Panem et circenses

Das "Brot und Spiele"-System in der römischen Kaiserzeit


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2014

24 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Das Schauspielwesen und die Politik
1.1 Die Spiele als politisches Instrument
1.1.1 Das Prestigeobjekt für die Herrschenden
1.1.2 Die Publikumsdemonstrationen
1.2 Die Spiele als verlässlicher Stimmungsbarometer

2. Die Getreideversorgung und die Politik
2.1 Die ersten ÄGetreidegesetze“ Roms
2.2 Die Getreidespenden und Geldgeschenke

3. Zur Finanzierung des ÄBrot und Spiele“-Systems

4. Resümee: Rechtlos im Schlaraffenland?

5. Quellen- und Literaturverzeichnis

Einleitung

Unter der Formel ÄPanem et circenses“ kann die römische Politik der Kaiserzeit gegenüber ihren Bürgern zusammengefasst werden, und der Satiriker Juvenal war sogar der Ansicht, dass sich das römische Volk Ädie Macht abkaufen“ hatte lassen bzw. auf seine ÄRechte als Souverän verzichtet“ hatte. Einerseits gab es die kostenlosen Getreideversorgungen, manchmal mit freiwilligen kaiserlichen Geldgeschenken versehen, auf die etwa 200.000 Bürger Roms Anspruch hatten, andererseits die aufwendigen Massenunterhaltungen, die zur Zerstreuung und Ablenkung des römischen Volkes von der Politik dienen sollten. Die Kaiser waren auf diese Weise bemüht, Ruhe und politische Stabilität und damit ihre Herrschaft zu sichern. Manche Züge dieser antiken Massenunterhaltungen lassen gewisse Analogien an heutige Massenveranstaltungen erkennen wie z.B. bei Autorennen, Fußballspielen und anderen Massensportarten, bei denen sich ebenfalls derart viel an Emotionen bei den Besuchern entladen wie bei den Römern im Circus, in der Arena oder im Theater.1 ÄDas alles hat sich, einem Worte des Historikers Livius zufolge, aus bescheidenen Anfängen zu schließlich ‚unerträglichem Wahnsinn‘ gesteigert“2, wobei diese Entwicklung häufig als typisch für die römische Kaiserzeit angesehen wird. So haben viele Kaiser sich bemüht, Äihre Vorgänger an Pracht, Ausstattung und Häufigkeit der Spiele zu übertrumpfen - eine Spirale im Buhlen um die Gunst der Römer, die zu manch schlimmen Exzessen geführt hat“3. Jedoch lässt sich dieses System von ÄBrot und Spiele“ bis ins 2. Jahrhundert v.Chr. zurückverfolgen und ist daher keine Erfindung von Caesar oder Augustus. Neben den geschichtlichen Werden dieses Systems soll erörtert werden, wie diese kaiserliche Politik das römische Volk beeinflusst und ob eine völlige politische Entmündigung stattgefunden hat. Neuere Forschungen haben dieses Bild ins Wanken gebracht, da von einem völligen politischen Desinteresse der Römer nicht die Rede sein kann. Im Laufe der Zeit entwickelten sich neue Formen der politischen Artikulation, indem die Bürger Roms im Circus, in der Arena oder im Theater für ihre politischen Rechte demonstrierten. Diese Manifestationen stellen gleichsam die Kehrseite des ÄBrot und Spiele“-Systems der Kaiserzeit dar. Außerdem verbindet sich mit der Formel ÄPanem et circenses“ die hartnäckige Legende vom vermeintlichen Schlaraffenland Rom, nach der die Römer nicht arbeiten hätten müssen, da ja die meisten Einwohner Roms Empfänger von kostenloser Getreideversorgung und damit gut versorgt gewesen seien. Um ihre unbegrenzte Freizeit mit Aktivitäten auszufüllen, hätten die Kaiser sich gezwungen gesehen, die römische Bevölkerung ständig mit Spielen zu verwöhnen sowie ihr immer mehr Besuche in den Thermen zu spendieren.4

1. Das Schauspielwesen und die Politik

In der Zeit der Republik war der Senat die Regierung Roms, der sich nicht durch soziale Zugehörigkeit definierte, sondern durch seine Funktionen. Er kontrollierte die Magistrate in ihrer Amtstätigkeit und erinnerte sie an ihre Verpflichtung, sich bei ihren Entscheidungen beraten zu lassen. Das römische Volk sah Äselbst in erster Linie Staatsmänner in ihnen und beurteilten sie jedenfalls nicht hauptsächlich nach dem Prunk der Spiele, die sie für sie veranstaltet hatten. Denn für die Plebs von Rom veranstalteten sie Spiele, die sie aus eigener Tasche bezahlten.“5 Die Magistrate finanzierten teilweise die öffentlichen Spiele, um sich beim Volk beliebt zu machen und die Ausübung ihrer Amtsgewalt zu erleichtern. Außerdem unterhielten sie zu Wahlzwecken eine Klientel, für die sie unterschiedliche Festlichkeiten organisierten. Hinzu kamen noch die staatliche Getreideverteilung sowie das Mäzenatentum des Staates. ÄDenn als sich gegen Ende der Republik die kaiserliche Monarchie mit Riesenschritten näherte, betrachteten die großen Herren öffentliche Ämter mehr und mehr als ihre persönlichen Unternehmungen und trugen folglich auch deren Kosten.“6

Die Politiker der Republikzeit und dann die Kaiser haben sich zu ihren Gunsten zwar öffentlicher Wohltätigkeiten hingegeben, aber aus Gründen der Staatsräson und mittels staatlicher Institutionen. Der Euergetismus setzte ein, sobald Machtausübung als ein Beruf und insbesondere als Besitzstand von Politikern betrachtet wurde, wobei die römischen Senatoren die Macht als ihr exklusives Vorrecht betrachteten. Dafür wären sie durchaus bereit gewesen, auf ihre Geldvorräte zurückzugreifen, was sie wegen des Reichtums der römischen Republik nicht tun brauchten. Vielmehr waren sie damit beschäftigt, Staatsgelder für ihre persönlichen Profite abzuzweigen, als die Staatskasse aufzufüllen. Als die öffentlichen Ämter kaum mehr waren als ehrenvolle Privilegien und die Politik aufhörte, eine ernsthafte Angelegenheit zu sein, war der Euergetismus bereits voll entwickelt. In Rom hatte ein Senator wirklich Macht und angesichts der großen Politik sah er in den Euergesien eine moralische und rechtliche Verpflichtung für die Bekleidung eines öffentlichen Amtes. Neben der gesellschaftlichen Anerkennung wollte er sich durch persönliche Verdienste in der großen Politik auszeichnen und dann vielleicht sogar zum Konsul gewählt werden.7

Während der beiden letzten Jahrhunderte der Republik und vor allem in der Kaiserzeit hatten die römischen Spiele ihren religiösen Charakter verloren und diese Säkularisierung bedeutete das Ende ihrer Multifunktionalität. Die Spiele stellten nur mehr eine unterhaltsame Festlichkeit dar, wobei das Publikum eine Öffentlichkeit von Wählern war. Daher wurde der Euergetismus zu einem Instrument der politischen Laufbahn und jeder Politiker versuchte nun, alle seine Vorgänger mit noch glänzenderen Geschenken an das Volk zu überbieten, da sich für die Spiele die gesamte Bevölkerung interessierte. ÄDie Spiele wurden nicht mehr als eine öffentliche Zeremonie betrachtet, sondern als ein Geschenk ihres Veranstalters, ein munus.“8 In der Kaiserzeit gewannen die öffentlichen Spiele noch größere Bedeutung als zur Republikzeit, da die Magistraturen zu reinen Ehrenämtern wurden. Die in Rom ausgeübten Magistraturen waren nunmehr repräsentativ und fanden ihren Höhepunkt in der Veranstaltung von Spielen. ÄDie Magistraturen behielten einen Teil ihres Prestiges aufgrund ihrer alten Traditionen (…). Ihr Preis waren auch weiterhin die ruinösen Spiele, die im Hinblick auf Wahlen jede Bedeutung verloren hatten. Denn im Kaiserreich gab es keine Wahlen durch das Volk mehr, und die Magistrate wurden vom Senat oder vom Herrscher ernannt.“9

1.1 Die Spiele als politisches Instrument

1.1.1 Das Prestigeobjekt für die Herrschenden

Brot und Spiele, so beklagte sich schon Juvenal, seien dem Volk Roms geschenkt worden, um die Macht der Herrschenden bzw. die Privilegien der oberen Klassen zu sichern10, wobei sich dahinter eine vage Vorstellung von einer bewusst herbeigeführten Entpolitisierung verbirgt, da sich nach dem Ideal eines autonomen Bürgers jeder mit Politik befassen und sie nicht ohne weiteres den Regierenden überlassen sollte. ÄPolitisches Interesse besteht häufiger in dem Wunsch, daß die Regierung eine gute Politik machen sollte, als in dem Verlangen, sie selbst machen zu wollen.“11 Bei der Entpolitisierung handelt es sich um nichts anderes als um ein natürlich wachsendes politisches Desinteresse, was einerseits bedeutet, dass sich das Volk für Politik nicht interessiert, und andererseits, dass es sich regieren lässt und als beherrschbar erweist. Da die Masse der Bevölkerung ihren Vergnügungen mehr Bedeutung beimisst als dem, was wirklich wichtig im Leben ist, können die Herrschenden mehr oder weniger ohne Skrupel handeln.12

Es stellt sich die Frage, ob das römische Schauspielwesen der Kaiserzeit nicht eben ein Instrument zur Entpolitisierung der Massen war. Zur Zeit des Augustus war eine längere Abfolge von Bürgerkriegen gerade zu Ende gegangen und eine neue Staatsform hatte sich durchgesetzt. Dieser autoritären Monarchie gelang es, die Massen unpolitisch zu machen und die öffentliche Meinung zu manipulieren, sodass nun jeder das Gefühl hatte, dass nunmehr allein die Herrschenden sich mit Politik befassen sollten. ÄAls einzige Leidenschaft blieb dem Volk der Circus. Man redete nicht mehr von Politik, sondern nur noch von den Schauspielen. In dem Maße, in dem die Regierung dies bemerkte, unterstützte sie vielleicht die Schauspiele, um die Gunst des Volkes zu erringen und ihm zu zeigen, daß seine Vergnügungen der liebevollen Fürsorge des väterlichen Monarchen nicht gleichgültig waren.“13

So ist Ungerechtigkeit charakteristisch für jede Gesellschaftsform, und daher ist es keineswegs sicher, dass sich das ÄBrot und Spiele“-System als eine universale Notwendigkeit erweist. Jedoch ist das politische Desinteresse, das sich aus der Monopolstellung der Gesellschaft ergibt und ein gewisses Maß an Zustimmung voraussetzt, begrenzt, weil sich die Regierten zwar bis in ihr Denken hinein den herrschenden Zuständen anpassen, aber dennoch nicht alles und jedes akzeptieren, ohne auf Gewalt zurückzugreifen. Damit sog. Agitatoren das Volk aufwiegeln können, müssen sie stichhaltige Argumente vorbringen, um vom Volk gehört zu werden. In jeder politischen Gesellschaft gibt es eine Asymmetrie zwischen den Herrschenden und dem Volk, wobei es mehrere mögliche Arten von Autorität geben kann. In der Antike war der Euergetismus vorherrschend, eine Art privater Freigebigkeit zugunsten der Öffentlichkeit. Brot und Spiele waren für antike Ideologen und Denker durchaus nicht das, was heute darunter verstanden wird, sondern sie wären demnach nur Demagogie, die das Volk in den Glauben ließe, nicht ausschließlich seinen Pflichten gegenüber dem Vaterland leben zu müssen. So bestand die Aufgabe der herrschenden Elite darin, das Volk in seiner Sorglosigkeit zu belassen, ihm das Recht zuzuerkennen, sich für das Schauspielwesen zu interessieren, und ihm keine weitere Ideologie aufzuerlegen.14 Schließlich ging es der herrschenden Elite nicht darum, das römische Volk zu entpolitisieren, indem sie den römischen Bürgern den Besuch der Spiele gar verwehrte. ÄDenn mit Sicherheit hätte sie das Volk gegen sich selbst politisiert, wenn sie ihm den Circusbesuch verweigert hätte. Brot und Spiele wurden dem Volk nicht in Hinblick auf die Notwendigkeit eines unveränderten Gleichgewichts im Gesellschaftsvertrag gewährt, sondern aufgrund eines für die antike Gesellschaft typischen geschichtlichen Bündnisses. Dieses Bündnis ist nichts anderes als das Ergebnis der gesamten Evolution des Euergetismus.“15

Die Spiele wurden vor allem wegen der Tatsache, dass sich bei ihnen das Volk und der Kaiser von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden, zu einer politischen Bühne und damit gewannen sie im politischen Leben Roms eine unverhältnismäßig große Bedeutung. ÄDie römische Menge ehrte hier den Herrscher, verlangte Vergnügungen von ihm, machte ihm ihre politischen Forderungen deutlich und akklamierte oder attackierte ihn unter dem Vorwand, seinen Spielen zu applaudieren oder sie auszubuhen.“16 Brot und Spiele sowie der Euergetismus stellten daher Politik in drei unterschiedliche Kategorien dar, nämlich Geld, Macht und Prestige. Die erste Kategorie spiegelt sich in der Umverteilung wider, einem Mittelweg zwischen der Gerechtigkeit und dem Status Quo, der sich in der Antike in Form des Euergetismus zeigte, da die politische Klasse ihre ökonomischen Vorteile nur als ein Mittel ihrer politischen und sozialen Überlegenheit betrachtete. Die zweite Kategorie war vom Glauben der Herrschenden, dass sie sich von manchen Interessen des Volkes, das Spiele und Brot verlangte, bedroht fühlten. Wenn sie dem Volk allzu viele Feste zugestanden, glaubte es gar, ihm sei alles gestattet und es wollte dann weder gehorchen noch kämpfen. Daher beschränkten die Kaiser die Gratifikationen auf einige bestimmte Gelegenheiten.

[...]


1 Vgl. Weeber 1994, 2.

2 Ibid., 3.

3 Ibid., 3.

4 Vgl. Weeber 1994, 3.

5 Veyne 1988, 313.

6 Ibid., 314.

7 Vgl. Veyne 1988, 314f.

8 Ibid., 333.

9 Ibid., 341f.

10 Vgl. Juvenal, Saturae X, 81, zit. nach Veyne 1988, 83.

11 Veyne 1988, 84.

12 Vgl. ibid., 83ff.

13 Ibid., 85.

14 Vgl. Veyne 1988, 87ff.

15 Ibid., 93.

16 Ibid., 606.

Fin de l'extrait de 24 pages

Résumé des informations

Titre
Panem et circenses
Sous-titre
Das "Brot und Spiele"-System in der römischen Kaiserzeit
Université
Klagenfurt University  (Geschichte)
Cours
Proseminar
Note
1,0
Auteur
Année
2014
Pages
24
N° de catalogue
V268929
ISBN (ebook)
9783656599746
ISBN (Livre)
9783656599753
Taille d'un fichier
648 KB
Langue
allemand
Mots clés
Panem et circenses, römische Kaiserzeit, römische Spiele, Rom, Getreideversorgung, Brot und Spiele
Citation du texte
DI MMag Fabian Prilasnig (Auteur), 2014, Panem et circenses, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/268929

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