Kleists "Penthesilea" zwischen Liebe und Gewalt

Penthesileas Beziehung zu Achill als eine von Liebe und Gewalt geprägte Verbindung


Term Paper (Advanced seminar), 2013

13 Pages, Grade: 1,0


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Inhalt

1. Einleitung

2. Liebe und Gewalt im Amazonenstaat

3. Der Einfluss der Mutter

4. Penthesilea und Achill zwischen Gewalt und Liebe

5. Der Mord aus Liebe

6. Schluss

7. Literatur

1. Einleitung

Heinrich von Kleist schuf mit dem Drama „Penthesilea. Ein Trauerspiel“ ein für die Aufklärung unzeitgemäßes Werk. So nennt der zeitgenössische Kritiker Goethe die „Verwirrung des Gefühls“ und die „Gewaltsamkeit der Motive“[1] als zentrale Kritikpunkte. Die durch Kant festgelegte Regel, dass „das Hässliche nicht Gegenstand der Kunst sein könne“[2], wird durch das im Stück auftretende Grauen als unerfüllt angesehen. Diese „Sprengung der Gattung Tragödie“[3], in der die ursprüngliche Erregung von Frucht und Mitleid durch Entsetzen und Abscheu abgelöst wird, zeigt, dass Kleist die Antike gewaltreich und „ungriechisch“[4] anmuten lässt.[5] Schon seit der Gründung des Amazonenstaates scheinen Liebe und Gewalt in Kleists Penthesilea untrennbar miteinander verknüpft. Dies wird bereits in der Entstehungsgeschichte deutlich. Im Zuge einer gewaltsamen Übernahme der Scythen durch die Äthiopier gerät der Stamm unter die Gewaltherrschaft eines fremden Regimes. Durch die Ermordung der männlichen Stammesmitglieder stehen die Frauen nun unter einer von sexueller Gewalt geprägten Herrschaft. Die vergewaltigten Frauen wenden sich daher an den Kriegsgott Mars, den sie um Rettung bitten. So gelingt es ihnen, die in ihrem Dorf lebenden Äthiopier zu erdolchen. Mars vollzieht an Stelle des Königs der Äthiopier die Ehe mit der Scythenkönigin. Die zur Eroberung der Scythen angewendete Gewalt findet sich auch in der Befreiung wieder, womit die gesamte Geschichte des Stammes von Aggression geprägt ist. Männern wird in diesem von „weiblicher Freiheit“[6] geprägten Staat kein Platz mehr eingeräumt, so dass Mars die Rolle des Ehemannes und Vaters übernimmt. Um den Fortbestand des Staates zu sichern, werden sowohl Männer, als auch die emotionale Liebe verbannt. Zum Wohle des Kollektivs verzichten die Amazonen auf persönliche Empfindungen und vollziehen beim Rosenfest den rituellen Zeugungsakt mit einem Stellvertreter Mars‘.[7] In dieser Staatsgründung und -form liegt der Ursprung für die mit Sexualität verbundene Gewalt, die Penthesileas Handeln beeinflusst. Doch auch in der verhängnisvollen Liebe zwischen der Amazonenkönigin Penthesilea und Achill zeigt sich die Kopplung aus Liebe, Gewalt, Aggression und Sexualität. Durch Penthesileas kulturellen Hintergrund kann die Liebe zu Achill „nur im Kampf und dem Sieg über ihn hervortreten“.[8] Die daraus resultierende erotisch-gewalttätige Anziehungskraft zwischen den Protagonisten mündet im Tod. Der Ablauf der Beziehung soll in dieser Arbeit systematisch auf eine mit Gewalt gepaarte Sexualität untersucht werden, um ein tieferes Verständnis für das Stück zu erlangen. Anhand verschiedener Textbelege wird mit Hilfe des Primärtextes das Werk analysiert, denn „Liebe und Gewalt sind hier sprachlich ununterscheidbar ineinander gefügt“.[9] Anhand der Fülle an Interpretationsmöglichkeiten beschränkt sich diese Arbeit ausschließlich auf Schlüsselszenen der Liebe und Gewalt.

2. Liebe und Gewalt im Amazonenstaat

Die Gründung des Amazonenstaates ist ein von Aggression und Sexualität geprägter Vorgang. In einem Gewaltakt werden die Scythenfrauen unterworfen und sexuell misshandelt. Auch nach der Befreiung ist die Demütigung und seelische Belastung so allgegenwärtig, dass sie einen feministischen Staat gründen, in dem sowohl Männer als auch die Liebe zwischen Mann und Frau verboten sind. Um den Fortbestand des Stammes zu gewährleisten, ziehen die Amazonen in den Kampf mit dem Ziel, den von Mars gesandten Stellvertreter zu unterwerfen. Die Besiegten werden für die Zeit des Rosenfestes in Themisycra gefangen gehalten. Somit ist Liebe nur durch Gewaltanwendung zu erreichen. Bevor mit den Männern eine Vereinigung in Liebe stattfinden kann, müssen sie auf dem Schlachtfeld „mit Eisen [...] umarm[t]“ (5, V. 859) werden. So zeigt sich in der Tradition des Amazonenstaates weiterhin die Verknüpfung aus Gewalt, Unterwerfung und Sexualität ohne eine emotionale Beziehung zu dem Geschlechtspartner. Denn trotz der immerzu auftretenden Gewalt in Gründung und Existenz des Staates, werden die Amazonen im Umgang miteinander als liebevoll beschrieben.[10] Die Gewalt zeigt sich auch in der Amputation der rechten Brust. Dieses Ritual der Amazonen, oder auch der Busenlosen (15, V. 1989)[11], zielt auf den besseren Umgang mit dem Bogen. Gleichzeitig ist die Brust jedoch der Sitz der Gefühle. Somit zeigt sich auch hier eine Kopplung zwischen Verstümmelung, Gewalt und Emotionen.

Das Gesetz der Amazonen besagt, dass die „Marsbräute“ (15, V. 2056) zum Wohle der Gemeinschaft den von Mars auserwählten Mann zur Aktvollziehung annehmen müssen. Die individuelle, wahre Liebe wird dabei auf den Zweck der Fortpflanzung herabgesetzt, um die durch den Tod verringerte Kriegerzahl des Staates auszugleichen (Vgl.: 15, 2034 f.). Doch diese „Annäherung an ein Objekt mit dem Ziel seiner Unterwerfung hat immer eine sadistische Komponente“.[12] Ziel des Krieges ist ein Kind. Hierzu dienen Kampf und Unterwerfung als geeignete Maßnahmen, um dieses Ziel erfolgreich zu verfolgen. Die Folge ist ein „Zusammentreffen von Todestrieb und Sexualtrieb“, indem die „Aggression in den Dienst der Sexualfunktion“[13] tritt.

3. Der Einfluss der Mutter

Penthesilea verstößt gegen das Verbot der Objektwahl[14], in dem sie Achill als Gegner und Partner für das Rosenfest wählt (Vgl.: 15, V. 2145 ff.). Auslöser für diese Tat sind die letzten Worte ihrer Mutter Otrere: „Du wirst den Peleiden dir bekränzen: / Werd‘ eine Mutter, stolz und froh, wie ich.“ (15, V. 2138 f.). Otrere hat einen großen Einfluss auf Penthesilea, da dieses Verhältnis als einziges legitim von Liebe geprägt sein kann und ist (Vgl.: 15, 2172). So übertritt zunächst Otrere das „Liebesverbot“[15], wodurch die „Liebesproblematik“[16] entscheidend beeinflusst wird. Der Tod der Mutter ist ein großer Verlust für Penthesilea, den sie durch ein neues „Liebesobjekt“[17] zu ersetzen sucht (Vgl.: 15, V. 2176 f.). Otrere „verbindet so Achill mit dem Trauerschmerz um die Mutter und ihren letzten Wunsch“.[18] So ist es der berühmte Name, der „den höchsten denkbaren Ruhm bedeutet“[19] und als Zeichen der „symbolischen Identifizierung“[20] gesehen wird, der Penthesilea begehrenswert erscheint.[21] Hier zeigt sich eine „entscheidende strukturelle Parallele“[22] zwischen Liebe und Gewalt. Achill scheint der „Inbegriff der Vollkommenheit“[23], sie ist „geradezu fasziniert von der Kaltblütigkeit Achills“.[24] Gleichzeitig ist jedoch auch die Vorstellung, „dass ein Gefühl doch, Unerbittlicher, / den marmorharten Busen [...] durchzuckt“ (15, V. 2201 f.) für Penthesilea von großer Bedeutung. Die großen Taten, von denen Penthesilea hörte, erheben Achill zu einem für sie optimalen Zeugungspartner, um kriegerische und starke Amazonennachkommen zu zeugen.

4. Penthesilea und Achill zwischen Gewalt und Liebe

Penthesilea, bereits mit dem Wunsch der Mutter konfrontiert, zieht mit dem Amazonenherr in den trojanischen Krieg, mit dem Ziel, Sexualpartner für das Rosenfest zu gewinnen. Die Wahl des Krieges ist nicht willkürlich oder von Mars bestimmt, sondern vielmehr Penthesileas Anweisung, um der „Otrere Schatten“ (15, V. 2169) willen, denn ihr erscheint nichts „heiliger, / Als ihren letzten Willen zu erfüllen“. (15, V. 2162 f.). Zunächst noch von „heißer Kampflust“ (1, V. 19) erfüllt, führt die „Heldin Scythiens“ (1, V. 57) ihr Heer in den Krieg. Noch geht sie auf in ihrer Rolle als Amazonenkönigin und handelnd nach den Gesetzen ihres Staates. Als sie jedoch Achill erblickt, errötet sie, als „schlüge rings um ihr / Die Welt in helle Flammenlohe auf“ (1, V. 70 f.). Penthesilea konzentriert sich vollkommen auf Achill und benimmt sich „gleich einem sechzehnjähr‘gen Mädchen“ (1, V. 86). In diesem Vers zeigt sich die plötzlich entflammte Liebe zu Achill, aber auch die „Konfrontation mit der eigenen Prä-Konstruktion des Anderen“.[25] Die Gesetze des Amazonenstaates treten in den Hintergrund, denn dort ist emotionale Liebe verboten. Ihre Beschämung über diesen Gefühlsausbruch, der ihr zeigt, dass „sie ihrem eigenen Ideal von der alles niederkämpfenden Amazone nicht gerecht werden kann“[26], tritt deutlich hervor. Die Königin vernachlässigt nun das ursprüngliche Kriegsziel und „verfällt stattdessen der Fixierung an das eine, überschätze Objekt“[27].

[...]


[1] Gallas, Helga: Kleist: Gesetz, Begehren, Sexualität. Zwischen symbolischer und imaginärer Identifikation, Frankfurt am Main und Basel, 2005, Stroemfeld Verlag, S. 159 f.

[2] Ebd., S. 160.

[3] Lehmann, Johannes F.: Einführung in das Werk Heinrich von Kleists. Einführung Germanistik, Darmstadt, 2013, WBG, S. 83.

[4] Ebd., S. 84.

[5] Vgl.: Ebd., S. 84.

[6] Nutz, Maximilian: Lektüre der Sinne. Kleists „Penthesilea“ als Körperdrama, In: Grathoff, Dirk (Hg.): Heinrich von Kleist. Studien zu Werk und Wirkung, Opladen, 1988, Westdeutscher Verlag GmbH, S. 163.

[7] Vgl.: Kleist, Heinrich von: Penthesilea. Ein Trauerspiel, Frankfurt am Main, 1987, Deutscher Klassiker Verlag, S. 82-89.

[8] Pröll, Thomas: Liebe und Geschlechterkampf - Penthesilea von Heinrich v. Kleist, In: Werner W. Ernst (Hg.): Liebe im Zeichen von Lieblingsliteratur. Einstellungen zur zwischenmenschlichen Liebe an Hand von Lieblingstexten und/oder Lieblingstheorien, Innsbruck, 2009, innsbruck university press, S. 119.

[9] Grathoff, Dirk: Kleist: Geschichte, Politik, Sprache, Aufsätze zu Leben und Werk Heinrich von Kleists, Wiesbaden, 2000, Westdeutsche Verlag GmbH, S. 126.

[10] Gallas, Helga: Kleist: Gesetz, Begehren, Sexualität. Zwischen symbolischer und imaginärer Identifikation, Frankfurt am Main und Basel, 2005, Stroemfeld Verlag, S. 162.

[11] im Folgenden beziehen sich alle Versverweise auf: Kleist, Heinrich von: Penthesilea. Ein Trauerspiel, Frankfurt am Main, 1987, Deutscher Klassiker Verlag.

[12] Pröll, Thomas: Liebe und Geschlechterkampf - Penthesilea von Heinrich v. Kleist, In: Werner W. Ernst (Hg.): Liebe im Zeichen von Lieblingsliteratur. Einstellungen zur zwischenmenschlichen Liebe an Hand von Lieblingstexten und/oder Lieblingstheorien, Innsbruck, 2009, innsbruck university press, S. 107.

[13] Ebd., S. 107.

[14] Vgl.: Ebd., S. 107.

[15] Schuller, Marianne: Liebe ohne Gleichen. Bildersprache in Kleists Trauerspiel Penthesilea, In: Campe, Rüdiger: Penthesileas Versprechen. Exemplarische Studien über die literarische Referenz, Freiburg im Breisgrau, 2008, Rombach Verlag KG, S. 50.

[16] Ebd., S. 51.

[17] Ebd., S. 51.

[18] Lehmann, Johannes F.: Einführung in das Werk Heinrich von Kleists. Einführung Germanistik, Darmstadt, 2013, WBG, S. 88.

[19] Ebd., S. 88.

[20] Gallas, Helga: Kleist: Gesetz, Begehren, Sexualität. Zwischen symbolischer und imaginärer Identifikation, Frankfurt am Main und Basel, 2005, Stroemfeld Verlag, S. 177.

[21] Schuller, Marianne: Liebe ohne Gleichen. Bildersprache in Kleists Trauerspiel Penthesilea, In: Campe, Rüdiger: Penthesileas Versprechen. Exemplarische Studien über die literarische Referenz, Freiburg im Breisgrau, 2008, Rombach Verlag KG, S. 51.

[22] Lehmann, Johannes F.: Einführung in das Werk Heinrich von Kleists. Einführung Germanistik, Darmstadt, 2013, WBG, S. 88.

[23] Gallas, Helga: Kleist: Gesetz, Begehren, Sexualität. Zwischen symbolischer und imaginärer Identifikation, Frankfurt am Main und Basel, 2005, Stroemfeld Verlag, S. 171.

[24] Ebd., S. 163.

[25] Grugger, Helmut: Dramaturgie des Subjekts bei Heinrich von Kleist, Würzburg, 2010, Verlag Königshausen und Neumann GmbH, S. 115.

[26] Gutjahr, Ortrud: Penthesilea von Heinrich von Kleist, Würzburg, 2007, Verlag Königshausen und Neumann GmbH, S. 37.

[27] Pröll, Thomas: Liebe und Geschlechterkampf - Penthesilea von Heinrich v. Kleist, In: Werner W. Ernst (Hg.): Liebe im Zeichen von Lieblingsliteratur. Einstellungen zur zwischenmenschlichen Liebe an Hand von Lieblingstexten und/oder Lieblingstheorien, Innsbruck, 2009, innsbruck university press, S. 111.

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Title
Kleists "Penthesilea" zwischen Liebe und Gewalt
Subtitle
Penthesileas Beziehung zu Achill als eine von Liebe und Gewalt geprägte Verbindung
College
University of Augsburg
Grade
1,0
Author
Year
2013
Pages
13
Catalog Number
V271079
ISBN (eBook)
9783668096509
ISBN (Book)
9783668096516
File size
395 KB
Language
German
Keywords
kleists, penthesilea, liebe, gewalt, penthesileas, beziehung, achill, verbindung
Quote paper
Rebecca Kania (Author), 2013, Kleists "Penthesilea" zwischen Liebe und Gewalt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/271079

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