Exegese zu „Das Scherflein der Witwe" in Lukas 21,1 -4


Dossier / Travail, 2013

30 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhalt

1. Einleitung

2. Hauptteil
2.1. Textanalyse
2.1.1 Abgrenzung des Textes und Einbindung in den Kontext
2.1.2 Übersetzungsvergleich
2.1.3 Narrative Analyse
2.1.3.1 Inhalt der Erzählung
2.1.3.2 Erzählweise
2.1.4 Analyse der Textsemantik
2.2 Historisch-kritische Textrekonstruktion
2.2.1 Literarkritik und Überlieferungsgeschichte
2.2.2 Formkritik
2.2.3 Traditionsgeschichte
2.2.4 Redaktionsgeschichte
2.2.5 Historischer Ort und ursprüngliche Intention des Textes
2.3 Gegenwartsbedeutung des Textes

3. Schluss

4. Literaturverzeichnis
4.1 Primärquellen
4.2 Sekundärquelle
4.3 Internetquellen

1. Einleitung

Die von mir gewählte Perikope, „Die Gabe der Witwe“, steht in Lukas 21,1-4. Es wird eine kurze Szene im Jerusalemer Te pel berichtet, in der Jesus die Opfergabe von einigen Reichen sowie einer Witwe beobachtet und anschließend bekannt gibt, die Witwe habe mehr gegeben als die anderen, da sie nicht nur einen Teil ihres Überflusses, sondern ihren gesamten Lebensunterhalt gab. Der Text reizt mich besonders, da er schon beim ersten Lesen einige Auffälligkeiten zeigt. So stellt sich mir beispielsweise die Frage, warum Jesus Christus die Witwe verteidigt, zumindest scheint es so, obwohl sie ja von niemandem angegriffen wurde. Scheinbar unaufgefordert und ohne Grund nimmt er diese Begebenheit der Opfergabe der Witwe als Anlass, um ein Lob der Witwe gegenüber, jedoch nicht an sie direkt gerichtet, auszusprechen. Beim ersten Lesen merkte ich, dass ich recht schnell davon ausging, es handele sich um einen Tadel des Verhaltens der Reichen. Erst beim zweiten Lesen des Textes fiel mir auf, dass tatsächlich nicht dieses Verhalten gerügt, sondern das der Witwe als besonders lobenswert hervorgehoben wird. Diejenige, die am wenigsten gibt und am Rande der Gesellschaft steht, wird in ihrer Handlung betont. Diese Antithetik reizt mich, mir diese Perikope genauer anzuschauen und mich intensiv mit ihr auseinanderzusetzen.

Ferner finde ich es spannend, zu erkunden, woher Jesus um die Höhe der einzelnen Spenden weiß. Da er die Situation nur beobachtet und dies anscheinend aus einiger Entfernung, stellt sich die Frage, woher er wissen kann, dass die Witwe genau zwei Scherflein einwirft.

Im weiteren Text wird oft von „dem Leser“ die Rede sein. Dieser Begriff dient der Einfachheit und schließt die Leserin ebenso ein.

2.1 Textanalyse

2.1.1 Abgrenzung des Textes und Einordnung in den Kontext

Die Perikope von der Gabe der Witwe beginnt mit einem neuen Kapitel, sie steht am Anfang von Lukas 21. Damit ist nach vorne strukturell gesehen eine klare Abtgrenzung zu erkennen. Inhaltlich jedoch schließt der Text an die vorhergehende Perikope an. So gibt es beispielsweise keinen Wechsel von Ort oder Zeit zwischen Lk 20,45-47 und Lk 21,1-4. Während in der vorausgehenden Perikope die Jünger angesprochen werden und Jesus an diese gerichtet über die Schriftgelehrten spricht, so ist in Lk 21,1-4 zwar anzunehmen, dass er auch hier zu den Jüngern spricht, dies wird jedoch nicht explizit gesagt. Weiterhin sind die vorausgehende Perikope der Warnung vor den Schriftgelehrten und die betrachtete Perikope der Gabe der Witwe durch klare Schluss- beziehungsweise Einleitungsformeln getrennt. So endet Lk 20,47 mit der Aussage „Diese werden ein schweres Gericht empfangen“. Es handelt sich hierbei um einen abschließenden Satz, der keine Widerrede zuzulassen scheint. Das Urteil ist gesprochen, der Fall beendet, die Perikope zu Ende. Lk 21,1 hingegen beginnt mit „Er blickte aber auf“. Hier beginnt auch symbolisch ein neuer Abschnitt. Wer aufblickt, sieht meist etwas Neues, kann sich auf neue Begebenheiten, neue Aspekte konzentrieren. Und so geschieht es auch bei Jesus. Er blickt auf und sieht die Witwe und in ihr die Gelegenheit, seinem harschen Urteil über die Schriftgelehrten ein sanftmütiges Lob der Witwe anzuschließen.

Das Thema, das dem zugrunde liegt, bleibt aber in beiden Perikopen erhalten. Es geht um den Gegensatz zwischen Schriftgelehrten beziehungsweise Reichen und den Witwen. Es wird jedoch von zwei verschiedenen Seiten beleuchtet. Dies erklärt, warum das Vokabular teilweise gleich bleibt (beispielsweise „Witwe“), die Konnotation des allgemeinen Wortschatzes aber deutlich umschlägt. War diese zunächst eher harsch und verurteilend, zum Beispiel „fressen“, „härteres Urteil“, so wird sie nun sanftmütiger und mitfühlender, beispielsweise „arme Witwe“. Der Stil verändert sich also zwischen diesen beiden Perikopen.

Auch zum darauffolgenden Text (Lk 21,5-28) gibt es eine klare Abtrennung. Die Witwen-Perikope findet ein klares Ende. „Alles was sie zum Leben hatte“ entbehrt durch seine Totalität und Verallgemeinerung nicht einer gewissen Dramatik. Zwar bleibt auch hier die Zeit unverändert und die Szene spielt weiterhin im Tempel, hier treten jedoch nun andere Menschen mit Fragen an Jesus heran, er spricht nicht alleine. Thematisch bleibt es zunächst beim Gegensatz von Reichtum und Armut, wendet sich dann aber von einzelnen Individuen ab und dem großen Weltgeschehen zu, als Jesus eine Endzeitrede beginnt.

Die Perikope ist also sowohl nach vorne als auch nach hinten klar von den sie umschließenden Texten abgetrennt, nicht nur mittels der Überschriften, sondern auch inhaltlich. Gemeinsam ist allen Raum: „Was alle diese Perikopen miteinander verbindet[…] ist […] ihr Bezug zum Tempel, in dem sich Jesus eingerichtet hat, um darin zu unterrichten“1.

Die Perikope steht zu Beginn des Wirkens Jesu in Jerusalem. Kurz nachdem er dort eingetroffen ist, wird berichtet, dass er „täglich im Tempel lehrte“ (Lk 19,47). Etwa in der Mitte dieser Tempelreden finden wir die Perikope der Witwe. Vorweg gingen der Bericht der Tempelreinigung, sowie einige Erzählungen von Fragen, die an Jesus gestellt wurden, außerdem eine Warnung vor den Schriftgelehrten, die bereits betrachtet wurde. Nach der Witwen-Perikope beginnt eine ausführliche Endzeitrede, an die sich die Passionserzählung anschließt.

Bereits vor dem Eintreffen Jesu in Jerusalem gibt es zwei Perikopen die eine Parallele zu Lk 21,1-4 aufzeigen. Zum einen ist dies Lk 12,22-34, die Warnung vor Sorgen, in der unter anderem dazu aufgerufen wird, die Habe zu verkaufen und Almosen zu geben. Wenn auch die Umstände der Witwe etwas anders sind, so geht es doch in beiden Textabschnitten darum, den eigenen Besitz gänzlich hinzugeben. Ähnlich heißt es zum anderen auch in Lk 18,22: Verkaufe alles, was du hast und verteile (den Erlös) an die Armen“.

Die Perikope der armen Witwe steht eher am Ende des Lukasevangeliums. Eine grobe Einteilung geht davon aus, dass nach dem Vorwort zunächst die Kindheit Jesu dargelegt wird, anschließend Jesu Wirksamkeit in Galiläa, sein Weg nach Jerusalem und Jesus in Jerusalem. Zu Beginn dieses letzten Abschnittes befindet sich die betrachtete Perikope.

2.1.2 Übersetzungsvergleich

Für diesen Vergleich wurden vier verschiedene Übersetzungen von mir betrachtet: die revidierte Lutherbibel von 1984, die Elberfelder, die Neue Genfer Bibel sowie die Einheitsübersetzung. Erste Unterschiede sind bereits in den Überschriften sichtbar. Ist die Perikope bei Luther mit „Das Scherflein der Witwe“ betitelt, so ist sie in anderen Übersetzungen als „Die Gabe der armen Witwe“ (Elberfelder) beziehungsweise „Das Opfer der (armen) Witwe“ (Einheitsübersetzung beziehungsweise Neue Genfer Bibel) zu finden. Diese Titel sind für einen Leser ohne Vorkenntnisse wahrscheinlich leichter zu verstehen als die Luther-Variante. Sowohl in der Elberfelder, als auch in der Neuen Genfer Bibel wird die Witwe schon in der Überschrift als arm bezeichnet. Dies verdeutlicht nochmal stärker die Problematik. Im ersten Vers gibt es verschiedene Bezeichnungen: Gotteskasten (Luther), Schatzkasten (Elberfelder) und Opferkasten (Neue Genfer und Einheitsübersetzung). Gotteskasten scheint hier als die auch für den Leser ohne Hintergrundwissen, am besten verständliche Variante. Das Geld, welches in einen solchen (Gottes-)Kasten geworfen wird, hat seinen Zweck offensichtlich in einem Opfer für Gott. Schon etwas weniger eindeutig ist die Bezeichnung Opferkasten. „Der Ausdruck 'Opferkasten' […] muß hier im engeren Sinne (nicht die Schatzkammer) verstanden werden. Es ist der dreizehnte Opferkasten, der für die freiwilligen Gaben bestimmt ist.“[sic]2. Der Begriff lässt jedoch beim ersten Lesen auch an einen Almosenkasten für Arme denken. Auch im griechischen Original findet sich die Bezeichnung Opferkasten3. Der Titel Schatzkasten in der Elberfelder Übersetzung scheint am ehesten irreführend sein zu können, da in dieser Bezeichnung kein Bezug zu Gott oder zum Opfer hergestellt wird, es sich hierbei beispielsweise um einen Schatzkasten eines weltlichen Herrschers handeln könnte. Der Titel Schatzkasten jedoch klingt am ehesten nach etwas sehr Wertvollen und verdeutlicht, dass die arme Witwe im weiteren Verlauf der Perikope nicht nur eine kleine Spende, sondern für ihre Verhältnisse einen wahren Schatz gibt. Beim weiteren Lesen erscheint außerdem die im nächsten Vers auftretende Beschreibung der Witwe als arm noch deutlicher im Gegensatz zu dem Schatzkasten, der in Verbindung mit den Reichen genannt wird.

Im zweiten Vers fallen besonders in der Neuen Genfer Bibel zwei Besonderheiten auf: Zum einen ist hier im Gegensatz zu den anderen Übersetzungen nicht davon die Rede, dass Jesus die Witwe sieht, er bemerkt sie vielmehr. Die Reichen vorher sah er jedoch.

Das Verb 'bemerken' fügt dem Satz eine Nuance von 'entdecken' bei. Etwas, das man bemerkt, ist etwas, das nicht unbedingt auf den ersten Blick zu sehen ist, sondern vielleicht einen zweiten Blick oder ein aufmerksames Hinschauen erfordert. Dies ist bei Jesus gegeben. Es lässt sich interpretieren, dass die Witwe, im Gegensatz zu den Reichen, nicht gesehen werden möchte, während sie ihr Opfer in den Kasten legt. Sie tut dies also möglichst ohne großes Aufsehen zu erregen und wird dennoch von Jesus bemerkt. Zum anderen wird die Witwe in der Neuen Genfer Bibel nicht wie in den anderen Übersetzungen als „arm“ bezeichnet, sondern als „ärmlich gekleidet[...]“ beschrieben. Diese politisch korrekt scheinende Bezeichnung verdeutlicht, dass auch Jesus die einzelnen Personen der Szene wohl nicht persönlich kennt, sondern lediglich Beobachtungen treffen kann, die auch für jede andere Person in dieser Situation möglich wäre. Dadurch fühlt sich der Leser mehr ins Geschehen integriert. Er selbst hätte diese Beobachtung machen können, es handelt sich nicht um Exklusivwissen, das dem Leser nahegebracht wird.

Die Einheitsübersetzung ist die einzige unter den Betrachteten, die verschiedene Verben für die Opfergabe der Reichen und der Witwe nutzt. Während in den anderen Übersetzungen je die Reichen und die Witwe ihre Opfer entweder einlegen, legen oder werfen, so sind es in der Einheitsübersetzung die Reichen, die ihre Gaben in den Opferkasten legen, während die Witwe ihre Münzen hineinwirft. Dieser feine Unterschied eröffnet einen weiten Interpretationsraum. So könnte man beispielsweise vermuten, dass die Witwe, die wohl darum weiß, dass die Reichen vor ihr deutlich mehr in den Opferkasten einlegten, als sie es nun tun wird, diesen Akt schnellst möglich hinter sich bringen möchte und die Münzen daher nur mit einer schnellen Handbewegung in den Kasten wirft. Die Reichen hingegen gehen davon aus, dass sie für ihre große Gabe bewundert oder zumindest angesehen werden und genießen diesen Moment, in dem alle sehen ( hören) können, wie viel sie in den Kasten legen und tun dies deshalb langsamer. Ebenso aber kann dieser Wortunterschied auch eine andere Bedeutung haben. Wenn man etwas legt, so ist während dieser Prozedur noch die Zeit, sich dieses zu überlegen, es zu überdenken und gegebenenfalls doch nicht zu tun, die Hand zurückzuziehen und den Inhalt zu behalten. Wirft man jedoch etwas, so möchte man dieses vielleicht schnell loswerden, möchte die Entscheidung, es loszulassen endgültig getroffen und ausgeführt haben, vielleicht aus Angst, es sich doch noch einmal anders zu überlegen. Ähnlich könnte es der Witwe ergangen sein. Sie weiß, dass sie ihren gesamten Lebensunterhalt gibt, dass sie danach nichts mehr übrig haben wird und gibt es dennoch. Sie weiß, dass sie damit in den Augen vieler unvernünftig handelt und hält es anscheinend dennoch für das Richtige, möchte den Akt des Gebens nun aber schnellstmöglich hinter sich bringen. Folgt man dieser Interpretation, so bringt die Nutzung der unterschiedlichen Verben dem Leser die Witwe näher, zeichnet sie deutlicher und lässt ihn an ihrer Gefühlswelt teilhaben.

In Vers drei gibt es wiederum in der Neuen Genfer Übersetzung eine Besonderheit im Vergleich zu den anderen. In der Elberfelder Bibel, der Luther- wie der Einheitsübersetzung heißt es „in Wahrheit“, „wahrlich“ oder „wahrhaftig“. In der Neuen Genfer Übersetzung hingegen beginnt Jesus seinen Satz mit „Ich versichere euch“. Diese Formulierung hat in meinen Augen noch etwas mehr Gewicht. Eine Wahrheit ist eine oft in breiten Kreisen anerkannte Aussage, für die nicht einer alleine steht, sondern die vielmehr von einer Gruppe getragen wird. Wenn Jesus hingegen sagt „Ich versichere euch“, so steht er persönlich für diese Wahrheit ein. Er lässt sich selber dafür verantwortlich machen, was er sagt. Der Leser fühlt sich also gewissermaßen in Sicherheit, da die Wahrheit ein Gesicht bekommen hat.

Im vierten Vers finden wir nur wenige bedeutende Unterschiede zwischen den einzelnen Übersetzungen. In der Lutherübersetzung wird von der Armut der Witwe gesprochen, in der Elberfelder Bibel hingegen vom Mangel. Meiner Meinung nach bezeichnet Mangel eine noch prekärere Lebenssituation als Armut. Wer arm ist, der hat vielleicht gerade so das Nötigste zum Leben, hat sehr wenig, kann aber damit noch leben. Ein Mangel zeigt auf, dass bereits etwas fehlt, was eigentlich da sein sollte. Es ist also definitiv zu wenig da. Weiterhin fallen in der Neuen Genfer Bibel die zwei Einschübe auf, welche die Armut der Frau noch einmal betonen: „diese Frau aber, so arm sie ist, hat alles gegeben, was sie besaß - alles, was sie zum Leben nötig hatte“. Die Formulierung „alles, was sie zum Leben nötig hatte“ zeigt auf, dass sie ohne dieses, was sie gegeben hat, theoretisch nicht mehr leben könnte und verschärft die Situation damit noch weiter. Ähnlich ist es in der Einheitsübersetzung, in der beschrieben wird, die Frau habe „kaum das Nötigste zum Leben“ gehabt und dieses doch in Gänze gegeben. Hier wird dem Leser die Dramatik und die Tragweite ihrer Entscheidung nahegebracht.

[...]


1 EKK, 149

2 Regensburger NT, 550f.

3 Vgl. Dietzfelbinger, Interlinearübersetzung, 356

Fin de l'extrait de 30 pages

Résumé des informations

Titre
Exegese zu „Das Scherflein der Witwe" in Lukas 21,1 -4
Université
Protestant University of Applied Sciences Berlin
Note
1,0
Auteur
Année
2013
Pages
30
N° de catalogue
V275131
ISBN (ebook)
9783656767794
ISBN (Livre)
9783656767787
Taille d'un fichier
707 KB
Langue
allemand
Mots clés
exegese, scherflein, witwe, lukas
Citation du texte
Carolin Eyert (Auteur), 2013, Exegese zu „Das Scherflein der Witwe" in Lukas 21,1 -4, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/275131

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