Neuroeconomics. Erklärung ökonomischer Handlungsweisen durch neuronale Prozesse


Bachelorarbeit, 2010

58 Seiten, Note: 80/110


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

Danksagungen

Kurzfassung

Abstract

Compendio

1. Von Neurowissenschaft zur Neuroökonomie
1.1. Somatic Marker Hypothese
1.2. Methodik und Anwendungsfelder

2. Emotionen: eine kurze Einführung
2.1. Der Begriff „Emotion“ in der Psychologie und der Ökonomie
2.2. Die biologische Funktion von Emotionen
2.3. Bedeutung und Entwicklung von Emotionen
2.4. Wie Emotionen unsere Entscheidungsfindung beeinflussen
2.4.1. Rationale Entscheidungen
2.4.2. Intertemporale Entscheidungen
2.4.3. Regret und Disappointment -Theorie
2.5. Emotionen und ökonomisches Verhalten

3. Neuroökonomie und Emotionen
3.1. Der Mechanismus von Emotionen
3.2. Welche Gehirnregionen sind für Emotionen zuständig?
3.3. Erklärung ökonomischer Handlungslogik des Individuums durch neuronale Pro­zesse

4. Vorteile, Kritiken und Probleme dieser neuen Wissenschaft S. 46

5. Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Quellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Danksagungen

Zunächst möchte ich mich recht herzlich bei Herrn Prof. Dr. Peter-J. Jost bedanken, der diese Arbeit betreut hat und mir stets mit Rat und Tat zur Seite stand. Seine kompetente Beratung half mir, einen Einblick in ein vorher von mir noch unbekann­tem Themenbereich zu bekommen und meiner Laureatsarbeit eine Struktur zu ge­ben.

Selbstverständlich möchte ich mich auch bei meinen Freunden bedanken, die mir während meiner Studienzeit immer zur Seite standen und mir somit sämtliches er­leichtert haben.

Besonderer Dank gilt jedoch meiner Familie, die mich durch ihre tatkräftigte Hilfe, sowohl finanziell als auch emotional, stets sehr unterstützt haben.

Ingrid Lanthaler, September 2010

Kurzfassung

Die Neuroökonomie ist eine noch sehr junge Wissenschaft und bezeichnet die Ver­knüpfung der Neurowissenschaften mit den Wirtschaftswissenschaften. Die Zielstel­lung dieser Arbeit besteht in der Ermittlung dieser Zusammenhänge. Im Besonderen geht es darum eine Erklärung zu finden wie Emotionen unser Verhalten und unsere Entscheidungsfindung beeinflussen. Mittels verschiedener Experimente wird versucht zu erläutern, wie Emotionen ökonomische Handlungsweisen beeinflussen und wel­che Gehirnregionen dabei zuständig sind. Diese neuronalen Prozesse werden dann dafür genutzt um eine Erklärung für die ökonomische Handlungslogik zu finden.

Anschließend wird noch auf die Vor- und Nachteile eingegangen, die diese neue Wissenschaft mit sich bringt und mittels Kritiken und Aussagen von Autoren ein kur­zer Ausblick erstellt.

Abstract

Neuroeconomics is still a very young science and refers to the combination of neuro­science with economics. The purpose of this work exists in identifying these relation­ships. In particular, the main objective is to find an explanation for how emotions in­fluence our behaviour and our decision-making. By means of various experiments will be attempted to explain how emotions influence economic behaviours and which brain regions are thereby responsible. These neural processes are then used to find an explanation for the economic logic of action.

Subsequently, looking at the advantages and disadvantages of this new science and via critiques and statements of various authors it will be compiled a short outlook.

Compendio

La neuroeconomia è ancora ai suoi primordi e denomina la combinazione fra neuro­logia ed economia. Il fine di questa tesi consiste nell’esaminare queste relazioni. In particolare, si tratta di trovare una spiegazione come le emozioni influenzano il nostro comportamento e il nostro processo decisionale. Attraverso vari esperimenti si cerca di capire come le emozioni influiscano il comportamento economico e quali regioni cerebrali ne sono responsabili. Questi processi neurali si utilizzano poi per cercare una spiegazione alle azioni logiche economiche.

Inoltre vengono esaminati i vantaggi e gli svantaggi che questa nuova scienza porta con sé e mediante critiche e dichiarazioni degli autori si crea una breve prospettiva.

„Who knows what I want to do? Who knows what anyone wants to do? How can you be sure about something like that? Isn’t it all a question of brain chemistry, signals going back and forth, electrical energy in the cortex? How do you know whether something is really what you want to do or just some kind of nerve im­pulse of the brain? Some minor little activity takes place somewhere in this unim­portant plane in one of the brain hemispheres and suddenly I want to go to Mon­tana or I don’t want to go to Montana.” (DeLillo Don, White Noise)

1. Von Neurowissenschaft zur Neuroökonomie

Kapitel Eins widmet sich nach kurzer Begriffserklärung einigen fundamentalen Darstellungen der Entstehung der Neuroökonomie, sowie der sog. Somatic Mar­ker Hypothese von Damasiò, die Defizite im Entscheidungsverhalten infolge von Hirnschädigungen darstellt. Im Anschluss daran folgt eine kurze Einführung in die Methodik und die Anwendungsfelder der Neuroökonomie, die Aufschluss über die Hauptaufgaben und Instrumente dieser neuen Wissenschaft geben soll.

Was ist die Neurowissenschaft eigentlich? Die Neurowissenschaft ist eine kom­plexe und sehr junge Wirtschaftsdisziplin, die sich mit Untersuchungen über die Struktur und Funktion von Nervensystemen befasst und interpretiert. Sie er­scheint als Verschmelzung zwischen der Molekularbiologie, der Zellular- und Evolutionsbiologie, der Elektrophysiologie, der Neurophysiologie, der Anatomie, sowie der Psychologie. Diese einzelnen Disziplinen werden im Rahmen der Neu­rowissenschaft mit dem Ziel zusammengefasst, neuronale Funktionen auf allen Komplexitätsebenen zu verstehen. Die Neurowissenschaft untersucht somit den Aufbau und die Funktionsweise des biologischen Nervensystems. Mit diesem vereinten Wissen aus den genannten Disziplinen und der Neurowissenschaft lässt sich beispielsweise das Entstehen von Gedanken und Gefühlen erklären und lokalisieren, was als Voraussetzung zum Verständnis der Beziehung zwi­schen Gedanke und Handlung dient. (vgl. Raab/Gernsheimer/Schindler 2009, S. 2-4)

Als Neuroökonomie wird somit die Verbindung der Neurowissenschaften (Neuro­biologie, -physiologie, kognitive Neurowissenschaft) und den Erkenntnissen der Wirtschaftswissenschaften bezeichnet. (Neuro Economics, 2009). Emotionen und Affekte und deren Bedeutung werden seit mehreren Jahren in der ökonomischen Literatur erwähnt. Eine beweisende Evidenz in diesem Bereich, verlangt aber eine Grenzüberschreitung zu benachbarten Wissenschaftsgebieten wie der Individual- und Sozialpsychologie, der Soziologie – und neuerdings auch der Neurobiologie und -physiologie. Die Neuroökonomie öffnet die bisher verschlossene Black Box Gehirn und stellt den Versuch dar, Einsichten über das Funktionieren des menschlichen Gehirns gezielt für die ökonomische Theorie zu gebrauchen und anzuwenden.

Mitte der 90-er Jahre war der Begriff der Neuroökonomie noch nicht in Gebrauch und auch das Forschungsgebiet, das jetzt unter diesen Namen bekannt ist, exis­tierte noch nicht. Des zu trotz waren bereits einige fundamentale Fakten vorhan­den, Hauptideen lagen in der Luft und alle waren bereit sich auf eine neues Ziel­objekt zu fokussieren. In den letzten Jahrzehnten hat sich durch den verstärkten Gebrauch experimenteller Studien in der modernen Ökonomik gezeigt, dass das anfängliche Bild des Homo Oeconomicus möglicherweise angepasst werden muss. Ergebnisse der Experimente haben nämlich deutlich gemacht, dass das, durch das Standardmodell prognostizierte Verhalten in einer Reihe von Fällen nicht der Realität entspricht. Es wurde kritisiert, dass die Annahmen über den wirtschaftlich handelnden Menschen nicht mehr stimmen und daher eine Adaption und Erweiterung des bisherigen Modells notwendig ist. Wissenschaftler forderten daher, dass Aspekte der Psychologie und der Sozialwissenschaft integriert wer­den sollen und diese somit zur besseren Erklärung der Handlungsarten der Men­schen in wirtschaftlichen Situationen beitragen sollen. (Guttmann, 2008)

Um zur Neuroökonomie zu gelangen, waren zwei „Partner“ von Nöten: Das soge­nannte Behavioral Economics, ein Teilbereich der Wirtschaftswissenschaften der gezielt darauf ausgerichtet ist sich mit menschlichen Verhalten in wirtschaftlichen Situationen zu befassen, einerseits und der Neurowissenschaft (Sammelbegriff für biologische, physikalische, medizinische und psychologische Wissenschafts­bereiche, die den Aufbau und die Funktionsweise von Nervensystemen untersu­chen) andererseits.

Für die Entstehung des neuen Fachgebiets der Neuroökonomie waren eine Reihe von neurowissenschaftlichen Entwicklungen von großer Bedeutung und ich möchte beginnen jene zu unterstreichen, die im Zusammenhang mit der neuralen Basis der Entscheidungsfindung stehen:

Zwischen Mitte der 80-er und Mitte der 90-er-Jahre kamen folgende Fakten ans Licht, die kritische Aussagen offenlegten:

a) Im Vorfeld gesunde Individuen, die bilaterale Hirnschäden des ventra­len und medialen Bereichs des Cortexes erlitten, zeigten nach Auftreten der Beschädigungen merkliche Fehler bei der Entscheidungsfindung. Diese Fehlerhaftigkeiten zeigten sich beträchtlich vor allem bei sozialen Verhaltensweisen.

b) In zwei Bereichen des Sozialverhaltens waren die Defekte so augen­scheinlich, dass so gut wie kein bestimmtes Diagnosemittel mehr nötig war; diese Bereiche waren zum einen die interpersonalen Beziehungen und in besonderem Maße die Entscheidungsfindung hinsichtlich finan­zieller Sachverhalte. Für den Bereich der interpersonellen Entschei­dungsprozesse eines Individuums bedeutet das, dass Vorlieben und Nutzen, Entscheidungen bei Risiko und Unsicherheit, Lernen, Gedächt­nis und Wissen im Mittelpunkt stehen.

c) Patienten mit ventromedial präfrontalen Verletzungen hatten einen bemer­kenswert gut erhaltenen Verstand, gemessen von konventionel­len neuropsychologischen Instrumenten, und einen ebenso auffälligen Defekt von emotionalen Verhalten. Der emotionale Defekt bestand aus einer generell verminderten emotionalen Resonanz, nebst speziellen und beträchtlichen Beeinträchtigungen in sozialen Emotionen – wie bei­spielsweise Mitgefühl und Verlegenheit.

Kurz gesagt, Patienten die ein normales Sozialverhalten bis zum Zeitpunkt ihrer Hirndysfunktion aufwiesen und jene die bis dahin keine Probleme mit Geräuschen hatten, schnitten nun schlecht ab und verhielten sich generell gegen ihre eigenen besten Interessen und den Interessen ihrer Gegenüber. Dies geschah trotz ihrer gut erhaltenen intellektuellen Instrumente. Die Patienten wiesen keine feststellbaren Schwächen im rationalen Denken auf, keine Defekte im Lernen und Abrufen des Wissens für Geräuschentscheidungen und keine Mängel in der Sprache und Wahr­nehmung. Nun waren ihre Entscheidungen fehlerhaft. Beim Aufzeigen der Fehlerhaf­tigkeit begriffen sie jedoch, dass sie besser abschneiden gekonnt hätten. Des zu trotz würden sie sehr wahrscheinlich in zukünftigen ähnlichen Situationen wieder die­selben Fehlentscheidungen treffen.

Der Unterschied zwischen schadhaften Emotionen einerseits und verschonten Intel­lekt andererseits ließ vermuten dass irgendein gestörtes Emotionssignal für die Fehl­entscheidungen verantwortlich sein könnte. Diese Idee formte die Basis für die so genannte Somatic Marker Hypothese. (vgl. Glimcher/Camerer/Fehr/Poldrack 2009, S. 209-210)

1.1. Somatic Marker Hypothese

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Antonio Damàsio

Damàsio’s Hypothese der Somatischen Marker (SMH) stellt eine einfache neurobio­logische Erklärungsmöglichkeit für Patienten mit Verletzungen im ventromedial präfrontalen Cortex gefundene Defizite im Entscheidungsverhalten dar. Die Haupt­idee besteht darin, dass der Entscheidungsprozess von Menschen durch sog. Markersignale, d.h. unbe­wusste emotionale Signale, die Emotionen und Ge­fühle auslösen, beeinflusst wird. Zunächst soll aber dargestellt werden, wie es zu somati­schen (soma ist das griechische Wort für Körper) Zuständen kommt (Weber 2009): Sie können einerseits von primären Auslösern, den sog. Primary Inducers (PI), und ander­seits von sekundären Auslösern, sog. Secondary Inducers (SI), hervorgerufen werden. PI sind angeborene und gelernte Stimuli, die angenehme Zustände auslö­sen. Sind sie einmal präsent lösen sie automatische, unfreiwillige und zwingende körperliche Reaktionen aus. Nachdem ein somatischer Zustand durch einen PI aus­gelöst und zumindest einmal erlebt wurde, wird ein Mus­ter für diesen somatischen Zustand angelegt; der folgende Auslöseimpuls, welcher Gedanken oder Erinnerun­gen an den PI auslöst, tritt somit als SI auf.

Die Amygdala (=Mandelkern) ist ein kritischer Träger im neuralen System für das Auslösen von physischen Zuständen infolge eines PI. Reaktionen in diesen Gehirn­regionen werden unter Einbeziehung einer Nervenbindung und automatisch ausge­führt. Kommt es somit zu einer Schädigung der Amygdala, können die Primary Inducers keine somatischen Zustände hervorrufen, da der emotionale Teil gestört ist und somit können auch SI keine somatischen Zustände hervorrufen. SI sind nämlich Einheiten, die durch die Erinnerung an ein individuelles oder vermutliches emotiona­les Ereignis einen somatischen Zustand auslösen. Diese Einheiten sind entweder Gedanken bzw. auch Erinnerungen an den PI. Die Entwicklung eines SI hängt also von der Entwicklung eines PI ab. (vgl. Raab/Gernsheimer/Schindler 2009, S. 205)

Zusammenfassend kann man also sagen, dass somatische Zustände auf Emotionen basieren und Optionen und Handlungen bemerkenswert beeinflussen. Zudem wurde mit der Somatic Marker Hypothese aufgezeigt, dass diese somatischen Zustände diejenigen Aktivitäten in Regionen beeinflussen, die mit einer Verhaltensreaktion bzw. einer motorischen Reaktion in Verbindung stehen. (vgl. Raab/ Gernsheimer Schindler 2009, S. 209) Wenn wir entscheiden müssen stellen wir uns alle möglichen Handlungsalternativen vor, und urteilen was passieren wird, wenn wir das eine oder andere tun. Würden wir nur Logik anwenden um einen Konflikt zu lösen, würden wir den ganzen Tag brauchen und wären nicht in der Lage uns zu ent­scheiden in wel­chen Restaurant wir zu Mittag essen. Dass uns solche Entscheidun­gen aber leicht fallen, liegt daran, dass wir eine Hilfe über unsere körperlichen Sig­nale vermittelt be­kommen. Dieses Signal erlaubt es uns eine schnelle Kosten-Nut­zen-Analyse zu ma­chen und Entscheidungen zu treffen, die zwar auf logischen Überlegungen basieren aber auch Emotionen mit einbeziehen. Die somatischen Marker sind nicht dazu da uns zu sagen was wir tun oder nicht tun sollen, sondern uns zu erinnern dass in An­betracht unserer Vorerfahrung eine bestimmte Handlung und Entscheidung gut und eine andere gefährlich sein wird. Unser Gehirn vergleicht eine neue Situation mit ei­ner ähnlich früheren und diese Verknüpfung informiert uns über unser früheres Wert­urteil. Damasio meint, dass bei einer Entscheidung alte physiologische Muster in un­serem Gehirn und unserem Körper aktiviert werden und Blutdruck, Muskelspannun­gen und Atmung dieselben Werte annehmen, wie wir sie in früheren Situationen ver­spürt haben und durch diese erneute Wahrnehmung werden wir in die eine oder an­dere Richtung gelenkt. War das einstige Erlebnis positiv so neigen wir dazu wieder zustimmend zu reagieren und vice versa. (Aretz, 2004)

Die Neuroökonomie ist eine noch relativ junge Wissenschaft und ihre Vertreter be­schäftigen sich vor allem mit der Frage: „Wie ist der Mensch als Konsument zu erfor­schen und zu bewerten?“ Ihr Ziel ist es besser zu verstehen, warum Menschen sich in bestimmten Situationen nicht rational entscheiden, häufig anders reagieren als gelernt und sogar manchmal entgegen ihrer eigenen Absichten handeln. (Müller, 2004)

1.2. Methodik und Anwendungsfelder

Neurowissenschaftler nützen eine Vielzahl von Methoden, so zum Beispiel die funkti­onelle Bildgebung, die Lehre von psychischen Erkrankungen und das Verhalten von Patienten mit Gehirnschäden.

Die Hauptaufgabe der Neuroökonomie besteht darin Informationen über das Verhal­ten der Nervenzellen zu sammeln und somit zu untersuchen wie diese aufeinander einwirken um Entscheidungen zu produzieren. (vgl. Durlauf, 2008) Die Kombination von Neurowissenschaften und Wirtschaftswissenschaften ermöglicht es die zugrunde liegenden mentalen und neuralen Prozesse des Entscheidungsverhaltens aufzuzei­gen. Anhand der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT)[1] kann der Blut­fluss verfolgt werden und somit die Aktivitäten der verschiedenen Hirnregionen ge­messen werden, während eine Testperson eine rationale Entscheidung trifft. (Müller, 2009) Die unterschiedlichen Abbildungen der Tätigkeit des Hirns lassen somit Schluss­folgerungen auf die an der Problemlösung beteiligten Gehirnregionen zu. Andere vorrangigen Messmethoden der Neuroökonomie sind das Elektroenzephalo­gramm (EEG)[2], die Magnetenzephalogie (MEG)[3], die Positronenemissionstomografie (PET)[4] (Neuro Economics, 2009). Diese neuen Techniken funktionieren ohne Ein­griffe. EEG und MEG setzen bei den elektrischen Potentialen des Gehirns an, PET und fMRT hingegen auf die Stoffwechseleigenschaften des Gehirns (vgl Lehnmann-Waffenschmidt/Hain/Kenning, 2007). Einige oder mehrere dieser Methoden werden dann von den Neurowissenschaftler koordiniert um herauszufinden wie das mensch­liche Gehirn arbeitet.

Das immer noch weit verbreitete Modell des Homo oeconomicus lässt sich somit anhand dieser Methoden und Verfahren empirisch prüfen. Forscher sind den Ge­setzmäßigkeiten auf der Spur, die dem menschlichen Handeln zugrunde liegen.

„Den angeblich stets rational kalkulierenden und entscheidenden, eigeninteressierten und seinen Nutzen auch kurzfristig stets maximierenden Teilnehmer am Wirtschafts­leben gibt es in der Wirklichkeit nur selten.“ ( Horn, 2007)

Anwendungsfelder beziehen sich auf anwendungsorientierte Betriebswirtschafts­lehre, Verhaltensökonomie und Umweltökonomie. Der neuroökonomische Ansatz hat neben diesen Grundlagenanwendungsgebieten bereits Verwendung auf den Gebie­ten „Neuromarketing“ und „Neurofinance“ gefunden (vgl. Lehnmann-Waffen­schmidt/Hain/Kenning, 2007).

2. Emotionen: eine kurze Einführung

Während Emotionen in der psychologischen Forschung längere Zeit ein wenig unter­suchtes Gebiet darstellten, hat sich das Interesse in den letzten 15 Jahren der Emo­tionsforschung verstärkt zugewendet und zudem machen moderne Untersuchungs­methoden es möglich, neuronale und physiologische Zusammenhänge seelischer Prozesse, auch von Emotionen zu lokalisieren. Dabei gehen zweckgerechte Verfah­ren, wie z. B. die funktionelle Kernspintomographie über die altbewährte Neuropsy­chologie, welche psychische Funktionen mit strukturellen Defekten im Gehirn koordi­nierte, hinaus.

Kapitel Zwei widmet sich den Emotionen: einerseits in der Psychologie und anderer­seits in der Ökonomie. Was ist die biologische Funktion von Emotionen? Was deren Bedeutung und Entwicklung? Und wie können diese unsere Entscheidungen sowie unser ökonomisches Verhalten beeinflussen? Dies sind die zentralen Fragen auf die ich in diesen Kapitel versuchen werde einzugehen.

2.1. Der Begriff „Emotion“ in der Psychologie und der Ökonomie

Frauen und Männer jeden Alters, jeder Kultur, jeder Ebene der Erziehung und auf jeden Weg des ökonomischen Lebens haben Emotionen, sind aufmerksam auf Emo­tionen anderer und steuern ihr Leben nach dem Streben einer besonderen Emotion, dem Glück, und nach dem Vermeiden unangenehmer Emotionen (vgl. Damasio 1999, S. 35). Emotionen haben sich im Laufe der Evolution herausgebildet und sind verzweigte, in weiten Teilen genetisch vorgebildete Verhaltensmuster um bestimmte Anpassungsprobleme zu lösen und den Einzelnen ein schnelles und der Situation angepasstes Handeln zu ermöglichen. Am Zustandekommen sowie am Ablauf von Emotionen sind somit kortikale und subkortikale Mechanismen der Verarbeitung ex­ternen und/oder interner Reize, neurophysiologische Muster, motorischer Ausdruck und Motivationsentwicklungen beteiligt. Der motivationale Faktor wird dabei meist als Folge der emotionalen Erregung denn als Teil der Emotion selbst betrachtet, der kognitive Teil eher als Auslöser der Emotionen, aber es bestehen wie bei den meis­ten innerpsychischen Abläufen sehr enge Interaktionen (Stangl, 2010)

Elster (vgl. Elster, 1998) unterteilt den Emotionsbegriff in sechs Hauptgruppen:

1. Soziale Emotionen: Ärger, Hass, Schuld, Schande, Stolz, Bewunderung, Zunei­gung
2. Kontrafaktische Emotionen: Bedauern, Freunde, Enttäuschung, Euphorie
3. Emotionen – hervorgerufen durch den Gedanken, was passieren könnte: Angst, Hoffnung
4. Emotionen – hervorgerufen durch gute/schlechte Dinge, die passiert sind: Freude, Leid
5. Emotionen – hervorgerufen durch den Gedanken an die Besitztümer anderer: Empörung und Eifersucht
6. Spezialfälle, wie Verachtung, Abneigung, Liebe, Verliebtheit

Jede einzelne dieser Emotion besteht aus unzähligen Variationen und Nuancen, ab­hängig vom Zustand, der sie auslöst. Jede spielt eine bestimme Rolle und führt da­durch zur Entstehung von Lebensverhältnissen und äußeren Umständen; sie han­deln somit über das Leben eines Organismus und ihre Aufgabe besteht darin den Organismus bei der Lebenserhaltung zu unterstützen. Ungeachtet der Realität, dass Lernen und Kultur die Expression von Emotionen verändern und Emotionen neue Bedeutungen geben, sind sie biologisch festgelegte Prozesse, abhängig von ange­borenen Hirneinheiten und festgeschrieben von einer langen evolutionären Ge­schichte (vgl. Damasio 1999, S. 43)

Löwenstein (vgl. Löwenstein/Read/Baumeister, 2003) unterscheidet zwischen zwei Typen von Emotionen, die das Verhalten beeinflussen können: erwartete Emotionen und unmittelbare Emotionen. Erwartete Emotionen unterscheiden sich von den un­mittelbaren Emotionen darin, dass sie erlebt werden, wenn Ergebnisse einer Ent­scheidung konkrete Formen annehmen und nicht im Moment der Entscheidung wie bei den unmittelbaren Emotionen. Löwenstein unterstreicht die Bedeutung unmittel­barer Emotionen für ökonomische Entscheidungen, da sie keine Abhängigkeit von langwierigen Kosten-Nutzen Abwägungen aufweisen.

Die Emotion läuft auf verschiedenen seelischen Funktionsebenen ab und ist somit ein komplexer Prozess. Emotionen unterliegen nicht unserer Kontrolle und können sie nur teilweise kontrollieren und unterdrücken, z.B. indem wir Traurigkeit nicht zei­gen. Das subjektive Erleben der Emotionen bezeichnet man hingegen als Gefühl, wie z.B. Lust, Geborgenheit, Liebe, Trauer, Angst, Glücklich sein und Freude und ist von einer Emotion grundlegend zu entscheidend. Gefühle werden herkömmlicher­weise als verschieden von Empfindungen, Wahrnehmungen und Denken, aber auch vom Wollen angesehen, können sich jedoch mit allen anderen Erfahrungsarten ver­binden (vgl. Damasio, 2002)

Im Vergleich zu Stimmungen sind Emotionen relativ kurz und intensiv. In der Psy­chologie werden Stimmungen als Form des angenehmen oder unangenehmen Füh­lens bezeichnet und spielen eine entscheidende Rolle in der Motivation. Erfahrungen erscheinen als durch Stimmungen „eingefärbt“, so als erlebe man die Realität durch eine Gefühlsbrille: Bei trüber Stimmung beispielsweise wirkt die Welt als „grau in grau“. Was also erlebt wird, ist in erster Linie nicht eine erfahrene Klassifizierung, sondern diese folgt üblicherweise erst nach dem Erlebnis des Gestimmtseins.

Zusammenfassend kann man also sagen dass der Begriff Emotion im Allgemeinen gebraucht wird um die affektiven Erfahrungen zu erfassen. In Emotionstheorien wird der Ausdruck gebraucht, um einzelne Reaktionen auf ein internes oder externes Er­eignis aufzuzeigen, das eine Reihe von synchronisierten Eigenschaften, einge­schlossen subjektiver Erfahrungen, Äußerungen, körperlichen Verhalten und Hand­lungstendenzen auferlegen (vgl. Glimcher/Camerer/Fehr/Poldrack, 2009, S. 234-239)

2.2. Die biologische Funktion von Emotionen

Emotionen werden als sich über eine lange Geschichte evolutionärer Feinabstim­mungen entwickelnde Eigenarten des Menschen und der Tiere verstanden. Diese stammesgeschichtliche Untersuchung der Evolution von Emotionen stellt also die Frage nach ihrem Zweck bzw. ihrer biologischen Funktion. Schon Darwin beobach­tete für seine Evolutionstheorie die Parallelen im emotionalen Ausdruck bei Men­schen und Tieren und schloss durch Betrachtung von Menschen aus verschiedenen Teilen der Welt, dass der emotionsspezifische Ausdruck universell verbreitet ist.

Die Stärke der Emotionen beeinflusst wie stark eine Person erregt ist und wie stark sich dieses Gefühl auf Denken und Handeln auswirkt. Die Emotionspsychologin Ca­rol E. Izard (1981) gibt drei Verhaltensebenen an, die Emotionen beschreiben und definieren: das subjektive Erlebnis, die neurophysiologischen Vorgänge und das be­obachtbare Ausdrucksverhalten (insbesondere im Gesicht). Emotionen bewirken somit organische Veränderungen, wie beispielsweise Muskelverspannungen, Erwei­terung und/oder Verengung der Pupille, Schweißausbruch, Magentätigkeit, erhöhte Herzfrequenz, Verkrampfungen sowie schnelle Atmung (Stangl 2010).

Der biologische Kern der Emotionen:

- Emotionen sind ein komplexes Gebilde von neuralen sowie chemischen Reakti­onen und ihre Hauptaufgabe besteht darin, den Organismus zu unter­stützen am Leben zu bleiben.
- Emotionen hängen von angeborenen Hirnstrukturen ab und sind biologisch de­terminierte Prozesse. Daher können Lernen und kulturelle Einflüsse nur das Bild von Emotionen ändern.
- Mechanismen, von Emotionen ausgelöst, können automatisch in Gang gesetzt werden
- Das Gebiet subcortikaler Regionen, wo sich die Strukturen befinden die Emotio­nen erzeugen, ist verhältnismäßig eng und sehr begrenzt.
- Emotionen dienen unserem Überleben und sind somit Teil der bioregulativen Mechanismen.
- Emotionen bereiten den Organismus durch Regulierung des inneren Zustands auf spezifische Reaktionen vor. (vgl. Damasio, 2002)

Das biologische „Ziel“ der Emotionen ist somit klar ersichtlich und sie stellen ein un­verzichtbares Luxusgut dar. Sie sind sonderbare Anpassungen und somit Teile des Mechanismus welcher organisches Überleben regelt. Man kann sich Emotionen vor­stellen als eingepfercht zwischen der elementaren Überlebensausrüstung (z.B. einfa­che Reflexe, Motivationen, Angst und Freude, Regulierung des Metabolismus) und den Einheiten von hoher Bedeutung, die aber immer noch Teil der Hierarchie der lebensregulierenden Einheiten sind.

Emotionen sind Teil der selbststabilisierenden Regulierung und unabdingbare Grö­ßen für zahlreiche Ereignisse und Objekte unserer autobiografischen Erfahrung. Sie sind beispielsweise untrennbar von der Idee der Belohnung oder Bestrafung, der Freude und der Angst, der individuellen Vor- oder Nachteile – Emotionen sind zwangsläufig untrennbar vom Guten und Bösen(vgl. Damasio 1999, S. 53-55). Damasio beschreibt den Nutzen und die Funktion von Emotionen wie folgt:

- Gefühle sind ein integraler Bestandteil und ihr Fehlen gefährdet die menschli­che Rationalität. Somit sind rationales Handeln und Entscheiden ohne Gefühle nicht möglich.
- Getreu der Hypothese der somatischen Marker werden beim Überlegen und Ent­scheiden die Konsequenzen der Handlungsalternativen nicht nur rational durchdacht, sondern auch emotional bewertet.
- Emotionen bzw. Gefühle dienen den menschlichen und tierischen Überlebens­kampf (vgl. Damasio 1994).

[...]


[1] Bildgebendes Verfahren zur Darstellung von aktivierten Strukturen im Inneren des Körpers, hauptsächlich des Gehirns.

[2] Methode zur graphischen Darstellung der Spannungsschwankungen an der Kopfoberfläche.

[3] Verfahren zur Messung der magnetischen Aktivität des Gehirns.

[4] Bildgebendes Verfahren, das biochemische und physiologische Funktionen abbildet.

Ende der Leseprobe aus 58 Seiten

Details

Titel
Neuroeconomics. Erklärung ökonomischer Handlungsweisen durch neuronale Prozesse
Hochschule
Libera Università di Bolzano  (Fakultät für Wirtschaftswissenschaften)
Note
80/110
Autor
Jahr
2010
Seiten
58
Katalognummer
V275991
ISBN (eBook)
9783656698197
ISBN (Buch)
9783656698753
Dateigröße
1131 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
neuroeconomics
Arbeit zitieren
Dr. Ingrid Lanthaler (Autor:in), 2010, Neuroeconomics. Erklärung ökonomischer Handlungsweisen durch neuronale Prozesse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/275991

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