Unilaterale oder bilaterale Freistellungsvorbehaltsklauseln


Hausarbeit (Hauptseminar), 2011

20 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Problematik und Bekämpfung der Doppelbesteuerung

3. Rückfallklausel gemäß § 50d Abs. 9 EStG
3.1 Anwendungsvoraussetzungen
3.2 Anwendungsbereich
3.3 Kritik und verfassungsrechtliche Zulässigkeit

4. DBA-Freistellungsvorbehaltsklauseln mit Aktivitätsvorbehalt

5. Fazit

Literaturverzeichnis

Rechtsquellenverzeichnis

Rechtsprechungsverzeichnis

Sonstige Quellen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Das internationale Steuerrecht besteht aus einer Fülle von Normen, Urteilen und Richtlinien, die der Abgrenzung der Steuergewalt eines Staates gegenüber dem Ausland dienen. Ein grenzüberschreitend tätiger Steuerpflichtiger unter- liegt daher regelmäßig dem Steuerrecht mehrerer Staaten. Basierend auf Art. 115 des AEU-Vertrages1 obliegt den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Angleichung der verschiedenen nationalen Rechtsvorschriften, um die Er- richtung oder Erhaltung der Funktionsfähigkeit eines gemeinsamen Europäi- schen Marktes zu erreichen.

Obwohl der AEU-Vertrag den Organen der Gemeinschaft keine spezifische Kompetenz auf dem Gebiet des Rechts der direkten Steuern gibt, hat Europäisches Gemeinschaftsrecht weitreichende Auswirkungen auf die innerstaatlichen Vorschriften über die Ausgestaltung der unbeschränkten und der beschränkten Steuerpflicht.2 Da die Harmonisierung der direkten im Gegensatz zu den indirekten Steuern bisher nur ansatzweise erfolgt ist, bedienen sich die Staaten sog. Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), um die fiskalische Belastung der natürlichen und juristischen Personen, welche international tätig sind, deren individueller Leistungsfähigkeit anzupassen.

Da jedoch auch die entsprechenden DBA-Regelungen keine vollständige Beseitigung der Mehrfachbesteuerung ermöglichen, bedienen sich viele Staaten unilateraler Zusatzprotokolle, sog. Freistellungsvorbehaltsklauseln.

Im Rahmen dieser Seminararbeit werden die Ursachen, Eigenschaften und Problematiken von Freistellungsvorbehaltsklauseln basierend auf der nationa- len Norm des § 50d Abs. 9 EStG herausgearbeitet. Dazu wird in Kapitel 2 die Doppelbesteuerung, aufgrund welcher Freistellungsvorbehaltsklauseln entstan- den sind, erläutert sowie ein Überblick über die unterschiedlichen Arten dieser Missbrauchsklauseln gegeben. Kapitel 3 behandelt ausführlich die Vorausset- zungen, Anwendungseigenschaften der unilateralen Rückfallklausel gem. § 50d Abs. 9 EStG sowie die Frage nach deren verfassungsrechtlichen Zulässig- keit. Zusätzlich zu dieser nationalen Missbrauchsklausel enthalten bereits die bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen Freistellungsvorbehaltsklauseln. Kapitel 4 zeigt die Gestaltungsmöglichkeiten von Aktivitätsvorbehalten, wel- che oftmals an Freistellungsklauseln in diesen DBA gekoppelt werden. Anhand der untersuchten Missbrauchsklauseln betrachtet Kapitel 5 zusammenfassend den Nutzen sowie die Problemstellungen, welche sich hieraus für das internati- onale Steuerrecht ergeben.

2. Die Problematik und Bekämpfung der Doppelbesteuerung

Durch Überschneidung nationaler Steueransprüche kommt es vor allem bei der Einkommens- und Körperschaftssteuer zu positiven oder negativen Qualifika- tionskonflikten, aus welcher eine Doppelbesteuerung bzw. Doppelfreistellung bestimmter Einkünfte entstehen kann. Diese Qualifikationskonflikte resultieren aus einer nicht übereinstimmenden Anwendung eines DBA durch die Vertrags- staaten.3

In der Regel orientiert sich der Aufbau und die Konzeption eines DBA an dem OECD-Musterabkommen4, welchem allerdings völkerrechtlich keine bindende Wirkung zukommt, das jedoch im Rahmen der Auslegungsmethoden eine wichtige Hilfestellung bietet. Sofern die Verteilungsnormen aus Art. 6 bis Art. 22 OECD-MA das nicht schon verhindern, enthält der Art. 23 OECD-MA verschiedene Methoden zur Verhinderung einer Doppelbesteuerung und wird daher auch Methodenartikel genannt. Diesem Artikel folgend werden die entsprechenden Einkünfte entweder von der deutschen Steuer freigestellt (Art. 23 A OECD-MA), oder eine Anrechnung der ausländischen Steuer (Art. 23 B OECD-MA) gem. § 34c Abs. 1 EStG vollzogen.5

Die Freistellungsmethode bewirkt, dass die im Ausland erzielten Einkünfte nach der Höhe des dortigen Steuersatzes veranlagt werden und entspricht somit dem Gedanken der Kapitalimportneutralität. Ebenso werden auch negative ausländische Einkünfte von der inländischen Besteuerung ausgenommen.

Konträr zur Freistellungsmethode, werden bei der Anrechnungsmethode die im Ausland erzielten Einkünfte mindestens in Höhe des einheimischen Steuerni- veaus besteuert, wobei diese mit dem Gedanken der Kapitalexportneutralität einhergeht.

Die Anwendung der Freistellungsmethode wird in einigen DBA nur gewährt, falls die ausländischen Einkünfte auf eine aktive Tätigkeit in der Betriebstätte des Vertragsstaates zurückzuführen sind.6 Da die Freistellungsmethode i. d. R. unabhängig von der tatsächlichen Besteuerung im Ausland gewährt wird, ent- halten die neueren deutschen DBA sog. Subject-to-tax-Klauseln, welche für die entsprechenden Einkünfte einen „Rückfall“ von der Freistellungs- zur Anrech- nungsmethode vorsehen.

Da vielen Staaten die Bekämpfung der Doppelbesteuerung durch DBA nicht weit genug geht, werden diese durch Zusatzprotokolle erweitert. Eine derartige innerstaatliche Gesetzgebung ist jedoch kritisch zu betrachten, da hierdurch abkommensrechtliche Normen verletzt werden.7

Die Einführung des AStG8 zur Einschränkung des Doppelbesteuerungsrechts und Erweiterung des inländischen Steueranspruchs stellt eine solche Maßnah- me dar. Nach § 20 Abs. 2 AStG erfolgt im Rahmen eines sog. Treaty overrides ein Übergang von der Freistellungs- auf die Anrechnungsmethode, selbst wenn das DBA keinen Aktivitätsvorbehalt enthält.9 Mit dieser unilateralen switch- over-Klausel möchte der Gesetzgeber die Einmalbesteuerung der betroffenen Einkünfte sicherstellen.

Um zu verhindern, dass Personen oder Gesellschaften, die in den DBA vorgesehenen Steuerbegünstigungen für Zinsen, Dividenden oder Lizenzzahlungen missbräuchlich in Anspruch nehmen können, enthalten viele DBA sogenannte „anti-treaty-shopping“-Klauseln. Hier nimmt das DBA zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland eine Vorreiterrolle ein.10

3. Rückfallklausel gemäß § 50d Abs.9 EStG

3.1 Anwendungsvoraussetzungen

Mit dem Jahressteuergesetz 200711 hat der Gesetzgeber in § 50d Abs. 9 EStG eine unilaterale Rückfall- oder „Subject-to-tax“-Klausel eingeführt, um dem Grundgedanken, jede Einkunftsart genau einmal zu besteuern, näherzukom- men. Gleichwohl ist die Einmalbesteuerung nicht in allen DBA sichergestellt und war bisher nicht Voraussetzung für die Freistellung.12 Daher wird, § 50 d Abs. 9 EStG folgend, die Freistellung der Einkünfte ungeachtet des DBA nicht gewährt, wenn der Quellenstaat aufgrund eines Qualifikations- oder Zurech- nungskonfliktes die Bestimmungen des Abkommens so anwendet, dass die Einkünfte in diesem Staat von der Besteuerung auszunehmen sind oder nur zu einem durch das Abkommen begrenzten Steuersatz besteuert werden.13

Ebenso ist diese Norm anzuwenden, falls die Einkünfte nur deshalb nicht besteuert werden, weil sie von einer Person bezogen werden, die in diesem Staat nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist.14 Durch § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG wirkt sich die Vorschrift auch auf die Körperschaftsteuer sowie über § 7 Satz 1 GewStG ebenso auf die Gewerbesteuer aus.15

Zwingende Voraussetzung für die Anwendung des § 50d Abs. 9 EStG ist die Steuerfreistellung der Einkünfte gemäß eines DBA im Ansässigkeitsstaat Deutschland.16 Dabei ist es ohne Bedeutung, ob die Steuerfreistellung aufgrund einer abkommensrechtlichen Zuteilungsnorm (Art. 6 bis 20 OECD-MA) oder der Vermeidungsnorm (Art. 23A OECD-MA) des jeweiligen Länderabkom- mens gewährt wird.17

Die Steuerfreistellung der deutschen DBA gem. Art. 23 A OECD-MA (sog. Methodenartikel) gilt für originäre Unternehmensgewinne einer ausländischen Betriebsstätte, sowie für Dividendenerträge, welche aus einer mindestens zehnprozentigen Beteiligung an einer ausländischen Tochtergesellschaft resul- tieren (sog. Schachteldividenden). Um zu verhindern, dass in einem Vertrags- staat „leere“ Gesellschaften gegründet werden, nur um in den Genuss der Re- gelung eines DBA zu kommen, werden diese Einkünfte im Ansässigkeitsstaat jedoch häufig mit einem Aktivitätsvorbehalt belegt, sollten für eine Steuerfrei- stellung also fast ausschließlich das Ergebnis einer aktiven Tätigkeit darstel- len.18

Darüber hinaus sind Einkünfte aus selbständiger Arbeit, bei Benutzung einer im anderen Staat vorhandenen festen Einrichtung, sowie Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen, einschließlich Land- und Forstwirtschaft, häufig steuerbefreit. Auch Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sind nach deutschem Abkommensrecht, soweit die 183-Tage-Regelung19 nicht greift, i. d. R. unter Progressionsvorbehalt von der deutschen Steuer zu befreien.

Da die Norm ausdrücklich als Rechtsfolge die Nichtgewährung der DBA- Freistellung anordnet, bleiben Freistellungen nach innerstaatlichem Recht oder aufgrund einer EG-Richtlinie unberührt und werden weiterhin gewährt.20

Im Gegensatz zu anderen unilateralen Switch-over-Klauseln wie z.B. § 20 Abs.

2 AStG wird nicht ausdrücklich angeordnet, dass statt der abkommensrechtlich vorgesehenen Freistellungsmethode nunmehr die Anrechnungsmethode zur Anwendung kommt.

3.2 Anwendungsbereich

§ 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1, 1. Alt. EStG versagt die Freistellung für die Fälle, in denen der „andere Staat die Bestimmungen des Abkommens so anwendet, dass die Einkünfte in diesem Staat von der Besteuerung auszunehmen sind.“ Die Ursache der Nichtbesteuerung der Einkünfte muss demnach in einer aus deut- scher Sicht unzutreffenden Anwendung des DBA durch den Quellenstaat lie- gen.21

[...]


1 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union i.d. Fassung des Vertrages von Lissabon vom 13.12.2007, ABl. Nr. C 306 S. 1.

2 Alber, in Kessler/Gröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2008, Rn. 83ff.

3 Schönfeld in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, AStG, § 50d Abs. 9 Rz. 11.

4 OECD-MA, verabschiedet am 22.7.2010.

5 Petereit, IStR 2003, 577, 578.

6 Rehfeld, DStR 2010, 1809.

7 Schönfeld, in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, AStG, § 50d Abs. 9 Rz. 21ff.

8 Gesetz über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen v. 8.10.1972, BGBl. I S. 1713.

9 Rupp, in Bächle/Knies/Ott/Rupp, Internationales Steuerrecht, 2010, 3.

10 DBA-US v. 1.6.2006, IV B 2 - S 1301.

11 JStG 2007 v. 13.12.2006, BGBI, I 2006, 2878; BStBl. I 2007, 28.

12 Suchanek, IStR 2007, 654.

13 Hahn-Joecks aus Kirchhoff/Söhn/Mellinghoff, EStG, 194, 2009.

14 Meretzki, IStR 2008, 23.

15 Grotherr, IStR 2007, 265.

16 Grotherr, IStR 2007, 265.

17 Portner, IStR 2009, 195,196; Gosch, in Kirchhof, § 50d Rdnr. 67.

18 Kessler, WBT-Skript: Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 2/2010, Rz. 137.

19 Hält sich der Arbeitnehmer im Steuerjahr weniger als 183 Tage in dem ausländischen Land auf, in dem er erwerbstätig ist, so muss er auch seinen ausländischen Lohn in Deutsch- land versteuern, wenn nicht der Arbeitgeber seinen Sitz oder Betriebssitz im Ausland hat.

20 BR-Drucks 622/06 v. 1.9.2006, 103.

21 Hahn-Joecks, in: Kirchhoff/Söhn/Mellinghoff, EStG 2009, 194, K 11.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Unilaterale oder bilaterale Freistellungsvorbehaltsklauseln
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (Lehrstuhl für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre)
Veranstaltung
Internationale Besteuerung
Note
1,7
Autor
Jahr
2011
Seiten
20
Katalognummer
V274015
ISBN (eBook)
9783656664307
ISBN (Buch)
9783656664871
Dateigröße
594 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Doppelbesteuerung, Rückfallklausel, DBA, Freistellungsvorbehaltsklauseln, Aktivitätsvorbehalt
Arbeit zitieren
Diplom-Volkswirt Peter Lippert (Autor:in), 2011, Unilaterale oder bilaterale Freistellungsvorbehaltsklauseln, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/274015

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