Angewandte psychologische Überzeugungsstrategien. Ein allgemeines Konzept zur Gestaltung eines Newsletters als persuasive Technologie


Tesis, 2007

127 Páginas, Calificación: 1,3


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Kurzfassung

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung
1.3 Begriffsbestimmung
1.4 Vorgehensweise

2 Psychologische Persuasion
2.1 Persuasive Kommunikation
2.1.1 Elaboration-Likelihood-Model
2.1.2 Psychologische Überzeugungststrategien nach Cialdini
2.2 Voraussetzungen zur Persuasion
2.2.1 Bewusstsein und Willensfreiheit
2.2.2 Kommunikation
2.2.3 Überzeugungskriterien nach Gladwell
2.3 Auswirkungen von Persuasion
2.3.1 Einstellung
2.3.2 Verhalten

3 Persuasion im Internet
3.1 Persuasive Technologie
3.1.1 Captology
3.1.2 Triade der persuasiven Technologie
3.2 Glaubwürdigkeitskonzept nach Fogg
3.2.1 Glaubwürdigkeit
3.2.2 Vier Arten der Glaubwürdigkeit
3.2.3 Gestaltungsimplikationen
3.3 Ethische Konsequenz

4 Newsletter
4.1 Einordnung des Newsletters im Marketing
4.2 Untersuchungen
4.3 Ziele
4.4 Rechtliche Rahmenbedingungen
4.5 Newslettergestaltung
4.5.1 Arten und technische Formate
4.5.2 Inhaltsaufbau und Struktur
4.6 Erfolgsfaktoren
4.6.1 Permission
4.6.2 Kontakt.
4.6.3 Personalisierung und Individualisierung
4.6.4 Mehrwert
4.7 Spam

5 Anwendung persuasiver Elemente im Newsletter
5.1 Newsletter als persuasive Technologie
5.2 Psychologische Überzeugungsstrategien im Newsletter
5.3 Überzeugungskriterien im Newsletter

6 Allgemeines Konzept zur Gestaltung eines Newsletters als persua- sive Technologie
6.1 Schritt 1: Zielfindung
6.2 Schritt 2: Adressgewinnung
6.3 Schritt 3: Newslettergestaltung
6.4 Schritt 4: Versandvorbereitung
6.5 Schritt 5: Testphase
6.6 Schritt 6: Versandfreigabe
6.7 Schritt 7: Durchführung
6.8 Schritt 8: Evaluation
6.9 Schritt 9: Nachbereitung
6.10 Schritt 10: Erfolgskontrolle

7 Schluss
7.1 Zusammenfassung
7.2 Fazit und Ausblick

Kurzfassung

Einen Newsletter zu entwickeln, der von jedem angenommen und gelesen wird, gestaltet sich als sehr schwierig. Er wird nach wie vor als Belästigung und störend im alltäglichen Ablauf gesehen. Mit Hilfe persuasiver Strategien und Faktoren kann es jedoch dem Anbieter gelingen, die Leser von seinem Newsletter zu überzeugen. Die Persuasion will die Einstellung, die Meinung und das Verhalten des Lesers verändern, ohne ihn zu etwas zu zwingen oder etwas vorzutäuschen. Durch die Anwendung der Überzeugungsstrategien und Faktoren im Newsletter ist der Anbieter fähig, seine Kunden besser zu binden. Ein Newsletter ist als persuasive Technologie anzusehen, wenn die Botschaften beim Leser keinen Zweifel an der Glaubwürdigkeit hinterlassen.

Vor diesem Hintergrund wird ein Konzept entwickelt, das die genaue Vorgehensweise zur Erstellung eines Newsletters als persuasive Technologie aufführt. Es soll als Leit- faden für Newsletteranbieter dienen, denen zum praktischen Einsatz die Anregungen fehlen. Es sind 10 Regeln mit den dazugehörenden Überzeugungsstrategien abgeleitet worden, die bei Einhaltung einen erfolgreichen Newsletter hervorbringen können.

Schlüsselwörter: Persuasion, Überzeugungsstrategien, Newsletter, Glaubwürdigkeit, Kundenbindung, persuasive Technologie, Konzept, 10 Regeln

Abbildungsverzeichnis

2.1 Das Elaboration-Likelihood-Model

2.2 Klassische Kommunikation

2.3 Das Kommunikationsquadrat von Schulz von Thun

2.4 Das Dreikomponentenmodell der Einstellung nach Rosenberg und Hov- land

2.5 Die Theorie des überlegten Handelns nach Ajzen und Fishbein

3.1 Captology

3.2 Triade der persuasiven Technologie

3.3 6-Seiten-Cave

3.4 Die Avatare Anna und Link

3.5 Die zwei Dimensionen der Glaubwürdigkeit

3.6 Wirkung der Ethik auf die Persuasion

4.1 Die Einordnung des Newsletters im Marketing

4.2 Die verschiedenen Stadien des Kunden

4.3 Ein Beispiel für eine Standalone-E-Mail

4.4 HTML-Format versus Text-Format

4.5 Newsletter-Kennzahlen von

4.6 Die drei Unterbereiche des Newsletter-Bodys

4.7 Eine beispielhafte Newsletterstruktur

4.8 Die drei Arten des Anmeldeverfahrens

4.9 Ein Beispiel für "Double-Opt-in-Verfahren“

4.10 Newsletterplattform

4.11 Ein Beispiel einer Geburtstags-E-Mail

4.12 Das Anmeldeinterface des Tagesschau-Newsletters

4.13 Ein Beispiel für einen Newsletter, der den Zeitvorsprung kommuniziert

5.1 Hyperlinks dienen zur Reduktion und Tunnellung der Leser

5.2 Ein Beispiel für den Einsatz eines Avatars im Newsletter

5.3 Soziale Bewährtheit wird durch die Veröffentlichung der Lesermeinun- gen kommuniziert

5.4 Ein Beispiel für die Verwendung des Knappheitsprinzip in der Betreffzeile

5.5 Der Verankerungsfaktor wird durch die optische Gestaltung verständigt

5.6 Ein Beispiel für einen Newsletter nach der Lebenszyklusphase

6.1 Ein Beispiel für eine gute Newsletteranmeldepositionierung

6.2 Abmeldeoption

6.3 Ein Beispiel eines Newsletters mit einfachen optischen Elementen zur Unterstützung der Lesbarkeit

6.4 Gegenüberstellung der zwei Standardschriftarten

6.5 Ein Beispiel für eine Landing Page

6.6 Ein Beispiel für eine Umfrageplatzierung im Newsletter

6.7 Ein beispielhafter PTCA-Zyklus für die Newsletter-Aktion

Tabellenverzeichnis

2.1 Faktoren, die eine Informationsaufnahme beeinflussen oder verweigern

2.2 Die fünf Erfolgsfaktoren der Sympathie

2.3 Komponenten der Einstellung

3.1 Sieben Arten persuasiver Werkzeuge

3.2 Arten der sozialen Reize

3.3 Die vier Arten der Glaubwürdigkeit nach Fogg

3.4 „Web-credibilty“

4.1 Die fünf Wege der Kontaktaufnahme

4.2 Nutzenbringende Inhalte

4.3 Die Erfolgskriterien, um nicht im Spamfilter zu landen

6.1 Designrichtlinien für Animationen

6.2 Landing Page Gestaltung

6.3 Die zehn Regeln eines erfolgreichen Newsletters als persuasive Techno- logie

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Der Begriff Überzeugung beschreibt zwei Zustände. Zum einen bezieht er sich auf das Vertrauen in die grundlegende Richtigkeit der eigenen Ideen. Ist der Mensch von sei- ner Anschauung überzeugt, sei es durch Erfahrungen oder Experimente, lässt er sich nicht mehr von seiner vorherrschenden Meinung abbringen. Zum anderen ist Überzeu- gung auch, die Einstellung und Auffassung von jemandem bewusst und mit Absicht zu ändern. Dies wird durch Argumente oder das Schaffen von Tatsachen erreicht (o.V., 2007o). Überzeugungs- und Beeinflussungsprozesse spielen sich zu jeder Zeit, an je- dem Ort und in jedem Alter ab. Schon kleine Kinder begreifen, welche Faktoren sie nutzen müssen, um eine Person das machen zu lassen, was sie wollen. Cialdini spricht in diesem Zusammenhang von „weapon of influence“, der „Waffen der Einflussnah- me“ (Cialdini, 2006, S. 15). Für ihn ist die Kraft der Überzeugung die Psychologie der „Willfährigkeit“, also der „compliance“ (Cialdini, 2006, S. 15).

„ (...) Leute zu automatischer, gedankenloser Willfährigkeit zu bringen, da- zu, ohne vorherigeüberlegung ja zu sagen. Alles deutet darauf hin, dass das immer schneller werdende Tempo und die Flut von Informationen, die das Leben in unseren Zeiten mit sich bringt, dazu führen werden, dass diese unüberlegte compliance in Zukunft immer häufiger werden wird. “ (Cialdi- ni, 2006, S. 17)

Er spricht dabei von den automatischen Beeinflussungsmechanismen. Unternehmen ha- ben jedoch nicht die Absicht, ihre Kunden dahin zu beeinflussen, dass sie automatisch reagieren. Ihr Ziel besteht darin, Neukunden durch Überzeugung zu gewinnen, die sich zu Stammkunden entwickeln. Dieses Ziel zu erreichen, erweist sich als schwieriger als erwartet.

1.1 Problemstellung

In der Informationsgesellschaft sind Information und Kommunikation die entscheiden- den Erfolgsfaktoren. Ein Nachteil ist die Reizüberflutung, die durch die Präsenz von Information an jedem Ort und zu jeder Zeit auf den Menschen einwirkt. Vor allem im Internet haben Informationsanbieter die Anzahl der Werbebotschaften erhöht, um vom Kunden beachtet zu werden. Dazu werden permanent zum Beispiel Werbebanner geschaltet, die aber vom Konsumenten als Belästigung angesehen werden. Die negative Wirkung drückt sich durch Desinteresse und Langeweile aus. Die Botschaft hinter der Anzeige bleibt wirkungslos, denn sie geht in der Masse unter. Der Empfänger ist nicht in der Lage, zu unterscheiden, was erwünschte Information und was unerwünschte Werbung ist. Es wird alles intuitiv wegfiltriert.

Unternehmen sehen sich vor der neuen Herausforderung, Neukunden zu gewinnen und ihren bestehenden Kundenkreis zu binden. Knapp neunzig Prozent der Unternehmen setzen dafür E-Mail-Marketing ein (Schwarz, 2006c, vgl.). Immer mehr Webauftritte bieten heute die Option, Informationen per E-Mail zu beziehen. Durch den Newsletter als Push-Technologie1 ist eine regelmäßige Informationsversorgung gesichert. Voraus- setzung ist, dass das Unternehmen die E-Mail Adresse des potentiellen Kunden erhält. Viele Nutzer sind mit der Herausgabe ihrer E-Mail Adresse vorsichtig geworden, da sie schon Opfer von unerwünschten Zusendungen (Spam) geworden sind.

Der Newsletterversand darf nur mit der ausdrücklichen Einwilligung des Empfängers stattfinden. Viele Webauftritte haben die Anmeldung auf der Homepage daher mit einer Newsletterbestellung gekoppelt. Der Besucher merkt jedoch oft nicht, dass er mit seiner Handlung eben einen Newsletter abonniert hat. Ungewollt bestellte Newsletter kann er dann zwar kündigen, jedoch erfordert dies Zeit und Aufwand und erzeugt dadurch einen negativen Eindruck, der vom Anbieter gerade nicht erwünscht ist.

Unternehmen müssen die Konsumenten von ihrem Angebot „Newsletter“ ehrlich überzeugen. Interesse und Neugier können sie beim Kunden nur durch hochwertige und relevante Informationsübermittlung erreichen. Ein Unternehmen, das sich von der Konkurrenz abheben und wettbewerbsfähig sein will, muss den Werbeanteil in der E-Mail niedrig halten und dem Leser einen Mehrwert an Informationen bieten.

1.2 Zielsetzung

In der vorliegenden Arbeit geht es um die Frage, wie ein Newsletter durch die Anwen- dung von Überzeugungsstrategien und Faktoren die Kunden binden und neue Kunden gewinnen kann. Dafür wird ein allgemeines Konzept zur Gestaltung des Newsletters als persuasive Technologie entwickelt. Es vereint die Schlüsselfaktoren des Newsletters mit den persuasiven Elementen. Dieses Konzept ist in Form einer einfachen Schrittfür-Schritt-Anleitung aufgebaut. Dies soll die Umsetzung in die Praxis erleichtern. Die psychologischen Überzeugngsstrategien von Cialdini (Cialdini, 2006), die persuasiven Faktoren von Gladwell (Gladwell, 2002) und die wichtigsten Argumente der Arbeit Foggs (Fogg, 2003) liefern dem Konzept das theoretische Grundgerüst.

1.3 Begriffsbestimmung

An dieser Stelle werden die Schlüsselbegriffe, die zum Verständnis dieser Arbeit wichtig sind, bestimmt und kurz erläutert.

Psychologische Überzeugungsstrategien Der hier verwendete Ausdruck Psy- chologische Überzeugungsstrategien basiert auf Cialdini (Cialdini, 2006). Er bezieht sich auf allgemeine Strategien im Alltag, die darauf abzielen, die Einstellung, Meinung und Handlung des Menschen zu ändern. Dieser Ausdruck umfasst die sechs verschiede- nen Strategien der Einflussnahme. Neben der Reziprozitätsregel, der sozialen Bewährt- heit und der Sympathie existieren noch die Technik der Knappheit, die Strategie der Commitment und Konsistenz und die Autorität (vgl. Cialdini, 2006). Da der Einsatz der Überzeugungsstrategien nicht offensichtlich, sondern unauffällig ist, sind sie von der Zielperson nicht zu erkennen.

Newsletter Der Begriff Newsletter kommt aus dem englischen und bedeutet „Mittei- lungsblatt“ oder „Verteilernachricht“ (Schradi, o. A.). Er ist ein regelmäßig wiederkeh- rendes E-Mail-Rundschreiben, das nur durch ausdrückliches Einverständnis des Emp- fängers versendet wird. Hingegen werden Spam-E-Mails ohne Einholen der Erlaubnis des Lesers versendet. Newsletter sind aus relevanten und kurzen Meldungen zusammen- gesetzte E-Mails. In der Regel beinhaltet jede Form und Art eines Newsletters Verlin- kungen, die auf Landing Pages2 führen. Der Leser erhält durch den Newsletter regelmä-ßig und kostenlos aktuelle Informationen zu seinem ausgewählten Themenkreis.

Persuasive Technologie Die persuasive Technologie nach Fogg (Fogg, 2003) bil- det ab, inwiefern eine Computertechnologie durch ihre Eigenschaften persuasiv, also überzeugend auf den Menschen wirkt. Fogg sieht hier den Computer als Werkzeug, als sozialer Akteur und als Medium (Fogg, 2003). Der Begriff Persuasion wird vom Duden mit Überredung übersetzt (o.V., 2002a). Persuasive Technologien sollen ohne Zwang und Vortäuschung überzeugen (vgl. Fogg, 1998, S. 15).

„ (...) persuasion is an attempt to change attitudes or behaviors or both (without using coercion or deception). “ (Fogg, 1998, S. 15)

Persuasive Technologien sollen nur überzeugen, wenn der User dies wünscht und zuläßt.

1.4 Vorgehensweise

Um die Zielsetzung dieser Arbeit zu erfüllen, wird zunächst grundlegendes über die psychologische Persuasion aufgezeigt. Auf Basis persuasiver Kommunikation wird das E- laboration-Likelihood-Model vorgestellt. Darauf aufbauend werden die Überzeugungsstrategien von Cialdini (Cialdini, 2006) abgeleitet. Nachdem die Techniken der Überzeugnsarbeit vertraut sind, werden die Voraussetzungen und die Auswirkungen psychologischer Persuasion veranschaulicht.

Auf diesen Erkentnissen aufbauend stellt die Arbeit in Kapitel 3 die Persuasion im Internet vor. Hier sind die Forschungsergbenisse und Erkenntnisse Foggs (Fogg, 2003) aufgeführt. Fogg hat erkannt, das Computertechnologie die Motivation und Überzeugung von Menschen auf drei Arten beeinflussen kann. Das Glaubwürdigkeitskonzept ist dabei das zentrale Element. Abschließend geht das Kapitel auf die ethische Konsequenz überzeugungsfähiger Computertechologien ein.

Der Newsletter repräsentiert den Gegenstand, an dem die persuasiven Strategien ange- wendet werden. Im Kapitel 4 wird er daher ausführlich behandelt. Nach Einordnung des Newsletters im Marketing werden die wichtigsten Untersuchungen über die Benutzer- freundlichkeit (Usability) des Newsletters wiedergegeben. Weiter wird auf die Newslet- tergestaltung eingegangen und die wichtigsten Erfolgsfaktoren eines Newsletters her- ausgestellt. Auf Basis der Erfolgsfaktoren, werden die wesentlichen Ziele aufgeführt.

Kapitel 5 führt die vorher vorgestellten Argumente aus Kapitel 3 und 4 zusammen. Es wird aufgezeigt, warum ein Newsletter als persuasive Technologie geeignet ist. Der Einsatz der Überzeugungsstrategien und der persuasiven Merkmale im Newsletter werden anhand realer Beispiele demonstriert.

Anschließend wird im Kapitel 6 das allgemeine Konzept zur Gestaltung eines Newslet- ters als persuasive Technologie vorgestellt. Die Ausarbeitung des Konzepts erfolgt in Form einer Newsletter-Aktion, die in Schritten unterteilt ist. Unter Schritt 3 findet der Leser 10 Regeln für einen erfolgreichen Newsletter als persuasive Technologie mit den zu erwartenden persuasiven Strategien und Kriterien.

2 Psychologische Persuasion

Dieses Kapitel behandelt die grundlegenden Elemente der psychologischen Persuasion. Es wird zunächst erklärt, was persuasive Kommunikation ist und in diesem Zusam- menhang das Elaboration-Likelihood-Model vorgestellt. Darauf aufbauend werden die Überzeugungsstrategien von Cialdini (Cialdini, 2006) abgebildet. Anschließend werden die Voraussetzungen zur Persuasion, wie etwa der Verankerungsfaktor und die Auswir- kungen auf die Einstellung und das Verhalten persuasiver Kommunikation aufgezeigt.

2.1 Persuasive Kommunikation

Situationen, in denen Menschen zu einer Handlung oder von einem Sachverhalt zu über- zeugen versuchen, finden sich täglich. Der Zuhörer ist der Einflussnahme des Kommuni- kators ausgesetzt. Wer erfolgreich seinen Gegenüber überzeugen und beeinflussen will, erreicht das durch persuasive Kommunikation. Der Sender einer persuasiven Botschaft hat in erster Linie das Ziel, die Einstellung und das Verhalten des Zuhörers zu verän- dern. Durch seine Nachricht will er die Meinung des Empfängers an seine Auffassung angleichen. Bergers allgemeine Definition beschreibt am ehesten die Aufgabe und das Ziel der persuasiven Kommunikation:

„ Communication that is persuasive is directed toward changing or alte- ring another person ‘ s beliefs, attitudes, and, ultimately, behaviors. “ (Ber- ger, o.A.)

Persuasive Kommunikation ist Informationsaustausch zwischen Menschen, wobei einer mit unterschiedlichen kommunikativen Mitteln den anderen beeinflussen und überzeugen will etwas zu tun oder zu glauben.

2.1.1 Elaboration-Likelihood-Model

Das Elaboration-Likelihood-Model (ELM) von Petty und Cacioppo beleuchtet die Aus- wirkungen einer persuasiven Nachricht auf den Empfänger, angesichts seiner Haltung gegenüber dem Inhalt der Nachricht. Es gibt zwei verschiedene Wege der Mitteilungsverarbeitung (Elaboration), die sich infolge persuasiver Kommunikation aufzeigen. Die zentrale Frage ist, ob der Empfänger die Motivation und die Fähigkeit besitzt, aufmerksam zuzuhören (vgl. o.V., 2007g).

„ ELM ist eine Theorie der Persuasion, die definiert, wie wahrscheinlich Menschen ihre kognitiven Prozesse darauf konzentrieren werden, eine Bot schaft zu elaborieren und daher den zentralen und peripheren Routen zur Persuasion folgen. “ (Zimbardo und Gerrig, 2004, S. 777)

Bei der zentralen Verarbeitung der Mitteilung wird davon ausgegangen, dass der Emp- fänger wissenbedürftig (Need for Cognition, NfC) und deshalb primär an den Argu- menten und der Qualität der Nachricht interessiert ist. Er ist motiviert und besitzt die Fähigkeit, das neue Wissen zu verarbeiten. Ist die Person vom Inhalt der Mitteilung überzeugt, stellt sich eine langanhaltende, änderungsresistente Überzeugung ein.

Die zweite Route nennen Petty und Cacioppo den peripheren Weg. Hier sind die Argu- mente und die Qualität der Nachricht Nebensache. Hinweisreize (cues), wie beispiels- weise die Glaubwürdigkeit des Referendars, sein Äußeres, die Zustimmung der Anderen oder Quellenangaben des Artikels sind ausschlaggebend (vgl. o.V., 2007g). Menschen, die ein Thema wenig interessant finden, stützen sich eher auf die Aussagen peripherer Hinweise, als auf die Aussagekraft der Argumente. Dabei dient die persönliche Betrof- fenheit als Motivation für das Heranziehen peripherer Reize. Die Konsequenz ist eine schwache und instabile Einstellungsänderung. Bei einer persuaiven Kommunikation ist die Person anfällig für weitere Überzeugungsarbeit. Abbildung 2.1 auf der nächsten Seite stellt die zwei Wege und ihre Konsequenzen detailliert dar.

Die Art und Weise, in der Personen einstellungsrelevante Informationen verarbeiten, hängt im Wesentlichen von ihren Fähigkeiten und ihrer Motivation ab. Sind diese zur intensiven Verarbeitung von Argumenten zu gering, erhöht sich die Relevanz von Hin- weisreizen. Steigt dagegen die Motivation zum Wissenserwerb, so werden periphere Reize immer unwichtiger.

Ist eine Person abgelenkt, so wird sie nicht in der Lage sein, die versendete Botschaft zu verarbeiten und zu verstehen. Aufgrund ihrer Unaufmerksamkeit achtet sie eher auf die Hinweisreize der peripheren Mitteilungsverarbeitung. Tiefgründige Argumente wer- den daher nicht aufgenommen und so kann auch ein Lernprozess nicht eintreten (vgl. Koschnick, o.A.).

Ein Überzeugungstalent hat bei einem Abgelenkten wenig Mühe die Meinung und das Verhalten zu verändern. Die Ablenkung verringert die Produktion von Gegenargumen- ten und reduziert die Fähigkeit zur tiefen Verarbeitung von Information (vgl. Koschnick, o.A.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.1: Das Elaboration-Likelihood-Model (vgl. o.V., 2007g)

Auch die Stimmung des Empfängers beeinflusst die Aufnahme der Information und den Erfolg der persuasiven Kommunikation. Ist der Zuhörer in guter Stimmung, ist das ein weiterer Grund, die dezentrale Mitteilungsverarbeitung zu bevorzugen. Ist er hingegen in schlechter Stimmung, dann wird die zentrale Route der Informationsverarbeitung ge- wählt (vgl. Strauß, 2004).

Personen mit einem hohen Wissensbedarf (NfC) sind weniger anfällig für dezentrale Reize und verarbeiten relevantes Wissen wesentlich tiefer. Menschen mit einem niedrigen Kognitionsbedürfnis1 verarbeiten Wissen nur oberflächlich und neigen bei starken Argumenten zu einer geringeren Einstellungsänderung (vgl. Strauß, 2004).

Aber auch Faktoren anderer Art beeinflussen oder verweigern die Aufnahme von zen- traler wie peripherer Information, wie in Tabelle 2.1 auf der nächsten Seite aufgezeigt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2.1: Faktoren, die eine Informationsaufnahme beeinflussen oder verweigern (vgl. Strauß, 2004)

2.1.2 Psychologische Überzeugungststrategien nach Cialdini

Persuasion betreiben Menschen, sobald sie miteinander kommunizieren. Cialdini zeigt verschiedene Situationen auf, in denen mittels Kommunikation verschiedene Überzeu- gungsstrategien zur Anwendung kommen. Für Cialdini ist die heutige informations- überladene, komplexe und schnelllebige Welt der Grund, warum Menschen nicht mehr die Zeit und geistige Kapazität haben, alle Informationen zur Entscheidungsfindung zu sammeln und abzuwägen (vgl. Cialdini, 2006, S. 17). Nach Cialdini beginnt der Mensch nach „fixen Handlungsmustern“ zu reagieren, die automatisch und unbewusst ablaufen (Cialdini, 2006, S. 39). Dieses stereotype Verhalten wird durch Auslösemerkmale („trig- ger feature“) hervorgerufen, die erlernt oder angeboren sind (Cialdini, 2006, S. 39). Die- se Neigung zu fixen Handlungsregeln wird von einigen Menschen durch manipulieren der „trigger feature“ ausgenutzt (vgl. Cialdini, 2006, S. 39). Durch die Reduktion der Entscheidung auf die Teilinformation ist das Individuum anfälliger für die Herstellung von „compliance“2.

2.1 Persuasive Kommunikation

Commitment und Konsistenz Commitment und Konsistenz bedeutet Standpunkt beziehen, sich auf etwas festlegen (vgl. Cialdini, 2006, S. 92). Menschen haben das Grundbedürfnis, in Worten und Taten konsequent zu sein und glaubwürdig aufzutreten. Sie wollen in der Gesellschaft ein positives Image genießen. Eine Person, die konsistent handelt, wird mit Intelligenz, Logik, Vernunft, Stabilität und Ehrlichkeit in Verbindung gebracht (vgl. Cialdini, 2006, S. 92). Inkonsistent ist hingegen jemand, der Überzeugun- gen, Aussagen und Handlungen im Widerspruch zueinander bringt. Konsistenz verhilft auch hier dem Menschen zum automatischen Reagieren, da es eine wenig aufwändi- ge, aber effiziente Methode zur Bewältigung der komplexen Realität ist (vgl. Cialdini, 2006, S. 93). Eine einmal getroffene Entscheidung trägt den Vorteil, dass die Person sich keine Gedanken mehr über das Für und Wider der Angelegenheit machen muss.

Das Bestreben nach Commitment und Konsistenz ist in den Händen des Überzeugers eine starke Waffe der Einflussnahme. Um „compliance“ mit der Aufforderung zu errei- chen, wenden viele Überzeugungstalente die „Foot-in-the-door-Technik“ an. Der erste Schritt besteht darin, eine kleine Bitte zu stellen, die von der Zielperson erfüllt wird. Im zweiten Schritt wird ein größeres Anliegen vorgetragen, dessen Bewilligung wahr- scheinlicher ist, da die Zielperson sich verbindlich fühlt, diese ebenfalls zu erfüllen. Der Überzeugungsspezialist nutzt das Gefühl von Verbindlichkeit aus, um seine spätere „compliance“ zu vergrößern (vgl. Zimbardo und Gerrig, 2004, S. 783). Aussagen, wie etwa: “Ich weiß, dass Sie hochwertige Nahrungsmittel schätzen, also weiß ich auch, dass Sie bereit sind dafür mehr zu zahlen.“ (Zimbardo und Gerrig, 2004, S. 783), gibt dem Kunden das Gefühl, sich folgewidrig zu verhalten, wenn er das Angebot nicht an- nimmt. Ein konsistentes Verhalten wird am ehesten erreicht, wenn es öffentlich, mit viel Mühe verbunden und freiwillig ist. Menschen haben die Grundeinstellung, immer kon- sistent zu handeln und einmal getroffene Entscheidungen und Überzeugungen nicht neu zu überdenken und zu revidieren.

Soziale Bewährtheit Das Prinzip der sozialen Bewährtheit drückt aus, dass sich Menschen zur Entscheidungsfindung an dem Verhalten und der Meinung anderer orientieren (vgl. Cialdini, 2006, S. 154). Viele Menschen zeigen das gleiche Verhalten, wenn es sich sozial bewährt hat. Sie gehen davon aus, dass die Summe der Meinungsanhänger für das korrekte Verhalten Beweis und Beleg genug ist.

„ (...) wenn wir unsicher sind, wenn die Situation unklar oder mehrdeutig ist, wenn alles ungewiss ist, wir am ehesten geneigt sind, unser Augenmerk darauf zu richten, was andere tun, und deren Verhalten zur Richtschnur unseres eigenen Handelns zu machen. “ (Zimbardo und Gerrig, 2004) zitiert nach (Tesser u. a., 1983)

Wissen Menschen nicht, welches Verhalten das Richtige ist, da sie sich in der Situation unsicher fühlen oder sie mehrdeutig ist, beobachten sie andere, um die eigene Unsi- cherheit zu überwinden. Darauf aufbauend besitzt das Merkmal Ähnlichkeit noch einen größeren Einfluss auf das Verhalten. Menschen orientieren sich eher an jemanden, wenn dieser ihm in Aussehen, Verhalten und Überzeugung ähnelt (vgl. Cialdini, 2006, S. 179). Sie wollen Klärung darüber, welches Verhalten für sie angemessen ist, indem sie die Zielperson imitieren. Überzeuger sind in der Lage, dieses Verhaltensmuster zu beein- flussen, indem sie die Anzeichen manipulieren. Sie nutzen die Merkmale der sozialen Bewährtheit, wie

- Unsicherheit und

- Ähnlichkeit

zu ihrem Vorteil. Der Zielperson wird erklärt, dass sich schon viele Menschen vor ihr ähnlich verhalten haben und dass es sich für sie ausgezahlt hat. Die Zielperson erfüllt automatisch die Bitte, da sie von der sozialen Bewährtheit, belegt durch Dritte, über- zeugt ist.

Sympathie Eine weitere Strategie, die zu den „weapons of influence“3 gezählt wird, ist die Sympathie4. Dieses Gefühl äußert sich in einem starken Engagement für die Idee oder den Menschen, der sympathisch, also liebenswürdig, nett und freundlich gefunden wird. Ein Überzeugungsstratege hat daher das Ziel, sympathiefördernde Faktoren, wie in Tabelle 2.2 auf der nächsten Seite aufgezeigt, wirkungsvoll umzusetzen (vgl. o.V., 2007m).

Ist der Überzeugungsprofi fähig, diese fünf Faktoren einzusetzen, ist die Bereitschaft beim Kunden, sich überzeugen zu lassen, wesentlich höher.

Autorität Der Begriff Autorität bedeutet Einfluss, Geltung, Würde und Macht (vgl. o.V., 2007a). Experten verschafft sie Ansehen, das dazu führt, dass sich andere Menschen in ihrem Denken und Handeln nach ihnen richten. Wohlbegründete Autorität entsteht durch vorausgehende Erfahrung, besondere Fähigkeiten im Fachgebiet und Wissensvorsprung (vgl. o.V., 2007a). Schon Kinder haben gelernt, Autoritätspersonen (Eltern, Lehrer) zu folgen, da sie die Erfahrung machten, dass es sich lohnt, auf ihren Rat zu hören. Nicht allein wegen ihres Wissens, sondern wegen ihrer Macht zur Belohnung oder Bestrafung werden Autoritäten respektiert und angesehen.

2.1 Persuasive Kommunikation

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2.2: Die fünf Erfolgsfaktoren der Sympathie (vgl. Cialdini, 2006, S. 221ff.)

Die Bereitschaft, sich einer legitimen Autorität unterzuordnen ist für viele Menschen angenehm, denn sie müssen keine Verantwortung übernehmen und sich selbst keine Gedanken zu einem Thema machen. Gehorsam bringt Menschen dazu, ohne Hinterfragung zu vertrauen (vgl. Cialdini, 2006, S. 269). Drei Hinweise, die einen Experten zu einer autoritären Person machen sind

- Titel (Akademischer Grad, Dienstgrad bei der Bundeswehr),
- Kleidung (Uniform, Gesellschaftsanzug) und
- Automobil als Prestigeobjekt.

Autoritätssymbole haben Erfolg bei der Veränderung der Einstellung und des Verhaltens der Zielperson. Überzeugungstüchtige nutzen die Autoritätshörigkeit der Menschen, um sich glaubwürdig und vertrauenerweckend darzustellen.

Knappheit Beim Knappheitsprinzip messen Menschen Gelegenheiten (Produkte, Informationen) einen höheren Wert bei, wenn sie schwer zu erreichen sind. Der Ursprung dieser Reaktion liegt bei der Überzeugung, dass

- knappe Güter eine höhere Qualität haben müssen und dass
- zunehmende Unerreichbarkeit einer Sache Verlust von Freiheit einschließt (Cialdini, 2006).

Knappheit spielt auch für die Bewertung von Information eine große Rolle. Ist Information nicht frei zugänglich und knapp in ihrer Verfügung, so erscheint auch sie wertvoller (vgl. Cialdini, 2006, S. 296). Der Wunsch, die Information nicht nur zu besitzen, sondern sich nach ihr zu richten, wird immer dringender. Sie wird als exklusiv angesehen und ist somit effektiver in ihrer Überzeugungskraft.

Mit den Überzeugungsstrategien, wie „die Taktik der kleinen Menge“ und „die Fris- tentaktitk“, wird dem Kunden vorgetäuscht, dass Produkte zeitlich oder mengenmäßig begrenzt sind (Cialdini, 2006, S. 297f.). So häufen sich Aussagen, wie „Solange der Vor- rat reicht!“, „Nur noch kurze Zeit!“ und „Letzte Gelegenheit!“. Der Kunde ist nach dem Knappheitsprinzip gezwungen zu handeln. Dabei ist es irrelevant, ob er das Produkt oder die Information benötigt, nur der Gedanke, dass er was verpassen oder verlieren könnte, versetzt ihn in emotionale Erregung. Zwei Bedingungen, die eine höhere Wertschät- zung der Produkte und Informationen erlangen sind erstens die kurzfristige Knappheit und zweitens die Verteidigung gegenüber der Konkurrenz (vgl. Cialdini, 2006, S. 322).

Reziprozität Die wirkungsvollste Technik, in der Personen „compliance“ mit ih- ren Aufforderungen herstellen, ist die Reziprozität. Sie fokusiert die Strategie, anderen Menschen einen Gefallen, eine Leistung oder ein Entgegenkommen zurückzugeben, wenn sie diese angeboten und angenommen haben (vgl. Zimbardo und Gerrig, 2004, S. 783). Menschen werden von Kindheit an konditioniert, sich schuldig und unwohl zu fühlen, wenn sie jemandem einen Gefallen abschlagen. Wer nimmt, ohne zu Geben ist in der sozialen Gemeinschaft unbeliebt und wird eine Randposition besetzen (vgl. Cialdini, 2006, S. 63). Die Anwendung der Regel fördert die Entwicklung von reziproken Beziehungen, um Personen, die eine solche Beziehung initiieren, keine Verluste erleiden zu lassen. Überzeugungsspezialisten nutzen die Reziprozitätsregel, indem sie die Verpflichtung der Annahmne für sich instrumentalisieren.

Die „Door-in-the-face-Technik“ oder auch „Neuverhandeln-nach-Zurückweisen-Tak- tik“ ist die bekannteste Strategie, um Menschen zu beeinflussen (Cialdini, 2006, S.68). Ein Überzeugungsstratege nutzt hierbei die Macht der Konzession. Er beginnt mit einer Forderung, welche bewusst so groß ist, dass die Zielperson sie ablehnt. Es folgt eine kleinere Bitte, die eigentliche Forderung, die als Zugeständnis formuliert wird. Das Op- fer fühlt sich verpflichtet die zweite Forderung anzunehmen, da es das vorangegangene Angebot abgelehnt hat und nicht weiter in der Schuld des Überzeugers stehen möch- te. Diese Taktik zielt auf das Schuldbewusstsein des Empfängers. Mit dem Annehmen des zweiten Angebots fühlt sich das Opfer befreit. Der Forderungssteller hat bewusst in seiner Zielperson zwei Gefühle ausgelöst:

Verantwortung Die Person fühlt sich verantwortlich für das Zustandekommen der Vereinbarung (vgl. Cialdini, 2006, S. 67).

Zufriedenheit Die Person ist zufriedener, wenn eine Vereinbarung durch ge- genseitige Zugeständnisse erreicht wird (vgl. Cialdini, 2006, S. 67).

Reziprozität führt auf drei Wege zur Konzession. Erstens schaltet sie Einflüsse anderer Faktoren aus, die für die Entscheidung ausschlaggebend gewesen wären. Zweitens bezieht sie sich auf ungebetene Gefälligkeiten und schränkt die Fähigkeit zur Selbstbestimmung ein, wem der Betroffene etwas schuldig sein will. Drittens bezieht sie sich auf den Austausch ungleicher Gefälligkeiten, um das unangenehme Gefühl loszuwerden, jemandem etwas schuldig zu sein.

2.2 Voraussetzungen zur Persuasion

Menschen, die durch psychologische Persuasion Einfluss auf ihre Gegenüber nehmen wollen, müssen die Fähigkeit besitzen, ihren Willen zu bestimmen, um überzeugend die Handlung der Zielperson zu verändern. Weitere Voraussetzung zur Überzeugungsarbeit ist die Kommunikation, die sich auf unterschiedlichen Ebenen ereignen kann. Als dritte Voraussetzung zur Persuasion werden hier die drei Kriterien Überzeugungsträger, Verankerungsfaktor und die Macht der Umstände aufgezeigt.

2.2.1 Bewusstsein und Willensfreiheit

Bewusstsein beschreibt einerseits den Bezug von Personen auf Objekte der Wahrnehmung von Dingen. Andererseits ist Bewusstsein aber auch ein mentaler Zustand. Der Mensch besitzt die Fähigkeit, über Gedanken, Emotionen oder Erinnerungen zu verfügen. Es ist eine Hilfestellung für Überlegungen und Entscheidungen und dient zur Kontrolle des Verhaltens (vgl. Eisler, 2004a). Das Selbstbewusstsein bezieht sich auf den Menschen, der sich seiner Identität klar ist. Er nimmt seine Fähigkeiten im Denken und Fühlen persönlich wahr und ist in der Lage die Konsequenzen seines Handelns abzuschätzen. Nach Kant entsteht Selbstbewusstsein durch: „ Beobachtung und Refle xion des eigenen Ichs von auß en. “ (Eisler, 2006). Der durch Eisler zitierte folgende Ausspruch Kants betrachtet das eigene Bewusstsein:

„ Ich bin mir selbst ein Gegenstand der Anschauung und des Denkens (...) “ (Eisler, 2004b).

Durch das Bewusstsein des eigenen Ichs ist der Mensch in der Lage, frei zu entscheiden und zu handeln. Menschen handeln frei, wenn sie nicht nur tun können, was sie wollen, sondern wenn sie auch bestimmen können, was sie wollen (vgl. Beckermann, 2005). Sie entscheiden, nach welchen Motiven, Wünschen und Überzeugungen sie handeln. Folglich basieren Entscheidungen nicht einzig auf Handlungsfreiheit, sondern auch auf Willensfreiheit (vgl. Beckermann, 2005):

Handlungsfreiheit Eine Person ist in ihrem Handeln frei, wenn sie tun kann, was sie tun will (vgl. Beckermann, 2005).

Willensfreiheit Eine Person ist in ihrem Wollen frei, wenn sie die Fähigkeit hat, ihren Willen zu bestimmen, welche Motive, Wünsche und Über- zeugungen handlungswirksam werden sollen (vgl. Beckermann, 2005).

Freie Entscheidungen zu treffen und sie widerrufen zu können, resultiert also aus dem „freien Willen“. Bewusst gewollte und freie Handlungen stehen mit einem Entschluss und einem Ziel und damit verbundenen Wünschen, Absichten oder Motiven in direktem Zusammenhang. Handlungen und Entscheidungen sind nicht frei und gewollt, wenn sie unter Zwang erfolgen und durch Zufall passieren. Entscheidungen sind frei, wenn

- die Bedingung des „Anders-Handeln-“ oder „Anders-Entscheiden-Könnens“ ein- tritt,
- die Urheberschaftsbedingung zutrifft und
- die Kontrollbedingung tangiert wird (vgl. Beckermann, 2005).

Personen müssen eine Wahl zwischen Alternativen haben. Freie Handlungen setzen auch eine Person als Urheber vorraus, die für ihr Verhalten verantwortlich gemacht werden kann. Pauen nennt es das „Minimalkonzept des Urheberprinzips“ (Pauen, 2005, S. 57). Das dritte Merkmal freier Entscheidungen betrifft die Kontrollbedingung. Der Mensch ist Urheber seiner Entscheidung und daher unterliegt sie seiner vollen Kontrolle (vgl. Beckermann, 2005).

„Personale Präferenzen“, wie Wünsche, Überzeugungen und Bedürfnisse sind subjektiv und individuell und die Gründe, warum in bestimmten Situationen jeder Mensch anders handelt (vgl. Pauen, 2005, S. 58). Ein Mensch mit einem weniger starken Willen und einem geringen Selbstbewusstsein ist unter Persuasionsarbeit wesentlich einfacher zu beeinflussen als eine selbstbestimmte Person mit festem Willen.

2.2.2 Kommunikation

Allgemein ist Kommunikation die Übermittlung einer Nachricht vom Versender zum Empfänger mittels Zeichen und Symbolen, wie die Abbidlung 2.2 darstellt (vgl. Klein und Kresse, 2005, S. 55). Dabei existiert die Schwierigkeit, als Rezipient den Inhalt der versendeten Nachricht richtig zu interpretieren. Dem Kommunikator fällt die Aufgabe zu, seine Gedanken genau und eindeutig zu formulieren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.2: Klassische Kommunikation

Kommuniziert wird immer auf mehreren Ebenen. Meistens ist nicht der Inhalt aus- schlaggebend, sondern die unterschwellige Botschaft5. In der Sprache sowie in der Schrift haben diese unterschwelligen Signale eine starke Aussagekraft. Jede Äußerung des Versenders enthält unterschwellige Botschaften. Das folgende Kommunikationsmo- dell in Abbildung 2.3 auf der nächsten Seite zeigt vier Seiten einer Botschaft. Die Sa- chebene, die Apellebene, die Beziehungsebene und die Selbstkundgabe. Unterschwellig kommuniziert wird auf der Beziehungsebene und der Selbstkundgabe. Nicht jeder Zu- hörer ist in der Lage, die unterschwelligen Botschaften richtig einzuordnen. Dennoch wird jede Art von Botschaft versucht zu filtern (vgl. Schulz von Thun, 2004).

Die Sachebene gibt klar an, über was informiert wird. Sie bezeichnet den Inhalt der Kommunikation, also die Daten, Fakten und den Sachverhalt. Dabei werden die Kriteri- en Wahrheitsgrad, Relevanz und Hinlänglichkeit abgewogen. Der Empfänger muss da- bei sein „Sachohr“ fragen, ob die Aussage wahr oder unwahr ist, ob sie für das Gespräch relevant ist und ob alle Fakten und Daten berücksichtigt wurden. Die Kommunikation

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.3: Das Kommunikationsquadrat von Schulz von Thun (vgl. Schulz von Thun, 2004)

ist auf dieser Ebene sachlich und objektiv. Grundsätzlich will der Sender in einer Konversation den Rezipienten nicht nur informieren, sondern, nach Schulz von Thun, ihn zu einer Handlung oder Einstellung motivieren. Auf der Appellebene geht es um Wünsche, Appelle, Ratschläge, Konsequenzen oder Handlungsanweisungen. Der Empfänger will der ausgesprochenen Aufforderung folgen und stellt sich die Frage, was er jetzt denken, fühlen oder tun muss (vgl. Schulz von Thun, 2004).

Die zwei weiteren Ebenen beziehen sich auf die unterschwellige Kommunikation, Bot- schaften, die nicht in der Konversation ausgesprochen werden, sondern im Verhalten mitschwingen. Die Beziehungsebene verrät, wie die Personen zueinander stehen und was sie voneinander halten. Die Formulierung der Aussage gibt Aufschluss über die Beziehung der Kommunikationspartner. Das „Empfängerohr“ ist auf dieser Ebene be- sonders sensibel und empfindlich, denn es muss herausfinden, ob der Partner es gut oder böse mit ihm meint. „Was hält er von mir?“ oder „Wie behandelt er mich?“ sind Gedan- ken, die dabei entstehen. Jede Botschaft enthält auch eine unterschwellige Selbstkund- gabe. Der Sender gibt mit jeder Aussage automatisch und unbewusst Informationen über seine Persönlichkeit preis. Private Einstellungen, Auffassungen, Meinungen, Werte und Gefühle werden dabei kommuniziert. Das „Empfängerohr“ macht sich Gedanken über den Sender und fragt sich, was er bevorzugt, was er ablehnt und wie seine momentane Stimmung ist.

Unterschwellige Äußerungen gelingen auch durch das „Nicht-Kommunizieren“. Wird während einer Konversation geschwiegen oder Nachrichten, schriftlich oder mündlich, nicht beantwortet, wird dennoch kommuniziert. Dieses Verhalten trifft die Kommunika- tionspartner auf der Beziehungsebene, da sie hier sehr sensibel und empfindlich reagie- ren. Unterlassene Botschaften können allgemein Respektlosigkeit, Arroganz, Feindseligkeit, Unhöflichkeit und Antipathie ausdrücken (vgl. Wirth, 2002, S. 50).

Ein Beispiel sind unbeantwortete E-Mail-Anfragen der Kunden. Die unterschwellige Botschaft lautet hier:

„ Wir als Unternehmen interessieren uns nicht für ihre Anfrage. Sie ist für uns wertlos, wie Sieübrigens auch (...). Es ist uns auch gleichgültig, was Sieüber unser Nicht-Handeln denken. (...) “ (Wirth, 2002, S. 50f.)

Die Konsequenzen sind verärgerte Kunden, Imageverlust und Kundenfluktuation. Ein Interessent wird sich nicht die Mühe machen, ein zweites Mal das Unternehmen anzuschreiben, sondern zur Konkurrenz wechseln. Unternehmen müssen die Zeit und die Mühe aufbringen, jede E-Mail-Nachricht zu lesen und zu bearbeiten, um ihre Kunden weiterhin zufrieden zu stellen und zu binden.

Unterschwellige Botschaften haben einen hohen Einfluss auf das Denken und Handeln des Menschen und dürfen daher nicht achtlos stattfinden (vgl. Wirth, 2002, S. 49).

2.2.3 Überzeugungskriterien nach Gladwell

In diesem Zusammenhang werden drei Merkmale aufgezeigt, die trotz ihres unscheinbaren Auftretens große Veränderungen bewirken können und zur Persuasion von Rezipienten beitragen. Diese sind

- Kenner, Vermittler, Verkäufer,
- Verankerungsfaktor und
- die Macht der Umstände (vgl. Gladwell, 2002).

Nicht jede Person hat das Potenzial, Menschen zu überzeugen. Gladwell (Gladwell, 2002) beschreibt Personengruppen, die als Überzeugungsträger dienen können (Ken- ner, Vermittler, Verkäufer). Sie sind Bestandteile des „Gesetzes der Wenigen“ (Glad- well, 2002, S. 46). Der Erfolg, eine Idee, ein Produkt, eine Dienstleistung oder eine Meinung zu verbreiten, hängt von der sozialen Kompetenz dieser drei verschiedenen Charaktere ab. Durch ihre besonderen gesellschaftlichen Fähigkeiten gelingt es ihnen, vergleichsweise besser Menschen zu beeinflussen und zu überzeugen.

Kenner Der Kenner ist wie eine „Datenbank“ (Gladwell, 2002, S. 85). Durch sein hohes Interesse an allem sammelt er aktiv Informationen und besitzt dadurch viel Wissen. Das entscheidende am Kenner ist, dass er sein Wissen gerne ohne Gegenleistung weitergibt. Ein Kenner will seinem Gegenüber bei seiner Entscheidung helfen, den besten Handel zu machen. Dabei erweist sich helfen als eine wirkungsvolle Methode, Aufmerksamkeit zu erregen, ohne es darauf anzulegen. Er überredet nicht, sondern ist sozial motiviert (vgl. Gladwell, 2002, S. 77ff.).

„ Ein Kenner ist eine Person, dieüber sehr viel Informationüber verschiedene Produkte, Preise und Läden verfügt. Diese Person liebt es, Diskussio nen mit anderen Konsumenten zu führen und auf Anfragen zu reagieren. “ (Gladwell, 2002, S. 76)

Er liefert aber nicht nur Informationen, sondern bildet sich in den Gesprächen mit sei- nen Mitmenschen weiter. Er ist nicht nur Lehrer sondern auch Lernender. Er hilft nur durch beiläufiges Erwähnen, was die Stärken und Schwächen von beispielsweise einem Fernsehgerät, einem Auto oder einem Hotelzimmer sind und wo man das beste Gerä- te oder Zimmer zum günstigsten Preis und zu den besten Konditionen erhält. Kenner wollen die Probleme der anderen lösen und lösen dadurch ihre. Es ist wie ein Zwang, Menschen durch Informationslieferung ausreichend zu beraten. Erst wenn er weiß, dass der von ihm geleistete Ratschlag beim nächsten Kauf oder Entscheidung berücksichtigt wird, tritt eine emotionale Befriedigung ein (vgl. Gladwell, 2002, S. 80ff.).

Vermittler Vermittler beherrschen es, Kontakt in viele verschiedene gesellschaftliche Kreise (vgl. Gladwell, 2002, S. 64) zu knüpfen und sind in der Lage, sich in diese mühe- los zu integrieren. Sie besitzen ein großes Netzwerk an Bekannten und beherrschen die Kunst lockere Bekanntschaften zu pflegen. Bekannte stellen eine Quelle gesellschaftli- cher Macht dar, und je mehr Bekannte er hat, desto mächtiger wird er (vgl. Gladwell, 2002, S. 68). Seine Motivation, viele verschiedene „Welten“ zu überspannen, entsteht aus Neugier und den Wunsch nach Geselligkeit (vgl. Gladwell, 2002, S. 62). Vermittler besitzen den Impuls, viele Verbindungen, durch kleine Aufmerksamkeiten oder net- te Gesten, wie zum Beispiel eine Grußkarte zu Weihnachten oder zum Geburtstag, zu pflegen (vgl. Gladwell, 2002, S. 59). Der Vermittler übernimmt die Verbreitung einer Nachricht, sobald er sie von einem Kenner bekommt. Er spricht Menschen aus verschie- denen Bereichen und Branchen an und bringt sie so unter Leute. Die angesprochenen Personen erfahren so voneinander und kommen durch diese Art Informationvermittlung zusammen. Ideen und Produkte, die einen Vermittler erreichen, haben mehr Chancen vom Empfänger wahrgenommen zu werden (vgl. Gladwell, 2002, S. 68f.). Jedoch ist überzeugen und beeinflussen nicht sein Ziel, er sieht seine Aufgabe im Verbreiten von Botschaften (vgl. Gladwell, 2002, S. 85).

2.2 Voraussetzungen zur Persuasion

Verkäufer Verkäufer besitzen die Fähigkeit, Menschen zu überzeugen. Das Gespräch ist der Kontext, indem sich Überzeugung abspielt. Um eine Vertrauensbeziehung zum Gesprächspartner herzustellen werden Körpersprache, Gestik, Mimik und der Gesprächs- rythmus (Lautstärke, Sprachmelodie) aufeinander abgestimmt. Verkäufer wissen, dass Vertrauen Voraussetzung zur Persuasion ist. Nach Gladwell hängt die Gesprächsharmo- nie von dem „Super-Reflex“ ab (Gladwell, 2002, S. 99). Das ist eine grundlegende phy- siologische Fähigkeit, den Gesprächspartner in den eigenen Rythmus zu ziehen und die Bedingungen der Interaktion zu dirigieren. Verkäufer haben mehr Kontrolle über die- sen Reflex. Der Zuhörer verfällt ungewollt in eine Synchronisation mit dem Verkäufer (Gladwell, 2002, S. 98ff.). Neben körperlicher und akustischer Harmonie beeinflusst auch „motorische Mimikry“6. Über die Imitation und das Mitgefühl hinaus ist „mo- torische Mimikry“ ein Kommunikationsinstrument, das eine Übertragung des Gefühls auf den Empfänger möglich macht. Die Fähigkeit, positive Ausstrahlung zu übertragen, nutzt der Verkäufer, um erfolgreich und ungehindert Überzeugungs- und Überredungs- arbeit zu leisten (vgl. Gladwell, 2002, S. 100ff.).

Verankerungsfaktor Damit sich eine Botschaft wirklich etabliert muss sie einen besonderen, einprägsamen Faktor beinhalten. Gladwell nennt dies Verankerungsfaktor (Gladwell, 2002, S. 107). Es sind Elemente, die die Botschaft in den Köpfen der Emp- fänger unvergessen machen. Diese Elemente sind einfach, unauffällig und trivial (Glad- well, 2002, S. 112ff.). Als Beispiel zeigt das „Furcht-Experiment“ deutlich die Einfluss- nahme des Verankerungsfaktors auf die Entscheidung. Studenten wurde eine Broschüre mit Information über die Gefahr von Tetanus ausgehändigt mit Empfehlung einer kos- tenlosen Impfung. Die Bröschüre fand hohen Anklang, aber niemand ließ sich impfen. Nach einer kleinen inhaltlichen Veränderung (Beifügen eines Lageplans des Gesund- heitszentrum mit seinen Öffnungszeiten) stieg die Zahl der Impfungen (Gladwell, 2002, S. 118). Der beigefügte Plan repräsentiert den Verankerungsfaktor der Broschüre. Eine erfolgreiche Annahme von Produkten oder Ideen liegt in der Präsentation der Botschaft, unterstützt durch einen Verankerungsfaktor, dessen Erfolg leider nicht vorhersehbar ist.

„ Es gibt eine Methode, Information so zu verpacken, dass sie unwidersteh lich ist. Man muss sie nur finden. “ (Gladwell, 2002, S. 154)

Macht der Umstände Die Taktik der Macht der Umstände beschreibt, dass Men- schen den Umständen, in denen sie sich befinden, ausgeliefert sind und unbewusst von ihnen beeinflusst werden. Ihr Gemütszustand ist abhängig von der Umgebung, in der sie sich befinden (vgl. Gladwell, 2002, S. 178). Ein Experiment aus den siebziger Jah- ren stellt die starke Beeinflussung der Umstände auf das Verhalten der Probanden dar. Eine künstlich geschaffene Gefängnissituation bewirkte, dass sich friedliche Menschen mentale Grausamkeiten zufügten. Probanden wurden in zwei Gruppen aufgeteilt, ei- ne Gruppe übernahm die Rolle der Gefängniswärter und die andere Hälfte die Aufga- be der Häftlinge. Die Gefängniswärter riefen die Häftlinge hart zur Ordnung, während diese in eine psychische Notlage gerieten. Die äußeren Umstände hatten die Kontrolle über Einstellung und Handlung der Mitwirkenden übernommen (vgl. Gladwell, 2002, S. 178ff.). Die Untersuchung beschreibt, dass weniger die Überzeugung und die Einstel- lung für das Verhalten ausschlaggebend sind, sondern eher der unmittelbare Kontext, indem die Personen sich befinden. Viele Unternehmen nutzten die Macht der Umstände zur Fussball-Weltmeisterschaft 2006. Sie instrumentalisierten die große Euphorie der Fans für den Verkauf ihrer Produkte (Textilien, Nahrungsmittel, Fanartikel) und Dienst- leistungen (Bahnreisen, Flugreisen, Gastronomie).

2.3 Auswirkungen von Persuasion

Die Folgen der psychologischen Persuasion sind in erster Linie Einstellungsänderung und Verhaltensmodifikation. Im folgenden Kapitel werden die Begriffe Einstellung und Verhalten erklärt und in Verbindung mit der Überzeugungsarbeit gebracht.

2.3.1 Einstellung

Einstellungen sind der Ausgangspunkt für Entscheidungen, die eine darauffolgende Handlung bestimmt. Sie sind ein Grundbaustein für die Bildung der subjektiven Wahr- nehmung7 und wichtig für das Verhalten einer Person (vgl. Zimbardo und Gerrig, 2004, S. 774):

„ Einstellung ist die gelernte, relativ stabile Tendenz, auf Menschen, Kon- zepte und Ereignisse wertend zu reagieren (Zimbardo und Gerrig, 2004, S. 774).

Wie aus Tabelle 2.3 auf der nächsten Seite ersichtlich, bestehen Einstellungen aus drei Komponenten, die dem Menschen helfen, sich seiner Umwelt anzupassen. Der Anstoß zu einer Einstellungsbildung ist immer der Einstellungsgegenstand, welcher eine Person, eine Gruppe, ein konkretes Objekt, ein abstrakter Begriff oder eine Verhaltensweise sein kann (vgl. o.V., 2007l).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2.3: Komponenten der Einstellung (vgl. Rosenberg und Hovland, 1960)

Abbildung 2.3 stellt die Abhängigkeiten zwischen der Einsellung einer Person, dem Einstellunsobjekt und den daraus resultierenden Reaktionsarten klar dar.

Außer durch finanziellen Anreizen oder juristische Sanktionen geschieht Einstellungsänderung hauptsächlich durch kommunikative Persuasion. Diese wirkt sich unterschiedlich auf die drei Subsysteme der Einstellung aus.

Eine kognitive Einstellungsänderung stellt sich dann ein, wenn die Aufnahme und Ver- arbeitung von Informationen erfolgt (vgl. o.V., 2007f). Die Beeinflussung findet bei Kognition über rationelle schlüssige Argumente statt. Aufgrunddessen ist eine Bewer- tung des Einstellungsobjekts zügig herbeizuführen, um so die Zielperson schneller zu überzeugen.

Wird die positive oder negative Bewertung der Argumente miteinbezogen, so wird die Wechselwirkung mit dem affektiven Subsystem sichtbar (vgl. o.V., 2007e). Durch Mit-

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.4: Das Dreikomponentenmodell der Einstellung nach Rosenberg und Hov- land

(vgl. o.V., 2007e) zitiert nach (Rosenberg und Hovland, 1960)

teilungen, die auf negative Konsequenzen hinweisen (Tod durch Rauchen, Alkoholkon- sum oder Gebrauch anderer Drogen) sollen die Betroffenen ihre Verhaltensweisen auf- geben. Diese klassische Konditionierung8 verknüpft die affektive Komponente mit ei- nem kognitiven Inhalt und einem gewissen Handlungsspektrum. Wenn die Einstellung eine affektive Basis hat, wird ihr auf emotionaler Ebene begegnet, um Veränderungen zu bewirken (vgl. o.V., 2007e).

Aufbauend auf den kognitiv-affektiven Ansatz (KAA) ist zu beachten, dass die auszu- führende Handlung (behaviorale Komponente) durch verschiedene externe Einflüsse so verändert werden kann, dass sie nicht mehr der gewünschten Handlung entspricht. Ei- ne Abweichung vom Handlungsoptimum ist dadurch gekennzeichnet, dass eine Hand- lung nur ausgeführt wird, weil eine situative Notwendigkeit vorherrscht. Ist der externe Einfluss mit einer positiv bewerteten Referenz verbunden, beginnt die Veränderung der Einstellung in Richtung dieser Referenz. So kann es passieren, dass Menschen eine Einstellung annehmen, die sie nicht annehmen wollten, aber die äußeren Umstände sie dazu veranlassen sie zu akzeptieren (vgl. o.V., 2007e). Solche Aktionen existieren nur, weil Verhaltensweisen nicht allein nach dem KAA gewählt werden, sondern die behaviorale Komponente miteinbezogen wird (vgl. Gschwendner-Lukas, 2004).

2.3.2 Verhalten

Verhalten besteht aus einer Abfolge von Verhaltenselementen, die in einer Situation aus einer Auswahl von Verhaltensvarianten ausgewählt und ausgeführt werden. Diese beobachtbaren Verhaltensvarianten entstehen durch das Bewerten der Situation und das Lernen aus Erfahrungen. Auf dieser Grundlage trifft der Mensch seine Verhaltensentscheidung (vgl. Kretzberg, 2000).

Es exisitieren verschiedene Faktoren, die das Verhalten eines Menschen steuern. Zum einen ist die Einstellung (Gefühle, wie Zuneigung oder Abneigung) Ausgangspunkt für ein bestimmtes Verhalten. Es wird aber auch durch persönliche Erlebnisse und Erfahrun- gen (Lernen) und durch reifebedingte Bereitschaft, sowie durch das Verhalten anderer Personen begünstigt (vgl. Schulz-Amling, 2001). Die Theorie des überlegten Handelns nach Ajzen und Fishbein beweist, dass Einstellungen alleine das Verhalten nicht be- einflussen können, wenn situationsabhängige Zwänge oder soziale Normen vorliegen. Abbildung 2.5 auf der nächsten Seite stellt diesen Sachverhalt grafisch dar.

Im Modell sind die zwei voneinander unabhängigen Komponenten „Einstellung zum Verhalten“ und „subjektive Norm“ die Faktoren, die das Verhalten des Menschen am stärksten beeinflussen (vgl. Schulz-Amling, 2001). Die Einstellungskomponente bewertet die Verhaltensintention nach positiven oder negativen Konsequenzen. Ist die Einstellung positiv, weist aller Voraussicht nach das darauffolgende Verhalten ebenfalls einen positiven Effekt auf (vgl. Schulz-Amling, 2001). Die subjektive Normkomponente bezieht die individuelle Wahrnehmung der

- sozialen Umgebung und der
- Vorschriften

mit ein. Diese zwei Faktoren können das Verhalten des Menschen vollkommen bestim- men. Beispielsweise lässt sich mittels ausgeübten Drucks durch Personen („gruop pres- sure“) der Mensch manipulieren (vgl. Schulz-Amling, 2001). Das Verhalten wird aus- geführt, wenn die Person nicht nur von dem Verhalten überzeugt ist, sondern glaubt, dass für sie wichtige Bezugspersonen das Verhalten ebenfalls positiv bewerten würden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.5: Die Theorie des überlegten Handelns nach Ajzen und Fishbein (vgl. Schulz-Amling, 2001) zitiert nach (Aizen und Fishbein, 1975)

Der Mensch kann sich nach der sozialen Umgebung und den Vorschriften konform verhalten oder dem wahrgenommenen Druck widerstehen. Um der subjektiven Norm nur eine geringfügige Bedeutung für eine Verhaltenstendenz zu geben, muss der Mensch die Stärke des eigenen Willens aufweisen und Motivation zum Widerstand aufbringen (vgl. Schulz-Amling, 2001).

Die Einstellungskomponente sowie die Komponente der subjektiven Norm beeinflus- sen abhängig von der Situation unterschiedlich stark die Absicht oder Intention zu ei- nem bestimmten Verhalten. Kurzfristig eintretende und einschlägige Ereignisse sowie mögliche negative Aspekte können kurz vor der Handlung bewusster wahrgenommen werden und somit zu einer Intentionsänderung führen. Das ist der Grund, weshalb die Intention oder Absicht immer zeitlich nahe am Verhalten liegt. Sie ist die eigentliche Größe, die das Verhalten bestimmt.

Im Kern drückt die Theorie aus, dass das Verhalten des Menschen dann von seinen Einstellungen abweichen kann, wenn er diesen nicht stark genug vertraut. Folglich wird er eher auf äußere Faktoren achten und diese zur Entscheidung miteinbeziehen.

[...]


1 Push-Technologien sind Technologien, die passiv Informationen übermitteln. Der Anwender empfängt ohne aktiv zu werden die erwünschten Informationen (vgl. Stock, 2000, S. 53f.).

2 Landing Page ist die Website mit weiterführenden Informationen, auf die die Links im Newsletter oder E-Mailings verweisen (vgl. Aschoff, 2005, S. 79).

1 Kognitionsbedürfnis ist das Bedürfnis nach Wissen und Schlussfolgerungen. Hier betrifft es die Infor- mationsverarbeitung, indem Neues gelernt und Wissen verarbeitet wird (vgl. Zimbardo und Gerrig, 2004, S. 344).

2 Eine Verhaltensänderung, die in Übereinstimmung mit der Bitte einer Kommunikationsquelle steht (vgl. Zimbardo und Gerrig, 2004, S. 782).

3 Waffen der Einflussnahme (Cialdini, 2006, S. 168).

4 Ein Gefühl der Zuneigung eines Menschen zu einem Lebewesen oder zu einer Idee, das weder Liebe, Freundschaft noch persönliche Bekanntschaft voraussetzt (vgl. o.V., 2007m).

5 Unterschwellige Botschaften sind nicht bewusst wahrgenommene Nachrichten, die in den meisten Fällen den Empfänger beeinflussen sollen (vgl. Zimbardo und Gerrig, 2004, S. 39).

6 „Motorische Mimikry“ ist Kommunikation mit seinem Gegenüber, durch Nachahmung des emotio- nalen Zustands (Empathie, Mitgefühl, Zuneigung, Einfühlungsvermögen) (vgl. Gladwell, 2002, S. 100).

7 Eine allgemeine Definition der subjektiven Wahrnehmung nach Watzlawik: „ (...), daß es vielmehr zahllose Wirklichkeitsauffassungen gibt, die sehr widersprüchlich sein können, die alle das Ergebnis von Kommunikation und nicht der Widerschein ewiger, objektiver Wahrheiten sind. “ (Watzlawick, 2005, S. 7)

8 Die klassische Konditionierung verknüpt Objekt mit Emotionen durch Belohnung oder Bestrafung des Verhaltens (vgl. Zimbardo und Gerrig, 2004, S. 257).

Final del extracto de 127 páginas

Detalles

Título
Angewandte psychologische Überzeugungsstrategien. Ein allgemeines Konzept zur Gestaltung eines Newsletters als persuasive Technologie
Universidad
Stuttgart Media University
Calificación
1,3
Autor
Año
2007
Páginas
127
No. de catálogo
V274600
ISBN (Ebook)
9783656664031
ISBN (Libro)
9783656664420
Tamaño de fichero
3632 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
angewandte, überzeugungsstrategien, konzept, gestaltung, newsletters, technologie
Citar trabajo
Cristina Cusin-Busch (Autor), 2007, Angewandte psychologische Überzeugungsstrategien. Ein allgemeines Konzept zur Gestaltung eines Newsletters als persuasive Technologie, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/274600

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