncurriculums, ein regionale und schulspezifische Besonderheiten berücksichtigendes Fachcurriculum zu entwickeln. Die Summe der Fachcurricula bildet das Schulcurriculum, welches als Bindeglied zwischen Kerncurriculum und individueller Unterrichtsgestaltung fungiert. Vgl. dazu HKM5, 2012, S. 3-4; HKM2, 2012, S. 6.

[13] Im Lehrplan Erdkunde findet sich das „Anschlussprofil von Jahrgangsstufe 8G in die gymnasiale Oberstufe“. Vgl. dazu HKM1, 2010, S. 21. Das Pendant im neuen Kerncurriculum wird als „Lernzeitbezogene Kompetenzerwartungen und Inhaltsfelder am Ende der Jahrgangsstufe 9/10 (für den Übergang in die Sekundar- stufe II)“ bezeichnet. Vgl. dazu HKM2, 2012, S. 21-26. Die Angaben sind in beiden Fällen relativ grob formuliert und gewähren den Lehrkräften Spielraum zur individuellen Ausgestaltung des Unterrichts.

[14] Vgl. zur Lerngruppe Kapitel 2 dieser Arbeit.

[15] Erkenntnis aus einem Gespräch mit Hr. xxx, Fachsprecher Erdkunde am xxx-Gymnasium xxxxxxxxx, am 13.08. 2012. Die Informationen im Folgenden entstammen ebenfalls einem Gespräch mit Hr. xxx.

[16] Es gibt verschiedene Ursachen für das Vergessen, wie den Zerfall von Gedächtnisspuren im Langzeitgedächtnis, die gegenseitige Hemmung von Gedächtnisinhalten durch Überlagerung sowie um das Scheitern des Zugriffs auf geeignete Hinweisreize beim versuchten Abruf. Vgl. dazu Hasselhorn/Gold, 2006, S. 57.

[17] Zudem ist dem Unterrichtsverhalten eines Lehrers eine große Bedeutung beizumessen, denn u.a. aus der sog. „Hattie-Studie“ (2009) des Neuseeländers Prof. John Hattie geht hervor, dass erhebliche Teile der Unterschiede zwischen Schülerleistungen auf unterschiedliche Lehrpersonen zurückzuführen sind. Vgl. dazu Steffens/Höfer, 2011, S. 3-4.

[18] Das xxx-Gymnasium verschiebt damit die im Lehrplan angeführte Stundenverteilung der Klassenstufe 8 um ein Halbjahr nach hinten. Vgl. dazu HKM1, 2010, S. 9. Die Leerlaufphasen aufgrund des geringen Stundenumfangs des Faches Erdkunde könnten sich negativ auf die Behaltensleistung auswirken, insbesondere wenn man bedenkt, dass die Nachhaltigkeit des Lernens bei den SuS aufgrund unterschiedlicher Lernstrategien sehr unterschiedlich sein kann.

[19] „Lernen ist ein Prozess, bei dem es zu überdauernden Änderungen im Verhaltenspotenzial als Folge von Erfahrungen kommt.“ Hasselhorn/Gold, 2006, S. 35. Die kognitiven Lerntheorien sehen den zentralen Prozess des Lernens im Wissenserwerb, während aus assoziationstheoretischer Sicht Lernen als Aufbau von Assoziationen betrachtet wird. Radikal-behavioristische Sichtweisen definieren Lernen als Verhaltensänderung. Vgl. dazu Hasselhorn/Gold, 2006, S. 65.

[20] „Wissen stellt einen relativ dauerhaften Inhalt des Gedächtnisses dar, dessen Bedeutsamkeit durch soziale

Übereinkünfte festgelegt wird.“ Wild/Möller, 2009, S. 34. „Wissen ist das Ziel von Lernen.“ Hasselhorn/Gold, 2006, S. 81.

[21] Hasselhorn/Gold, 2006, S. 50.

[22] Z.B. visueller, akustischer oder haptischer Art.

[23] Ob das Arbeitsgedächtnis einen separaten Speicher oder lediglich den aktiven Teil des Langzeitgedächtnisses darstellt, ist umstritten. Vgl. dazu Wild/Möller, 2009, S. 10. Mietzel, 2007, S. 212-221 versteht darunter ein separates System, das Informationen so lange zwischenspeichert, bis sie mit Hilfe des bereits vorhandenen Wissens aufgearbeitet worden sind. Im Arbeitsspeicher findet der bewusste Teil der Informationsverarbeitung statt – Prozesse, die man als Denken bezeichnet.

[24] Das Langzeitgedächtnis speichert Informationen über lange Zeiträume und das dort bewahrte Wissen ist netzwerkartig verknüpft. Vgl. dazu Mietzel, 2007, S. 221-241. Es wird daher häufig „mit einem großen Lexikon oder mit einer Bibliothek verglichen.“ Hasselhorn/Gold, 2006, S. 51.

[25] Wild/Möller, 2009, S. 9.

[26] Vgl. dazu Rüegsegger, 2009, S. 37; Hasselhorn/Gold, 2006, S. 60-64. Die Auffassung vom Lernen als Konstruktion individuellen Wissens wird dabei als Variante der Auffassung vom Lernen als Wissenserwerb angesehen.

[27] Mandl, 2010, S. 21.

[28] Siebert, 2008, S. 9.

[29] Singer, 2002, S. 72. Vgl. dazu auch Reich, 2012, S. 118-119.

[30] Vgl. dazu und im Folgenden Arnold, 2007, S. 55.

[31] Vgl. dazu und im Folgenden Hasselhorn/Gold, 2006, S. 61-62.

[32] Hasselhorn/Gold, 2006, S. 61-62.

[33] Vgl. dazu und im Folgenden Hasselhorn/Gold, 2006, S. 81; Werning, 2006, S. 13-14. Dass Lernen ein ständiges Wechselspiel des Rückgriffs auf Bekanntes und der Bewältigung neuer Situationen ist, wurde in einer weiteren Studie deutlich. Im Rahmen einer entwicklungspsychologischen Gedächtnisuntersuchung von Chi aus dem Jahr 1978 wurde die bis dahin verbreitete Annahme, die Fähigkeit, Informationen aus dem Langzeitgedächtnis gezielt abzurufen, verbessere sich stets bis zum Erreichen des Erwachsenenalters, widerlegt. Dabei wurden Kinder- Schachexperten und erwachsene Schachnovizen sowohl beim freien Erinnern von Zahlenreihen als auch bei der Rekonstruktion kurzzeitig präsentierter Schachstellungen miteinander verglichen. Die Ergebnisse zeigten, dass (Vor-)Wissen einen gewichtigen Einfluss auf die Gedächtnisleistung hatte und die zuvor postulierten Alterseffekte ins Gegenteil verkehrte. Die Kinder-Schachexperten erinnerten sich an die Schachstellungen viel besser als Erwachsene, deren entwicklungsgemäße Überlegenheit lediglich bei den Zahlenreihen zum Tragen kam. Menschen mit Vorwissen können in der präsentierten Information also schneller bedeutsame Muster erkennen, die in Bezug zu bereits vorhandenem Wissen stehen, sodass es bereits bei der Wahrnehmung von Information zu einem Zusammenspiel von Gedächtnis, Wissen und Erfahrung kommt. Dabei werden Informationen verdichtet, indem ursprünglich separate Informationseinheiten durch allgemeine Ordnungsprinzipien oder durch das Einbeziehen von Vorwissen rekodiert und zu größeren Informationseinheiten zusammengefasst werden. Vgl. dazu Wild/Möller, 2009, S. 36. Der Prozess des Bildens bedeutungstragender Informationseinheiten im Arbeits- oder Kurzzeitgedächtnis wird als „Chunking“ bezeichnet.

[34] Mietzel, 2007, S. 271.

[35] Vgl. dazu Mietzel, 2007, S. 46.

[36] Mietzel, 2007, S. 268.

[37] Vgl. dazu und im Folgenden Mietzel, 2007, S. 247; Hasselhorn/Gold, 2006, S. 54, 85.

[38] Hasselhorn/Gold, 2006, S. 85.

[39] Vgl. dazu und im Folgenden Steffens/Höfer, 2011, S. 7-8.

[40] Vgl. dazu HKM3, 2011, S. 24.

[41] Ausubel/Novak/Hanesian, 1980, S. 5.

[42] Die Tragweite der Aussage von Hr. xxxxxxx (s. S. 2) wird vor diesem Hintergrund sehr deutlich.

[43] Erkenntnis aus einem Gespräch mit Hr. xxxxxxxxxxx, Gymnasiallehrer für die Fächer Englisch, Spanisch und Erdkunde am xxxx-Gymnasium xxxxxxxxx, am 14.08.2012.

[44] Die Aufgabe der Lehrkraft in einem sich an bildungspolitischen Vorgaben sowie am aktuellen fachwissenschaftlichen, fachdidaktischen und pädagogisch-psychologischen Forschungsstand orientierenden Unterricht ist es, „Lernarrangements so zu gestalten, dass alle Schülerinnen und Schüler die Unterrichtsangebote nutzen können, sich auf ihrem individuellen Lernstand angesprochen fühlen und die notwendigen Hilfen bekommen. Damit Lernen für alle Schülerinnen und Schüler erfolgreich verläuft, spielen individuelle Förderung und die Stärkung des eigenverantwortlichen Lernens durch entsprechende Unterrichtsarrangements eine wichtige Rolle.“ HKM3, 2011, S. 23.

[45] Diesen Eindruck belegen auch die Auswertungen des im Folgenden beschriebenen Selbsteinschätzungsbogens. Vgl. dazu Abb.1.

[46] Vgl. zum eingesetzten Selbsteinschätzungsbogen Anhang, S. 36. Die Erstellung des Bogens erfolgte in Anlehnung an aktuelle Erdkunde-Fachdidaktikseminarinhalte am Studienseminar für Gymnasien Heppenheim.

[47] Vgl. zu den Lehrplanvorgaben HKM1, 2010, S. 16-19, 22-25. Vgl. zu den Fachcurricula die Dateien 09 bis 11 auf der beigefügten CD-Rom.

[48] Einige exemplarische, von SuS ausgefüllte Selbstdiagnosebögen finden sich auf der beigefügten CD-Rom (Dateien 12 bis 14).

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Detalles

Título
Die Bedeutung von Vorwissen für den Lernerfolg.
Subtítulo
Einsatz einer Lerntheke im Erdkundeunterricht zur Kompensation individueller Defizite im Hinblick auf relevantes Vorwissen zu Beginn der gymnasialen Oberstufe
Universidad
Studienseminar Heppenheim  (Studienseminar für Gymnasien in Heppenheim)
Calificación
1,0
Autor
Año
2013
Páginas
43
No. de catálogo
V268581
ISBN (Ebook)
9783656614036
ISBN (Libro)
9783656614043
Tamaño de fichero
3794 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
einsatz, lerntheke, erdkundeunterricht, kompensation, defizite, hinblick, vorwissen, beginn, einführungsphase, bundesland, hessen
Citar trabajo
Christian Groß (Autor), 2013, Die Bedeutung von Vorwissen für den Lernerfolg., Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/268581

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