Entscheidungen von supranationalen Organisationen wie der EU können das Handeln korporativer Akteure erheblich beeinflussen. Dies gilt auch für den von der EU-Kommission mitinitiierten Wandel im europäischen Corporate Governance-System mit seinen Folgen für Gewerkschaften. Unter Corporate Governance versteht man ,,[…] die Organisation der Leitung und Kontrolle eines Unternehmens mit dem Ziel des Interessenausgleichs zwischen den beteiligten Anspruchsgruppen […]“ (Witt 2003, S. 1). Die Kommission hat in ihrem Grünbuch „Europäischer Corporate Governance-Rahmen“ eine Kombi-nation aus verbindlichen Rechtsvorschriften, Empfehlungen und Verhaltensko-dizes erarbeitet (Kommission 2011: 3). (...)
Der Kurswechsel in der EU hin zu einem kompromisslosen Neoliberalismus zieht als Folgen die Schwächung der Rolle der europäischen Gewerkschaften als Sozialpartner und ihre Desorientierung nach sich (Gumbrell-McCormick u. Hyman 2013, S. 105 ff.). Diese Neoliberalisierung der EU macht vor dem europäischen Corporate Governance-System logischerweise keinen Halt und zieht eine Vermarktlichung ebendieser nach sich (Horn 2012, S. 104 ff.). Vitols verweist in diesem Zusammenhang auf den Modellwandel der Corporate Governance vom bisher in der EU dominierenden „Stakeholder Modell“ hin zum „Shareholder Modell“ und macht auf die Folgen eines solchen Wandels aufmerksam: „Kommt es tatsächlich zur Durchsetzung des Shareholder Model in Europa entstehen hieraus Probleme für die Gewerk-schaften, da die Beteiligung von Arbeitnehmern im US-amerikanischen Modell kaum vorhanden ist“ (Vitols 2005, S. 1; Hervorhebung i.O.). Aus diesem supranationalen Modellwandel der Corporate Governance leitet sich meine Forschungsfrage ab: Warum hat der supranationale Modellwandel im europäischen Corporate Governance-System negative Folgen für Gewerk-schaften? Ich werde zunächst die (möglichen) Konsequenzen für die Gewerk-schaften aufzeigen, wie auf absehbare Zeit deren Handlungsfähigkeit und Einflussnahme beschränkt wird, wie mittelfristig eine Schwächung verschiede-ner gewerkschaftlicher Machtdimensionen und damit verbunden ihrer instituti-onellen Rolle wahrscheinlich ist und welche Veränderungen dies auf lange Sicht in der strategischen Ausrichtung und der Zusammenarbeit mit anderen kollektiven und korporativen Akteuren hat...
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Corporate Governance in der EU
- Die Konsequenzen für Gewerkschaften
- Einschränkungen der Handlungsfähigkeit und Einflussnahme
- Machtverlust und Schwächung der institutionellen Rolle
- Veränderungen in der strategischen Ausrichtung und Kooperation
- Erklärungsansätze für die Konsequenzen
- Fokussierung auf externe Corporate Governance-Mechanismen
- Aufwertung der Shareholder
- Vernachlässigung der Arbeitnehmerbeteiligung
- Fazit
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit untersucht die Auswirkungen des supranationalen Modellwandels im europäischen Corporate Governance-System auf Gewerkschaften. Die Arbeit analysiert die Folgen dieses Wandels, die sich insbesondere auf die Handlungsfähigkeit, die Macht und die strategische Ausrichtung von Gewerkschaften auswirken.
- Vermarktlichung der Corporate Governance
- Aufwertung von Shareholderinteressen
- Vernachlässigung der Arbeitnehmerbeteiligung
- Einschränkungen der gewerkschaftlichen Handlungsfähigkeit
- Schwächung der institutionellen Rolle von Gewerkschaften
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel führt in die Thematik ein und stellt die Forschungsfrage nach den negativen Folgen des supranationalen Modellwandels im europäischen Corporate Governance-System für Gewerkschaften. Das zweite Kapitel beleuchtet die Entwicklung des europäischen Corporate Governance-Systems und beschreibt den Wandel vom Stakeholder- zum Shareholder-Modell. Das dritte Kapitel analysiert die Konsequenzen dieses Wandels für Gewerkschaften. Es werden die Einschränkungen der Handlungsfähigkeit und Einflussnahme, der Machtverlust und die Schwächung der institutionellen Rolle sowie die Veränderungen in der strategischen Ausrichtung und Kooperation von Gewerkschaften untersucht. Das vierte Kapitel präsentiert Erklärungsansätze für die negativen Folgen des Modellwandels für Gewerkschaften. Die Fokussierung auf externe Corporate Governance-Mechanismen, die Aufwertung der Shareholderinteressen und die Vernachlässigung der Arbeitnehmerbeteiligung werden als zentrale Faktoren identifiziert. Das fünfte Kapitel fasst die zentralen Ergebnisse der Arbeit zusammen und bietet einen Ausblick auf die zukünftigen Herausforderungen für Gewerkschaften im Kontext des europäischen Corporate Governance-Systems.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den supranationalen Modellwandel, die europäische Corporate Governance, die Folgen für Gewerkschaften, die Vermarktlichung, die Aufwertung von Shareholderinteressen, die Vernachlässigung der Arbeitnehmerbeteiligung, die Einschränkungen der gewerkschaftlichen Handlungsfähigkeit, den Machtverlust, die Schwächung der institutionellen Rolle von Gewerkschaften und die Veränderungen in der strategischen Ausrichtung und Kooperation von Gewerkschaften.
- Arbeit zitieren
- Kristof Benninger (Autor:in), 2014, Supranationaler Modellwandel der europäischen Corporate Governance und seine Folgen für Gewerkschaften, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/273968