Theorie und Anwendungsbereiche der Analytischen Soziologie


Habilitation, 2004

452 Pages


Extrait


Inhalt:

Teil I: Die psychoanalytische Theorie:
1. Die Triebtheorie
2. Das Lust Unlust Prinzip 2.1 Die Libidotheorie
3. Die psychischen Systeme
3.1 Das Unbewußte
3.2. Der Primär und Sekundärvorgang
3.3. Der deskriptive Aspekt des Ubw
3.4. Das Vbw
3.5. Das Bewußte
3.6. Der quantitative Aspekt
3.7. Die Interdependenzen der Systeme
4. Die Instanzen der Psyche
4.1 Das Es
4.2 Das Über Ich
4.3 Das Ich
5. Die Triebabwehr
5.1 Die Verdrängung
5.1.1 Der quantitative Aspekt der Verdrängung
5.1.2 Verdrängung und Instanzen
5.2 Die Sublimierung
5.3 Die Identifizierung
5.4 Die Verleugnung
5.5 Die Bagatellisierung
5.6 Die Intellektualisierung
5.7 Die Rationalisierung
6. Die Sexualtheorie
6.1 Die orale Phase
6.2 Die anale Phase
6.3 Die ödipale Phase
6.4 Die Latenzperiode
6.5 Die Pubertät
6.6 Der genitale Charakter
6.6.1 Es des genitalen Charakters
6.6.2 Das Über Ich des genitalen Charakters
6.6.3 Das Ich des genitalen Charakters
6.7 Die orgastische Potenz
6.7.1 Die Erregungsphasen
6.7.2. Die Orgasmusphase
6.8 Soziologische Komponenten
6.8.1 Die soziologische Instanz der Psyche
6.8.2 Das gesellschaftliche Norm und Wertesystem
6.8.3 Die sexuellen Normen
6.8.4 Die Ehe als gesellschaftliche Institution
6.8.5 Die Familie
6.8.6 Der ideologische Einfluß
6.8.7 Die Funktion der Pubertät
7. Komponenten der Entwicklungstheorie
7. 1 Kognitive Komponenten
7.1.1 Die sensomotorische Stufe
7.1.2. Die prälogische Stufe
7.1.3. Die Stufe der konkreten Operationen
7.1.4. Die Stufe der formalen Operationen 125
7.2. Komponenten der Ich (Über Ich) Entwicklung
7.2.1. Frühe Entwicklungsstadien
7.2.2. Exkurs über die Geburt
7.2.3. Der 1. Organisator
7.2.4. Der 2. Organisator
7.2.5. Der 3. Organisator
7.3. Zusammenfassung (Narzißmus)

Teil II: Stress und Coping
1. Psychosomatische Medizin
1.1 Konzept von Alexander
1.2 Konzept von Engel und Schmale
1.3 Konzept von Schur
1.4 La pensee operatoir
1.5 Konzept der Alexithimy
1.6 Konzept von Zepf
2. Das Stresskonzept
2.1 Stress und Krankheit
3. Die Life-Event-Forschung
4. Konzept der Coping-Forschung
4.1 Konzept von Lazarus
4.2 Ansatz von Prystav
4.3 Ansatz von Heim, Augustinsky und Blaser
4.4 Psyche, Anpassung- und Abwehrprozesse
4.5 Definitorische Schlußfolgerungen
5. Der bio-psychosomatische Kontext
5.1 Paradigmen der Medizin
5.2 Krankheit als Störung zwischen Körper und Bewußtsein
5.3 Instrumentelle Orientierung
5.4 Kontext Subjekt und Gesellschaft
III. Empirische Aspekte der Analytischen Soziologie
1. Problemstellung
2. Die hermeneutische Prüfung durch Habermas
3. Experimentelle Versuche der Überprüfung
4.1 Der Test von David Holmes
4. Das Verfahren der objektiven Hermeneutik
4.1 Der Versuch einer Begriffsbestimmung
4.2 Der Gegenstand der objektiven Hermeneutik
4.3 Das Ziel der objektiven Hermeneutik
4.4 Die soziologische Bedeutung der obj. Herm
4.5 Die Realitätsebenen
4.5.1 Der theoretische Kontext
4.5.2 Die subjektive Ebene
4.5.3 Die Einflußfaktoren
5. Methodische Aspekte der Analytischen Soziologie
5.1 Ausgangsposition
5.2 Forschungsintention
5.3 Angewandte Sozialforschung in der Anal. Soz
5.4 Narrative Interviews als Instrument der Analyt. Soz
5.5 Ausblick
6. Empirische Ansatzpunkte der Analytischen Soziologie

Teil IV: Analytische Soziologie und ‚Gesundheitswesen‘
1. Problemstellung
2. Das Versorgungssytem
2.1 Einleitung
2.2 Definitionsproblem
2.3 Daten des Gesundheitswesens
2.4 Struktur des Gesundheitswesens
2.5 Funktion der Behandlung
2.5.1 Ambulante Versorgung
2.5.2 Stationäre Versorgung
2.6 System der Rehabilitation
2.6.1 Einleitung
2.6.2 Daten der Rehabilitation
2.6.3 Funktion der Reha
2.6.4 Ziele der Reha
2.6.5 Behinderung und Rehabilitation
2.6.5.1 Das WHO-Modell
2.6.6 Modell der bio-psycho-sozialen Diagnostik
2.6.6.1 Diagnose
2.6.6.2 Leistungsbeurteilung
2.6.6.3 Schweregradbestimmung
2.6.6.4 Prognosen
2.6.6.5 Individuelle Besonderheiten
2.6.6.6 Psychosoziale Anforderungen/Belastungen
2.6.6.7 Behandlungs-, Reha-, Pflegebedürftigkeit
2.7 Das System der Pflege
2.7.1 Einleitung
2.7.2 Daten des Systems der Pflege
2.7.3 Die Funktion der Pflege
2.7.4 Prozeß der Pflege
2.7.4.1 Pflegeanamnese
2.7.4.2 Allgemeine Pflegeplanung
2.7.4.3 Pflegestandards
2.7.4.4 Ergebnis
2.7.4.5 Zusammenfassung
3. Die professionellen Akteure
3.1 Einleitung
3.2 Die intersubjektive Ebene
3.2.1 Die Übertragung
3.2.2 Gegenübertragung
3.2.3 Die Rollenbeziehung Arzt/Patient
3.2.4 Die formelle Rolle
3.2.5 Die informelle Rolle
3.2.6 Rollenidentifikation und –distanz
3.2.7 Die therapeutische Spaltung
3.2.8 Die Rolle des Patienten
3.2.9 Verbale Kommunikation
3.2.10 Nonverbale Verhaltensweisen
3.2.11 Diagnostische Relevanz nonverbaler Verhaltensweisen
3.2.12 Zur Spezifikation nonverbalen Verhaltens
4. Probleme des Systems der Krankenbehandlung
4.1 Strukturelle Probleme
4.2 Politik
4.3 Gesetzliche Rahmenbedingungen
4.4 Die Krankenkassen
4.5 Standesorganisationen
4.6 Schnittstellen
4.7 Standards
4.8 Qualitätskontrolle
4.9 Managed care/disease management
4.10 Dokumentation
4.11 Zusammenfassung

Teil V: Anwendung der analytischen Soziologie in der Coping-Forschung
1. Das psychosoziale Dilemma der Medizin
1.1 Das gesellschaftliche Image einer Krankheit
1.2 Krankheitsimage und Krankheitstheorien
1.3 Auswirkungen des Krankheitsimage
1.4 Der Coping-Prozeß
1.5 Schlußfolgerungen
1.6 Empirische Ergebnisse
1.7 Diagnostische Konsequenzen

Literatur

Vorwort

Da bislang kein systematischer Versuch einer Darstellung der relevanten Ansätze der psychoanalytischen Theorie vorliegt, die Bedeutung für die Soziologie haben, lag es nahe, ausgehend von der Triebtheorie und den aus ihr abgeleiteten Prinzipien und Pro-zessen, einen derartigen Versuch zu unternehmen. Dabei wurde der Rahmen der Theorie nicht durch therapeutische Verweise verlassen, sondern - soweit möglich - die theo-riesprachliche Ebene eingehalten, was im Gegensatz zu den vorliegenden Darstellungen der Psychoanalyse steht. Dadurch ist im Teil I eine theoretische Arbeit entstanden, die zwar nicht vollständig sein kann, aber die Hauptbestandteile der psychonalytischen Theorie enthält.

Die psychoanalytische Theorie stellt eine Anzahl von Ansätzen vor, die in einem eng gezogenen Rahmen bereits Theoriegehalt besitzen. Gleichwohl bin ich mir bewußt, dass die Systematisierung noch nicht annähernd vollständig ist und einige Ansätze eher als hypothetisch gelten können, denn als Erklärungen. Trotz oder gerade wegen der immen-sen Probleme, die mit einer Darstellung verknüpft sind, ist und bleibt die psychoanalyti-sche Theorie eine der umfassendsten Ansätze, die es auf dem Gebiet der Verhaltenswis-senschaften gibt, und deshalb ist der Ansatz nicht nur theorierelevant, sondern in vielen Bereichen noch verbesserungsfähig und vor allem forschungsinteressant.

Das soziologische Interesse basiert nicht auf primär psychologischen Aspekten, sondern vielmehr auf durch Interaktionen geprägte Verhaltens und Handlungsmuster. Die psy-choanalytische Theorie ist auch keine soziologische Theorie. Ihre Evidenz resultiert aus der Erklärung interdepententer Kontakte von Subjekt und Gesellschaft, wie sich gesell-schaftliche Verhältnisse im Subjekt konstituieren und manifestieren, und wie das Sub-jekt als vergesellschaftetes Subjekt nicht nur seine Subjektivität erhalten kann, sondern gerade als soziales Wesen existenzfähig ist, wie es Gesellschaft internalisiert und welche Chancen der subjektiven Intentionalität realisiert werden können?

Vergesellschaftung des Subjektes impliziert immer auch eine Diskrepanz zwischen subjektiven Bedürfnissen und gesellschaftlichen Anforderungen, Belastungen und Kon-trollen. Gesellschaft konfrontiert das Subjekt mit Normen und Konventionen, die teils repessiver und teils restitutiver Natur sind, aber immer sanktionierbar – positiv wie auch negativ -, insofern kann sich das Subjekt einer sozialen Kontrolle nicht entziehen.

Subjektiv unterstellt die Psychoanalyse ein Triebpotential, was soviel heißt, wie unspe-zifische Verhaltensdispositionen in bezug auf gesellschaftlich erwartetes Verhalten. Ver-haltensdispositionen werden nur im Rahmen von genuin phylogenetischen Bedürfnissen (Hunger, Durst, Liebe) angenommen, aus denen andere, spezifische Verhaltensweisen und Handlungsmuster sich im Wechselspiel gesellschaftlicher Interaktionen erst entwickeln.

Aus dieser Grundposition werden die Kontexte zur psychosomatischen Medizin, zur Stressforschung und zur Copingforschung bis hin zur Theorie der Medizin entwickelt (Teil II). Dabei geht es primär um einen Integrationsansatz, der zeigen soll, dass kaum eines der dargestellten Konzepte ohne Rückgriff auf die psychoanalytische Theorie entwickelt wurde, wiewohl einige Autoren die Explikation ihrer Grundposition ver-schweigen.

Die experimentellen Versuche (Teil III), die Psychoanalytische Theorie bzw. Subtheo-rien zu falsifizieren, muß aus Gründen der teilweise eklatanten systematischen Fehler als gescheitert betrachtet werden. Ebenso der hermeneutische Versuch von Habermas, der die Trennung der theoretischen und der pragmatischen Ebene (Therapie Psychoanalyse) vernachlässigt und dadurch zu Fehlinterpretationen gelangt. Aber ganz unabhängig davon, ob die Psychoanalytische Theorie widerlegt zu sein scheint oder nicht, ihre - auch heutige noch wissenschaftliche Relevanz – sollte unzweifelhaft sein, und sie sollte zumindest als Theoriegebäude die gleiche wissenschaftliche Anerkennung finden wie etwa die Lerntheorie oder die kognitive Theorie. Unzweifelhaft dürfte ebenfalls sein, dass sich Medizin nicht auf das naturwissenschaftliche Paradigma im Hinblick auf Krankheitsentstehung, Krankheitsverlauf oder Gesundheit reduzieren läßt; denn sowe-nig wie ein Subjekt im gesellschaftlichen Interaktionskontext seine genuine Subjektivität realisieren kann, genauso wenig sind Krankheit und Gesundheit ohne gesellschaftlichen Interaktionskontext erklär- oder behandelbar. Ziel des theoretischen und empirischen Teils dieser Arbeit ist, die Interdependenzen und Kontexte der angeblich so un-terschiedlichen Ansätze – sie unterscheiden sich nur in Nuancen - zu integrieren.

Die Anwendung der Analytischen Soziologie im Gesundheitswesen (Teil IV) ist selbstevident, gerade vor dem Hintergrund der Interaktionskontexte von Gesundheit und Krankheit, obwohl bis heute kein vergleichbarer Ansatz vorliegt. Während beispiels-weise rein soziologische Theorien Systeme durch Strukturen und Funktionen zu erklären suchen und dabei die Rückwirkung der Subjekte auf Funktionen und Strukturen vernachlässigen, ist die analytische Soziologie bemüht die Interdepenzen aufzuzeigen. Funktionen und Strukturen sind nicht statisch, sondern dynamisch angelegt, wobei die Dynamik funktioneller Merkmale durch Subjekte forciert wird, d. h. Subjekte füllen die Funktionen aus und modifizieren dadurch auch Strukturen. Hier setzt die analytische Soziologie an, indem sie den Einfluß der Subjekte bzw. die Handlungspielräume von Subjekten analysiert und deren Aktionspotenzial zu erklären sucht.

Die Anwendung der Analytischen Soziologie im Gesundheitswesen intendiert eine Analyse der Funktionen der Behandlung, der Rehabilitation und der Pflege, die jeweils differenziert werden nach ambulantem, teilstationärem und stationärem Versorgungssy-stem. Die Funktionsebene wird ergänzt durch die Interaktionsebene der Akteure, wobei insbesondere die Rollentheorie und die intersubjektive Kommunikation im Hinblick auf bewußt-intentionale und latente Sinnstrukturen diskutiert wird. Quintessenz dieser Dar-stellung manifestiert sich in erheblichen Kommunikationsstörungen zwischen Experten und Laien, Kooperationsproblemen zwischen unterschiedlichen Institutionen und defi-zitärer Koordination von Maßnahmen. Für die Analytische Soziologie zeigt sich gerade auf der Interaktionsebene die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit der han-delnden Subjekte im Rahmen systemischer und organisatorischer Funktionen. Explizit reglementierte Funktionen verengen den Handlungsspielraum der professionellen Ak-teure innerhalb eines Systems, nicht reglementierte Funktionen implizieren intranspa-rente und erweitern subjektive Handlungsspielräume, womit professionelles Handeln weder nachvollziehbar noch kontrollierbar wird, d.h. professionelles Handeln wird auf eine intersubjektive Interaktionsebene (Experten/Laien) verlagert und konterkariert Transparenz im Hinblick auf Effektivität und Effizienz eines Systems.

Diese systemimmanenten Probleme haben dann Auswirkungen auf unrealistische bzw. illusionäre Krankheitsimages (Teil V), aus denen wiederum subjektive Krankheitstheo-rien resultieren und Kommunikationsstörungen zwischen Professionellen und Laien geradezu provozieren. Um Kommmunikationsstörungen und Abwehr gegen diagnosti-sche und therapeutische Maßnahmen beeinflussen zu können und die aktive Mitwirkung des Kranken bzw. die Compliance zu fördern, wird die Copingforschung als adäquates Instrumentarium diskutiert. Die Coping-Forschung stellt die adäquaten Instrumente zur Verfügung, die antizipierbare Komplikationen eines Behandlungsprozesses verhindern und den Kranken motivieren können, seinen Gesundungsprozeß aktiv zu gestalten. Da-bei wird der kognitive Ansatz durch analytische Elemente ergänzt und weiterentwickelt, zumal der intersubjektive Interaktionskontext durch bewußt-intentionale und latente Sinnstrukturen konstituiert wird.

Damit schließt sich dann der Kreis, in dem die Analytische Soziologie adäquate Strate-gien für die Analyse eines Objektbereiches gewährleisten kann. Sie ist somit als ein theoretischer Ansatz zu betrachten, der spezifische funktionsabhängige Interaktions-kontexte explizit beobachtbar und damit objektivierbar und transparent machen kann.

Teil I: Die psychoanalytische Theorie

1. Die Triebtheorie

Die Triebtheorie ist die Basiskonstruktion der psychoanalytischen Theorie, um menschliches Handeln und Verhalten zu erklären. Dabei wird die konnatale Situation zum Ausgangspunkt spezifischer Annahmen in bezug auf menschlich immanente Fähigkeitspotentiale. Aufgrund einer generell konstatierbaren Körperlichkeit, deren Merkmale eine vegetative Funktionsfähigkeit und spezifische Reflexe unterstellt, darf man zunächst biologische Subjektivität annehmen und das Subjekt als psychosomatische Einheit auffassen. Mit der Geburt tritt eine radikale Veränderung der pränatalen vollkommenen Bedürfnisbefriedigung (Mutter-Kind-Symbiose) ein, teils wird das psychosomatische Gleichgewicht oder der Ruhezustand durch intrasomatische Reize und teils durch externe Reize gestört, deren Perzeption im weitesten Sinne das Subjekt zu Handlungen in Form spezifischer funktionaler Reflexe oder diffuser sensomotorischer Reaktionen zwingt. Allen von der Außenwelt auf das Subjekt wirkenden Reizen korrespondiert eine reflexartige Handlung oder ein Fluchtversuch vor dem Reiz. Anders ausgedrückt: den Außenweltreizen kann sich das Subjekt durch Flucht entziehen.

"Der Triebreiz (jedoch) stammt nicht aus der Außenwelt, sondern aus dem Innern des Organismus selbst. Er wirkt darum auch anders auf das Seelische und erfordert zu seiner Beseitigung andere Aktionen. Ferner: Alles für den Reiz wesentliche ist gegeben, wenn wir annehmen, er wirke wie ein einmaliger Stoß; er kann dann auch durch eine einmalige Aktion (Handlung) erledigt werden. Der Trieb hingegen wirkt nie wie eine momentane Stoßkraft, sondern immer wie eine konstante Kraft. Da er nicht von außen, sondern vom Körperinnern her angreift, kann keine Flucht gegen ihn nützen. Wir heißen den Triebreiz besser Bedürfnis; was dieses Bedürfnis aufhebt, ist die Befriedigung. Sie kann nur durch eine zielgerichtete (adäquate) Veränderung der inneren Reizquelle gewonnen werden."1 Der Triebbegriff ist demnach ein Grenzbegriff zwischen Soma und Psyche. Die Erregung, die durch intrasomatische Vorgänge ausgelöst wird, kann psychisch nur als Empfindung repräsentiert sein. Der Trieb an sich ist deshalb als diffuses Fähigkeitspotential aufzufassen, dessen Spezifizierung und Kanalisierung erst im Entwicklungsverlauf erfolgt.

Gleichwohl kann der Trieb (Bedürfnis) durch vier Merkmale präzisiert werden:

1. durch die Quelle,
2. durch den Drang,
3. durch das Objekt,
4. durch das Ziel.

1. ”Unter der Quelle des Triebes versteht man jenen somatischen Vorgang in einem Organ oder Körperteil, dessen Reiz im Seelenleben durch den Trieb repräsentiert ist." 2 Das psychosomatische Gleichgewicht des Subjektes wird aufgrund spezifischer Reize in Erregung versetzt, die psychisch als Empfindung repräsentiert ist, aber erst die adäquate Befriedigung hebt den Erregungszustand auf, d.h. die Präferenz einer Handlung orientiert sich am Befriedigungserlebnis.
2. ”Unter dem Drang des Triebes versteht man dessen motorisches Moment, die Summe der Kraft oder das Maß der Arbeitsanforderung, das er repräsentiert." 3 Aufgrund intrasomatischer Erregungsvorgänge, die immer auch ein Bedürfnis anzeigen, das befriedigt werden will, besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem Maß der Erregung und dem Maß der Aktivität, die zur Zielerreichung notwendig ist. (beispielsweise Hunger oder Durst: mit der Dauer des Wartens auf die Befriedigung steigt nicht nur die Erregung, sondern gleichsam das Maß der Aktivität, entweder für die Nahrungssuche oder für die Bedürfnisäußerung)
3. ”Das Objekt des Triebes ist dasjenige, an welchem oder durch welches der Trieb sein Ziel erreicht.” 4 Damit scheint die Variabilität des Triebes gemeint, nicht weil sie dem Trieb ursprünglich immanent ist, sondern weil die Befriedigung größtenteils nur mit Hilfe von Objekten welcher Art auch immer möglich erscheint. Nicht der Trieb an sich ist variabel, sondern vielmehr die Objekte; denn sie können beliebig oft gewechselt werden, was als Verschiebung bezeichnet wird. Eine enge spezifische Bindung des Triebes an ein Objekt ist als Fixierung definiert und schränkt die Flexibilität des Triebes erheblich ein, sofern unter Flexibilität die Fähigkeit des Trie-bes verstanden wird, eine Befriedigung mit Hilfe der verschiedensten Objekte zu erreichen.
4. "Das Ziel des Triebes ist allemal die Befriedigung, die nur durch die Aufhebung des Reizzustandes an der Triebquelle erreicht werden kann." 5

Das primäre Ziel des Triebes (Bedürfnisses) die Befriedigung ist im engen Sinne nicht modifizierbar, aber aufgrund kulturspezifischer Restriktionen, scheinen Par-tial oder intermediäre Ziele eine mehr oder minder intensive Befriedigung zu ermöglichen.

Darüber hinaus können Ziele miteinander kombiniert oder gegeneinander eingetauscht werden; die so zielgehemmten Triebe modifizieren entweder die direkte Befriedigungsrichtung, oder die Befriedigung wird aufgrund einer Hemmung konterkariert.

Die im Verlaufe der Entwicklung möglichen Handlungsalternativen, die dem Subjekt eine Triebbefriedigung rsp. eine Partialbefriedigung ermöglichen können, bestimmen entweder eine direkte Befriedigungshandlung oder aufgrund der Abweichung rsp. Hemmung wird nur ein indirektes oder intermediäres Ziel erreicht.

In seinen frühen Ansichten unterschied Freud zwischen Sexual- und Ich oder Selbsterhaltungstrieb, obwohl konnatal sicherlich beide Triebe koinzidieren; denn mit der Befriedigung der existentiellen Bedürfnisse Nahrung, Flüssigkeit und Säuberung ist gleichsam die Befriedigung der Liebesbedürfnisse - im weitesten Sinne assoziiert. Eine Trennung der beiden für selbständig erklärten Triebe ist sowohl an die biologische als auch an die psychische Entwicklung gebunden, d.h. erst mit der Pubertät beginnt auch die Triebautonomie vollends durchzuschlagen.

Die Partialtriebe werden von den Primärtrieben abgeleitet und sind insofern nicht im eigentlichen Sinne als Triebe aufzufassen, sondern als Entwicklungsprodukte.

Während die existentiellen Bedürfnisse Hunger und Durst auf Dauer immer befriedigt werden müssen, ist der Sexualtrieb erheblichen Restriktionen unterworfen, insbesondere aufgrund der Wertorientierung der primären Bezugspersonen. Diese Wert-orientierungen bestimmen zugleich die subjektiven Abwehrmaßnahmen gegen oktrojierte Triebrepressalien, wobei die folgenden Abwehrmöglichkeiten relevant erscheinen:

1. die Verkehrung ins Gegenteil
2. die Wendung gegen die eigene Person
3. die Verdrängung
4. die Sublimierung.

Die Bedingungen der Triebabwehr sind als wesentliche Ursachen pathogener rsp. normaler Persönlichkeitsstrukturen aufzufassen und besagen, dass z. B. ein unbefriedigtes Liebesbedürfnis durch die Versagung der Bezugspersonen in Haß umschlagen kann oder sich als Masochismus gegen die eigene Person richtet. In beiden Fällen ist die Richtung des Triebzieles modifiziert worden.

Im Falle der Verdrängung wird der Trieb rsp. die Befriedigung vollends unterdrückt, was zu Handlungen führen kann, deren Motivation dem Subjekt vollends zu fehlen scheinen, es fehlt das unmittelbare Wissen oder das Motiv der ausgeführten Handlung.

Die Sublimierung beinhaltet auch eine Veränderung der Zielrichtung, die direkte Befriedigung wird zugunsten von intellektuellen oder sozialen Befriedigung abgelenkt, d.h. das Subjekt gibt die direkte Befriedigung zugunsten einer indirekten auf oder verschiebt die Befriedigung zugunsten realer Forderungen auf einen späteren Zeitpunkt. (Ich komme darauf später zurück: Kap.: Triebabwehr) 6

2. Das Lust Unlust Prinzip

Die Bedeutung der Triebtheorie besteht darin, ein generelles menschlich immanentes Verhaltens und Handlungspotential zu bestimmen, was auch als Antriebs , Be-dürfnis oder Aktivitätspotential bezeichnet werden könnte, welches anfangs eine unspezifische Hinwendung des Subjektes zu seinem Interaktionskontext einschließt, teils ein Erkenntnis und Fähigkeitspotential impliziert, dem konnatal die Gerichtetheit fehlt, teils eine Subjektivität präsupponiert, die aus der pränatalen, vollständigen Be-dürfnisbefriedigung abgeleitet ist. Den postnatalen Modifizierungen des psychoso-matischen Gleichgewichts unterliegen aufgrund vegetativer Prozesse und Umwelt-einflüsse unbestimmbare Erregungsschwankungen, die zunächst den Reizschutz (biologische Ruheperioden) durchbrechen und das Subjekt zur Bedürfnisäußerung zwingen. Diese Ausdrucksformen werden als präverbale Kommunikationsmittel be-zeichnet. Allein der Zwang zur Bedürfnis-äußerung impliziert subjektive und soziale Konsequenzen, die Beziehungssystemen generell immanent sind. Die Bedürf-nisbefriedigung hängt in entscheidendem Maße von den adäquaten (rsp. inadäquaten) Deutungen der präverbalen Äußerung durch die Bezugspersonen ab. Die Be-dürfnisäußerung entspricht dabei der Perzeption der intrasomatischen Erregung des Triebreizes , die psychisch als Unlust repräsentiert ist, aber keinesfalls eine zielgerichtete Handlungsintention einschließt, sondern als diffuse Handlung aufzufassen ist. Erst die adäquate Deutung durch die Bezugspersonen und die damit assoziierte Befriedigung hebt den Erregungszustand auf und stellt das psycho-somatische Gleichgewicht wieder her, was psychisch als Lust repräsentiert ist. Damit sind nicht nur die subjektiven Bedingungen des Lust Unlust Prinzips angesprochen, sondern vielmehr noch der entscheidende Einfluß der Bezugspersonen auf die Bedingungen der Lust und Unlusterlebnisse, d.h. die Bezugspersonen bestimmen größtenteils, wenn nicht gar vollständig, nicht nur Richtung der Erlebnisse sie setzen bestimmte Handlungspräferanzen in bezug auf subjektive Befriedigung -, sondern auch oder gerade in bezug auf den sozialen und gesellschaftlichen Interaktionskontext.

Für den theoretischen Ansatz erfüllt das Lust Unlust Prinzip die Funktion einer qua-litativ quantitativen Komponente:

qualitativ, sofern die psychische Repräsentanz gemeint ist und

quantitativ, sofern die intrasomatischen Erregungsvorgänge

gemeint sind.

”Fast alle Energie, die den Apparat erfüllt, stammt aus den mitgebrachten Triebre-gungen, aber diese werden nicht alle zu den gleichen Entwicklungsphasen zugelassen. Unterwegs geschieht es immer wieder, dass einzelne Triebe oder Triebanteile sich in ihren Zielen oder Ansprüchen als unverträglich mit den übrigen erweisen, die sich zu der umfassenden Einheit des Ichs zusammenschließen können. Sie werden dann von dieser Einheit durch den Prozeß der Verdrängung (s. Kap. "Verdrängung") abgespalten, auf niedrigeren Stufen der psychischen Entwicklung zurückgehalten und zunächst von der Möglichkeit einer Befriedigung abgeschnitten.” 7

Das Triebpotential kann somit zunächst als ungerichtetes Handlungspotential aufgefaßt werden, dessen Zielorientierung erst durch die Wahrnehmung der Befriedigungen der Lusterlebnisse bzw. Frustrationen - Unlusterlebnisse -, determiniert wird.

Präsupponiert man demgemäß ein psychophysisches Gleichgewicht, welches sowohl durch innere als auch durch äußere Reize in Erregung versetzt zu werden vermag, so kann man aus Plausibitätsgründen der Freud‘schen Annahme zustimmen, dass An-häufung der Erregung als Unlust empfunden wird und das psychische System in Tätigkeit versetzt, um das Befriedigungserlebnis, bei dem eine Verringerung der Erregung als Lust verspürt wird, wieder herbeizuführen.

”Eine solche, von der Unlust ausgehende auf die Lust zielende Strömung im Apparat heißen wir einen Wunsch (Bedürfnis, Motivation); wir hatten gesagt, nichts anderes als ein Wunsch sei imstande, den Apparat in Bewegung zu bringen und der Ablauf der Erregung in ihm werde automatisch durch die Wahrnehmung von Lust und Unlust geregelt. Das erste Wünschen dürfte ein halluzinatorisches Besetzen der Befriedigungserinnerung gewesen sein.” 8 Die Relevanz dieser psychischen Re-gulationsprinzipien zeigt sich darin, dass die Perzeption von Unlust das Subjekt zur Aktivität zwingt, während und das ist entscheidend die Empfindung von Lust als Ruhezustand perzipiert und in frühinfantilen Entwicklungsphasen fast ausschließlich durch die Bezugspersonen vermittelt wird.

”Die meiste Unlust die wir verspüren, ist ja Wahrnehmungsunlust, entweder Wahr-nehmung des Drängens unbefriedigter Triebe oder äußere Wahrnehmung, sei es, daß diese an sich peinlich ist oder daß sie unlustvolle Erwartungen im seelischen Apparat erregt, von ihm als Gefahr erkannt wird." 9 ”Die Empfindungen mit Lustcharakter haben nichts Drängendes an sich, dagegen im höchsten Grade die Unlustempfindungen. Diese drängen auf Veränderung, auf Abfuhr, und darum deuten wir die Unlust auf eine Erhöhung, die Lust auf eine Erniedrigung der Energiebesetzung. Nennen wir das, was als Lust und Unlust bewußt wird, ein qualitativ/quantitativ Anderes im seelischen Ablauf, ..." 10 Während die Bedingungen der Unlustentwicklung sowohl durch vegetative als auch durch äußere Reize bestimmt werden können, sind die Bedingungen der Lustentwicklung immer an eine intentionale Handlung 11 gebunden. Unlust ist die dem Drang des Triebes korrespondierende Erregung oder äquivalent das Maß des Aktivitätspotentials zur Erreichung der adäquaten Befriedigung. Die spezifische Gerichtetheit dieses Potentials wird durch das Befriedigungserlebnis erreicht, anders ausgedrückt: aufgrund spezifischer Befriedigungserlebnisse werden die ersten und alle weiteren Handlungspräferenzen introjiziert die Psychoanalyse spricht hier von einem Wiederholungszwang der zur Befriedigung führenden Handlungen . Darüber hinaus führt Freud aus: ”..., die Anlagen aller Menschen sind qualitativ gleichartig und unterscheiden sich nur durch diese quantitativen Verhältnisse." 12 Wenn man diese Annahme im Kontext zur Triebtheorie und zum Lust Unlust-Prinzip betrachtet, so läßt sich die soziologische zumindest mikrosoziologische Bedeutung nicht verleugnen: Entwicklung ist nicht allein von psychologischen Faktoren abhängig, sondern gerade auch vom gesellschafts , schicht und gruppenspezifischen Interaktionskontext. Erfahrungen, Erlebnisse und Erinnerungen aus frühinfantilen Entwicklungsperioden bestimmen das Maß der Handlungs und Fähigkeitspräferenzen. Die Autonomie des Individuums ist keine Frage des subjektiven Seins, sondern eine der durch das Beziehungssystem vermittelten Entwicklungsmöglichkeiten, der gehemmten oder geförderten Aktivitäten, der zugelassenen oder unterdrückten Befriedigungserlebnisse, überhaupt des Maßes der erlebten Befriedigungen im weitesten Sinne.

”Das Endziel der seelischen Tätigkeit, das sich qualitativ als Streben nach Lustgewinn und Unlustvermeidung beschreiben läßt, stellt sich für die ökonomische Betrachtung als die Aufgabe dar, die im seelischen Apparat wirkenden Erregungsgrößen (Reizmengen) zu bewältigen und deren Unlust schaffende Stauung hintanzuhalten." 13

(Es sei darauf verwiesen, dass die Intensität der Lustempfindung im Falle der sexuellen Befriedigung weit stärker ist, als die Lustempfindung bei der Befriedigung des Ich- oder Selbsterhaltungstriebes. (vgl. Libidotheorie und Sexualisation)

2.1 Die Libidotheorie

Der Begriff der Libido wird von Freud als "quantitative veränderliche Kraft, welche Vorgänge und Umsetzungen auf dem Gebiet der Sexualerregung messen könnte" 14 definiert. Die sexuelle Erregung wird durch Reize ausgelöst, die von allen Kör-perorganen oder -zonen ausgehen können, insbesondere von den Genitalien. In der Phase der sexuellen Reife tritt noch ein Faktor hinzu, der durch die Objektbezogenheit der Sexualität ausgelöst wird, und zwar der Erregungsreiz, der durch die Ob-jektvorstellung oder wahrnehmung zustande kommt. Der sexuelle Erregungsvorgang ist zweifach determiniert, einerseits wird er durch mechanische Reizung der erogenen Zonen und der Genitalien, muß aber bis zur psychischen Erregung anderseits fortschreiten; denn nur die gleichmäßige sexuelle Erregung von Soma und Psyche kann zur Befriedigung führen. Freud betont: ”Der Mechanismus der Angstneurose sei in der Ablenkung der somatischen Sexualerregung vom Psychischen und einer dadurch verursachten abnormen Verwendung dieser Erregung zu suchen." 15 Die Sexualerregung, aufgrund welcher Reize sie auch entstehen mag, wird bewußt als Sexualspannung wahrgenommen, mit dem Drang zur Befriedigung; denn der Trieb tritt immer als konstante Kraft in Erscheinung und kann nur durch die Befriedigung eine adäquate Abfuhr erfahren. Die konstante Kraft des Sexualtriebes kann ebenso als Sexualenergie oder Libido bezeichnet werden. Gleichwohl ist sie getrennt von der generellen psychischen Energie, ”... die den seelischen Prozessen unterzulegen ist.” Die Unterscheidung wird deshalb vorgenommen, weil die Sexualvorgänge qualitativ andere sind als etwa die Ernährungsvorgänge.

Um Mißverständnissen vorzubeugen, wird die Chronologie der Freud‘schen Darlegungen verändert. ”Zu Uranfang ist alle Libido im Es angehäuft, während das Ich noch in der Bildung begriffen oder schwächlich ist. Das Ich sendet einen Teil dieser Libido auf erotische Objektbesetzungen aus, worauf das erstarkte Ich sich dieser Objektlibido zu bemächtigen und sich dem Es als Liebesobjekt aufzudrängen sucht. Der Narzißmus des Ichs ist so ein sekundärer, den Objekten entzogener." 16

Dies scheint deshalb verständlich, weil die erste Befriedigung vom Objekt erfahren wird (Mutter Kind Dyade) und den Lernprozeß für die Präferenzen der erogenen Zonen einleitet. Erst aus diesem Prozeß resultiert die autoerotische Befriedigungsphase, die den Narzißmus einschließt, der ja nichts anderes bedeutet, als sich selbst lustvoll zu erleben und eine Identität zu entwickeln. Wir werden bei der Klassifizierung der psychischen Instanzen sehen, dass das Ich dem Es oberflächlich aufsitzt, der nach außen gerichtet Teil des Es. Daraus folgt zunächst ein ursprüngliches Libidoreservoir im Es. Weil das Es aber objektlos nach Lustgewinn strebt, kann die Libidobesetzung eines Objektes nur über das Ich erfolgen. Somit wird auch verständlich, ”.., daß das Ich das ei-gentliche und ursprüngliche Reservoir der Libido sei, die erst von da aus auf das Objekt erstreckt werde. Das Ich trat unter die Sexualobjekte und wurde gleich als das vornehmste unter ihnen erkannt, Wenn die Libido so im Ich verweilte, wurde sie narzißische Libido genannt. Diese narzißtische Libido war natürlich auch die Kraft-äusserung von Sexualtrieben... .” 17 Im Verlaufe der sexuellen Entwicklung, insbesondere in der Reifeperiode, die die Sexualität dem genitalen Primat unterordnet und die Fortpflanzungsfunktion beinhaltet, wird die Erfahrung gemacht, dass eine ad-äquate Befriedigung nur mit Hilfe eines meist gegengeschlechtlichen Objekts erreicht werden kann, d.h. "wir sehen sie (die Libido) dann auf die Objekte konzentriert, an ihnen fixiert oder die Objekte verlassen, von ihnen auf andere übergehen und von dieser Position aus die Sexualbetätigung des Individuums lenken, die zur Befriedigung, d.h. zum partiellen und zeitweisen Erlöschen der Libido führt." 18

3. Die psychischen Systeme

Die theoretischen Annahmen Freuds beruhten zunächst auf zu differenzierenden Bewußtseinsebenen Unbewußtes, Vorbewußtes und Bewußtes , deren Bedeutung im qualitativen Bereich liegen, insofern als die Bewußtseinsebenen nach den unter-schiedlichen qualitativen Ausdrucksformen der ihnen zugeordneten psychischen In-halte differenziert werden. "Die Psychoanalyse kann das Wesen des Psychischen nicht ins Bewußtsein verlagern, sondern muß das Bewußtsein als eine Qualität des Psychischen ansehen, die zu anderen Qualitäten hinzukommen oder wegbleiben muß." 19 Das Bewußtsein ist nur ein Teil der Psyche; die besondere Bedeutung der Psychoanalyse liegt in der Entdeckung des Unbewußten, d.h. psychische Inhalte, die dem Bewußtsein abgeschnitten scheinen. Die Evidenz dieses psychischen Systems läßt sich einerseits aus hypnotischen Experimenten und andererseits aus Traumanalysen ableiten aus empirischen Bedingungen -, deren Ergebnisse belegen, dass teils spezi-fische Symbole der präverbalen Kommunikationsphase nicht mit Sinn aufgefüllt werden, teils werden hypnotische Befehle ausgeführt, deren Sinnkontext dem Subjekt nicht bewußt werden. Eine dritte Komponente, die dem Bereich der Methode entnommen wurde besagt, dass erhebliche Erinnerungslücken in bezug auf frühinfantile Erlebnisse konstatiert werden, die aber mit Hilfe einer Analyse bewußtseinsfähig werden können. Freud folgerte daraus, ”..., daß das Unbewußte des Seelenlebens das In-fantile ist." 20

3.1 Das Unbewußte

Der Begriff des Unbewußten darf weder mit unterbewußt, Unterbewußtsein oder Unbewußtsein assoziiert werden, sondern vielmehr unterstellt er psychische Re-präsentanzen mit spezifischen qualitativen Merkmalen. Nicht ein besonderes Sein ist damit gemeint, sondern vielmehr Erlebnisse, Vorstellungen, Fähigkeiten und Perzeptionen, die dem Bewußtsein des Subjektes entzogen zu sein scheinen, aber gleichsam das Sein das Subjektes erheblich beeinflussen können.

Vor dem Hintergrund, dass das Bewußtsein nur als eine Qualität des Psychischen be-zeichnet wird, erscheint das Unbewußte geradezu selbstevident, insbesondere in Anbetracht der Amnesie frühinfantiler Interaktionskontexte, der Bedingungen des Traumes und der hypnotischen Experimente, deren Ergebnisse sich insofern gleichen als spezifische psychische Repräsentanzen existieren, über die das Subjekt nur Teil oder überhaupt keine Erinnerungen hat. Diese real erlebten frühinfantilen Interaktionskontexte sind der unmittelbaren bewußten Reproduktion entzogen. "Das Unbewußte ist der größere Kreis, der den kleineren des Bewußten in sich einschließt; alles Bewußte hat eine unbewußte Vorstufe, während das Unbewußte auf dieser Stufe stehen bleiben und doch den vollen Wert einer psychischen Leistung beanspruchen kann. Das Unbewußte ist das eigentlich reale Psychische, uns nach seiner inneren Natur so unbekannt wie das Reale der Außenwelt und uns durch die Daten des Bewußtseins ebenso unvollständig gegeben wie die Außenwelt durch die Angaben unserer Sinnesorgane.” 21 Die Annahme einer psychischen Realität, die der bewußten Repro-duktion abgeschnitten scheint, jedoch im engen Kontext zu frühinfantilen Erlebnissen und Vorstellungen steht, läßt vermuten, dass Unbewußtes vorwiegend psychische Inhalte repräsentiert, die dem frühinfantilen präverbalen Interaktionskontext kor-respondieren. Die beiden anderen Bewußtseinsebenen sind ausschließlich als Entwicklungsprodukte gekennzeichnet und stehen im engen Kontext zur Sprachentwicklung und damit auch zur reflexiven Sinnauffüllung präverbaler Symbole. Jede psychische Aktivität präsupponiert immer auch eine unbewußte Phase. „... Das Unbewußte ist eine regelmäßige und unvermeidliche Phase in den Vorgängen, die unsere psychische Tätigkeit begründen; jeder psychische Akt kann entweder so bleiben oder sich weiterentwickelnd zum Bewußtsein fortschreiten, je nach dem, ob er auf Widerstand trifft oder nicht. Die Unterscheidung zwischen vorbewußter und unbewußter Tätigkeit ist keine primäre, sondern wird erst hergestellt, nachdem die Abwehr ins Spiel getreten ist." 22

Die frühinfantile Phase präsupponiert zunächst einen psychosomatischen Gleichge-wichtszustand, der durch befriedigungsfordernde Triebreize unterbrochen wird. Im Falle bereits erfolgter Befriedigungserlebnisse die erste Befriedigung erfolgt mit Hilfe der primären Bezugspersonen, die auf die Bedürfnisäußerung des Säuglings mit zur Befriedigung führenden Deutungsversuchen reagieren stellt Freud den Zusammenhang folgermaßen dar: ” ... In diesem Fall wurde das Gedachte (Gewünschte) einfach halluzinatorisch gesetzt, wie es heute noch allnächtlich mit unseren Traumgedanken geschieht. Erst das Ausbleiben der erwarteten Befriedigung, die Enttäuschung, hatte zur Folge, daß dieser Versuch der Befriedigung auf halluzinatorischem Wege aufgegeben wurde." 23 Die frühinfantile präverbale Interaktionsebene ist also qualitativ eine andere, wird in erheblichen Maße durch die die Subjektivität ausdrückenden Trieb- und Lust Unlust Bedingungen reguliert, deshalb wird der Primärvorgang den unbewußten psychischen Repräsentanzen subsumiert. „Diese Vorgänge streben danach, Lust zu gewinnen; von solchen Vorgängen, die Unlust erregen können, zieht sich die psychische Tätigkeit zurück (Verdrängung)." 24 Die Vorgänge des Lustgewinns (Befriedigung) werden zunächst von den primären Bezugspersonen bestimmt. Eine Trennung der Systeme entsteht dann, wenn die psychischen Repräsentanzen eine qualitativ andere Bearbeitung erfahren. Aufgrund von Versagungen in der präverbalen Phase sind sie der verbalen reflexiven Sinninterpretation entzogen, d.h. diese Repräsentanzen sind unbewußt.

Am Beispiel der Zwangshandlung beschreibt Freud sehr deutlich, was unter einem unbewußten psychischen Vorgang verstanden wird:

”Der Zusammenhang mit der Szene nach der verunglückten Hochzeitsnacht und das zärtliche Motiv der Kranken (vgl. 273f.) ergeben mitsammen das, was wir den Sinn der Zwangshandlung genannt haben. Aber dieser Sinn war ihr nach beiden Richtun-gen, dem woher wie dem wozu, unbekannt gewesen, während sie die Zwangshandlung ausführte (vgl. S. 283). Es hatten also seelische Vorgänge in ihr gewirkt, die Zwangshandlung war deren Wirkung; sie hatte die Wirkung in normaler seelischer Verfassung wahrgenommen, aber nichts von den seelischen Vor-bedingungen dieser Wirkung war zur Kenntnis ihres Bewußtseins gekommen. Sie hatte sich ganz ebenso benommen wie ein Hypnotisierter, dem Bernheim den Auftrag erteilte, fünf Minuten nach seinem Erwachen im Krankensaal einen Regenschirm aufzuspannen, der diesen Auftrag im Wachen ausführte, aber kein Motiv für sein Tun anzugeben wußte. Einen solchen Sachverhalt haben wir im Auge, wenn wir von der Existenz unbewußter seelischer Vorgänge reden." 25

Letztendlich soll eine inhaltliche Darstellung des Unbewußten verdeutlicht werden, die sich vollends an Freud‘schen Ausführungen orientiert:

"Der Kern des Unbewußten besteht aus Triebrepräsentanzen, die innere Besetzung abführen wollen, also aus Wunschregungen. Diese Triebregungen sind einander ko-ordiniert, bestehen unbeeinflußt nebeneinander, widersprechen einander nicht. Wenn zwei Wunschregungen gleichzeitig aktiviert werden, deren Ziele uns unvereinbar erscheinen müssen, so ziehen sich die beiden Regungen nicht etwa voneinander ab oder heben einander auf, sondern sie treten zur Bildung eines mittleren Zieles, eines Kompromisses, zusammen. Es gibt in diesem System keine Negation, keinen Zweifel, keine Grade von Sicherheit. All dies wird erst durch die Arbeit der Zensur zwischen Ubw und Vbw eingetragen. Die Negation ist ein Ersatz der Verdrängung auf höherer Stufe. (vgl. Stasg. Bd. III:19) Im Unbewußten gibt es nur mehr oder weniger stark besetzte Inhalte.

Es herrscht eine weit größere Beweglichkeit der Besetzungsintensitäten. Durch den Prozeß der Verschiebung kann eine Vorstellung den ganzen Betrag ihrer Besetzung an eine andere abgeben, durch den der Verdichtung die ganze Besetzung mehrerer anderer an sich nehmen. Ich habe vorgeschlagen, diese beiden Prozesse als Anzeichen des sogenannten psychischen Primärvorganges anzusehen. Im Vbw herrscht der Sekundärvorgang; ... " (vgl. Stasg. Bd. II: 559ff)

Die Vorgänge des Systems Ubw sind zeitlos, d.h. sie sind nicht zeitlich geordnet, werden durch die verlaufende Zeit nicht abgeändert, haben überhaupt keine Beziehung zur Zeit.

Auch die Zeitbeziehung ist an die Arbeit des Bw Systems geknüpft. Ebensowenig kennen die Ubw Vorgänge keine Rücksicht auf die Realität. Sie sind dem Lustprinzip unterworfen; ihr Schicksal hängt nur davon ab, wie stark sie sind, und ob sie die Anfor-derungen der Lust Unlustregulierung erfüllen. (vgl. oben: Das Lust Unlust Prinzip) Unbewußte Vorgänge haben eine intensive Wirkung auf somatischen Vorgänge.

Die unbewußten Vorgänge werden uns nur unter den Bedingungen des Träumens und der Neurose erkennbar, also dann, wenn Vorgänge des höheren Vbw Systems durch eine Erniedrigung (Regression) auf eine frühere Stufe zurückversetzt werden. An und für sich sind sie unerkennbar, auch existenzunfähig, weil das System Ubw sehr frühzeitig von dem Vbw überlagert wird, welches den Zugang zum Bw und zur Motilität an sich gerissen hat. Die Abfuhr des Systems Ubw geht in die Körperinnervationen zur Affektentwicklung, aber auch dieser Entladungsweg wird ihm, wie wir gehört haben (S. 137), vom Vbw streitig gemacht. Für sich allein könnte das Ubw System unter normalen Verhältnissen keine zweckmäßige Muskelaktion zustande bringen, mit Ausnahme jener, die als Reflexe bereits organisiert sind." 26

Letzteres verweist nochmals auf die diffuse Bedürfnisäußerung in der frühinfantilen Entwicklungsphase, deren Ziel (die Befriedigung) durch die adäquate Deu-tungsversuche der primären Bezugspersonen erreicht werden muß.

3.2 Der Primär und Sekundärvorgang

Die theoretische Bedeutung dieser beiden psychischen Vorgänge liegt in der Tatsache begründet, dass sie mit der Abgrenzung der Systeme Ubw und Vbw koinzidieren. Einige Bedindungen des Primärprozesses wurden bereits in den Kapiteln "Lust-Unlust Prinzip” und das ”Unbewußte" dargestellt. Im folgenden werden diesbezügliche zunächst nur einige Spezifizierungen vorgenommen, um die Abgrenzung, die nur eine theoretische ist, herauszukristallisieren. Dazu ist es notwendig, an die Ausführungen der Triebtheorie anzuknüpfen: ”Die durch das innere Bedürfnis gesetzte Erregung wird sich einen Abfluß in die Motilität suchen, die man als innere Veränderung oder als Ausdruck der Gemütsbewegungen (Affekte) bezeichnen kann. (Das hungrige Kind wird hilflos schreien oder zappeln) Die Situation bleibt aber unverändert, denn die vom Innern ausgehende Erregung entspricht nicht einer momentan stoßenden Kraft, sondern einer kontinuierlich wirkenden Kraft. Eine Wendung kann erst eintreten, wenn auf irgendeinem Wege, beim Kind durch fremde Hilfeleistung, die Erfahrung des Befriedigungserlebnisses gemacht wird, das den inneren Reiz aufhebt. Ein wesentlicher Bestandteil dieses Erlebnisses ist das Erscheinen einer Wahrnehmung (Nahrung oder Zuwendung aller Art), deren Erinnerungsbild von jetzt an mit der Gedächnisspur der Bedürfniserregung assoziiert bleibt. Sobald dies Bedürfnis ein nächstes Mal auftritt wird sich, dank der hergestellten Verknüpfung, eine psychische Regung ergeben, welche das Erinnerungsbild jener Wahrnehmung wieder besetzen und die Wahrnehmung selbst wieder hervorrufen, also eigentlich die Situation der ersten Befriedigung wiederherstellen will. Eine solche Regung ist das, was wir einen Wunsch heißen; das Wiedererscheinen der Wahrnehmung ist die Wunscherfüllung, und die volle Besetzung der Wahrnehmung von der Bedürfniserregung her der kürzeste Weg der Wunscherfüllung. Es hindert uns nichts, einen primitiven Zustand des psychischen Apparates anzunehmen, in dem dieser Weg wirklich so begangen wird, das Wünschen also in ein Halluzinieren ausläuft. Diese erste psychische Tätigkeit zielt also auf eine Wahrnehmungsidentität, nämlich auf die Wiederholung jener Wahrnehmung, welche mit der Befriedigung des Bedürfnisses verknüpft ist." 27

Der Wahrnehmungsidentität korrespondiert gleichsam eine primitive visuelle Form des Denkens, also der visuellen Herstellung von Kontexten zwischen Bedürfniserregung und befriedigung, von bildhaften Erlebnissen, Erinnerungen an sensomotorische Lusterlebnisse und bildhaften sowie akustischen Kontexten 28; denn neuerliche Erregung koinzidiert ganz offensichtlich mit der psychischen Repräsentanz des Be-friedigungserlebnisses das Subjekt halluziniert im Falle der Erregung die Befriedigung, wobei die diffuse Bedürfnisäußerung nicht immer mit dem gleichen Berfriedigungserlebnis zusammenfällt. Andererseits wird das Subjekt auch mit den ersten Frustationen konfrontiert . Die diesbezüglich sukzessive Entwicklung unterliegt einer eingeschränkten Perzeptionsschwelle dem sogenannten Reizschutz , die aber aufgrund biologischer sowie psychischer Reifungsprozesse immer häufiger durch-brochen wird, woraus gleichwohl eine erweiterte Reizaufnahme und somit auch eine Bedürfnissteigerung resultiert. Die Konsequenzen offenbaren sich teils in verstärkten Aktivitäten, teils in differenzierteren Interaktionsformen und teils in einer Erhöhung der Frustrationstoleranz. Die Modifikation der Frustrationsschwelle kann

a) auf eine inadäquate Deutung der Bedürfnisäußerung von seiten der Bezugspersonen,
b) auf ein Frustrationserlebnis in Form der Nichtbefriedigung,
c) oder auf eine eindeutige Versagung der Befriedigung durch die Bezugspersonen zurückzuführen sein.

Das Subjekt reagiert aufgrund fehlender Konfliktlösungsmuster entweder mit Ver-drängung (vgl. Kap. Verdrängung in dieser Arbeit) oder mit dem Versuch der Selbstbefriedigung (Lutschen, Strampeln usw.), d.h. es greift auf sekundäre Formen der Befriedigung zurück, die durch Zuwendung und Versorgung gleichsam vermittelt wurden. Aufgrund der Unlust provozierenden Frustrationserlebnisse muß die primäre in eine sekundäre Denkform überführt werden, d.h. sie muß sich von der primären Befriedigungsvorstellung lösen. ”Um eine zweckmäßige Verwendung der psychischen Kraft zu erreichen, wird es notwendig, die volle Regression (die halluzinierte Wahrnehmungsidentität) aufzuhalten, so daß sie nicht über das Erinnerungsbild hin-ausgeht und von diesem aus andere Wege suchen kann, die schließlich zur Herstellung der gewünschten Identität von der Außenwelt führen" d.h. es wird eine Realitätsprüfung notwendig. "Diese Hemmung sowie die darauf folgende Ablenkung der Erregung wird zur Aufgabe eines zweiten Systems, welches die willkürliche Motilität beherrscht, d.h. an dessen Leistung sich erst die Verwendung der Motilität zu vorher erinnerten Zwecken anschließt. All die komplizierte Denktätigkeit aber, welche sich vom Erinnerungsbild bis zur Herstellung der Wahrnehmungsidentität durch die Außenwelt fortspinnt, stellt doch nur einen durch die Erfahrung notwendig gewordenen Umweg zur Wunscherfüllung dar. Das Denken ist doch nichts anderes als der Ersatz des halluzi-natorischen Wunsches,..." 29 Dieser Sachverhalt verweist erstens darauf, dass aufgrund zunächst diffuser, aber sukzessiv sich entwickelnder differenzierter Bedürf-nisäußerungen die verschiedensten Befriedigungen oder Frustrationen erlebt werden und zweitens, dass der diffusen Bedürfnisäußerung eine Intentionalität nicht abzusprechen ist, aber nur insofern als sie nicht auf ein spezifisches Ziel gerichtet ist. Eine dem Bedürfnis adäquate Befriedigung kann erst durch das zweite System erreicht werden, wenn aufgrund des Erfahrungskontextes von differenzierter Bedürfnisäußerung zur adäquaten Befriedigung, wenn die Intentionalität nicht mehr nur generell auf Befriedigung abzielt, sondern wenn die Intentionalität auf ein spezifisches Ziel gerichtet ist. Dazu bedarf es der Perzeption des spezifischen Befriedigungsobjektes, d.h. der Realitätsbezug der Handlung tritt in den Vordergrund. ”Wir haben alle erfahren, daß die größte Lust die das Sexualaktes, mit dem Erlöschen einer hochgesteigerten Erregung verbunden ist. Die Bindung (an das oder die Objekte) der Triebregung wäre aber eine vorbereitende Funktion, welche die Erregung für ihre endgültige Erledigung in der Ab-fuhrlust zurichten soll." 30 In bezug auf die sexuelle Befriedigung ist dieser Sachverhalt eindeutig vgl. Sexualisation . sei es nun hinsichtlich eines Partners oder sei es hin-sichtlich der Masturbation, in beiden Fällen wird die Erregung zur Abfuhrlust zuge-richtet, und zwar unter Berücksichtigung der Realität. Das Lustprinzip ist dann ob-jektgebunden und unterliegt einer Realitätsprüfung, was den Sekundärvorgang aus-zeichnet, während die Primärvorgänge sich unmittelbar durchsetzen wie etwa bei der Affektentwicklung und keinesfalls Realitätsbezug präsupponieren: ”Der Pri-märvorgang strebt nach Abfuhr der Erregung, um mit den gesammelten Erregungsgrößen eine Wahrnehmungsidentität (mit dem Befriedigungserlebnis) herzustellen; der Sekundärvorgang hat diese Absicht verlassen und an ihrer Statt die andere ange-nommen, eine Denkidentität zu erzielen."31 Dadurch wird das Lustprinzip insofern modifiziert als es auch wie die Triebe entwicklungsbedingten Restriktionen un-terliegt, die durch eindeutige Kontexte zwischen spezifischen Erregungen und deren adäquaten Befriedigungen gekennzeichnet sind, oder die Erfahrung lehrt, dass spezifi-sche Erregungen auch mit Hilfe verschiedener Objekte entweder partiell oder voll-ständig befriedigbar sind, Das besagt nichts anderes, als dass Handlungsalternativen vorwiegend durch die Vermittlung der Befriedigung von seiten der Bezugspersonen bestimmt werden. Das Subjekt selbst kann in frühinfantilen Entwicklungsphasen nur auf die Verdrängung oder soweit möglich auf Selbstbefriedigung im weitesten Sinne, oder auf erfahrungsabhängige Alternativen rekurrieren, oder indem es in Form von Probehandlungen Befriedigungen sucht. ”Das ganze Denken ist nur ein Umweg von der als Zielvorstellung genommenen Befriedigungserinnerung bis zur identischen Besetzung derselben Erinnerung, die auf dem Wege über die motorische Erfahrung wieder erreicht werden soll. Das ganze Denken muß sich für die Verbindungswege zwischen den Vorstellungen interessieren, ohne sich durch die Intensitäten derselben beirren zu lassen. Es ist klar, daß die Verdichtungen von Vorstellungen, Mittel und Kompromißbildungen in der Erreichung dieses Identitätszieles hinderlich sind; indem sie die eine für die andere Vorstellung setzen, lenken sie vom Wege ab, der von der ersteren weitergeführt hätte. Solche Vorgänge werden also im sekundären Denken sorgfältig vermieden. Es ist auch nicht schwer zu übersehen, daß das Unlustprinzip dem Denkvorgang, welchem es sonst die wichtigsten Anhaltspunkte bietet, auch Schwierigkeiten in der Verfolgung der Denkidentität in den Weg legt. Die Tendenz des Denkens muß also dahin gehen, sich von der ausschließlichen Regulierung durch das Unlustprinzip immer mehr zu befreien und die Affektentwicklung durch die Denkarbeit auf ein Mindestes, das noch als Signal verwertbar ist, einzuschränken. Durch eine neu-erliche Überbesetzung, die das Bewußtsein vermittelt, soll diese Verfeinerung der Leistung erzielt werden. Wir wissen aber, daß diese selbst im normalen Seelenleben selten vollständig gelingt und daß unser Denken der Fälschung durch die Einmengung des Unlustprinzips immer zugänglich bleibt." 32 Die ersten diesbezüglich konstatierbaren Reifungsprozesse beginnen mit dem Spracherwerb konkrete Gestalt anzunehmen. Verbalisierung und verbales Denken unterliegen der durch die Vermittlung der Bezugspersonen erlernten, regelbestimmten reflexiven Sinnauffüllung psychischer, zunächst präverbaler Repräsentanzen, d.h. einer qualitativ anderen Bearbeitung, wobei die Art und Weise der Vermittlung die verbalen Fähigkeiten der Bezugspersonen, die Förderung oder Versagung, das Wissen und dessen Vermittlung usw. von entscheiden-der Relevanz sind. Nicht mit Sinn aufgefüllte oder vermittelte Kontexte bleiben unbewußt und insofern ist das Unbewußte auch das Infantile.

”Ein psychischer Apparat, der nur den Primärvorgang besäße, existiert zwar unseres Wissens nicht und ist insofern eine theoretische Fiktion; aber soviel ist tatsächlich, daß die Primärvorgänge in ihm von Anfang an gegeben sind, während die sekundären erst allmählich im Laufe des Lebens sich ausbilden, die primären hemmen und überlagern und ihre volle Herrschaft über sie vielleicht erst mit der Lebenshöhe erreichen. Infolge dieses verspäteten Eintreffens der sekundären Vorgänge bleibt der Kern unseres Wesens, aus unbewußten Wunschregungen bestehend, unfaßbar und unhemmbar für das Vorbewußte, dessen Rolle ein für allemal darauf beschränkt wird, den aus dem Unbewußten stammenden Wunschregungen die zweckmäßigsten Wege anzuweisen. Diese unbewußten Wünsche stellen für alle späteren seelischen Bestrebungen einen Zwang dar, dem sie sich zu fügen haben, den etwa abzuleiten und auf höher stehende Ziele zu lenken sie sich bemühen dürfen. Ein großes Gebiet des Erinnerungsmaterials bleibt aber infolge dieser Verspätung der vorbewußten Besetzung unzugänglich.” 33 (vgl. zur weiteren Präzisierung: Das Vbw und das Bw in dieser Arbeit)

3.3 Der deskriptive Aspekt des Unbewußten

Um die Differenzierung zwischen Ubw und Vbw präziser zu fassen, benutzt Freud den deskriptiven Aspekt des Unbewußten: "Eine Vorstellung oder jedes andere psychische Element kann jetzt in meinem Bewußtsein gegenwärtig sein und im nächsten Augenblick daraus verschwinden; sie kann nach einer Zwischenzeit ganz unverändert wieder auftauchen, und zwar, wie wir es ausdrücken, aus der Erinnerung, nicht als Folge einer neuen Sinneswahrnehmung." 34 Demzufolge erweisen sich derartige Gedanken oder Vorstellungen, trotz ihrer Latenz, als psychische Realitäten, die teils aufgrund von Aufmerksamkeitsintensitäten oder aufgrund assoziativer Bedingungen rsp. Besetzungen ins Bewußtsein gehoben werden können. Im Falle unbewußter psychischer Vorgänge unterschied Freud zunächst zwei Arten des Unbewußten, einerseits die latenten Inhalte, die, sowie sie der bewußten Repräsentanz entbehren, als unbewußte aufgefaßt werden könnten, andererseits jene, die dem Bewußtsein vollends abgeschnitten scheinen und nur über den methodischen Ansatz (Psychoanalyse) ins Bewußtsein gehoben werden. ”Wir waren gewohnt zu denken, daß jeder latente Gedanke dies infolge seiner Schwäche war und daß er bewußt wurde, sowie er Kraft erhielt. Wir haben nun die Überzeugung gewonnen, daß es gewisse latente Gedanken gibt, die nicht ins Bewußtsein eindringen, wie stark sie auch sein mögen. Wir wollen daher die latenten Gedanken der ersten Gruppe vorbewußt nennen, während wir den Ausdruck unbewußt (im eigentlichen Sinne) für die zweite Gruppe reservieren. Der Ausdruck unbewußt, ..., erhält jetzt eine erweiterte Bedeutung. Er bezeichnet nicht bloß latente Gedanken im allgemeinen, sondern besonders solche mit einem bestimmten dynamischen Charakter, nämlich die jenigen, die sich trotz ihrer lntensität und Wirksamkeit dem Bewußtsein fernehalten.” 35

Die Auffassung des deskriptiven Aspekts setzt demnach nach Vollendung eines Ent-wicklungsprozesses an, dann, wenn die Bewußtseinsebenen ausgebildet sind, insofern haben die Aussagen auch nur deskriptive Relevanz. Anders, wenn die Theorierelevanz angesprochen wird, dann gewinnt der topisch dynamische Aspekt an Bedeutung und die beiden Arten des Unbewußten werden zugunsten der Begriffe Ubw und Vbw aufgegeben. "Die Unterscheidung zwischen vorbewußter und unbewußter psychischer Tätigkeit ist keine primäre, sondern wird erst hergestellt, nachdem die Abwehr ins Spiel getreten ist. Erst dann gewinnt der Unterschied zwischen vorbewußten Gedanken, die im Bewußtsein erscheinen und jederzeit dahin zurückkehren können, und den unbewußten Gedanken, denen dies versagt bleibt theoretischen wie praktischen Wert.” 36 Während also die Methode Psychoanalyse bei bewußten Prozessen ansetzt, werden die theoretischen Aspekte aus der Triebtheorie und dem Entwicklungsprozeß abgeleitet.

3.4 Das Vorbewußte

"Wir heißen das Latente, daß nur deskriptiv unbewußt ist, nicht im dynamischen Sinne, vorbewußt, den Namen unbewußt beschränken wir auf das dynamisch unbewußt Verdrängte, so daß wir jetzt drei Termini haben, bewußt (bw), vorbewußt (vbw) und unbewußt (ubw), deren Sinn nicht mehr rein deskriptiv ist. Das Vbw, nehmen wir an, steht dem Bw viel näher als das Ubw, und da wir das Ubw psychisch geheißen haben, werden wir es beim latenten Vbw um so unbedenklicher tun."37 "Wir fanden also ein wirksam Vorbewußtes, das ohne Schwierigkeiten ins Bewußtsein übergeht, (und ein wirksam Unbewußtes, das unbewußt bleibt und vom Bewußtsein abgeschnitten scheint)." 38 Diese begriffliche Trennung der Systeme, mit Bezug auf den topisch dynamischen Aspekt der psychoanalytischen Theorie, ist zunächst nur eine abstrakt theoretische; im entwicklungshistorischen Kontext erscheinen die Übergänge fließend, da die sukzessive Entwicklung von den halluzinatorischen Besetzungen zu den realen Objektbesetzungen mit den bildhaften Repräsentanzen und den sprachlichen Reprä-sentanzen, die sich nur dadurch unterscheiden, dass letztere die bildhaften Symbole mit semantischen Symbolen ausfüllen, unter Verwendung spezifischer Regeln, scheinbar koinzidieren, scheinbar deshalb, weil diese beiden Entwicklungen eine zeitlang parallel verlaufen, so dass entwicklungshistorisch keine eindeutige Trennung möglich ist. Die Konstituierung des Vbw beginnt dann, wenn präverbale rsp. nonverbale Erlebnisse, Vorstellungen, Inhalte und Kontexte verbal, unter Berücksichtigung spezifischer Regeln, mit Bedeutungsinhalten rsp. Bedeutungskontexten aufgefüllt werden, die die nonverbalen psychischen Repräsentanzen überbesetzen eventuell nur gruppenspezifisch konsensfähig und je nach vermitteltem Bedeutungsgehalt zu differenzierende Alternativen bestimmen. Das System Vbw entsteht, indem diese Sachvorstellung (Objekt , Erlebnis , Konfliktvorstellungen) durch die Verknüpfung mit den ihr entsprechenden Wortvorstellungen überbesetzt wird. Solche Überbesetzungen, können wir vermuten, sind es, welche eine höhere psychische Organisation herbei-führen und die Ablösung des Primärvorganges durch den im Vbw herrschenden Sekundärvorgang ermöglichen. Wir können jetzt auch präzise ausdrücken, was die Ver-drängung bei den Übertragungsneurosen der zurückgewiesenen Vorstellung verweigert: Die Überbesetzung in Worte, welche mit dem Objekt verknüpft bleiben soll. Die nicht in Worte gefaßte Vorstellung oder der nicht überbesetzte psychische Akt bleibt dann im Ubw als verdrängt zurück. Das deutet gleichsam darauf hin, dass einige nonverbale Repräsentanzen keiner reflexiven Sinninterpretation unterzogen wurden, d.h. es exi-stieren unbewußte Inhalte, die nicht unbedingt verdrängt wurden, sondern der präverbalen Entwicklungsphase zugeordnet werden müssen, ohne nachträglich einer reflexiven Sinninterpretation unterzogen worden zu sein. Dem System Vbw fallen ferner zu die Herstellung einer Verkehrsfähigkeit unter den Vorstellungsinhalten, so dass sie einander beeinflussen können, die zeitliche Anordnung derselben, die Einführung einer oder mehrerer Zensuren, die Realitätsprüfung und das Reali-tätsprinzip. Auch das bewußte Gedächnis scheint ganz am Vbw zu hängen. Das Vbw ist dann gleichsam ein Reservoir von Interpretationsmöglichkeiten in wie auch immer gearteten Situationen, von Handlungs und Verhaltensalternativen, die durch Aufmerk-samkeitsintensitäten reproduzierbar sind, aber aller Wahrscheinlichkeit nach familien , gruppen , schicht oder gesellschaftsspezifische Differenzen aufzeigen. ”Der Inhalt des Systems Vbw entstammt zu einem Teile dem Triebleben (durch Vermittlung des Ubw), zum anderen Teile der Wahrnehmung. Es ist zweifelhaft, inwieweit die Vorgänge dieses Systems eine direkte Einwirkung auf das Ubw äußern können; die Erforschung pathologischer Fälle zeigt oft eine kaum glaubliche Selbständigkeit und Unbeeinfluß-barkeit des Ubw.” 39

3.5 Das Bewußte

Die topische Differenzierung zwischen Ubw und Vbw basiert generell auf reifungs und entwicklungsbedingten Prozessen, deren psychische Repräsentanzen durch ver-schiedenartige qualitative Inhalte gekennzeichnet sind, aber aufgrund der Zensur (Zensur heißt, psychische Repräsentanzen – Bilder, Erregungen – werden nicht mit Bedeutungen aufgefüllt) zwischen den Systemen eine theoretische Trennung ermöglichen. Was nun das Bewußtsein betrifft, so muß für die theoretische Relevanz zwangsläufig ein qualitativer Unterschied zum Vbw hinzukommen. "Bewußt sein ist zu-nächst ein rein deskriptiver Terminus, der sich auf die unmittelbarste Wahrnehmung (im weitesten Sinne) beruft. Die Erfahrung zeigt uns dann, daß ein psychisches Element, z.B. eine Vorstellung, gewöhnlich nicht dauernd bewußt ist. Es ist vielmehr charakteristisch, dass der Zustand des Bewußtseins rasch vorübergeht; die jetzt bewußte Vorstellung ist es im nächsten Moment nicht mehr, allein sie kann es unter leicht herstellbaren Bedingungen wieder werden. Inzwischen war sie, wir wissen nicht was, wir können sagen, sie sei latent gewesen und meinen dabei, daß sie jederzeit bewußtseinsfähig war." 40 41 Bewußtsein scheint zunächst in einem direkten Zusammenhang zum Wissen zu stehen, und zwar zum unmittelbaren Wissen mit kurzzeitigem Charakter soweit es mentale Repräsentanzen betrifft . Im Falle einer Perzeption oder Handlung wissen wir, dass sie bewußtseinsfähig sein können, sofern Widerstände dies nicht verhindern, wir können sie unmittelbar verbalisieren oder realisieren. "Dem Bewußtsein tritt die ganze Summe der psychischen Vorgänge als das Reich des Vbw entgegen. Ein großer Anteil des Vbw stammt aus dem Ubw, hat den Cha-rakter desselben und unterliegt einer Zensur, ehe er bewußt werden kann. Ein anderer Anteil des Vbw ist ohne Zensur bewußtseinsfähig. ... Jetzt wird uns eine Zensur zwischen Vbw und Bw nahegelegt. Wir tun gut daran, in dieser Komplikation keine Schwierigkeit zu erblicken, sondern anzunehmen, daß jedem Übergang von einem System zum nächst höheren, also jedem Fortschritt zu einer höheren Stufe psychischer Organisation eine neue Zensur entspreche.” 42 Die entwicklungshistorische Reifung der psychischen Organisation hinterläßt im Unbewußten und im Vorbewußten permanente Inhalte, die für das Bw nicht zutreffen. Vor dem Hintergrund der Spezifizierung des Vbw als eine Uberbesetzung von Erlebnisinhalten durch interpretative Sinnauffüllung, liegt die Vermutung einer weiteren Selektion oder Überbesetzung durch Sinninterpreta-tion nahe. Perzeptionen, Reproduktionen oder Handlungen sind nur dann verbalisier- oder realisierbar, wenn sie aufgrund der Selektion unmittelbar ins Bewußtsein gelangen; entweder handelt es sich dabei um eine partielle Perzeption, um eine aus dem vbw Reservoir selektierte Handlung oder um einen Kompromiß mentaler Repräsentanzen usw. Die entscheidende Bedingung für das Bewußte legt Freud folgendermaßen fest: "Was wir bewußte Objektvorstellung heißen durften, zerlegt sich uns nun in die Wortvorstellung und in die Sachvorstellung (bildhafte Vorstellung), die in der Besetzung, wenn nicht der direkten Sacherinnerungsbilder, doch entfernter und von ihnen abgeleiteter Erinnerungsbilder besteht. Mit einem Male glauben wir zu wissen, wodurch sich eine bewußte Vorstellung von einer unbewußten unterscheidet. Die beiden sind nicht, wie wir geglaubt haben, verschiedene Niederschriften desselben Inhaltes an verschiedenen psychischen Orten, auch nicht verschiedene funktionelle Besetzungszustände an dem selben Ort, sondern die bewußte Vorstellung umfaßt die Sachvorstellung plus der dazugehörenden Wortvorstellung, die unbewußte ist die Sach-vorstellung allein." 43 Bewußte psychische Repräsentanzen bezeichnen demnach Kontexte zwischen einer realen, bildhaften Vorstellung und der adäquaten interpretativen Sinnausfüllung, gleichwohl die verbalen Abstraktionen des Gegen-ständlichen sowie regelhafte Verwendung von sprachlichen Symbolen, wobei zumindest der ursprüngliche Kontext immer auch bewußtseinsfähig ist. Allerdings ist dabei zunächst nur die im Entwicklungsprozeß internalisierte intersubjektive Gültigkeit eingeschlossen, was auf familien , gruppen , schicht und gesellschaftsspezifische Be-deutungsdifferenzen verweist, deren Konsequenzen bei Wechsel oder Berührung mit anderen Interaktionssystemen als intersubjektive Kommunikationsstörung aufgefaßt wird. Bewußt in diesem Sinne präzisiert den Sachverhalt, der intentionalen Reprä-sentanzen immanent ist: es sind psychische Vorgänge, die auf adäquate Ziele gerichtet oder mit adäquaten Zielen vereinbar sind, während der Terminus Bewußtsein einen Zustand oder ein Phänomen beschreibt. Bewußtsein bedarf also im engen Sinne einer existenziell phänomenologischen Darstellung (etwa Ronald D. Laing). Bewußtes bezeichnet hingegen psychische Inhalte mit bestimmten (oben genannten) qualitativen Merkmalen. Bewußt meint Freud sind alle Perzeptionen, sowohl solche, die von innen, Gefühle und Empfindungen als auch solche, die von außen kommen. 44 Da aber jeder psychische Vorgang als unbewußter beginnt, ist die bewußte Perzeption selektiv, nur ein partieller Ausschnitt dessen, was ubw und vbw perzipiert wird, kann verbalisiert werden, wobei die Verbalisierung immer als reflexiver Prozeß aufzufassen ist, wenn-gleich im Entwicklungsverlaufe Perzeption und Verbalisierung scheinbar koinzidieren (vgl. hierzu Kap.: 3.6 u. 3.7).

Aktualgenetische Experimente (Graumann 1959) weisen jedenfalls eindeutig nach, dass Perzeptionen unterhalb der Bewußtseinsschwelle konstatierbar sind. 45 Die Handlungen sind als Folge von Perzeptionen aufzufassen, eine bewußte Handlung basiert immer auf dem unmittelbaren Wissen von Handlungskontexten, nur dann kann eine Handlung intentional im oben genannten Sinne realisiert werden. Gleichwohl lassen sich Handlungen konstatieren, deren Motivation dem Subjekt nicht bewußt ist. Unterstellen wir dabei, dass Handlungen immer auch eine Art von Intentionalität anzeigen, dann wird deutlich, dass Handlungen immer bewußt sind, aber aufgrund ubw oder vbw Motivation erheblich beeinflußt werden können, die bewußte Intentionalität von Handlungen wird zum Teil erheblich konterkariert. Bezogen auf die Interaktionsebene lassen sich trotz bewußter Repräsentanzen Kommunikationsstörungen konstatieren, die aber aufgrund fehlender intersubjektiver Gültigkeit der Bedeutungs- rsp. Deutungsmuster im aktuellen Interakt entstehen.

Bewußtsein koinzidiert mit der Orientierung des Subjektes zu seinem Interakti-onskontext: ”Diese Leistung der Orientierung in der Welt durch die Unterscheidung von innen und außen müssen wir nun nach eingehender Zergliederung des seelischen Apparates dem System Bw (W) allein zuschreiben. Bewußtes muß über eine motorische Innervation verfügen, durch welche festgestellt wird, ob die Wahrnehmung zum Verschwinden zu bringen ist oder sich resistent verhält." 46 (eine Komponente dessen, was Realitätsprüfung genannt wurde) "Solange das System Bw Affektivität und Motilität beherrscht, heißen wir den Zustand des Individuums normal." Es läßt sich somit zeigen, dass Bw, beispielsweise im aktuellen Interakt, vom Interaktionskontext abhängt und andererseits von der Möglichkeit auf die auf Erfahrung beruhenden reproduzierbaren, zumeist vbw Inhalte zu rekurrieren; einerseits also Bewußtsein und andererseits bewußte Reproduktion des Handlungsreservoirs. Bewußtsein ist somit die Fähigkeit des Subjektes, sich mit Hilfe der intentionalen Repräsentanzen in der Welt zu orientieren und einen Kontext zwischen subjektiver Entwicklung und aktuellem Interaktionskon-text herzustellen. Damit wird deutlich, dass jeder Interakt von bereits internalisierten Interaktionsrepräsentanzen abhängt, dass bewußte Interaktionen mit der Fähigkeit zur intersubjektiven Gültigkeit von Bedeutungsmustern zu gelangen assoziiert sind, also mit der Fähigkeit zur konsensfähigen Kommunikation.

3.6 Der quantitative Aspekt

Die Relevanz des quantitativen Aspektes für die psychoanalytische Theorie ist angesichts der Annahme, dass die psychische Organisation in qualitativer und struktureller Hinsicht generell kongruent ist, selbstevident. Konstatierbare Differenzen unterliegen den Bedingungen quantitativer Prozesse, die in den bisherigen Ausführungen partiell berücksichtigt worden sind, aber noch nicht ausreichend präzisiert. Insbesondere soll versucht werden wenn auch in simplifizierender Weise , die quantitativen Bedingungen aufzuzeigen, die einen psychischen Vorgang ins Bewußtsein heben.

Grundlegend bleiben dabei die triebtheoretischen Präsuppositionen, ein Energie und Aktivitätspotential, das durch das Lust Unlustprinzip reguliert wird. Dabei kann zunächst das psychosomatische Gleichgewicht aufgrund von Trieb und Umweltreizen gestört werden und Erregungs und Spannungszustände hervorrufen. "Ich nannte die Art dieser Prozesse im Ubw den psychischen Primärvorgang zum Unterschied von dem für unser normales Wachleben gültigen Sekundärvorgang. Da die Triebregungen alle an den unbewußten Systemen angreifen, ist es kaum eine Neuerung zu sagen, daß sie dem Primärvorgang folgen, und andererseits gehört wenig dazu, um den psychischen Primärvorgang mit den frei beweglichen Besetzungen, den Sekundärvorgang mit den Veränderungen an den gebundenen tonischen Besetzungen Breuers zu identifizieren. Es wäre dann die Aufgabe der höheren psychischen Schichten des seelischen Apparates, die im Primärvorgang anlangende Erregung der Triebe zu binden. Das Mißglücken die-ser Bindung würde eine der traumatischen Neurose analoge Störung hervorrufen; erst nach erfolgter Bindung könnte sich die Herrschaft des Lustprinzips (und seine Modifikation zum Realitätsprinzip) ungehemmt durchsetzen.”47 Die intrasomatischen Erregungsabläufe erfahren also im Ubw eine erste psychische Repräsentanz, eine Unlustempfindung inform eines unspezifischen Mangels, der, soweit es den Primär-vorgang betrifft, eine ungerichtete Aktivität oder wie ich es auch genannt habe eine unspezifische Intentionalität ausdrückt, was Freud freibewegliche Besetzungen nennt, die aufgrund der ersten Befriedigungserlebnisse eine sensomotorische Erinnerungsspur hinterläßt.

Die entwicklungshistorische Differenzierung zwischen Subjekt und Objekt oder innen und außen korrespondiert der Modifikation vom reinen Lustprinzip zum Reali-tätsprinzip, wobei das Lustprinzip nicht außer Kraft gesetzt wird, sondern an das Realitätsprinzip gebunden ist. Dadurch konstituiert sich das Vbw. Spezifische Erre-gungen oder Bedürfnisse werden mit Hilfe spezifischer Objekte befriedigt, was Freud die Bindung der Besetzung nennt, also die Herstellung des Zusammenhanges zwischen Bedürfnissen und deren adäquaten (oder inadäquaten) Befriedigungen, die als permanente vbw Repräsentanzen erhalten bleiben (was im Falle von Nichtbefriedigung oder inadäquater Befriedigung abläuft, wird in, Kap. Die Verdrängung präzisiert), wiewohl im Entwicklungsverlauf auch Partialkontexte oder Überbesetzungen repräsentiert sein können, also Alternativen rsp. Restriktionen.

Wenn ein Triebreiz im Ubw repräsentiert ist und assoziativ vbw Inhalte besetzt, so könnte man meinen, dass die Summe der vbw Inhalte besetzt wird, was offensichtlich nicht zutrifft: "Die vielfach tastende, Besetzung aussendende und wieder einziehende Tätigkeit des zweiten Systems (Vbw) bedarf einerseits der freien Verfügung über alles Erinnerungsmaterial (was mit dem Erregungsreiz assoziiert ist), andererseits wäre es überflüssiger Aufwand, wenn sie große Besetzungsquantitäten auf die einzelnen Denk-wege schickte, sie dann unzweckmäßig abströmen und für die Veränderung der Außenwelt notwendige Quantität verringern würde." 48 Die vbw Selektion bezieht also nur die Inhalte ein, die mit dem Erregungsreiz assoziiert sind. Das Vbw ansich ist zwar zu autonomen Denkleistungen befähigt wie etwa Träume zeigen 49 , aber es wird nur dann eine Vorstellung besetzt, wenn das Erinnerungsmaterial den Befriedigungskontext quasi antizipiert, die vom Erinnerungsmaterial ausgehende Unlustentwicklung zu hem-men vermag. 50 "Das Bewußtwerden hängt mit der Zuwendung einer bestimmten psy-chischen Funktion, der Aufmerksamkeit, zusammen, die, wie es scheint, nur in bestimmter Quantität aufgewendet wird, ...” 51 Die Besetzung vbw Inhalte scheint nicht mit gleichmäßiger Intensität zu erfolgen, sondern wahrscheinlich wird der Inhalt mit der größten Besetzung bewußt, das ist der, welcher den ursprünglichen Kontext zwischen Triebreiz und dessen verbaler Sinnauffüllung, also die größtmögliche Befriedigung antizipiert, einschließt. (Es ist selbstverständlich simplifizierend dargestellt, mit jeder weiteren theoretischen Komponente wird die Problematik schwieriger) Freud beschreibt diesen Zusammenhang folgendermaßen: ”Wir glauben, daß von einer Zielvorstellung aus eine gewisse Erregungsgröße, die wir Besetzungsenergie heißen, längs der durch diese Zielvorstellung ausgewählten Assoziationswege verschoben wird. Ein vernachläs-sigter Gedankengang hat eine solche Besetzung nicht erhalten; von einem unterdrückten oder verworfenen ist sie wieder zurückgezogen worden; beide sind ihren eigenen Er-regungen überlassen. Der zielbesetzte Gedankengang wird unter gewissen Bedingungen fähig, die Aufmerksamkeit des Bw auf sich zu ziehen, und erhält dann durch dessen Vermittlung eine Überbesetzung.” 52

"Der Wert der Überbesetzung, welche durch den regulierenden Einfluß des Bw Sinnesorganes auf die mobilen Quantitäten hergestellt wird, ist im teleologischen Zusammenhang durch nichts besser dargetan als durch die Schöpfung einer neuen Qualitätenreihe und somit einer neuen Regulierung, welche das Vorrecht des Menschen vor den Tieren ausmacht. Die Denkvorgänge sind nämlich an sich qualitätslos bis auf die sie begleitenden Lust und Unlustregungen, die ja als mögliche Störung des Denkens in Schranken gehalten werden sollen. Um ihnen eine Qualität zu verleihen, werden sie beim Menschen mit den Worterinnerungen assoziiert, deren Qualitätsreste genügen, um die Aufmerksamkeit des Bw auf sich zu ziehen und von ihm aus dem Denken eine neue mobile Besetzung zuzuwenden." 53

Präzisierend darf also konstatiert werden, dass der Triebreiz, sobald er unbewußt repräsentiert ist, die vbw Kontexte besetzt. Aufgrund der zu differenzierenden vbw Zielvorstellungen zieht der Gedankengang, welcher die größtmögliche Befriedigung antizipiert, die ganze Besetzung auf sich Überbesetzung , wodurch er bewußt wird (dabei ist von pathologischen Vorgängen abzusehen). Wenn psychische Inhalte auf die beschriebene Weise bewußt werden, besagt das noch nichts über ihre Umsetzung in Handlung, sondern die bewußt gewordene Zielvorstellung kann aufgrund realer Widerstände nicht sofort in Handlung umgesetzt werden. An diesem Punkt setzt das ein, was Freud als bewußte Aufmerksamkeit bezeichnet, die intellektuelle Fähigkeit, d.h. rekurrieren auf vbw Alternativen oder die Fähigkeit Einfluß auf die Realität zu nehmen, sie zu verändern. ”Um die Außenwelt zweckmäßig durch die Motilität verändern zu können, bedarf es der Anhäufung einer großen Summe von Erfahrungen in den Erinne-rungssystemen und einer mannigfachen Fixierung der Beziehungen, die durch verschiedene Zielvorstellungen in diesem Erinnerungsmaterial hervorgerufen werden." Diese Zusammenhänge deuten darauf hin, dass eine intentionale Repräsentanz nicht unbedingt realisiert werden kann, sondern dass gleichsam von dieser bewußten Repräsentanz ein Rückgriff auf die vbw Inhalte möglich erscheint, die in einem engen assoziativen Kontext zur bewußten Repräsentanz stehen. Dadurch ist der Zusammenhang zu den Partial oder intermediären Befriedigungen präzisiert, die durch die realen Anforderungen eine direkte Befriedigung unmöglich machen. Anders ausgedrückt: die realen Befriedigungsmöglichkeiten sind nicht nur von intentionalen Repräsentanzen abhängig, sondern auch von den Bedingungen der aktuellen Situation; denn es ist keinesfalls prognostizierbar, ob die Alternativrepräsentanzen überhaupt noch eine Beziehung zum Triebreiz erkennen lassen. Auch wenn alle Handlungen bewußt sind, so müssen es die Handlungskontexte noch lange nicht sein, sondern die können durch vbw oder ubw Repräsentanzen motiviert werden.

3.7 Die Interdependenzen der Systeme

Der theoretische Standpunkt impliziert eine topische Trennung der Systeme, wenngleich aus empirischer Sicht kaum ein psychischer Vorgang denkbar erscheint, der allein in ei-nem System stattfindet, sondern vielmehr nimmt jede psychische Aktivität ihren Ausgang im Ubw und kann, soweit nicht Widerstände zwischen den Systemen dies verhindern, bewußt werden. Inhaltlich war das Ubw generell als das Infantile gekennzeichnet, speziell wurden zwei Komponenten hervorgehoben, erstens jene Inhalte, die einer reflexiven Sinninterpretation nicht unterliegen und zweitens jene, die das dynamisch Verdrängte betreffen. Das Ubw ist deshalb aber keineswegs nur rudimentär oder Residuum der Entwicklung, sondern es ist entwicklungsfähig, beeinflußbar sowohl hinsichtlich der Beseitigung der Verdrängung als auch hinsichtlich des Verdrängungsprozesses selbst. Die Systeme beeinflussen sich gegenseitig, denn jede bewußt intentionale psychische Aktivität kann durch unbewußte Repräsentanzen erheblich beeinflußt werden. Ein intendierter Gedankengang oder eine intendierte Handlung wird plötzlich abgebrochen oder unterliegt Richtungsmodifikationen, ohne dass der Vorgang dem Subjekt bewußt ist. 54

”Unter den Abkömmlingen der ubw Triebregungen ... gibt es welche, die entgegenge-setzte Bestimmungen in sich vereinigen. Sie sind einerseits hochorganisiert, wider-spruchsfrei, haben allen Erwerb des Systems Bw verwertet und würden sich für unser Urteil von den Bildungen dieses Systems kaum unterscheiden. Andererseits sind sie ubw und unfähig, bewußt zu werden. Sie gehören also qualitativ zum System Vbw, faktisch aber zum Ubw." 55 ”Sie kommen nahe ans Bw heran, bleiben ungestört, solange sie keine intensive Besetzung haben, werden aber zurückgeworfen, sobald sie eine gewisse Höhe der Besetzung überschreiten.

Ebensolche höher organisierten Abkömmlinge des Ubw sind die Ersatzbildungen, denen aber der Durchbruch zum BW dank einer günstigen Relation gelingt, wie z.B. durch das Zusammentreffen mit einer Gegenbesetzung des Vbw." 56

Diese Aspekte verweisen auf familien , gruppen und schichtspezifische Sinn-interpretationen: in einer bestimmten Entwicklungsphase waren es bewußtseins-fähige Kontexte, später jedoch entsprachen sie nicht mehr den Anforderungen der Realität, zumal je nach Entwicklungsstufe alte Aspekte ergänzt oder neue internalisiert worden sind. Die Alternativinterpretationen wurden stärker besetzt, aber die alten Kontexte sind erhalten geblieben. In der aktuellen Situation ist dann aufgrund quantitativer Bedingungen der frühere Kontext so stark besetzt worden, dass er erst an der Bewußtseinsschwelle - wegen seiner Dissonanz zur Realitätsanforderung - die Besetzung ändert und dadurch nicht bewußt werden kann. Die von ihm ausgehende Unlustentwicklung kann im Vbw nicht gehemmt werden, so dass die Lust antizipierenden Alternativkontexte die Besetzung auf sich ziehen. Insbesondere verweisen diese Aspekte auf die durch den Interaktionprozeß vermittelten vielfältigen Sinninterpretationen, die bereits von Person zu Person variieren. (Es ist jedoch zu bedenken, dass dabei von wahrheitsgemäß oder exakt nicht gesprochen werden kann.) Gleichwohl erscheint es denkbar, dass in frühinfantilen Entwicklungsphasen die infantile Fantasie oder bereits internalisierte Sinninterpretationen ein Erlebnis oder andere Kontexte mit Sinn auffüllen, weil die Bezugspersonen Fragen des Kindes ignoriert und die Beantwortung verweigert haben. Dadurch entstehen Sinnzu-sammenhänge, die mit der Realität divergieren und dann unter dem Druck der Außenwelt fallengelassen werden, erhalten bleiben und wahrscheinlich erst an der Bewußtseinsschwelle eine Ablenkung erfahren. (Das soll genügen, obwohl sicher eine Reihe derartiger Zusammenhänge konstruierbar wäre. Zum Problem der Gegenbesetzung siehe ”Die Verdrängung”) Der Sachverhalt, der die interpretativen Sinnkontexte der Objektwelt betrifft, ist im Zusammenhang von Vbw, Bw und Sprache von erheblicher Bedeutung, denn bewußt werden die unmittelbaren Sinnkontexte, die aber von den quantitativen Besetzungen im Vbw abhängen (vgl. Anhang 1).

In diesem Zusammenhang muß ein zweiter Aspekt, der die Bedingungen von Trieb und Empfindung zu den Systemen betrifft, angesprochen werden: ”Ich meine wirklich, der Gegensatz von bewußt und unbewußt hat auf den Trieb keine Anwendung. Ein Trieb kann nie Objekt des Bw werden, nur die Vorstellung, die ihn repräsentiert. Er kann aber auch im Ubw nicht anders als durch die Vorstellung repräsentiert sein. Würde der Trieb sich nicht an eine Vorstellung heften oder nicht als Affektzustand zum Vorschein kommen, so könnten wir nichts von ihm wissen. Wenn wir aber doch von einer ubw oder einer verdrängten Triebregung reden, so ist dies eine harmlose Nachlässigkeit des Ausdrucks. Wir können nichts anderes meinen als eine Triebregung, deren Vorstellungsrepräsentanz unbewußt ist, denn etwas anderes kommt nicht in Betracht.” 57 ... "Es bleibt also richtig, daß auch Empfindungen und Gefühle nur durch Anlagen an das System W (Wahrnehmung) bewußt werden; ist die Fortleitung gesperrt, so kommen sie nicht als Empfindung zustande, obwohl das ihnen entsprechende Andere im Er-regungsablauf dasselbe ist. Abgekürzter, nicht ganz korrekterweise sprechen wir dann von ubw Empfindungen, halten die Analogie mit unbewußten Vorstellungen fest, die nicht ganz gerechtfertigt ist. Der Unterschied ist nämlich, daß für die ubw Vorstellung erst Verbindungsglieder geschaffen werden müssen, um sie zum Bw zu bringen, während dies für die Empfindungen, die sich direkt fortleiten, entfällt. Mit anderen Worten: Die Unterscheidung von Bw und Vbw hat für die Empfindungen keinen Sinn, das Vbw fällt hier aus, Empfindungen sind entweder bewußt oder unbewußt. Auch wenn sie an Wortvorstellungen gebunden werden, danken sie nicht diesen ihr Bewußtwerden, sondern sie werden es direkt." 58 Der Trieb oder eine Triebregung kann in bezug auf die Systeme nur durch eine Vorstellung repräsentiert sein, sowohl im Ubw, Vbw als auch im Bw, oder sich als Empfindung, Gefühl oder Affekt bewußt äußern. Im ersten Fall ist die Triebregung an ein Befriedigungserlebnis gebunden, an einen assoziativen Vorgang, der zu einer adäquaten Handlung führen kann. Die Empfindungen, Gefühle oder Affekte sind neben der psychischen Repräsentanz immer auch durch eine motorische Komponente gekennzeichnet. Aufgrund dieser Motilitätsbeteiligung werden sie zur bw Repräsentanz, d.h. die mit diesen Faktoren korrespondierende Erregung wird unmittel-bar bewußt. Die vbw Besetzung entfällt, wobei generell gleichgültig ist, ob die adäquaten Sinnkontexte intentional repräsentiert sind oder nicht, immer erreicht eine Empfindung, ein Gefühl oder Affekt Bewußtseinsrpräsentanz, teils mit einer präziser Interpretation, teils aber auch nur als diffuser Erregungszustand, der vom Subjekt nicht interpretiert werden kann, weil er in der Vergangenheit oder Gegenwart nicht mit Sinn ausgefüllt wurde.

Die intrapsychischen Bedingungen der Perzeption eines inneren Reizes zu den Systemen wurde bereits dargestellt. Für den äußeren Reiz gilt nach Freud folgender Zusammenhang: ”Das Ubw wird aber auch von den aus der äußeren Wahrnehmung stammenden Erlebnissen getroffen. Alle Wege von der Wahrnehmung zum Ubw bleiben von der Norm frei; erst die vom Ubw weiterführenden Wege unterliegen der Sperrung durch die Verdrängung." 59

Die Perzeption ist zunächst eine Unbewußte, die bewußt werden kann, sofern nicht die Abwehr oder Zensur zwischen den Systemen dies verhindert. Die ubw Perzeption ist eine vollständige, während der Übergang zum Vbw bereits eine Selektion beinhaltet, die durch vbw Bindungen bzw. assoziative Besetzungen zustande kommt die vbw Perzeption beinhaltet den Vergleich mit bereits internalisierten Perzeptionen, bei neuartigen wird eine erste Erinnerungsspur repräsentiert . Wenn Vbw reproduzierbar ist, dann kann der Umfang der vbw Perzeption durch Aufmerksamkeitsverschiebung auch verbalisiert werden. Zunächst wird aber nur der Teil der Perzeption bewußt, der habitualisiert worden ist, der unmittelbar verbalisiert werden kann (Wie-derholungszwang, rekurrieren auf bereits Bekanntes). Die bewußte Perzeption ist also nur noch eine Teilperzeption, die aber vermittels bewußter Aufmerksamkeitsintensitäten latente Kontexte aktivieren kann, wodurch weitere Aspekte des Perzeptionskontextes reproduziert werden können. Gleichwohl beinhaltet die Reproduktion von Perzeptionen bereits subjektivierte Modifikationen (etwa die un-terschiedlichen Schilderungen von Verkehrsunfällen). Dabei darf nur nicht unerwähnt bleiben, dass die Verbalisierung von Perzeptionen an eine vermittelte oder aktuelle intersubjektive Gültigkeit gebunden ist und nicht an subjektive Interpretationen. Die Konsequenzen bestehen darin, dass jede Interaktion sowohl durch ubw als auch durch latente Sinnstrukturen beeinflußt werden kann, d.h. ubw rsp. vbw Perzeptionen können gleichsam Handlungen hervorrufen, die durch ubw rsp. vbw Repräsentanzen motiviert sind.

4. Die Instanzen der Psyche

In diesem Kapitel soll der Versuch unternommen werden, den strukturellen Aspekt der psychoanalytischen Theorie darzustellen Es, Über Ich und Ich , der im Gegensatz zu den bislang dargestellten psychischen Prozessen und Bewußtseinsebenen die Persönlichkeitsproblematik in den Mittelpunkt stellt. Dabei werden den Instanzen bestimmte Funktionen zugeordnet, die gleichsam den dynamischen Charakter psychi-schen Geschehens berücksichtigen; es geht zunächst weniger um die mit der Reifung zusammenhängenden Entwicklungsbedingungen als vielmehr um die Bedeutung der durch die Instanzen ausgedrückten personalen Einheit. Auch wenn auf entwick-lungsspezifische Bedingungen rekurriert wird, so bleiben diesbezügliche Darstellungen so weit möglich den Aspekten Sexualisation, Sozialisation, Ich und kognitiver Entwicklung vorbehalten. Die Darstellung der Instanzen ist jedoch durch eine entscheidende Schwierigkeit gekennzeichnet; die berücksichtigte Literatur weist keine konsequente Stringenz auf, sondern die Autoren behandeln immer nur partielle Aspekte der Gesamttheorie und divergieren in ihren Ansichten, insbesondere zur Problematik des Ichs und Über Ichs. Da es im Rahmen dieser Arbeit zu weit führen würde, die Auffassungen zu diskutieren, werden die Autoren berücksichtigt, die im Rahmen der Freudschen Theorie bleiben. Die intendierte Darstellung präferiert die Integration der Auffassungen, nicht eine unfruchtbare Diskussion, die wissenschaftliche Orginalität beansprucht.

4.1 Das ES

In der psychoanalytischen Theorie bedarf der Begriff des Es keiner präzisen Definition, sondern wenn überhaupt, so benötigt die psychische Instanz "Es” sowohl eine inhalts-, -umfangs und funktionlogische Sinninterpretationen. Der Begriff bezeichnet nur die Ichfremdheit der einzelnen Es-Komponenten. Zur Bestimmung dieser Instanz rekurriere ich zunächst wie auch im Bereich der Bewußtseinsebenen auf entwicklungshistorische Bedingungen: "Also wir nehmen an, daß die Kräfte, welche den seelischen Apparat zur Tätigkeit treiben, in den Organen des Körpers erzeugt werden als Ausdruck der großen (existentiellen) Körperbedürfnisse (Hunger und Liebe). ... Wir heißen diese Körperbedürfnisse, insofern sie Anreize für seelische Tätigkeit darstellen, Triebe. Diese Triebe erfüllen nun das Es , alle Energie im Es stammt von ihnen. Die Kräfte im Ich haben auch keine andere Herkunft, sie sind von denen im Es abgeleitet. Was wollen nun die Triebe? Befriedigung, d.h. die Herstellung solcher Situationen, in denen die Körperbedürfnisse erlöschen können. Das Herabsinken der Bedürf-nisspannung wird von unserem Bewußtseinsorgan als lustvoll empfunden, eine Steigerung derselben bald als Unlust. Aus diesen Schwankungen entsteht die Reihe von Lust Unlustempfindungen, nach der der ganze seelische Apparat seine Tätigkeit reguliert. Wir sprechen da von einer Herrschaft des Lustprinzips", 60 mit - wie bereits dargestellt seinen entwicklungsspezifischen Modifikationen. Mit der Einführung der strukturellen Komponente verändern sich die umfangs und partiell auch die in-haltslogischen Faktoren des Ubw. Nicht das Ubw ist dann die archaische Ausstattung des Menschen, sondern das Ubw wird nun dem Es subsumiert. "Die älteste dieser psychischen Instanzen oder Provinzen nennen wir das Es; sein Inhalt ist alles, was ererbt, von Geburt mitgebracht, konstitutionell festgelegt ist, vor allem also die aus der Körperorganisation stammenden Triebe, die hier einen ersten uns in seinen Formen unbekannten psychischen Ausdruck finden." 61

"Das Ubw ist die allein herrschende Qualität im Es. Es und Ubw gehören ebenso innig zusammen wie Ich und Vbw, ja das Verhältnis ist hier noch ausschließlicher. Ein Rück-blick auf die Entwicklungsgeschichte der Person und ihres psychischen Apparates läßt uns eine bedeutsame Unterscheidung im Es feststellen. Ursprünglich war ja alles Es, das Ich ist durch den fortgesetzten Einfluß der Außenwelt aus dem Es entwickelt worden. Während dieser langsamen Entwicklung sind gewisse Inhalte des Es in den vbw Zustand gewandelt und so ins Ich aufgenommen worden. Andere sind unverändert im Es als dessen schwer zugänglicher Kern geblieben. Aber während dieser Entwicklung hat das junge und unkräftige Ich gewisse bereits aufgenommene Inhalte wieder in den ubw Zu-stand zurückversetzt, fallen gelassen und gegen manche neue Eindrücke, die es hätte aufnehmen können, sich ebenso verhalten, so daß diese, zurückgewiesen, nur im Es eine Spur hinterlassen konnten. Diesen letzten Anteil des Es heißen wir mit Rücksicht auf seine Entstehung das Verdrängte. Es macht wenig aus, daß wir zwischen beiden Kategorien im Es nicht immer scharf unterscheiden können. Sie decken sich ungefähr mit der Sonderung in ursprünglich Mitgebrachtes und während der lchentwicklung Erworbenes." 62

Meiner Auffassung nach läßt sich zwar in bezug auf das archaische Es keine Prä-zisierung anfügen, dafür aber in bezug auf die erworbenen Es-Anteile auf die Es-Entwicklung:

erstens das durch die Außenweltversagung ubw Verdrängte, das zumindest eine rudi-mentäre vbw Repräsentanz erfahren hat,

zweitens jene Anteile der präverbalen Entwicklungsphase, denen eine verbale interpretative Sinnauffüllung versagt wurde.

Unbewußte Inhalte, die aber nicht als verdrängt gelten können, sondern quasi freibewegliche Reserven, die spontan, wahrscheinlich unter Ausnutzung spezifischer assoziativer Erregungsverläufe sehr wohl bewußt werden können, aber nicht unbedingt müssen. Den ubw Es-Anteilen ist aber generell ein Merkmal zuzuordnen, die non-verbale symbolische Repräsentanz im weitesten Sinne. ”Wir nähern uns dem Es mit Vergleichen, nennen es ein Chaos, einen Kessel brodelnder Erregung. Wir stellen uns vor, es sei am Ende gegen das Somatische offen, nehme da die Triebbedürfnisse in sich auf, die in ihm ihren psychischen Ausdruck finden (es müßte heißen, die somatische Erregung findet als Trieb ihren psychischen Ausdruck) Von den Trieben her erfüllt es sich mit Energie, aber es hat keine Organisation, bringt keinen Gesamtwillen auf, nur das Bestreben, den Triebbedürfnissen unter Einhaltung des Lustprinzips Befriedigung zu schaffen. Für die Vorgänge im Es gelten die logischen Denkgesetze nicht, vor allem nicht der Satz vom Widerspruch. Gegensätzliche Regungen bestehen nebeneinander, ohne einander aufzuheben oder sich voneinander abzuziehen, höchstens daß sie unter dem herrschenden ökonomischen Zwang zur Abfuhr der Energie zu Kom-promißbildungen zusammentreten. Es gibt im Es nichts, was man der Negation gleichstellen könnte, ... Im Es findet sich nichts, was der Zeitvorstellung entspricht, keine Anerkennung eines zeitlichen Ablaufes und, ..., keine Veränderung des seelischen Vorganges durch den Zeitablauf. Wunschregungen, die das Es nie überschritten haben, aber auch Eindrücke, die durch Verdrängung ins Es versenkt worden sind, sind virtuell unsterblich, verhalten sich ..., als ob sie neu vorgefallen wären. Als Vergangenheit erkannt, entwertet und ihrer Energiebesetzung beraubt können sie erst werden, wenn sie durch die analytische Arbeit bewußt geworden sind, ...” 63 "Die nächste Erwägung sagt uns, daß das Es kein äußeres Schicksal erleben oder erfahren kann außer durch das Ich, welches die Außenwelt bei ihm vertritt." 64 „Selbstverständlich kennt das Es keine Wer-tungen, kein Gut und Böse, keine Moral. Das ökonomische oder, quantitative Moment, mit dem Lustprinzip innig verknüpft, beherrscht alle Vorgänge, Triebbesetzungen, die nach Abfuhr verlangen, ... Sie sehen übrigens, daß wir in der Lage sind, vom Es noch andere Eigenschaften anzugeben, als das es ubw ist, und Sie erkennen die Möglichkeit, daß Teile vom Ich und Über-Ich ubw seien,...” 65 Damit wird nochmals konkretisiert, dass die psychische Instanz "Es" mehr umfaßt als das Ubw, gleichwohl treffen die Eigenschaften umgekehrt ausgedrückt für das Ich zu.

4.2 Das Über Ich

Der Begriff des Über Ichs, der in der psychoanalytischen Theorie eine psychische Instanz kennzeichnet, besagt, dass aufgrund der Entwicklungsprozesse im Ich eine Instanz konstitutiert wird, die als soziologische Instanz der Psyche faßbar erscheint und die Art und Weise bestimmt, in der eine Person in ihrem familialen und sozialen Interaktionskontext mehr oder minder bewußt-intentional zu handeln vermag. Das Über Ich wird insbesondere durch die Form der frühinfantilen intersubjektiven Beziehungen konstituiert, wobei primär die familialen Interaktionsbedingungen von Bedeutung sind. Einerseits basiert es auf den Internalisierungen sowohl der primären Vorbilder (Eltern) als auch der sekundären (Lehrer, Erzieher) und tertiären (aller späteren Vorbilder) und andererseits ist es das Resultat internalisierter familien , gruppen , schicht und gesellschaftsspezifischer Interaktionsmuster rsp. subjektiver Deutungsmuster der sozialen Realität, wobei die einzelnen Komponenten als Über Ich Anteile interpretiert werden, nicht als verschiedene Arten des Über Ich. Da in der Freud‘schen Terminologie zwischen Ich-Ideal und Über-Ich nicht immer strikt getrennt wird, wird vorgeschlagen, dass Ich-Ideal als die, die Subjektivität betreffende Komponente zu charakterisieren, während die anderen Über Ich Anteile eher die Sozialität der Person in der Familie, Gruppe, Schicht und Gesellschaft bestimmen, also intersubjektive Charakteristika. Der Begriff des Über Ich impliziert demnach die Diffe-renzierung zweier Komponenten, einerseits die Internalisierung bestimmter personaler Verhaltens und Handlungsmerkmale der Vorbilder und andererseits die Internalisie-rung kulturspezifischer Interaktionsmuster, Norm und Wertesysteme. Im deskriptiven Sinn meint das Ich-Ideal: ”Ich möchte so sein wie du, wie mein Vater, wie mein Lehrer, wie mein Meister, Professor usw.", was darauf schließen läßt, dass das Ich gemäß den bewunderten Merkmalen der Vorbilder modifiziert wird. Werden internalisierte Verhal-tensansprüche als subjekte Handlungen realisiert, so kann sich im Über Ich kein Ich-Ideal konstituieren, dann koinzidieren quasi Ich und Ich-Ideal. Ist eine Realisierung aber nicht möglich, dann läßt sich unschwer erkennen, dass der resultierende Konflikt zwischen Subjektivität und Ich-Ideal-Forderung die Intentionalität erheblich einschränken kann.

Die Konstituierung des Über Ich ist eine Folge der frühen Objektbeziehungen, welche ohne Triebverzichtsforderungen durch die primären Bezugspersonen kaum denkbar er-scheint: ”Im Laufe der individuellen Entwicklung wird ein Anteil der hemmenden Mächte in der Außenwelt verinnerlicht, es bildet sich im Ich eine Instanz, die sich beobachtend, kritisierend und verbietend dem übrigen entgegenstellt. Wir nennen diese neue Instanz das Über Ich. Von nun an hat das Ich, ehe es die vom Es geforderte Triebbefriedigung ins Werk setzen kann, nicht nur auf die Gefahren der Außenwelt, sondern auch auf den Einspruch des Über Ich Rücksicht zu nehmen und wird um so mehr Anlässe haben, die Triebbefriedigung zu unterlassen. Während aber der Triebverzicht aus äußeren Gründen nur unlustvoll ist, hat der aus inneren Gründen, aus Gehorsam gegen das Über Ich, eine andere ökonomische Wirkung. Er bringt außer der unvermeidlichen Unlustfolge dem Ich auch einen Lustgewinn, eine Ersatzbefriedigung gleichsam. Das Ich fühlt sich gehoben, es wird stolz auf den Triebverzicht wie auf eine wertvolle Leistung. Den Mechanismus dieses Lustgewinns glauben wir zu verstehen. Das Über Ich ist Nachfolger und Vertreter der Eltern (und Erzieher), die die Handlungen des Individuums in seiner ersten Lebensperiode beaufsichtigt hatten; es setzt die Funktionen derselben fast ohne Veränderung fort. Es hält das Ich in dauernder Abhängigkeit, es übt einen ständigen Druck auf dasselbe aus. Das Ich ist ganz wie in der Kindheit besorgt, die Liebe des Überherrn aufs Spiel zu setzen, empfindet seine Anerkennung als Befreiung und Befriedigung, seine Vorwürfe als Gewissensbisse. Zur Zeit, da die Autorität noch nicht als Über Ich verinnerlicht war, konnte die Beziehung zwischen drohendem Liebesverlust und Triebanspruch die nämliche sein. Es gab ein Gefühl von Sicherheit und Befriedigung, wenn man aus Liebe zu den Eltern einen Triebverzicht zustande gebracht hatte." 66

Zunächst läßt sich also ein zweiter deskriptiver Faktor konstatieren: ”Ich muß so sein, wie meine Eltern es wünschen.” Demzufolge ist ersichtlich, dass erstens die internali-sierten Anteile anderer Personen sehr wohl als Ich-Iideal interpretiert werden können und zweitens, dass es darauf ankommt, wie die Bezugspersonen ihre Verhaltensansprüche vermitteln rsp. durchsetzen. 67 Eine Internalisierung personaler Objektmerkmale aufgrund repressiver Vermittlung korrespondiert einem strengen Ich-Ideal; je repressiver die familialen Erziehungsmittel, desto strenger das Ich-Ideal und desto intentional handlungsunfähiger das Subjekt. Das Ich-Ideal fällt unter anderem mit Gewissen, Schuldgefühl, Strafbedürfnis und Reue zusammen. ”Alle beziehen sich auf dasselbe Verhältnis, benennen aber verschiedene Seiten desselben. Das Über Ich ist eine von uns erschlossene Instanz, das Gewissen eine Funktion, die wir ihm neben anderen zuschreiben, die die Handlungen und Absichten des Ichs zu überwachen und zu beurteilen hat, eine zensorische Tätigkeit ausübt. Das Schuldgefühl, die Härte des Über Ichs, ist also dasselbe wie die Strenge des Gewissens, ist die dem Ich zugeteilte Wahrnehmung, daß es in solcher Weise überwacht wird, die Abschätzung der Spannung zwischen seinen Strebungen und den Forderungen des Über Ichs, und die der ganzen Beziehung zugrunde liegende Angst vor dieser kritischen Instanz, das Strafbedürfnis ist eine Triebäußerung des Ichs, das unter dem Einfluß des sadistischen Über Ichs masochistisch geworden ist, d.h. ein Stück des in ihm vorhandenen Triebes zur inneren Destruktion zu einer erotischen Bindung an das Über Ich verwendet. Vom Gewissen sollte man nicht eher sprechen, als bis ein Über Ich nachweisbar ist; vom Schuldbewußtsein muß man zugeben, daß es früher besteht als das Über Ich, also auch als das Gewissen. Es ist dann der unmittelbare Ausdruck der Angst vor der äußeren Autorität, die Anerkennung der Spannung zwischen dem Ich und dieser letzteren, der di-rekten Abkömmlinge des Konflikts zwischen dem Bedürfnis nach deren Liebe und dem Drang nach Triebbefriedigung, dessen Hemmung die Neigung nach Aggression (gegen ein Objekt) erzeugt. ... Reue ist eine Gesamtbezeichnung für die Reaktion des Ichs in einem Fall des Schuldgefühls, enthält das wenig umgewandelte Empfindungsmaterial der dahinter wirksamen Angst, ist selbst eine Strafe und kann das Strafbedürfnis einschließen; auch sie kann älter sein als das Gewissen." 68 Die Konstituierung des Über Ichs koinzidiert mit der nach Freud Beendigung des Ödipuskomplexes, wobei die Einschränkung zu machen ist, dass der Ödipuskomplex ein nur in Kleinfamilien vorherrschender erotischer Konflikt des Kindes zum gleichgeschlechtlichen EIternteil ist. Da diese besondere Beziehung aber eher die geschlechtspezifische Identifizierung betrifft, die damit verknüpfte Gefühlsambivalenz (Empfindung von Liebe und Haß für eine Person) aber die gesamte ödipale Phase einschließt, so muß man davon ausgehen, dass bereits früher rudimentäre Über-Ich Repräsentanzen konstituiert werden, was auf eine Über Ich-Entwicklung hindeutet, die mit der Einsetzung des Realitätsprinzips zusammenfällt. Demzufolge bedeutet Identifizierung mit den Bezugspersonen immer eine Triebkanalisierung, deren restriktive oder konstruktive Ausdrucksformen von der Art und Weise der Triebverzichtsvermittlung durch die Bezugspersonen abhängen, also die Möglichkeiten der Fähigkeitsentwicklung determinieren. Gleichwohl läßt sich die Bedeutung des Ich Ideals hinsichtlich pathologischer Vorgänge ableiten: ein ursprünglicher Konflikt zwischen subjektivem Bedürfnis und zumindest restriktiver Triebverzichtsvermittlung setzt sich intrapsychisch, in Abhängigkeit vom Maß der quantitativen Besetzung des verinnerlichten Verbotes, als Konflikt zwischen subjektiven Handlungsintentionen und Forderungen des Ich-Ideals fort, wobei der Konflikt als solcher intrapsychisch repräsentiert ist, wenn auch unbewußt; bewußt-seinsfähig ist nur die scheinbare Konfliktlösung in Form der besetzten Ersatzbefriedigung. Ein diesbezügliches Normalitätskriterium kann nur generell formuliert werden: Es impliziert eine partielle, wenn nicht gar vollständige Konvergenz zwischen den Forderungen und Ansprüchen des Ich-Ideals und den bewußten inten-tionalen Befriedigungshandlungen eines relativ autonomen Ichs. Wenngleich dieses Normalitätskriterium wahrscheinlich nur für die partiellen Konvergenzen zutrifft, so läßt es sich zumindest an einigen Komponenten festmachen. Normalität wäre dann abhängig von der Dynamik des frühinfantilen Konfliktes, vom Maß der quantitativen Besetzungen der idealisierten Repräsentanzen und von der Bewußtseinfähigkeit der Ich-Repräsentanzen.

Was nun das soziale Über Ich betrifft, so stimmt das in etwa mit dem Kultur Über Ich Freuds überein und besagt, dass zunächst die primäre Sozialisation in der Familie eine Konfrontation des Kindes mit spezifischen Interaktionstrukturen darstellt. Normen, Konventionen, Etiketten, Rollenerwartungen der anderen Familienmitglieder und spezifische Kommunikationsstrukturen und Machtverhältnisse müssen dem Kind vermittelt werden. "Im Entwicklungsprozeß des Einzelmenschen wird das Programm des Lustprinzips, Glücksbefriedigung zu finden, als Hauptziel festgehalten, die Einreihung in oder die Anpassung an eine menschliche Gemeinschaft erscheint als eine kaum zu vermeidende Bedingung, die auf dem Wege zur Erreichung des Glücksziels erfüllt werden soll. Ginge es ohne diese Bedingung, so wäre es vielleicht besser. Anders ausgedrückt: die individuelle Entwicklung erscheint uns als ein Produkt der Interferenz zweier Strebungen, des Strebens nach Glück, das wir gewöhnlich egoistisch und des Strebens nach Vereinigung mit anderen in der Gemeinschaft, das wir altruistisch heißen In der individuellen Entwicklung fällt, wie gesagt, der Hauptakzent meist auf die egoistische oder Glücksstrebung, die andere, kulturell zu nennende, begnügt sich in der Regel mit der Rolle einer Einschränkung. Anders beim Kulturprozeß; hier ist das Ziel der Herstellung einer Einheit aus den menschlichen Individuen bei weitem die Hauptsache, das Ziel der Beglückung besteht zwar noch, aber es wird in den Hintergrund gedrängt; fast scheint es, die Schöpfung einer großen menschlichen Ge-meinschaft würde am besten gelingen, wenn man sich um das Glück des Einzelnen nicht zu kümmern brauchte. Der Entwicklungsprozeß des Einzelnen darf also seine besonderen Züge haben, die sich im Kulturprozeß der Menschheit nicht wiederfinden; nur insofern dieser erste Vorgang den Anschluß an die Gemeinschaft zum Ziel hat, muß er mit dem letzteren zusammenfallen. ... Das Über Ich einer Kulturepoche hat einen kindlichen Ursprung wie das des Einzelmenschen, es ruht auf dem Eindruck, den große Führerpersönlichkeiten hinterlassen haben Ein anderer Punkt der Übereinstimmung ist, daß das Kultur Über Ich ganz wie das des Einzelnen strenge Idealforderungen auf-stellt, deren Nichtbefolgung durch Gewissensangst (oder Strafandrohung) gestraft wird. ... Das Kultur Über Ich hat seine Ideale ausgebildet und erhebt seine Forderungen. Unter den letzten werden die, welche die Beziehungen der Menschen zueinander betreffen, als Ethik zusammengefaßt. Zu allen Zeiten wurde auf diese Ethik der größte Wert gelegt, als ob man gerade von ihr besonders wichtige Leistungen erwartete. Und wirklich wendet sich die Ethik jenem Punkt zu, der als die wundeste Stelle jeder Kultur leicht kenntlich ist. Die Ethik ist also als ein therapeutischer Versuch aufzufassene als Bemühung, durch ein Gebot des Über Ichs zu erreichen, was bisher durch sonstige Kulturarbeit nicht zu erreichen war." 69

Aufgrund seiner frühinfantilen Abhängigkeit von den Bezugspersonen bedarf das Kind, um eine Orientierung in der Welt zu gewährleisten, der Vermittlung familien , gruppen , schicht und gesellschaftsspezifischer Normen und Werte, was insbesondere durch die primäre Sozialisation erreicht wird; denn zum Zeitpunkt der sekundären Sozialisation sind zumindest partielle autonome Ich Leistungen bereits konstituiert, die ersten Ablösungsprozesse von den Eltern lassen eine, wenn auch noch eingeschränkte Orientierung in der Welt zu. Es scheint aber nicht hinreichend, die relevanten Normen und Werte mittels Verbot der subjektiven Handlungskompetenz zu entziehen, sondern es ist wesentlich, die verbalen Sinninterpretationen in einer altersadäquaten Weise zu vermitteln, so dass sie bewußtseinsfähig sind und auch bleiben, dass sie in einer aktuellen Situation dem bewußt intentionalen Handlungsrepertoire zugänglich gemacht werden können; denn mittels Verbot oder gar Gewalt, gleichsam oktrojierte internalisierte Repräsentanzen beeinträchtigen späterhin die Möglichkeiten des Subjektes zur Entscheidungsfähigkeit. Das Subjekt handelt nicht aufgrund seiner Kompetenz, sondern aufgrund unbewußter Repräsentanzen, ohne unmittelbares Wissen des Handlungskontextes, die Handlung setzt sich quasi hinter dem Rücken des Sub-jektes durch.

Die theoretische Relevanz des Über Ich impliziert zwangsläufig eine Differenzierung zwischen Subjektivität und Sozialität. Die Sozialität modifiziert das Maß der Subjektivität, wobei das internalisierte Norm und Wertegefüge des Über Ichs als Restriktion der Subjektivität aufzufassen ist. Im Falle einer minder intensiven Be-setzung der Über-Ich Repräsentanzen erscheint eine Konvergenz oder ein Kompromiß zwischen subjektiven und sozialen Forderungen sehr wohl möglich. Das gesellschaftliche Sein ist faktisch gebunden an ein Mindestmaß subjektiver Re-striktionen, denn gesellschaftsimmanente Werte, Normen, Bewertungen und Fä-higkeitspräferenzen sind eben nicht angeboren, sie sind nicht abhängig vom subjektiven Wollen, sondern vielmehr sind sie abhängig von den im sozialisatorischen Bildungsprozeß vermittelten intersubjektiven Bedeutungsstrukturen, was immer auch eine Anpassung des Kindes an ein bestehendes Gesellschaftssystem mit seinen spezi-fischen Norm und Wertesystemen bedeutet. Eine Entwicklung zur relativen Ent-scheidungsautonomie findet ihre Grenzen an den Forderungen und Erwartungen der Fa-milie, Gruppe, Schicht und Gesellschaft. Freud betont nicht umsonst, das jede kulturelle Entwicklung eng mit Triebrestriktionen oder Triebrepressalien assoziiert ist, und insofern können die Über Ich Repräsentanzen als die Summe oder das Produkt oder die Kumulation aller die Triebe beeinflussenden gesellschaftlichen Forderungen bezeichnet werden. Gleichwohl sind diese Bedingungen abhängig von den quantitativen Beset-zungen der Über Ich Repräsentanzen, d.h. je moralischer und rigider die Über Ich Repräsentanzen, ein desto größerer Anteil von ihnen ist unbewußt und desto intensiver der intrapsychische und daraus resultierende Konflikt des Subjektes zu seinem sozialen Interaktionskontext.

4.3 Das Ich

Im Bereich der Triebtheorie wurde vom Ich- oder Selbsterhaltungstrieb gesprochen, was zunächst auf die subjektive Komponente verweist, deren Entwicklung von modernen Theoretikern der Psychoanalyse dem Aggressionstrieb subsumiert wird. 70 Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass Freud bereits in der Traumdeutung von Aggressionsneigung spricht, nicht im Sinne von Aggression gegen Objekte, sondern, sofern der Ich-Trieb ein existenziellen Bedürfnisse (Hunger, Durst und Liebe) einschließt, von Aggression als wertneutrale Kategorie, im Sinne eines durch den Zwang der Bedürfnisäußerung bestimmten genuinen Strebens zur Außenwelt oder wie Berger (1977) es ausdrückt ”Weltoffenheit”; denn eine Bedürfnisäußerung bedarf einer quantitativen Größe, die zunächst nichts mit dem Sexualtrieb gemein hat, sondern eine Bedürfnisäußerung überhaupt erst ermöglicht, d.h. konnatal läßt sich kaum genau bestimmen, welchem Bedürfnis die Äußerung gilt, ob der Wiederherstellung des intrauterinen Zustandes, dem Hunger, Durst oder dem Liebesbedürfnis. Es läßt sich nur soviel sagen, dass die unterschiedlichsten Reaktionen der Bezugspersonen zu einer Beruhigung des Kindes führen, insofern ist also kein Rückschluß auf die Intentionalität (im oben beschriebenen Sinne) der Bedürfnisäußerung möglich, sondern die Eltern können nur aufgrund der Beruhigung (Befriedigung) des Kindes schließen, dass sie bedürfnisadäquat gehandelt haben.

Eine Bewertung des Aggressionstriebes hinsichtlich Destruktionstendenzen impliziert bereits eine gesellschaftsspezifische Wertung, während die Angriffslust des Säuglings bis zum Erlebnis des Gegenteils sich auf alle Objekte der Umwelt richtet, d.h. Destruktionstendenzen sind eine Folge von Unlusterlebnissen. Die Annahme eines Aggressionstriebes unterstellt, dass die Eroberung der Außenwelt mit Lust assoziiert sein kann rsp. mit Lust assoziiert sein muß, um Entwicklungsfortschritte zu erreichen, aber mit einer von der sexuellen differenzierbaren Lust bzw. einer vom Sexuellen abgelenkten Lust (Sublimierung). Paraphrasierend kann die durch biologische Reifung bestimmte Beherrschung und Verwendung der Motorik angeführt werden, die Lust an der Bewegung und Beherrschung des eigenen Körpers, auch späterhin die Lust an intellektueller Tätigkeit, generell die Befriedigung durch die Beherrschung immer komplexer werdender Fähigkeiten, die im Verlaufe der Entwicklungsprozesse nicht zwangsläufig mit dem Sexualtrieb verknüpft sein muß, aber gleichwohl von der Förderung oder Hemmung durch die Bezugspersonen erheblich beeinflußt wird. Die anfangs dargelegten Triebpräzisierungen lassen sich sehr wohl auf den Aggressionstrieb übertragen. Eine weitere Unterstützung erhält die Annahme des Aggressionstriebes durch die psychosomatische Streßfunktion, die durch "schädliche" Außenweltreize ausgelösten vegetativen Prozesse, die den Körper quasi auf volle Leistungsfähigkeit programmieren, also ein quantitatives Maß für Aktivitäten, etwa die Flucht angesichts einer Gefahr oder der Angriff auf ein gefährlich erscheinendes Objekt oder die manchmal unglaubhaft erscheinenden Energiepotentiale in lebensbedrohenden Situationen scheinen deutliche Anzeichen rsp. Ausdrucksformen des Aggres-sionstriebes ohne negative Wertung zu sein – Aggressionstendenzen gegen Objekte implizieren immer auch Destruktionstendenzen des Objektes . 71

Die konnatale Situation läßt demnach keine eindeutige Trennung von Sexual und Ichtrieb erkennen, der Triebdualismus wie Freud ihn versteht erscheint eher als Entwicklungsprodukt, nicht im Sinne von gegeneinander, sondern interdepentent. Eine eindeutige Differenzierung läßt sich erst durch die Pubertät bestimmen oder in ihren Anfängen in der ödipalen Phase, obwohl diese eindeutige Differenzierung nur in bezug auf spezifische Tätigkeiten oder Merkmale möglich zu sein scheint. Die Ich Entwicklung impliziert sowohl sexuelle, kognitive als auch soziale Komponenten.

Es läßt sich sehr leicht zeigen, dass die Aggression als Ich-Trieb aufgefaßt eine Bereicherung der psychoanalytischen.Theorie ist: ”Wir können sagen, der seelische Apparat diene der Absicht, die von außen und von innen an ihn herantretenden Reizmengen, Erregungsgrößen, zu bewältigen und zu erledigen.

Von den Sexualtrieben ist es ohne weiteres evident, daß sie zu Anfang wie zu Ende ihrer Entwicklung auf Lustgewinn arbeiten; sie behalten diese ursprüngliche Funktion ohne Abänderung bei. Das nämliche streben auch die anderen, die Ichtriebe, anfänglich an. Aber unter dem Einfluß der Lehrmeisterin Not lernen die Ich Triebe bald, das Lustprinzip durch eine Modifikation zu ersetzen. Die Aufgabe, Unlust zu verhüten, stellt sich für sie gleichwertig neben die des Lustgewinns; das Ich erfährt, daß es unvermeidlich ist, auf unmittelbare Befriedigung zu verzichten, den Lustgewinn aufzuschieben, ein Stück Unlust zu ertragen und bestimmte Lustquellen überhaupt aufzugeben. Das so erzogene Ich ist verständig geworden, es läßt sich nicht mehr vom Lustprinzip beherrschen, sondern folgt dem Realitätsprinzip, das im Grunde auch Lust erzielen will, aber durch die Rücksicht auf die Realität gesicherte, wenn auch auf-geschobene und verringerte Lust. Der Übergang vom Lust zum Realitätsprinzip ist einer der wichtigsten Fortschritte in der Entwicklung des Ichs." 72 Es wurde bereits an anderer Stelle ausgeführt, dass das Es die archaische Ausstattung des Subjektes beinhaltet, dass konnatal keine Differenzierung zwischen psychischer Welt und Außenwelt konstatiert werden kann, dass die erste postnatale Phase aufgrund des ungerichteten Lustprinzips durch eine "Wahrnehmungsidentität” gekennzeichnet ist. Gleichwohl wurde die Auffassung vertreten, dass die Subjektivität nie größer ist als zu jener Zeit, woraus man folgern darf, die Ich-Komponente in Form eines Lust Ichs wird sukzessiv ausgebildet. Da keine Differenzierung von innen und außen möglich erscheint, introjiziert der Säugling die Befriedigungsobjekte, sofern sie Lustquellen sind, d.h. das Befriedigungsobjekt wird zum eigenen Körper gehörend perzipiert, während Unlust verursachende Faktoren quasi abgestoßen werden, d.h. die von Objekten verursachte Unlust wird gleichsam als innere Unlust perzipiert, die der Säugling durch Schreien, Zappeln usw. abzuwenden sucht.73 „Dieses Lust Ich kann nichts anderes als wünschen und der Unlust durch irgendeine Äußerung Abhilfe verschaffen. ”Während das ursprüngliche Lust Ich, ..., alles Gute sich introjizieren will, alles Schlechte von sich werfen" 74, ändert sich dies beim Sekundärprozeß. ”Eine andere Entscheidung der Urteilsfunktion, die über die reale Existenz eines vorgestellten Dinges, ist ein Interesse des endgültigen Real Ichs, das sich aus dem anfänglichen Lust Ich entwickelt (Realitätsprüfung). Nun handelt es sich nicht mehr darum, ob etwas Wahrgenommenes (ein Ding) ins Ich aufgenommen werden soll oder nicht, sondern ob etwas im Ich als Vorstellung Vorhandenes auch in der Wahrnehmung (Realität) wiedergefunden werden kann. .. Das Nichtreale, bloß Vorgestellte, Subjektive ist nur in-nen; das andere Reale, auch im Draußen vorhanden. In dieser Entwicklung ist die Rücksicht auf das Lustprinzip beiseite gesetzt worden. Die Erfahrung hat gelehrt, es ist nicht nur wichtig, ob ein Ding (Befriedigungsobjekt) die gute Eigenschaft besitzt, also die Aufnahme ins Ich verdient, sondern auch, ob es in der Außenwelt da ist, so daß man sich seiner nach Bedürfnis bemächtigen kann. Um diesen Fortschritt zu verstehen, muß man sich daran erinnern, daß alle Vorstellungen von Wahrnehmungen stammen, Wiederholungen derselben sind. Ursprünglich ist also schon die Existenz der Vorstellung eine Bürgschaft für die Realität des Vorgestellten. Der Gegensatz zwischen Subjektivem und Objektivem besteht nicht von Anfang an. Er stellt sich dadurch her, daß das Denken die Fähigkeit besitzt, etwas einmal Wahrgenommenes durch Re-produktion in der Vorstellung wieder gegenwärtig zu machen, während das Objekt draußen nicht mehr vorhanden zu sein braucht. Der erste und nächste Zweck der Realitätsprüfung ist also nicht, ein dem Vorgestellten entsprechendes Objekt in der realen Wahrnehmung zu finden, sondern es wiederzufinden, sich zu überzeugen, daß es noch vorhanden ist. Ein weiterer Beitrag zur Entfremdung zwischen Subjektivem und Objektivem rührt von einer anderen Fähigkeit das Denkvermögens her. Die Reproduktion der Wahrnehmung in der Vorstellung ist nicht immer deren getreue Wiederholung; sie kann durch Weglassen modifiziert, durch Verschmelzung ver-schiedener Elemente verändert sein. Die Realitätsprüfung hat dann zu kontrollieren, wie weit diese Entstellungen reichen. Man erkennt aber als Bedingung für die Einsetzung der Realitätsprüfung, daß Objekte verlorengegangen sind, die einst reale Befriedigung gebracht hatten.” 75

Vor dem Hintergrund dieser bildlich affektiv internalisierten Realität werden bei neuartigen Objekten erste Erinnerungspuren repräsentiert oder andere Objekte wiedererkannt. Anders bei den Bezugspersonen, deren zumindest latent oder ubw affek-tive Verhaltens und Handlungsmuster teilweise einer permanenten Modifikation unterliegen, d.h. sie weisen wahrscheinlich keine Kontinuität und Eindeutigkeit auf, so dass das Kind bei Verwendung derselben entweder auf Toleranz, auf Widerstand oder auf Versagung und Verbot trifft, wodurch die ersten Konflikte vorprogrammiert sind. Die Bezugspersonen sind sich ihrer affektiv verwendeten Kommunikationsmittel und der resultierenden Widersprüche nicht bewußt, das Kind aber perzipiert diese – wie Overmann es ausdrückt - affektiv wahrheitsgemäß. Dieses auf der affektiven Ebene sich konstituierende Ich ist aber noch keinesfalls konfliktfähig, sondern noch an direkten Befriedigungsansprüchen fixiert, das Ich kann sich zu diesem Zeitpunkt nur durch Ver-drängung schützen. Das Ich ist soweit konstituiert, dass motorische und mimische Koordination beginnt und die Bedürfnisbefriedigungen differenzierter werden. Die Realitätsorientierung oder die Berücksichtigung der Objekte, die die Realität vertreten und auch vermitteln, leitet den Übergang zum Spracherwerb und damit auch zur Trennung von Ubw und Vbw ein. Die Sprache wird dann mehr und mehr zum Faktor, der die Sinninterpretation der Realität übernimmt und die affektiven Perzeptionen und Handlungen überlagert. Die nicht mit Sinn aufgefüllten Kontexte und Repräsentanzen bleiben dann ubw., wenn auch nicht verdrängt. Die durch die Bezugspersonen vermittelten Sinninterpretationen aber werden zunächst für wahr gehalten. Diesbezügliche Konflikte treten erst dann auf, wenn die Sinninterpretationen im Interaktionskontext sich als defizitär erweisen oder von anderen für falsch erklärt werden; das trifft auch für die phantasierten Sinninterpretationen zu. Wahrheit und Gültigkeit der Sinninterpretationen unterliegen einer intersubjektiven Konsensfähigkeit. Was die Wahrheit unsererselbst betrifft, so meint Freud: "Normalerweise ist uns nichts gesicherter als das Gefühl unseres Selbst, unseres eigenen Ichs. Dies Ich erscheint uns selbständig, einheitlich, gegen alles andere gut abgesetzt. Das dieser Anschein ein Trug ist, daß das Ich sich vielmehr nach innen ohne scharfe Grenzen in ein unbewußt seelisches Wesen fortsetzt, das wir als Es bezeichnen, dem es gleichsam als Fassade dient, das hat uns erst die psychoanalytische Forschung gelehrt, ... Aber nach außen wenig stens scheint das Ich klare und scharfe Grenzlinien zu behaupten.” 76 "Die Patho-logie lehrt uns eine große Anzahl von Zuständen kennen, in denen die Abgrenzung das Ichs gegen die Außenwelt unsicher wird oder die Grenzen wirklich unrichtig gezogen werden. Fälle, in denen uns Teile des eigenen Körpers, ja Stücke des eigenen See-lenlebens, Wahrnehmungen, Gedanken, Gefühle wie fremd und dem Ich nicht zugehörig erscheinen, andere, in denen man der Außenwelt zu schiebt, was offenbar im Ich entstanden ist und von ihm an erkannt werden sollte. Also ist auch das Ichgefühl Störungen unterworfen, und die Ichgrenzen sind nicht beständig," 77

Die Instanz des Ichs bestimmt zunächst die Subjektivität, und zwar die durch den Einfluß der Außenwelt modifizierte, gleichsam die Definition der Subjektivität gegenüber der Realität oder den Teil der Subjektivität, der als Selbstgefühl, die Einmaligkeit des Subjektes gegen alle anderen Objekte sichern soll. Während das Lust Ich mit dem Es konvergiert und die Außenwelt als solche noch nicht eindeutig differenziert zu werden vermag, ändert sich das mit der Konstituierung des Real Ichs, des durch den Einfluß der Außenwelt modifizierten Teils des Es. Damit ist das Ich als Entwicklungsprodukt gekennzeichnet, das aufgrund seiner biographischen In-teraktionkontexte in einem spezifischen Bezugssystem entsteht. Die relevante Komponente ist dabei nicht die Außenwelt an sich, sondern vielmehr die psychischen Repräsentanzen, die sich aufgrund der durch die Bezugspersonen vermittelten, internalisierten Außenwelteinflüsse und kontexte zu subjektiven Handlungs und Verhaltensmustern strukturieren und organisieren, oder anders ausgedrückt:

das Ich ist das Resultat von Interaktionsprozessen, die den subjektiven Anspruch auf direkte Bedürfnisbefriedigung in Befriedigungsformen modifiziert, die in der gesellschaftlichen Realität normadäquat sind, die - im engen Sinne - Störungen des Subjektes zu seinem Interaktionskontext verhindern sollen. Das Ich ist ein durch die Realitätsvermittlung sukzessiv sich organisierender Teil der Psyche, der zwischen "Sinnesreizen und Wahrnehmung seiner Körperbedürfnisse einerseits, seine motorischen Akte andererseits eingeschaltet ist und in bestimmter Absicht zwischen ihnen vermittelt” 78, was zunächst keinerlei Wertung in bezug auf gesellschaftskritische oder adäquate Verhaltens , Handlungs oder Bedeutungsmuster impliziert. ”Zu einer Charakteristik des eigentlichen Ichs, insofern es sich vom Es und vom Über Ich sondern läßt, gelangen wir am ehesten, wenn wir seine Beziehung zum äußersten oberflächlichen Stück des seelischen Apparates ins Auge fassen, das wir als System W Bw bezeichnen. Dieses System ist der Aussenwelt zugewendet, es vermittelt die Wahrnehmungen von ihr, in ihm entsteht während seiner Funktion das Phänomen des Bewußtseins. Es ist das Sinnesorgan des ganzen Apparats, empfänglich übrigens nicht nur für Erregungen, die von außen sondern auch für solche, die aus dem Innern des Seelenlebens herankommen. Die Auffassung bedarf wohl keiner Rechtfertigung, daß das Ich jener Teil des Es ist, der durch die Nähe und den Einfluß der Außenwelt modifiziert wurde, zur Reizaufnahme und zum Reizschutz eingerichtet, ... Die Beziehung zur Außenwelt ist für das Ich entscheidend geworden, es hat die Aufgabe übernommen, sie beim Es zu vertreten, zum Heil des Es, das ohne Rücksicht auf diese übergewaltige Außenmacht im blinden Streben nach Triebbefriedigung der Vernichtung nicht entgehen würde. In der Erfüllung dieser Funktion muß das Ich die Außenwelt beobachten, eine getreue Abbildung von ihr in den Erinnerungsspuren seiner Wahrnehmung niederlegen, durch die Tätigkeit der Realitätsprüfung fernhalten, was an diesem Bild der Außenwelt Zutat aus inneren Erregungsquellen ist. Im Auftrag des Es beherrscht das Ich die Zugänge zur Motilität, aber es hat zwischen Bedürfnis und Handlung den Aufschub der Denkarbeit eingeschal-tet, während dessen es die Erinnerungsreste der Erfahrung verwertet. Auf solche Weise hat es das Lustprinzip entthront, das uneingeschränkt den Ablauf der Vorgänge im Es beherrscht, und es durch das Realitätsprinzip ersetzt, das mehr Sicherheit und größeren Erfolg verspricht. Auch die so schwer zu beschreibende Beziehung zur Zeit wird dem lch durch das Wahrnehmungssystem vermittelt; es ist kaum zweifelhaft, daß die Arbeitsweise dieses Systems der Zeitvorstellung den Ursprung gibt. Was das Ich im Unterschied zum Es ganz besonders auszeichnet, ist ein Zug zur Synthese seiner Inhalte, zur Zusammenfassung und Vereinheitlichung seiner seelischen Vorgänge, der dem Es völlig abgeht. ... Er allein stellt jenen hohen Grad von Organisation her, dessen das Ich bei seinen besten Leistungen bedarf. Es entwickelt sich von der Triebwahrnehmung zur Triebbeherrschung, aber die letztere wird nur dadurch erreicht, daß die psychische Triebrepräsentanz in einen größeren Verband eingeordnet, in .einen Zusammenhang aufgenommen wird."79 Die dem Ich zugeschriebenen Funktionen determinieren präzi-sierend ausgedrückt den Grad der relativen Autonomie des Subjekts, denn der Grad der relativen Selbstbestimmung hängt insbesondere von den Möglichkeiten des Ichs zur Integration und Vermittlung zwischen Es, Über Ich und Außenweltansprüchen ab, die letztendlich das Maß der bewußtseinsfähigen Repräsentanzen und intentionalen Handlungslalternativen bestimmen.

In der psychoanalytischen Theorie wird die relative Autonomie des Ichs unter dem Begriff "Ich Stärke" diskutiert, was auf die Funktionsfähigkeit in bezug auf die Vereinheitlichungs , Integrations , Kooperations , subjektive Harmonietendenz und auf die Interaktionsfähigkeit verweist. Die Ich Funktionen können unter Berücksichtigung der drei Einflußfaktoren nur dann erfüllt werden, wenn die Triebbefriedigung vermittels des Realitätsprinzips weitgehend gewährleistet ist. Dies trifft insbesondere für die weiterhin dem Lustprinzip subsumierte Sexualbefriedigung zu, zumal keine psychische Störung existiert, die nicht auch die Sexualbefriedigung mehr oder minder einschränkt. Ein wesentliches Normalitätskriterium für das Ich ist die Fähigkeit zur sexuellen Befriedigung 80, die aber aufgrund entwicklungshistorischer Restriktionen konterkariert werden kann. Gleichwohl kann eine Ich Stärke nur dann angenommen werden, wenn die quantitativen Besetzungen der Über Ich Repräsentanzen weniger Energie gebunden haben, d.h. wenn zur Aufrechterhaltung der internalisierten moralischen Forderungen zuviel Energie für den Verdrängungsaufwand gebunden ist und die Über Ich Repräsentanzen größtenteils ubw sind, wird dem Ich durch die permanenten Konflikte ein erhöhtes Maß an Energie entzogen. Weitgehend ubw Inhalte konterkarieren die Tendenz zur Synthese der einzelnen Anteile; denn die bewußt intentionale Entscheidungsfähigkeit ist abhängig von der bewußten Verfügbar-keit möglicher Alternativen. Da Ich und Vbw eng assoziiert sind, so auch Ich und Bw, zumindest sofern die Ich Stärke angesprochen ist; denn die Reflexion ist nichts anderes als die Rekurrierung auf vbw Repräsentanzen, also Reproduktion oder Produktion von Alternativen und dies kann das Bewußtseins gewährleisten. Der Bezug zur Außenwelt und damit zu den Objekten der Befriedigung impliziert darüber hinaus permanent mögliche Ich Modifikationen, ob nun aufgrund erweiterter Erkenntnisse oder aufgrund der Intermalisierung alternativer Verhaltensmuster, die teils mit aufgegebenen Objektbeziehungen zusammenhängen oder zuweilen auch aufgrund aktueller Objektbeziehungen entstehen etwa Partnerschaft, Freundschaft usw. . ist zunächst irrelevant. Die diesbezügliche Freud‘sche Folgerung lautet, "..., daß der Charakter des Ichs ein Niederschlag der aufgegebenen Objektbesetzungen ist, die Geschichte dieser Objektwahlen enthält.” 81 Demzufolge wäre das subjektive Ich ein Resultat von internalisierten Repräsentanzen, die in subjektive Handlungs und Verhaltensmuster transformiert werden, mit allen denkbaren Möglichkeiten, die subjektiven Perzeptionen und deren Be und Verarbeitung immanent sind.

Eine weitergehende soziologische Folgerung betrifft den Sachverhalt, dass Individuen nur von Kontexten, Erlebnissen und Normen wissen können, mit denen sie zumindest kurzzeitig konfrontiert worden sind, d.h. Individuen können sich unmöglich normkonform verhalten, wenn diese Normen nicht psychisch repräsentiert sind, was auf eine gesellschaftliche Komponente in bezug auf abweichendes Verhalten verweist. Konkret: Eine Gesellschaft mit einem spezifischen Rechtssystem, die von ihren Mitgliedern erwartet etwa die Regel: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht - Rechtsnormen einzuhalten, von denen die Individuen aber nichts wissen können, erscheint angesichts das bislang Dargelegten paradox. Dadurch wird die Pflicht der Gesellschaft die die Erziehung in der Schule als eine ihrer wichtigsten Aufgaben ansieht ihren Mitgliedern Kenntnis der herrschenden Rechtsnormen zu vermitteln, in ihr Gegenteil verkehrt und auf eine jeglicher Rationalität entbehrende Art und Weise individualisiert. Einige durch die Gesellschaft produzierte Probleme oder Störungen des Subjektes zu seinem Interaktionskontext sind damit bereits vorprogrammiert, was insbesondere die unteren Gesellschaftsschichten und die Randgruppen betrifft. Die Wechselwirkungen zwischen Subjekt und Gesellschaft bezüglich spezifischer Karrieren sind selbstverständlich vielfältiger als aufgezeigt, aber es sollte deutlich gemacht wer-den, dass Störungen des Subjektes zu seinem Interaktionskontext auch durch spezifische Ideologien beeinflußt werden können, trotz oder gerade aufgrund einer gewissen Ich Stärke. Gemäß der Freud‘schen Auffassung ist "die schwerste Anfor-derung an das Ich wahrscheinlich die Niederhaltung der Triebansprüche des Es, wofür es große Aufwände an Gegenbesetzungen zu unterhalten hat." 82 "Durch die Rücksicht auf die Gefahren der äußeren Realität wird das Ich genötigt, sich gegen gewisse Triebregungen des Es zur Wehr zu setzen, sie als Gefahren zu behandeln. Das Ich kann sich aber gegen innere Triebgefahren nicht in so wirksamer Weise schützen wie gegen ein Stück der ihm fremden Realität. Mit dem Es selbst innig verbunden, kann es die Triebgefahr nur abwehren, indem es seine eigene Organisation einschränkt und sich die Symptombildung als Ersatz für seine Beeinträchtigung des Triebes gefallen läßt. Erneuert sich dann der Andrang des abgewiesenen Triebes, so ergeben sich für das. Ich alle die Schwierigkeiten, die wir als neurotische Leiden kennen." 83 "Es kann aber auch der Anspruch des Über Ichs so stark und so unerbittlich werden, daß das Ich seinen an-deren Aufgaben wie gelähmt gegenübersteht. Wir ahnen, in den ökonomischen Konflikten, die sich hier ergeben, machen Es und Über Ich oft gemeinsame Sache gegen das bedrängte Ich, das sich zur Erhaltung seiner Norm an die Realität anklammern will. Werden die beiden ersteren zu stark, so gelingt es ihnen, die Organisation das Ichs auf-zulockern und zu verändern, so daß seine richtige Beziehung zur Realität gestört oder selbst aufgehoben wird. Wir haben es am Traum gesehen; wenn sich das Ich von der Realität der Außenwelt ablöst, verfällt es unter dem Einfluß der Innenwelt in die Psychose.” 84

5. Die Triebabwehr

In Anbetracht der Möglichkeiten, die Freud dem Bereich der Triebabwehr subsumiert, erscheint eine Auswahl bereits eine unzulässige Vereinfachung des theoretischen Ansatzes, zumal jede Art der Triebabwehr oder Triebbewältigung spezifische Wechselwirkungen und Folgen bezeichnet. Für den Rahmen dieser Arbeit werde ich jedoch nur die theorierelevantesten aufzeigen, denen auch eine generelle Bedeutung zugemessen wird. Aufgrund der bisherigen Ausführungen kann die Entwicklung dem Urkonflikt Bedürfnis-Außenwelt oder Subjekt Gesellschaft subsumiert werden, wobei eine These von Wilhelm Reich als plausible Basis der Darstellungen supponiert wird: ”..würde die Außenwelt nur Lust und Befriedigung bringen, so gäbe es keine Angstphä-nomene." 85 Das verweist zunächst darauf, dass Formen der Triebabwehr zumindest in frühinfantilen Entwicklungsphasen immer auch Repressalien und Restriktionen implizieren; denn eine Abwehr der Triebe ist nur dann von Relevanz, wenn die Außen-welt bestimmte Befriedigungsansprüche nicht akzeptiert rsp. toleriert. Da aber die Grenzen der Triebansprüche durch familien , gruppen , schicht und gesell-schaftsspezifische Normsysteme vorgegeben sind, größtenteils sogar spezifische Verhaltens und Handlungsnormen in bestimmten Entwicklungsphasen erwartet werden auch das sind vorgegebene.Normansprüche , ist die Art und Weise der Vermittlung von erheblicher Bedeutung. Diesbezüglich bemerkt Freud ganz richtig:

"Drittens endlich und das scheint das Wichtigste, ist es unmöglich zu übersehen, in welchem Ausmaß die Kultur auf Triebverzicht aufgebaut ist, wie sehr sie gerade die Nichtbefriedigung (Unterdrückung) von mächtigen Trieben zur Voraussetzung hat. Diese Kulturversagung beherrscht das große Gebiet der sozialen Beziehungen der Menschen ..." 86 Es ist aber keinesfalls so, dass gesellschaftliches Sein immer auch Triebrepressionen oder restriktionen impliziert, sondern vielmehr ist, wie bereits angedeutet, die Art und Weise der Normvermittlung ausschlaggebend, was letztlich darauf verweist, dass Triebansprüche auch in der Gesellschaft Raum zur Befriedigung erhalten, wenn auch nicht immer direkte Befriedigung. Für die Annahmen der Triebabwehr haben diese Ausführungen entscheidende Konsequenzen: die Triebabwehr hat demnach nichts mit der archaischen Ausstattung des Menschen zu tun, sondern sie bezeichnet mehr oder minder repressive Formen der Anpassung des Subjektes an herrschende gesellschaftliche Verhältnisse. Eine Umkehrung, d.h. der intentionale Einfluß des Subjektes auf gesellschaftliche Verhältnisse erfolgt erst viel später. Daraus läßt sich auch diesbezüglich eine generelle Hypothese entwickeln: Die Triebabwehr determiniert die Art und Weise der Restriktionen oder Kanalisierungen des Trieb-potentials, des Aktivitäts , Glücks und Fähigkeitspotentials des Subjekt und je größer das Maß des quantitativen Aufwandes für die Triebabwehr, desto schwächer die relative Autonomie des Ichs, desto unfähiger das Subjekt, sich in seinem Interaktionskontext zu orientieren.

5.1 Die Verdrängung

Das Erklärungsmodell der Verdrängung darf nicht nur als pathologische Form der Triebabwehr aufgefaßt werden, sondern eher als eine Form des rudimentären Ichs, Konfliktsituationen zu bewältigen, die es in Form einer bewußten Konfliktlösung noch überhaupt nicht bewältigen kann. Es ist ein primitiver Schutz, Angst und Unlustsitu-ationen zu bewältigen.

Der diesbezügliche Ansatz Freuds beginnt wie immer im Bereich der Methode "Psychoanalyse”:

” .. die Existenz des Symptoms hat zur Voraussetzung, daß irgendein psychischer Vorgang nicht in normaler Weise zu Ende geführt wurde, so daß er bewußt werden konnte. Das Symptom ist ein Ersatz für das, was da unterblieben ist." 87 "Gewisse seelische Vorgänge hätten sich normalerweise soweit entwickeln sollen, daß das Bw Kunde von ihnen erhielt. Das ist nicht geschehen, und dafür ist aus den unterbrochenen, irgendwie gestörten Vorgängen, die unbewußt bleiben mußten, das Symptom hervorgegangen.” 88 ”Es muß sich ein heftiges Sträuben dagegen erhoben haben, dass der fragliche seelische Vorgang bis zum Bw vordringe; er blieb darum unbewußt. Als ubw hatte er die Macht, ein Symptom zu bilden. Dasselbe Sträuben widersetzt sich während der analytischen Kur dem Bemühen, das Ubw ins Bw überzuführen, von neuem. Dies verspüren wir als Widerstand. Der (pathogene) Vorgang, der uns durch den Widerstand erwiesen wird, soll den Namen der Verdrängung erhalten." 89

Für die weiteren Ausführungen erscheint es wichtig, zu betonen, dass die Verdrän-gungstheorie primär aufgrund von Analysen der Psychoneurosen entwickelt worden ist, aber wegen einer generell konstatierbaren Amnesie frühinfantiler Erlebniskontexte, ist anzunehmen, dass Entwicklungsprozesse ohne Verdrängungen kaum denkbar sind. Den diesbezüglichen Forschungen konnte Freud eine generelle These in bezug auf die Ursachen der Psychoneurosen entnehmen: "... diese Personen erkranken an der Versagung in irgendeiner Weise, wenn ihnen die Realität (Bezugspersonen) die Befriedigung ihrer sexuellen Wünsche vorenthält." 90 Aus empirischer Sicht wird der Widerstand, der sich gegen die Reproduktion spezifischer Erlebnisse, Kontexte oder Sachverhalte stellt als Anzeichen einer Verdrängung verstanden. Ein Gedankengang oder eine Erlebnisfolge, die scheinbar verbalisierungsfähig ist, bricht entweder plötzlich ab oder wird in eine andere Richtung abgelenkt, aber ohne dass dem Subjekt die Modifikation oder der Widersprüche seiner Ausführungen bewußt zu sein scheinen. Die Rigidität der miteinander nicht unbedingt zu vereinbarenden Gedankenfolgen, manchmal sogar die bewußte Weigerung bestimmte Themata anzusprechen, läßt auf Verdrängungen schließen. Primäres Anzeichen ist jedoch ein subjektives Leiden oder ein Symptom, und der empirische Verlauf der Analyse bestimmt die Richtung vom Sym-ptom oder Widerstand hin zu entwicklungshistorischen Situationen, deren konfliktäre Konstellation die Verdrängung verursacht hat und sich über das Symptom aktuell äußert, d. h. Symptome verraten immer auch unbewußte Motivationen. 91

Vor dem empirischen Hintergrund erscheint der Begriff des Widerstandes relevant, vom theoretischen Standpunkt der Begriff der Verdrängung, der vom Begriff des Vergessens her diskutiert wird als Form erlebter Prozesse, die dem Bewußtsein nicht mehr zugänglich sind . Freuds diesbezügliche Auffassung tendiert in die Richtung, dass normales Vergessen nicht erklärbar sei, obwohl meiner Auffassung nach Vergessen einerseits als vbw Inhalt, der durch andere Inhalte nur überlagert ist, aber aufgrund seiner assoziativen Bedingungen nicht bewußt werden kann, interpretiert werden muß, andererseits könnten es aber auch Inhalte sein, die nur vbw oder ubw perzipert worden sind, d.h. die sich mit vbw oder unbewußten Repräsentanzen assoziiert haben; denn ein vollständiges Vergessen scheint aus psychoanalytischer Sicht nicht möglich. Es zeigt sich, dass auch sogenannte vergessene Inhalte durch spezifische Assoziationen sehr wohl wieder bewußt werden etwa unkonzentriertes Lesen oder Lernen, wobei die diesbezüglichen Inhalte bewußt werden, sowie ein adäquater Reiz oder eine spezifische Assoziation perzipiert wird . In Anbetracht des Wiederholungszwanges von eher lustbetonten Kontexten und Inhalten erscheint das normale Vergessen eher auf Prozessen zu beruhen, die aufgrund zwanghafter aber nicht dauerhafter Einflüsse eine mehr oder minder bewußte Besetzung erfahren haben. Andere bewußtseinsfähigere oder auch Symptomhandlungen, deren quantitative Besetzung sehr intensiv ist, schieben sich immer wieder zwischen die scheinbar vergessenen (vgl. Anhang 1). Das hängt auch mit der Erweiterung der Frustrations bzw. Unlustschwelle zusammen. Prozesse oder Vorgänge, zu denen sich das Subjekt zwingt oder gezwungen wird, können aufgrund permanenter Wiederholung (Habitualisierung) unlustbetonten Vorgängen scheinbar einen bestimmten Befriedigungseffekt (was hier als subjektiver Befriedigungsaspekt bewußt ist, war ursprünglich unlustbetont, durch den Einfluß der Bezugspersonen im Hinblick auf Resstriktion oder Strafe, wurde eigentlich die Bezugsperson befriedigt und um deren Zuneigung nicht zu verlieren, wurde die unlustbetonte Handlung ausgeführt) abverlangen und sie dadurch den bewußtseinfähigen Repräsentanzen subsumieren. Hier zeigt sich eine partielle Analogie zu psychischen Störungen, es werden Handlungen ausgeführt, die die Frustrationen oder Ängste des Subjektes steigern, aber trotzdem ausgeführt werden. Der Unterschied besteht nur darin, dass letztere aufgrund unbewußter Motivation zustande kommen, während erstere aufgrund bewußter Manipulation erzwungen werden, wozu ganz offensichtlich ein ungeheurer Kraftaufwand erforderlich ist.

”Es gibt (aber) eine (andere) Art von Vergessen, welche sich durch die Schwierigkeit auszeichnet, mit welcher die Erinnerung auch durch starke äußere Anrufung erweckt wird, als ob ein innerer Widerstand sich gegen deren Wiederbelebung sträubt. Solches Vergessen hat den Namen Verdrängung erhalten. ... Nun wissen wir ganz allgemein nicht, ob das Vergessen eines Eindrucks mit dem Untergang von dessen Er-innerungsspur im Seelenleben verbunden ist (vgl. in dieser Arbeit vorherige Seite); von der Verdrängung können wir aber mit Bestimmtheit behaupten, daß sie nicht mit dem Untergang, dem Auslöschen der Erinnerung zusammenfällt. Das Verdrängte kann zwar in der Regel sich nicht ohne weiteres als Erinnerung durchsetzen, aber es bleibt leistungs und wirkungsfähig, es läßt eines Tages unter dem Einfluß einer äußeren Einwirkung psychische Abfolgen entstehen, die man als Verwandlungsprodukte und Abkömmlinge der vergessenen Erinnerung auffassen kann und die unverständlich bleiben, wenn man sie nicht so auffaßt.” 92 Die Verdrängung ist demnach eine Art des Vergessens, die sich dadurch auszeichnet, daß eine Vorstellung, ein Erlebnis, Inhalt oder ein Kontext als ubw Repräsentanz erhalten bleibt und die bewußten Repräsentanzen und damit das Ich beeinflussen kann. Bei assoziativer Aktivierung gelangen sie in modifizierter Form zum Bw, so dass mentale Repräsentanzen, Perzeptionen oder Handlungen sich quasi ungeachtet subjektiver Intentionalität durchsetzen. ”Alles, was verdrängt ist, ist unbewußt, aber nicht von allem Unbewußten können wir behaupten, daß es verdrängt sei. ... Unbewußt ist ein rein deskriptiver Ter-minus, in mancher Hinsicht unbestimmter, ein sozusagen statischer Terminus; verdrängt ist ein dynamischer Ausdruck, der auf das seelische Kräftespiel Rücksicht nimmt und besagt, es sei ein Bestreben vorhanden, alle psychischen Wirkungen, darunter auch die des Bewußtwerdens zu äußern, aber auch eine Gegenkraft, ein Widerstand, der einen Teil dieser psychischen Wirkungen, darunter wieder die des Bewußtwerdens zu verhindern vermöge. Kennzeichen des Verdrängten bleibt eben, daß es sich trotz seiner Intensität nicht zum Bewußtsein zu bringen vermag." 93 Die Verdrängung ist ein Begriff der Triebabwehr und im engen Kontext zum Begriff des Vergessens zu betrachtet, wobei nicht der Begriff an sich zentral ist, sondern vielmehr der prozeßhafte Charakter der Verdrängung. Prozesse sind zumindest von drei Bedingungen abhängig:

1. temporäres Kriterium
2. Manifestationskriterium
3. Wirkungskriterium

oder in der Freudschen Terminologie:

1. Urverdrängung
2. Nachverdrängung (eigentliche Verdrängung)
4. die Wiederkehr des Verdrängten.

Im entwicklungshistorischen Kontext bezeichnet Freud die Verdrängung als eine Vorstufe der Verurteilung (Urteilsverwerfung) 94, was besagt, dass einem gereiften Ich die Funktion zugeschrieben wird, zwischen Trieb , Über Ich-Ansprüchen und Rea-litätsanforderungen zu vermitteln, aufgrund der bewußtseinsfähigen Kontexte, Kon-flikte zu lösen, zwischen Handlungsalternativen zu differenzieren und realitätsadäquat zu handeln. Die Vermittlungsfunktion des Ichs ist aber ein Spätprodukt der Entwicklung, die Verdrängungen hingegen geschehen alle in frühinfantilen Ent-wicklungsphasen. ” ... ; es sind primitive Abwehrmaßregeln des unreifen, schwachen Ichs. In späteren Jahren werden keine neuen Verdrängungen vollzogen, aber die alten erhalten sich, und ihre Dienste werden vom Ich weiterhin zur Triebbeherrschung in Anspruch genommen.” (Neue Konflikte werden, wie wir es ausdrücken durch Nachverdrängung erledigt.) Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass ”... die Verdrängung kein ursprünglicher Abwehrmechanimus ist, ..." 95, sondern aufgrund der Versagung durch die Bezugspersonen entsteht. Darüber hinaus scheint die Verdrängung nicht gege-ben, wenn die frühinfantilen Unlustspannungen unerträglich groß geworden sind. 96

Betrachtet man diese Zusammenhänge aber genau, so läßt sich ein Konnex zur soge-nannten organischen Verdrängung herleiten; denn auch die diffusesten Un-lustreaktionen haben etwas mit Befriedigungsversagung zu tun und sofern die Deprivation durch gesteigerte Unlustreaktionen beobachtbar ist, scheint die organische Verdrängung an Relevanz zu gewinnen. Freud betrachtet die organische Verdrängung unter phylogenetischen Aspekten, etwa in bezug auf die Vernachlässigung des Ge-ruchssinnes durch gesellschaftliche Einflüsse der Hygiene, aber der Geruchssinn des Säuglings ist noch sehr gut ausgeprägt, die Schranken der quasi Geruchsästhetik werden erst in der analen Phase vermittelt, sie sind nicht ursprünglich. Das Phänomen der organischen Verdrängung scheint gerade durch die gesteigerte Unlustreaktion des Säuglings offensichtlich; etwa durch die unterschiedlichsten Formen der Hemmung der Motorik.

R. Spitz zeigt diesbezüglich die affektiv motorischen Zusammenhänge zwischen mütter-licher Haltung und entwicklungsphasengemäßen Störungen in psychsomatischer Hinsicht 97. Unlustreaktionen können bis zu Bauchpresse und Krämpfen gesteigert wer-den, was organische Reifungsprozesse stören kann, aber die frühe Basis sowohl der Verdrängung als auch der psychosomatischen Pathogenesen darstellt.98 Die sogenannten Organdispositionen dürften, aufgrund der Intensität der somatischen Beteiligung von frühinfantilen Unlustäußerungen, hier ihren Ursprung haben. Das Phänomen, das Freud Urverdrängung nennt, läßt sich einerseits als organische Verdrängung bezeichnen und andererseits in bezug auf die Psyche besteht sie darin, ” daß der psychischen (Vor-stellungs ) Repräsentanz die Übernahme ins Bw versagt wird. Mit dieser ist eine Fixierung gegeben; die betreffende Repräsentanz bleibt von da an unveränderlich bestehen und der Trieb an sie gebunden." 99 Ubw Vorstellungen, die als bildhafte oder sensomotorische gekennzeichnet waren, bleiben aufgrund der Versagung gleichwohl der bw Erinnerung abgeschnitten, die frühinfantile Verdrängung ist somit eine psychosomatische Verdrängung. Die frühinfantile Deprivation bleibt gleichsam als sub-jektiv nicht aufklärbarer Mangelzustand in welcher Form auch immer erhalten, ohne das dem Subjekt die Ursache der Mangelempfindung bewußt wird. Die Urverdrängung oder präziser der Vorläufer einer jeden Verdrängung wird von Freud im engen Kontext mit einer Fixierung bestimmt, die rigide Bindung einer Triebregung an ein Unlusterlebnis. Das Phänomen, das der Fixierung generell koinzidiert, wird als Trauma bezeichnet: ”... der Ausdruck traumatisch hat keinen anderen als einen solchen ökonomischen Sinn. Wir nennen so ein Erlebnis, welches dem Seelenleben innerhalb kurzer Zeit einen so starken Reizzuwachs bringt, daß die Erledigung (Bewältigung) oder Aufarbeitung derselben in normal gewohnter Weise mißglückt, woraus dauernde Störungen im Energiebetrieb resultieren müssen. ... Die Neurose wäre (in diesem Kontext) einer traumatischen Erkrankung gleichzusetzen und entstünde durch die Unfähigkeit, ein überstarkes affektbetontes Erlebnis zu erledigen." 100 Das Trauma ist ein Erlebnis, dass durch intensive Unlustreaktionen rsp. aktionen mit intensiver mo-torischer und innersomatischer Beteiligung gekennzeichnet ist, und die Fixierung ist dann die Bindung einer Triebregung an diese unerledigte unlustbetonte Empfindung. Die Unlustempfindung wird dabei wahrscheinlich als eine Bedrohung, ein Verlassen-sein erlebt und erzeugt Angst. Die Fixierung an eine traumatische Situation gilt aber als Kennzeichen des Vorläufers der Verdrängung, muß aber nicht zwangsläufig die eigentliche Verdrängung nach sich ziehen. 101

Zusammenfassend präzisiert Freud die erste Phase der Verdrängung folgender-maßen: "Die erste Phase der Verdrängung besteht in einer Fixierung, dem Vorläufer und der Bedingung einer jeden Verdrängung. Die Tatsache der Fixierung kann dahingehend ausgesprochen werden, daß ein Trieb oder Triebanteil die als normal vorgesehene Entwicklung nicht mitmacht (nicht mitmachen kann) und infolge dieser Ent-wicklungshemmung in einem infantilen Stadium verbleibt. Die betreffende libidinöse Strebung verhält sich zu den späteren psychischen Bildungen wie eine dem System Ubw angehörige, wie eine verdrängte. Wir sagten schon (S.185/186), daß in solchen Fixierungen der Triebe die Disposition für spätere Erkrankungen liege und können hinzufügen, die Determinierung vor allem für den Ausgang der dritten Phase der Verdrängung." 102 Die Urverdrängung wird als psychosomatischer Prozeß aufgefaßt, d. h. eine organische Verdrängung im oben genannten Sinne ist sehr wohl möglich, aber der auslösende Faktor ist die durch die Objektbeziehung determinierte Versagung von seiten der Bezugspersonen. Ein Trauma ist nicht vorstellbar, wenn die Bedürfnisbefriedigung erfolgt; nur die relative Unfähigkeit des Ichs zur Konfliktlösung bedingt die Entstehung eines Traumas. ”Auch bei Lebewesen, die später eine leistungsfähige Ichorganisation haben, ist dieses Ich zuerst in den Jahren der Kindheit schwächlich und vom Es kaum differenziert. Nun stellen sie sich vor, was geschehen wird wenn dieses machtlose Ich einen Triebanspruch aus dem Es erlebt, dem es bereits widerstehen möchte, weil es errät, daß dessen Befriedigung gefährlich ist, eine traumatische Situation, einen Zusammenstoß mit der Außenwelt heraufbeschwören würde, den es aber nicht beherrschen kann, weil es die Kraft dazu noch nicht besitzt. Das Ich behandelt dann die Triebgefahr (d.h. die mit der Triebregung antizipierte Gefahrensituation, die eine Befriedigung heraufbeschwören würde), als ob es eine äußere Gefahr wäre (d.h. als ob die Triebregung eine äußere Gefahr wäre), es unter-nimmt einen Fluchtversuch, zieht sich von diesem Anteil des Es zurück und überläßt ihn seinem Schicksal, nachdem es ihm alle Beiträge, die es sonst zu den Triebregungen stellt, verweigert hat. Wir sagen, das Ich nimmt eine Verdrängung dieser Triebregung vor. Das hat für den Augenblick den Erfolg, die Gefahr abzuwehren (d.h. sich vor der Gefahrensituation zu schützen), aber man verwechselt nicht ungestraft das Innen und das Außen. Man kann nicht vor sich selbst davonlaufen. Bei der Verdrängung folgt das Ich dem Lustprinzip, welches es sonst zu korrigieren pflegt, es hat dafür den Schaden zu tragen. Dieser besteht darin, daß das Ich nun seinen Machtbereich dauernd eingeschränkt hat. Die verdrängte Triebregung ist jetzt isoliert, sich selbst überlassen, unzugänglich, aber auch unbeeinflußbar. Sie geht ihren eigenen Weg. Das Ich kann zumeist auch später, wenn es erstarkt ist, die Verdrängung nicht mehr aufheben, seine Synthese ist gestört, ein Teil des Es bleibt für das Ich verbotener Grund. Die isolierte Triebregung bleibt aber auch nicht müßig, sie weiß sich dafür, das ihr die normale Befriedigung versagt ist, zu entschädigen, erzeugt psychische Abkömmlinge, die sie vertreten, setzt sich mit anderen Vorgängen in Verknüpfung, die sie durch ihren Einfluß gleichfalls dem Ich entreißt, und bricht endlich in einer unkenntlich entstellten Ersatzbildung ins Ich und zum Bw durch, schafft das, was man ein Symptom nennt." 103 Die traumatische Situation ist also nicht nur gegeben, wenn Befriedigung ausbleibt oder das Kind sich verlassen fühlt, sondern gleichwohl, wenn aufgrund einer besetzten Er-innerungsspur ein aktueller Triebreiz mit einer Gefahrensituation koinzidiert, d.h. wenn aufgrund des Triebreizes eine Gefahrensituation antizipiert oder gar fantasiert wird. Solange nur die einmalige Fixierung erfolgt und statt der vermeintlichen Gefahrensituation eine Befriedigung des aktuellen Bedürfnisses erlebt wird, brauchte man keine Schädigung zu befürchten. Problematischer erscheint die Situation dann, wenn die antizipierte oder halluzinierte Gefahrensituation faktisch wiedererlebt wird, dann verfestigt sich die Fixierung aufgrund der Unfähigkeit des Ichs zur adäquaten Konfliktlösung. Dabei lassen sich zumindest zwei Konsequenzen aufzeigen:

erstens kann bereits die antizipierte Gefahrensituation eine Verdrängung herbei-führen oder

zweitens der Triebreiz bleibt existent bis zur neuerlichen Gefahrensituation, die neuerliche Versagung wird zum traumatischen Erlebnis und verfestigt quasi die Fixierung, was aufgrund der affektiven Intensitätsverstärkung in bezug auf die Trieberregung eine Angstvermeidungsstrategie entwickeln hilft, die späterhin als neurotische Angst ihren faktischen Ausdruck findet.

Vor dem Hintergrund der Urverdrängungen, die in ihren Formen immer auch eine faktische Gefahrensituation unterstellen, wobei insbesondere Situationen des Verlassenseins, der Versagung, überhaupt jegliche Form von Repressalien für das Kind eine Lebensbedrohung darstellten, scheint die Freudsche These, dass die meisten Verdrängungen, mit denen es die Psychoanalyse zu tun bekommt, Nachverdrängungen sind, besonders evident, "Sie setzen (aber) früher erfolgte Urverdrängungen voraus, die auf die neuere Situation ihren anziehenden Einfluß ausüben, ... Man kommt leicht in Gefahr, die Rolle des Über Ichs bei der Verdrängung zu überschätzen. Man kann es derzeit nicht beurteilen, ob das Auftreten des Über lchs die Abgrenzung zwischen Urverdrängung und Nachdrängen schafft.” 104 ”Die ersten sehr intensiven Angstausbrüche erfolgen jedenfalls vor der Differenzierung des Über Ichs. Es ist durchaus plausibel, das quantitative Momente, wie die übergroße Erregung und der Durchbruch des Reizschutzes, die nächsten Anlässe der Urverdrängung sind. Die Erwähnung des Reizschutzes mahnt uns wie ein Stichwort, daß die Verdrängung in zwei unterschiedenen Situationen auftreten, nämlich wenn eine unliebsame Triebregung durch eine äußere Wahrnehmung wachgerufen wird und wenn sie ohne solche Provokation im Innern auftaucht. ... Reizschutz gibt es aber nur gegen äußere Reize, nicht gegen innere Triebansprüche.” 105 "Die zweite Phase der Verdrängung ist die eigentliche Verdrängung. Sie geht von den höher entwickelten bewußtseinfähigen Systemen des Ichs aus und kann eigentlich als ein Nachdrängen beschrieben werden. Sie macht den Eindruck eines wesentlich aktiven Vorganges, während sich die Fixie-rung als ein eigentlich passives Zurückbleiben darstellt. Der Verdrängung unterliegen entweder die psychischen Abkömmlinge jener primär zurückgebliebenen Triebe, wenn es durch deren Erstarkung zum Konflikt zwischen ihnen und dem Ich (oder den ich-gerechten Trieben) gekommen ist, oder solche psychische Strebungen, gegen welche sich aus anderen Gründen eine starke Abneigung erhebt. Diese Abneigung würde aber nicht die Verdrängung zur Folge haben, wenn sich nicht zwischen den unliebsamen, zu verdrängenden Strebungen und den bereits verdrängten eine Verknüpfung herstellen würde. Wo dies der Fall ist, wirken die Abstoßung der bewußten und die Anziehung der unbewußten Systeme gleichsinnig für das Gelingen der Verdrängung. Die beiden hier gesonderten Fälle mögen in Wirklichkeit weniger scharf geschieden sein und sich nur durch ein Mehr oder Minder an Beitrag von seiten der primär verdrängten Triebe unterscheiden.”106

Die dritte Phase der Verdrängung oder die "Wiederkehr des Verdrängten” kann aber nur dann als Mißlingen der Verdrängung aufgefaßt werden wie Freud ausführt , wenn die Verdrängung generell nicht als zwangsläufig pathologischer Prozeß gekennzeichnet wird. Die Verdrängung als pathologischer Prozeß wird genau dann relevant, wenn Symptome aktuell werden, die als scheinbar subjektives Leiden eine Störung des Subjektes zu seinem Interaktionskontext offenbaren. Solange das Subjekt sich als gesund definiert, kann man nur von einer gesellschaftlich oktrojierten Abweichung oder von Diskriminierung und Diffamierung sprechen. Wenn der Durchbruch des Verdrängten von der Stelle der Fixierung her erfolgt und eine Regression der Libido-entwicklung bis zu dieser Stelle zum Inhalt hat, dann wird offensichtlich, dass der durch das Symptom aktualisierte psychische Vorgang von der Intensität des frühinfantilen Konfliktes abhängt, d.h. die Verdrängung als pathologischer Vorgang unterliegt wie anfangs definiert quantitativen Prozessen. 107

5.1.1 Der quantitative Aspekt der Verdrängung:

Die quantitativen Bedingungen im Bereich psychischen Geschehens basieren mithin auch auf der Berücksichtigung des Lust-Unlust Prinzips. Für die Verdrängung ergibt sich vor dem Hintergrund der klinischen Erfahrung folgende Modifikation: "Dann werden wir belehrt, daß die Befriedigung des der Verdrängung unterliegenden Triebes wohl möglich und daß sie auch jedesmal lustvoll wäre, aber sie wäre mit anderen Ansprüchen und Vorsätzen unvereinbar; sie würde also Lust an der einen, Unlust an der anderen Stelle erzeugen. Zur Bedingung der Verdrängung ist dann geworden, daß das Unlustmotiv eine stärkere Macht gewinnt als die Befriedigungslust." 108 Wenn einer Triebregung aufgrund der Verdrängung der Befriedigungsanspruch entzogen wird, so dass die diesbezügliche Bewußtseinsrepräsentanz dem Unlustmotiv folgt, dann muß der Vorgang der eigentlichen Verdrängung auf Modifikationen im Bereich der vbw oder bw Repräsentanzen zurückzuführen sein; denn Ubw und Vbw trennen sich zum Teil aufgrund des Verdrängungswiderstandes. Damit scheint der Vorgang der eigentlichen Verdrängung mit der Trennung der Systeme zu koinzidieren, was auch eine rudimentäre Konstituierung der Instanzen unterstellt. Verdrängte Triebregungen sind ja der Befrie-gung abgeschnitten, aber nur das Ich kann letztlich Befriedigung herbeiführen, entweder durch die auf die Bezugspersonen gerichtete Unlustäußerung oder später aufgrund seiner Funktionsfähigkeit. Gelingt es dieser verdrängten Triebregung dann, "was bei den verdrängten Sexualtrieben so leicht möglich ist, sich auf Umwegen zu einer direkten oder Ersatzbefriedigung durchzuringen, so wird dieser Erfolg, der sonst eine Lustmöglichkeit gewesen wäre, vom Ich als Unlust empfunden,..." 109, denn die Empfindung von Lust und Unlust sind mithin an das bewußte Ich gebunden. Dies erscheint als eine generelle Ausdrucksform des der Verdrängung unterliegenden Triebes, sein Durchbruch ins Bw ist immer aufgrund der unbewußten Ursachen mit einer Unlustempfindung verknüpft, die ihrer Intensität nach differenziert werden kann. Desweiteren kann sich eine verdrängte Triebregung aufgrund der vollständigen Unterdrückung überhaupt nicht äußern oder sie kann als qualitativ gefärbter Affekt bewußt werden, oder sie kann sich in neurotische Angst verwandeln. Der Verdrängung unterliegen nur Triebrepräsentanzen, was besagt, dass eine Vorstellung oder Vorstellungsgruppe vom Trieb mit einem bestimmten Betrag an psychischer Energie besetzt wird. 110 Die Besetzung einer Vorstellung hinterläßt eine zunächst ubw, d.h. eine bildhafte Erinnerungsspur. Neben der Vorstellungsrepräsentanz der Triebregung erscheint aber ein zweites Element relevant, der Affektbetrag, "er entspricht dem Triebe, insofern er sich von der Vorstellung abgelöst hat und einen seiner Quantität gemäßen Ausdruck in Vorgängen findet, welche als Affekte der Empfindungen bemerkbar werden." 111

Da jede Triebregung einem bestimmten Quäntitätsmaß korrespondiert, ist der Affekt die psychische Empfindung, deren Ursache ubw ist und dieses Quantitätsmaß ausdrückt, ein psychosomatischer Vorgang, dessen Erregung bw wird, dessen adäquate Repräsentanz aber ubw bleibt. Wir hatten bislang dargestellt, dass eine sogenannte gelungene Verdrängung die Triebrepräsentanz im Ubw festhält, während im Bw dafür eine Ersatzvorstellung repräsentiert ist, die den von der ubw Besetzung abgezogenen Betrag an Energie zur Erhaltung der Verdrängung aufwendet, was selbstverständlich einen permanenten Kraftaufwand erfordert.

Bevor wir das näher erläutern, bleibt festzuhalten, dass die Ersatzbildung im Bw als Produkt der Verdrängung aufzufassen ist, gleichsam der psychischen Manifestation des der Verdrängung unterliegenden Triebanteils entspricht und die somit dem Triebanteil koinzidierende Vorstellung dem Bw entzieht. Für die Urverdrängung gilt präzisierend, dass die Triebrepräsentanz eine ubw Besetzung erfahren hat, aber die vbw Besetzung erst den Prozeß der Urverdrängung abschließt, d.h. im Vbw muß eine Gegenbesetzung erfolgen, ”... durch welche (sich) das System Vbw gegen das Andrängen der ubw Vorstellung geschützt wird. Sie (die Gegenbesetzung) ist es, welche den Daueraufwand (an Energie) einer Urverdrängung repräsentiert, aber auch deren Dauerhaftigkeit verbürgt. Die Gegenbesetzung ist der alleinige Mechanismus der Urverdrängung; bei der eigentlichen Verdrängung kommt die Entziehung der vbw Besetzung hinzu. Es ist sehr wohl möglich, das gerade die der Vorstellung entzogene Besetzung zur Gegenbesetzung verwendet wird.” 112 Um diesen Vorgang verständlich zu machen, muß zunächst unterstellt werden, ”..., daß Angst die Verdrängung macht."

Eine frühinfantile Versagung bedeutet immer eine Bedrohung des Subjektes (zumindest in der oralen Phase), entweder in Form eines Liebesverlustes, repressiver Erziehungs-methoden oder in Form des Verlassenseins. Die erste Gefahrensituation entspricht dabei einer Realangst, deren Bewältigungsversuch aufgrund der Unfähigkeit des Ichs zur Konfliktlösung mit verstärkten psychomotorischen Reaktionen, deren Folgen wenn überhaupt sich in Form der organischen Verdrängung äußern. Diese ersten Abfuhrreaktionen müssen aber nicht zwangsläufig pathologische Konsequenzen haben, obwohl sie Erinnerungsspuren in Form einer mit Unlust assoziierten Triebregung hinterlassen. (Dieser Vorgang trifft für den Primärprozeß zu) Das Versagungserlebnis koinzidiert dem (oben angesprochenen) Trauma, an das die Triebregung fixiert bleibt, was zunächst nur als generelle Entwicklungshemmung interpretiert werden kann. Bei neuerlicher Triebregung wird aufgrund der damit assoziierten Unlust die Gefahrensituation antizipiert, die Unlustreaktion stellt sich zunächst ein. Um aber dem traumatischen Erlebnis zu entgehen, versucht der Säugling mit Hilfe des Denkens, d.h. probeweises Handeln mit kleinen Energiemengen, eine Befriedigung herbeizuführen, es wendet sich dem eigenen Körper zu oder Dingen seiner Umgebung, die erreichbar sind und Befriedigung versprechen. Die so auf andere Objekte gerichtete Besetzung kann zwar keine unmittelbare Befriedigung des Triebreizes herstellen, aber zumindest Partial oder Ersatzbefriedigungen, die für den Augenblick den Erfolg haben dem traümatischen Erlebnis entgangen zu sein. Freud drückt das folgendermaßen aus: ”Dann sind mehrere Reaktionen möglich oder eine Vermengung von ihnen in wechselnden Beträgen. Entweder der Angstanfall wird voll entwickelt und das Ich zieht sich gänzlich von der anstößigen Erregung zurück; oder es setzt ihr an Stelle der Probebesetzung eine Gegenbesetzung entgegen (Urverdrängung) und diese tritt mit der Energie der verdrängten Regung zur Symptombildung zusammen oder wird als Reaktionsbildung, als Verstärkung bestimmter Dispositionen, als bleibende Veränderung ins Ich aufgenommen." 113

Der Prozeß der Urverdrängung ist also faktisch abgeschlossen, wenn eine Über-besetzung im Vbw den Energiebetrag der unbewußten Repräsentanz entzogen hat oder wenn die Besetzung als Affektbetrag erhalten bleibt und zur neurotischen Angst wird, die bei entsprechendem Außenweltreiz Angst erzeugt, ohne das dem Subjekt bewußt ist, warum es Angst hat. Angst ist als Affektzustand die Reproduktion eines alten gefahr-drohenden Ereignisses, die Angst steht im Dienste der Selbsterhaltung (soweit es die Realangst betrifft) und ist ein Signal einer neuen Gefahr, sie entsteht aus irgendwie unverwendbar gewordener Libido, auch beim Prozeß der Verdrängung. 114

Der Vorgang der eigentlichen Verdrängung besteht nun darin, dass die vbw Besetzung mit anderen vbw Repräsentanzen assoziiert wird, so dass die diesbezüglich be-wußtseinsfähigen Repräsentanzen die Aktualisierung der Angst verhindern können. Aufgrund der Wiederholungsprozesse, die im Falle der vbw Gegenbesetzung immer noch eine gewisse Angstbereitschaft signalisieren, wird der Betrag der Gegenbesetzung quasi auf ähnlich oder sogar weit abliegende Repräsentanzen verschoben, auf Ersatzvorstellungen projiziert, die deshalb bewußtseinsfähig sind, weil sie keine Angst erzeugen. ”Die Ersatzvorstellung spielt nun für das System Bw die Rolle einer Gegenbesetzung, indem sie es gegen das Auftauchen der verdrängten Vorstellung im Bw versichert, andererseits ist sie die Ausgangsstelle der nun erst recht unhemmbaren Angstaffektentbindung oder benimmt sich als solche." 115 Letzteres ist der Fall, wenn die Trieberregung ansteigt und somit die vbw Gegenbesetzung wieder aktiviert oder wenn eine vbw Perzeption die Ersatzvorstellung im Bw gleichsam überspringt etwa wenn die Angst vor dem Vater auf ein anderes Objket projiziert worden ist und dieses Objekt wahrgenommen wird, d.h. die Angst bezieht sich nicht auf das Objekt selbst, sondern sie wird gespeist aus der eigentlichen Angst vor dem Vater, oder wenn ein Objekt die angstauslösenden Eigenschaften des Vaters zeigt, nur das Subjekt nicht weiß, warum es vor diesem Objekt Angst hat . Die gelungene Verdrängung könnte man dahingehend präzisieren, dass die bw Ersatzvorstellung keinen direkten Zusammenhang mit dem ursprünglichen Erlebnis aufweist, womit zwar die Angst größtenteils unterbleibt, aber der Energieaufwand zur Unterhaltung der Verdrängung dem Ich verlorengehen. Die bewußtseinsfähigen Gegenbesetzungen oder Ersatzvorstellungen werden wahrschein-lich vom Bw her unternommen, wenn nämlich die vbw Gegenbesetzung aktiviert wird und damit bewußt, dann versucht das Subjekt wahrscheinlich die begleitenden Erregun-gen und die sicherlich noch spürbare Angstbereitschaft durch neuerliches Probehandeln zu beseitigen, was dann erst das Bw gegen die Angstauslösung versichert, obwohl - wie gesagt - niemals vollkommen. In bestimmten Situationen wird dann zumindest die vbw Gegenbesetzung aktiviert und mithin die damit verknüpfte Angstentwicklung. Man darf letztlich folgern, dass ein gewisses Maß an Verdrängungen ertragen werden kann, ohne die Funktionen des Ich besonders einzuschränken. Der Grad der Icheinschränkung ist abhängig vom Intensitätsmaß der für die Gegenbesetzungen aufzuwendenden Energiebeträge und überhaupt vom Maß der Verdrängungen generell, d.h. vom Maß der konfliktären frühinfantilen Erlebnisse, die das Kind nicht bewältigen konnte, letztlich von Art und Umfang der Repressalien.

5.1.2 Verdrängung und Instanzen

Vor dem Hintergrund des strukturellen Aspektes sind die dynamischen Relationen zwischen Ich, Über lch und Es von entscheidender Relevanz. Dabei sind zunächst die drei Hauptarten der Angst die Bedingungen, welche die Verdrängung aufrechterhalten oder sie einleiten, von Bedeutung.

Die Realangst bezeichnet die Abhängigkeit des lchs von der Außenwelt und jede Ver-drängung, die ja letztlich nur als Abwehrmaßnahme eines schwachen Ichs bewertet werden kann, beruht auf der frühinfantilen Schwäche des lchs, auf einer Situation, die Realangst präsupponiert.

Die neurotische Angst bezeichnet die Abhängigkeit das Ichs vom Es und impliziert bereits vorausgegangene Verdrängungen. Die neurotische Angst ist mithin Ausdruck verdrängter Triebregungen und stellt insofern eine Wirkung der Verdrängung dar, d.h. die neurotische Angst kann als Maß der Ich-Einschränkung aufgefaßt werden. Die Intensität der neurotischen Angst ist dem Maß der Ich-Einschränkungen äquivalent.

Gewissensangst deutet auf die Abhängigkeit des Ichs vom Über Ich hin und ist Ausdruck rigider Über Ich Strukturen, die gleichsam das Ich in permanenter Ab-hängigkeit von internalisierten Normen, die aber nicht bewußtseinsfähig sind, halten und somit die Verdrängung aufrechterhalten. Die beiden letzten Angstformen zeigen offensichtlich den permanenten Konflikt zwischen Ich auf der einen und Über Ich und Es auf der anderen Seite, der aber aufgrund der Verdrängungen entstanden ist und die Leistungsfähigkeit des Ichs einschränkt, d.h. vom Ich müssen permanente Energiebe-träge aufgebracht werden, um die Verdrängungen aufrecht zu erhalten. 116

"Für den Fall der Verdrängung wird die Tatsache entscheidend, daß das Ich eine Or-ganisation ist, das Es aber keine; das Ich ist eben der organisierte Teil des Es (und zwar der durch die Interaktionrelationen kanalisierte Teil der Subjektivität). Es wäre ganz ungerechtfertigt, wenn man sich vorstellte, Ich und Es seien wie zwei verschiedene Heerlager; durch die Verdrängung versuche das Ich ein Stück des Es zu unterdrücken, Das mag oft zustande kommen, aber es ist gewiß nicht die Eingangssituation der Verdrängung; in der Regel bleibt die verdrängte Triebregung isoliert.” 117 Die Verdrängung bewirkt letztlich keine Einschränkung des Es, sondern vielmehr eine Einschränkung der für die Orientierung in der Realität notwendigen Ich Funktionen, durch die Verdrängung wird etwas, das bereits Bestandteil des Ich war im Ubw isoliert, also eine Restriktion der durch die Entwicklung möglichen Fähigkeiten, der primäre intrapsychische oder intersubjektive Konflikt entsteht nicht aufgrund der Triebregung, sondern vielmehr aufgrund der internalisierten Versagung, d.h. aufgrund eines ehemals realen Konfliktes zwischen Befriedigungsanspruch und Versagung der Außenwelt. Der Konflikt bleibt also bestehen und gerade dadurch, dass der Triebrepräsentanz die Beset-zung entzogen und auf Gegenbesetzungen projiziert worden ist. Die Unfähigkeit zu Konfliktlösungen, zu relativ autonomen Handlungen und zur befriedigenden Liebesbeziehung sind die für die Pathogenese relevanten Merkmale der Verdrängung. Dabei müssen aber die frühinfantilen Versagungen, Verbote und körperlichen Bedrohungen als Elemente gewertet werden, die eine Verdrängung quasi oktrojieren und die traumatischen Gefahrensituationen erst herstellen. "Darin, daß das Ich, die durch den Einfluß der Außenwelt emporgezüchtete höhere Organisation der seelischen Apparates, nicht imstande ist, seine Funktion der Vermittlung zwischen Es und Realität zu erfüllen, daß es sich in seiner Schwäche von Triebanteilen des Es zurückzieht und sich dafür die Folgen dieses Verzichtes inform von Einschränkungen, Symptomen und erfolglosen Reaktionsbildungen gefallen lassen muß. Eine solche Schwäche des Ichs hat bei uns allen regelmäßig in früher Kindheit statt, ... Unter der außerordentlichen Belastung dieser Kinderzeit wir haben in wenigen Jahren die ungeheure Entwicklungsdistanz vom steinzeitlichen Primitiven bis zum Teilhaber der heutigen Kultur durchzumachen und dabei insbesondere die Triebregungen der sexuellen Frühperiode abzuwehren nimmt unser Ich seine Zuflucht zu Verdrängungen "., deren Niederschlag es als Disposition zur späteren nervösen Erkrankung in der reife des Le-bens mitbringt. ... Wird das Leben hart, (d.h.) der Abstand zwischen den Trieb-forderungen und den Einsprüchen der Realität zu groß, so mag das Ich in seinen Bemühungen, beide zu versöhnen, scheitern, und dies um so eher, je mehr es durch die mitgebrachte, infantile Disposition gehemmt ist. Es wiederholt sich dann der Vorgang der Verdrängung, die Triebe reißen sich von der Herrschaft des Ichs los, schaffen sich auf Wegen der Regression ihre Ersatzbefriedigung, und das arme Ich ist hilflos neurotisch geworden.” 118

Für die Verdrängung ist also das Ich relevant (auch das Über Ich); denn nur das Ich kann Verdrängungen durchführen. Berücksichtigt man darüber hinaus, dass insbe-sondere Anteile des Sexualtriebes der Verdrängung unterliegen, so scheint es vollends gerechtfertigt wie auch dem kulturellen Über Ich entnehmbar ist , die diesbezüglichen familien , gruppen , schicht und gesellschaftsspezifischen Normsysteme in die Betrachtung einzubeziehen. Mithin läßt sich dann zeigen, dass die subjektive Entfaltung (d.h. das Fähigkeitspotential) von gesellschaftsspezifischen Normsystemen und insbesondere von der Art und Weise der intersubjektiven Vermittlung dieser Normen abhängt. Die psychischen Strukturen bleiben immer die gleichen, was modifiziert wird oder zu differenzieren ist, sind die aus der Art der Normvermittlung resultierenden intrapsychischen und intersubjektiven Einschränkungen. Hebt man diesen Kontext auf eine aktuelle Ebene (Erwachsene), so ist Freud zuzustimmen, wenn er ausführt: ”Seitdem wir eine besondere Instanz im Ich annehmen, die die einschränkenden und abweisenden Forderungen vertritt, das Über Ich, können wir sagen die Verdrängung sei das Werk dieses Über Ichs, es führe sie entweder selbst durch oder in seinem Auftrag das ihm gehorsame Ich. Wenn nun der Fall vorliegt, daß der Widerstand in der Analyse dem Patienten nicht bewußt wird, so heißt das entweder, daß das Über Ich und das Ich in ganz wichtigen Situationen unbewußt arbeiten können oder, was noch bedeutsamer (ist) wäre, daß Anteile von beiden, Ich und Über Ich selbst, unbewußt sind." 119

Wenn wir diese Ausführungen vor dem Hintergrund, dass nur das Ich Verdrängungen durchführen kann, betrachten, dann können die rigiden Über-Ich Verbote nur sie schränken ja das Ich weitgehend ein - entweder Ersatzbildungen sein oder dem schwachen Ich geradezu die Mittel zur Verdrängung zur Verfügung stellen; es ist etwas anderes, ob eine Ersatzvorstellung im Ich, quasi als subjektives Verhalten internalisiert worden ist oder ob nur das internalisierte Über Ich-Verbot eine Handlung des Ichs nicht zuläßt. Das Über Ich als Instanz ist weder zu Handlungen noch zu Verdrängungen fähig, es ist eine Instanz mit einschränkendem oder einordnendem Charakter, es ist keine Handlungsinstanz. 120

5.2 Die Sublimierung

Unter der Voraussetzung, dass unsere kulturellen Errungenschaften primär auf Kosten der Triebunterdrückung zustande gekommen sind, Triebunterdrückung aber ein Spezifikum der Verdrängung kennzeichnet, müßten auch andere Formen der Trieb-bewältigung möglich sein, die weniger pathologische Auswirkungen haben.

Eine dieser Möglichkeiten ist die Sublimierung, die mit der Variabilität des Triebes oder anders ausgedrückt, mit der Flexibilität der Triebziele rsp. objekte korrespondiert, d.h. die Möglichkeiten einer Triebbefriedigung weitab vom ursprünglichen Ziel oder Objekt.

Sublimierung ist primär keine subjektive Triebbewältigung, sondern eine, die in hohem Maße von der intersubjektiven Vermittlungsfähigkeiten der Bezugspersonen abhängt, aber auch eine subjektive, sofern die relativ autonome Handlungsfähigkeit des Subjektes wächst. Wenn unsere Kultur auf Triebverzicht basiert, dann ist die Triebbewältigung oder beherrschung eine gesellschaftliche Forderung, die aber vom Subjekt allein nicht geleistet werden kann. Die primäre Vertretung gesellschaftlicher Forderungen sind die Bezugspersonen, die dem Kind die Triebverzichtsforderungen vermitteln müssen oder ihnen Alternativbefriedigungen, insbesondere im sozialen Kontext aufzeigen. Die Verweigerung der Bezugspersonen hinsichtlich ihrer Ver-mittlungsfunktion, können nur zu einer Internalisierung von Verboten und Versagungen führen, deren Sinn dem Kind unverständlich bleiben und psychische Störungen nach sich ziehen. Eine der Hauptfunktionen der Bezugspersonen besteht also darin, die inter-pretative Sinn und Bedeutungsausfüllung der Außenwelt zu übernehmen, damit das Kind in die Lage versetzt wird, aufgrund der normativen Forderung, Triebbefriedigung zugunsten sozialer Befriedigungen aufzugeben, die Intensität der Trieberregung auf soziale Ziele zu lenken oder Triebbefriedigung zu verschieben. Da Sozialität immer auch Zusammenleben von Menschen, Kooperation und Integration bedeutet, scheint insbesondere der Sexualtrieb sublimierbar zu sein, obwohl die Sublimierung des Aggressionstriebes wahrscheinlich auf Sexualisierung der Ichtriebe hinausläuft; denn Sublimierung von Anteilen des Sexualtriebes bedeutet immer auch Desexualisierung. Freud definiert Sublimierung folgendermaßen: ”Der Sexualtrieb oder korrekter die Sexualtriebe, denn eine analytische Untersuchung lehrt, daß der Sexualtrieb aus vielen Komponenten, Partialtrieben, zusammengesetzt ist ist beim Menschen wahrscheinlich stärker ausgebildet als bei den meisten höheren Tieren und jedenfalls stetiger, da er die Periodizität fast völlig überwunden hat, ... Er stellt der Kulturarbeit außerordentlich große Kraftmengen zur Verfügung, und dies zwar infolge der bei ihm besonders ausgeprägten Eigentümlichkeit, sein Ziel verschieben zu können, ohne wesentlich an Intensität abzunehmen. Man nennt diese Fähigkeit, das ursprünglich sexuelle Ziel gegen ein anderes, nicht mehr sexuelles, aber psychisch mit ihm verwandtes, zu vertauschen, die Fähigkeit zur Sublimierung." 121 Dabei stellt sich zunächst die Frage, warum der Sexualtrieb in einem so engen Kontext zur Sozialität betrachtet wird. Sexualität ist bei Freud ein sehr weit gefaßter Begriff, der den gesamten Bereich dessen einschließt, was schlicht Liebe genannt wird Freundschaft, Bekanntschaft, sexueller Verkehr, über-haupt jede denkbare Bindung des Subjektes zu seiner Gattung, Gruppe oder Familie usw, . Freud unterstellt in bezug auf die Entwicklung des Sexualtriebes drei Kultur-formen:

1. die freie Betätigung der Sexualität über das Ziel der Fortpflanzung hinaus,
2. die Betätigung der Sexualität im Rahmen dessen, was der Fortpflanzung dient,
3. jene, die ausschließlich auf die Fortpflanzung beschränkt ist.

Wenn wir derzeit auch davon ausgehen können, dass die Befriedigung der Sexualität aufgrund unterschiedlicher, meist religiöser, Normen die drei Ebenen in irgendeiner Form tangiert, so lassen sich eine Reihe sexualfeindlicher Einstellungen kaum be-zweifeln, insbesondere das Wissen um die Sexualität erfüllt nur ein Mindestmaß des Möglichen wie wir noch sehen werden und anhand der wissenschaftlichen Behandlung sehr leicht feststellen können. Wenn wir aber unterstellen, dass die Sexualität - im weitesten Sinne - den gesellschaftlichen Forderungen reichlich Energie zur Verfügung stellt, aber ohne Sexualbefriedigung die gesellschaftlichen Leistungsanforderungen kaum ausreichend erfüllbar sind, gleichwohl die frühinfantile Sexualbetätigung erheblichen Restriktionen ausgesetzt ist und die genitale Sexualität gerade in der Pubertät Verboten oder zumindest Restriktionen unterliegt, was insbesondere für religiös gebundene Individuen gilt, wenn generell die Sexualität immer noch tabuisiert zu werden scheint und Diskussionen sogar in der Wissenschaft rigoros abgelehnt werden, dann erhalten die Freudschen Ausführungen eine aktuelle Gültigkeit. "Die allen Autoritäten genehme Behauptung, die sexuelle Abstinenz sei nicht schädlich (aber z.B. die Masturbation) und nicht gar schwer durchzuführen, ist vielfach auch von Ärzten vertreten worden (wird heute noch teilweise vertreten). Man darf sagen, die Aufgabe der Bewältigung einer so mächtigen Regung wie des Sexualtriebes anders als auf dem Wege der Befriedigung ist eine, die alle Kräfte des Menschen in Anspruch nehmen kann. Die Bewältigung durch Sublimierung, durch die Ablenkung der sexuellen Triebkräfte vom sexuellen Ziele weg auf höhere kulturelle Ziele gelingt einer Minderheit, und wohl auch dieser nur zeitweilig, am wenigsten leicht in der Lebenszeit feuriger Jugendkraft." 122

Um die Sublimierung diesbezüglich einordnen zu können, muß man sich zunächst daran erinnern, dass das Subjekt in frühinfantilen Phasen das Objekt der Libido vollständig auf sich selbst fixiert, insbesondere die Befriedigung vermittelnden Bezugspersonen, und genau dies gilt es, im Rahmen der Sublimierung zu beeinflussen. Die Fixierung an die Bezugspersonen läßt sich aber nur dann abwenden, wenn der soziale Interaktionskontext dem Kind Reize anbietet, die letztendlich vergleichbare Befriedi-gungen zu vermitteln vermögen wie die primären Bezugspersonen, also andere Personen oder andere Objekte, die dem Kind Zuwendung oder Befriedigung zu vermitteln imstande sind; denn von unbefriedigenden Objekten oder Personen zieht sich das Kind weitgehend zurück. Dieser sukzessiv verlaufende Prozeß wird aber vorwiegend von den primären Bezugspersonen beeinflußt. Die Objektfixierung auf die Eltern ist eine Folge der übersteigerten Ängstlichkeit, der Gefühlsambivalenz im Rahmen der Zuwendung des Kindes zu anderen Personen bzw. Objekten oder ein durch die Eltern vermittelter Vertrauensmangel in andere. Das Kind kann zu anderen Personen nur dann eine Be-ziehung herstellen, wenn wenigsten einmal die Erfahrung gemacht worden ist, dass die Befriedigungserwartungen erfüllt werden können. Zu anderen eine Beziehung herstellen zu können, beruht auf der Erfahrung, anderen vertrauen zu können und von ihnen befriedigt zu werden. Die ersten diesbezüglichen Erfahrungen resultieren aus den frühinfantilen und allen weiteren Objektbeziehungen und insofern hängen Sexualtrieb und Sozialität eng miteinander zusammen. 123 Freud ist der Auffassung, dass der Kampf gegen die Sinnlichkeit die verfügbaren Energien des Menschen aufzehrt. W. Reich geht diesbezüglich wie wir sehen werden noch einen Schritt weiter, nur die befriedigende Sexualität bietet die Gewähr für eine wahrhafte Beziehung zu anderen. Der permanente Aufwand zur Triebunterdrückung konterkariert sowohl die Arbeitsmoral als auch die zwischenmenschlichen Beziehungen. ”Im allgemeinen habe ich nicht den Eindruck gewonnen, daß die sexuelle Abstinenz energische, selbständige Männer (und Frauen) der Tat oder originelle Denker(innen), kühne Befreier und Reformer heranbilden helfe, weit häufiger brave Schwächlinge, welche später in der Masse eintauchen, die den von starken Individuen gegebenen Impulse widerstrebend zu folgen pflegt." 124

Dabei wird auch erkennbar, dass fast ausschließlich prägenitale Triebregungen sublimierbar sind, die genitalen sind es kaum mehr, sie können nur aufgeschoben oder verleugnet oder zwanghaft unterdrückt werden (Priester). Darüber hinaus bleibt zu berücksichtigen, dass in modernen Gesellschaften Kunst, Politik, Wissenschaft oder Arbeit und Engagement weit höher bewertet werden als die sexuelle Befriedigung. Gleichwohl muß das Kind oder der Jugendliche aber erfahren haben, dass diese Tätigkeiten Befriedigung vermitteln und diese Vermittlung können letztlich nur die Bezugspersonen übernehmen, ob nun in der Familie, Schule oder Beruf. Relevant sind die diesbezüglichen Zuwendungen und motivierenden Vermittlungen, was aber nichts mit der Abstinenzforderung zu tun hat, sondern mit einem befriedigenden Sexualleben. Sublimierung ist genau der Prozeß, der auf der Basis interpretativer Sinn und Be-deutungsvermittlung hergestellt wird.

"Übrigens halten diese zielgehemmten Triebe immer noch einige der ursprünglichen Sexualziele fest; auch der zärtlich Anhängliche, der Freund, der Verehrer sucht die körperliche Nähe und den Anblick der nur mehr im paulinischen Sinn geliebten Person. Wenn wir so wollen, können wir in dieser Zielablenkung einen Beginn der Sublimierung der Sexualtriebe anerkennen oder aber die Grenze für letztere noch ferner stecken. Die zielgehemmten Sexualtriebe haben vor den ungehemmten einen großen funktionellen Vorteil. Da sie einer eigentlich vollen Befriedigung nicht fähig sind, eignen sie sich besonders dazu, dauernde Bindungen zu schaffen, während die direkt sexuellen jedesmal durch die Befriedigung ihrer Energie verlustig werden und auf Erneuerung durch Wiederanhäufung der sexuellen Libido warten müssen, wobei inzwischen das Objekt gewechselt werden kann. Die gehemmten Triebe sind jedes Maßes von Vermengung mit den ungehemmten fähig, können sich in sie rückverwandeln, wie sie aus ihnen hervorgegangen sind." 125

Freud läßt dabei aber unberücksichtigt, dass gerade die durch die Befriedigung der Sexualität frei verfügbaren sublimierten oder Aggressionstriebenergien erst die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung schaffen, insbesondere nachdem unter dem genitalen Primat eine Synthese zwischen prägenitalen und genitalen Strebungen hergestellt worden ist. 126 Es scheint so, als ob Freud die Sublimierungstätigkeit vor-wiegend in die Latenzperiode verlegt, was anzuzweifeln ist; denn bereits die Erweiterung spezifischer Bedürfnisäußerungen legt den Beginn von Sublimierungen nahe, insbesondere die damit verknüpften differenzierteren Zuwendungen und Ver-sagungen, wobei beispielsweise die Versagungsvermittlung mit einer spielerisch auf andere Reize hinwendende Vermittlung ansetzen kann, etwa in der Art, wie beim Entwöhnungsprozeß von der Mutterbrust zur Flasche der Schnuller gereicht wird, um die Entwöhnung zu erleichtern oder etwa der Prozeß von der Windel zum Topf, indem nicht der Zwang die entscheidende Rolle spielt, sondern indem dem Kind gezeigt oder vorgelebt wird, für welche Bedürfnisse eine Toilette benutzt werden kann. Dem Kind müssen frühzeitig Alternativen aufgezeigt werden, deren Bedeutung in der Phase der verbalen Sinnauffüllung gesteigert werden kann, d.h. indem die Fragen des Kindes be-antwortet werden und nicht durch falsches Schamgefühl der Bezugspersonen ir-gendwelche Phanthasieprodukte entstehen, die, wenn das Kind mit der Wahrheit konfrontiert wird, zwangsläufig Konflikte auslösen. Dabei handelt es sich gerade um die Faktoren, die eine Entwicklung des Realitätsprinzips zulassen und die Basis für späterhin eigenständig durchzuführende Sublimierungen und Befriedigungsver-schiebungen legen. Die Latenzperiode erscheint dann auch faktisch als die Ent-wicklungsphase, die weit mehr die Ich Entwicklung in den Vordergrund stellt, spezifische Strukturen verfestigen hilft und neue Anforderungen stellt, die aber nur dann adäquat erfüllt werden können, wenn nicht bereits aufgrund zu intensiver Verdrängungen Ich Störungen konstatierbar sind.

Letztendlich und zum besseren Verständnis bleibt noch der Kontext zwischen Ideali-sierung und Sublimierung darzustellen: "Es liegt nahe, die Beziehungen dieser Idealbildung zur Sublimierung zu untersuchen. Die Sublimierung ist ein Prozeß der Objektlibido und besteht darin, dass sich der Trieb auf ein anderes, von der sexuellen Befriedigung entferntes Ziel richtet; der Akzent ruht dabei auf der Ablenkung vom Sexuellen. Die Idealisierung ist ein Vorgang mit dem Objekt, durch welchen dieses ohne Änderung seiner Natur vergrößert und psychisch erhöht wird. Die Idealisierung ist sowohl auf dem Gebiete der Ich-Libido wie auch der Objekt-Libido möglich. So ist zum Beispiel die Sexualüberschätzung des Objektes eine Idealisierung desselben. Insofern also Sublimierung etwas beschreibt, was mit dem Trieb, Idealisierung etwas, was am Objekt vorgeht, sind die beiden begrifflich auseinanderzuhalten. Die Idealbildung wird oft zum Schaden des Verständnisses mit der Triebsublimierung verwechselt. Wer seinen Narzißmus gegen die Verehrung eines hohen Ich-Ideals eingetauscht hat, dem braucht die Sublimierung seiner libidinösen Triebe nicht gelungen zu sein. Das Ich-Ideal fordert zwar solche Sublimierung, aber es kann sie nicht erzwingen (Triebsublimierung unterstellt ja gerade Befriedigungsvermittler ohne Zwang, zudem kann das Ich-Ideal Sublimierungen enthalten, aber nicht herbeiführen), die Sublimierung bleibt ein besonderer Prozeß, dessen Einleitung vom Ideal angeregt werden mag, dessen Durchführung durchaus unabhängig von solcher Anregung bleibt. ... Die Idealbildung steigert , die Anforderungen des Ichs und ist die stärkste Begünstigung der Verdrängung; die Sublimierung stellt den Ausweg dar, wie die Anforderung erfüllt werden kann, ohne die Verdrängung herbeizuführen." 127

Betrachten wir in diesem Kontext die Ausführungen von Hartmann: "Wir haben Freuds Vorstellung bejaht, daß Sublimierung von Libido ein Prozeß ist, durch den das Ich mit seinen speziellen Bedürfnissen mit entsprechender Energie versorgt wird; d. h. die Energien, die das Ich für seine spezifischen Funktionen gebraucht, sind in der Regel nicht triebhafter Natur, sie sind vielmehr desexualisiert" 128, so ist zunächst zu konstatieren, dass die spezifischen Funktionen des Ichs sehr wohl triebabhängiger Natur sind; das Ich ist ausdrücklich dadurch gekennzeichnet, dass es die Trieberregung adäquat verwenden kann, die Funktion der Triebbeherrschung besagt doch nichts über Triebunabhängigkeit, sondern vielmehr über ein unmittelbares Wissen von Trieberregung und adäquater Handlung mit dem Ziel der Befriedigung, was letztlich in bezug auf die Realität Entscheidungskompetenz impliziert, und zwar Entscheidungskompetenz hinsichtlich einer direkten oder hinsichtlich einer mehr oder minder indirekten Befriedigung. Im Falle der Sublimierung ist die Triebkomponente zwar desexualisiert, aber die Energie zur indirekten Befriedigungshandlung entstammt dem Triebpotential, dem Es, das Ich bestimmt doch geradezu die Richtung der Bedürfnisbefriedigung. Darüber hinaus subsumiert Hartmann die Sublimierung dem Begriff der "Neutralisierung". ”Wir bezeichnen den Wechsel libidinöser wie aggressiver Energie vom triebhaften zu einem nicht triebhaften Modus als Neutralisierung. Der Neutralisierungsprozeß gehört wesenhaft zu dem, das wir gewöhnlich Sublimierung nennen”.129 Diesen Ausführungen ist angesichts der geschilderten Freud’schen Auffas-sung ein evidenter Irrtum immanent. Während Freud von desexualisierten Befriedigungszielen spricht, modifiziert Hartmann die Aussage in so fern als er von Energieumwandlung spricht, aber nicht die Energie wird desexualisiert, sondern das Ziel der Triebregung, wie anders wäre die Aussage Freuds zu interpretieren, dass zielgehemmte Triebe zum ursprünglichen Ziel zurückkehren können. 130

5.3 Die Identifizierung

Ehe der Identifizierungprozeß genauer dargestellt wird, erscheint es vorteilhaft, nochmals an die konnatale Situation zu erinnern, wobei die Relevanz der Geburt in einer Zustandsveränderung, von vollkommener intrauteriner Befriedigung zu einer Aktivität der Bedürfnisäußerung besteht, d.h. mit der Geburt beginnt ein inter-subjektiver Prozeß an Bedeutung zu gewinnen. Dabei ist von seiten des Kindes eine Phase der Undifferenziertheit zwischen Subjekt und Objekt konstatierbar, die mit unspezifischen Bedürfnisäußerungen korrespondiert. Die Beruhigung des Kindes wird als ein objektives Anzeichen der Befriedigung interpretiert, was zunächst den Bezugspersonen eine die Bedürnisinterpretation betreffende einzigartige Stellung zuweist, insbesondere in bezug auf Versorgung, Zuwendung und Förderung auf der Ebene nonverbal-affektiver Interaktionsmuster, die für das Kind in dieser Phase von entscheidender Relevanz sind, bei den Bezugspersonen aber der bewußt intentionalen Verfügbarkeit weitgehend entzogen zu sein scheinen. In dieser Entwicklungsphase, die eine Differenzierung zwischen Objektbesetzung und Identifizierung nicht erkennen läßt, scheinen aber Vorläufer der Identifizierung eine Rolle zu spielen, für die Ferenczi den Begriff der Introjektion nicht im Sinne von Verinnerlichung, sondern im Sinne von Einverleibung geprägt hat 131 , der besagt, dass das Objekt der Befriedigung vom Kind als zum eigenen Körper gehörig perzipiert wird, anders ausgedrückt, zwischen dem Ob-jekt der Befriedigung und der Befriedigung selbst besteht eine Wahrnehmungsidentität. Nicht das Objekt der Befriedigung erfährt die psychische Repräsentanz einer Erinnerungsspur, sondern die psychomotorischen Sensationen. Mit der Empfindung der psychomotorischen Lustsensationen, die an unterschiedlichen Körperstellen oder partien empfunden werden, entwickeln sich auch die in Form des Probehandelns beobachtbaren autoerotischen Befriedigungen. Die ersten auf Denkprozessen basierenden Aktivitäten, deren Kulminationspunkt die Konstituierung des Objektes der Libido zu sein scheint. Dieser primäre Erkenntnisprozeß beruht auf einer durch die Bezugspersonen vermittelten Selbsterkenntnis, d.h. die erste Bedürfnisäußerung ist Ausdruck des Aggressionstriebes, während die mit der Befriedigung korrespon-dierenden Lustsensationen in der oralen Phase vorwiegend durch den Saugreflex verursacht Ausdruck des Sexualtriebes sind. Die nächste Bedürfnisäußerung läßt bereits zwei Befriedigungsmöglichkeiten zu, nämlich die des Aggressionstriebes und die des Sexualtriebes oder beide zusammen, d.h. mit jeder erlebten Lustsensation steigern sich die Bedürfnisse, wenngleich die Äußerung in den ersten Lebensmonaten fast immer die gleichen sind, was die Interpretationsfähigkeiten der Bezugspersonen nochmals verdeutlicht und darauf verweist, dass das Bedürfnispotential an sich nicht bewertbar ist, sondern das die Potentialentfaltung oder besser die Bedürfniskanalisierung wird weitgehend von den Bezugspersonen bestimmt. Mit der Konstituierung des Objektes der Libido jedenfalls beginnt auch der Prozeß der eigentlichen Identifizierung: ”Die Identifizierung ist der Psychoanalyse als früheste Äußerung einer Gefühlsbindung an eine andere Person bekannt.” 132

”Man erkennt nur, die Identifizierung strebt danach, das eigene Ich ähnlich zu gestalten, wie das zum Vorbild genommene." 133 Aufgrund der Befriedigungsvermittlung werden die Bezugspersonen faktisch zu einzigartigen Objekten, an denen oder mit denen dem Kind die Orientierung in der Außenwelt erst möglich wird. Das Kind lernt aufgrund von Imitation nicht nur die Unterscheidung zwischen Gegenständen mit denen es quasi machen kann, was es will, sondern auch, daß bestimmte imitierte Verhaltens und Handlungsmuster mehr oder weniger sanktioniert werden. Aus diesem Wechselspiel ergeben sich auf die Alltagssprache gewendet folgende Möglichkeiten:

- Ich möchte so sein wie meine Eltern, oder ich muß so sein wie meine Eltern oder
- ich muß so sein wie meine Eltern es erwarten.

Während die erste Möglichkeit eher die Befriedigungsvermittlung betrifft, sind die beiden Anderen eher mit Zuwendungsentzug von seiten der Eltern assoziiert, einerseits also ein eher subjektives Bedürfnis, anderseits ein eher durch Vermittlungsformen bestimmter Prozeß. Man kann annehmen, dass die diesbezüglichen Identifizierungen vom Es ausgehen, d.h. sofern die Befriedigungen angesprochen sind, die direkt mit den Objektbeziehungen in Verbindung stehen oder aus ihnen resultieren - Identifikation gleichsam als Bedürfnis. Das Ich entwickelt sich also einerseits auf der Basis der erlaubten aggressiven oder libidinösen Triebbefriedigungen, die von der Außenwelt erlaubten Befriedigungshandlung werden zu bewußt intentionalen Verhaltens und Handlungsmustern konstituiert und andererseits auf der Basis unerlaubter Handlungen, wobei hier die Art und Weise der intersubjektiver Vermittlungsformen (negative Sanktionen) von entscheidender Bedeutung sind. Dabei spielt die Identifizierung die Rolle, imitierte Verhaltens und Handlungmuster zu subjektiv verfügbaren zu gestalten, wobei die erlaubten wiederum an erster Stelle stehen, aber es erfolgt auch, um eine Triebbeherrschung zu erreichen, eine Identifikation mit Verhaltens- und Handlungsmustern, die gerade die ursprüngliche Befriedigungshandlung nicht erlauben, diese Identifikationen beruhen auf der Vermittlungsfähigkeit der Eltern in Form gezeigter oder vorgelebter Alternativen. Das Kind gibt die ursprüngliche Handlung auf, weil aufgrund der gebotenen Alternativen quasi ein Teil der Bezugspersonen in-ternalisiert wird, der verbietende Teil der Objektbeziehung wird aufgegeben und zu subjektiv verfügbaren Handlungen gestaltet. Der versagende Teil wird aufgrund der Internalisierung ins Ich positiv gewendet, ohne das Verdrängungen notwendig sind. Damit ist der Vorgang gemeint, dass die Identifizierung jene Bedingung sei, unter der das Es seine Objekte aufgibt und damit zum Gestaltungsfaktor des Ichs wird. "Jedenfalls ist der Vorgang zumal in frühen Entwicklungsphasen ein sehr häufiger und kann die Auffassung ermöglichen, daß der Charakter des Ichs ein Niederschlag der aufgegebenen Objektbesetzungen ist, die Geschichte dieser Objektwahlen enthält. ... Auch eine Gleichzeitigkeit von Objektbesetzung und Identifizierung, also eine Charakter-veränderung, ehe das Objekt aufgegeben worden ist, kommt in Betracht. In diesem Fall könnte die Charakterveränderung die Objektbeziehung überleben und sie in gewissem Sinne konservieren. Ein anderer Gesichtspunkt besagt, daß diese Umsetzung einer erotischen Objektwahl in eine Ich-Veränderung auch ein Weg ist, wie das Ich das Es bemeistern und seine Beziehung zu ihm vertiefen kann, allerdings auf Kosten einer weitgehenden Gefügigkeit gegen dessen Erlebnisse. Wenn das Ich die Züge des Objektes annimmt, drängt es sich sozusagen selbst dem Es als Liebesobjekt auf, sucht ihm seinen Verlust zu ersetzen, ... Die Umsetzung von Objektlibido in narzißtische Libido, die hier vor sich geht, bringt offenbar ein Aufgeben der Sexualziele, eine Desexualisierung mit sich, also eine Art von Sublimierung. Ja, es entsteht .. die Frage, ob dies nicht der allgemeine Weg zur Sublimierung ist, ob nicht alle Sublimierung durch die Vermittlung des Ichs vor sich geht, welches zunächst die sexuelle Objektlibido in narzißtische verwandelt, um ihr dann vielleicht ein anderes Ziel zu setzen." 134

Wenn nun beispielsweise eine Identifizierung mit dem verbietenden Teil der Be-zugspersonen erfolgt, dann haben wir die Bildung des Ich Ideals im Auge, dann findet die positive Wendung ins Ich nicht statt, sondern der Verhaltensanspruch erhöht sich zur idealisierten Forderung, die das Ich niemals erfüllen kann und einen diesbe-züglichen Konflikt in Form des Minderwertigkeitsgefühl vorprogrammiert. Damit ist die Identifikation mit dem Angreifer gemeint, die besagt, dass ein Bedürfnisbefrie-digungsanspruch auf die Versagung der Bezugspersonen trifft, daraufhin die Aggression gegen die versagende Person mobilisiert, die aber wiederum auf Versagung trifft, womit dieser Konflikt für das Kind nur dadurch lösbar wird, indem es sich mit dem Verbot in Form der versagenden Person identifiziert und dadurch quasi das Ideal konstituiert. Der Konflikt ist dadurch aber nicht gelöst, sondern das Verbot als Verhaltensanspruch internalisiert und im Falle der Aktivierung der Triebregung wird das Verbot wahrscheinlich zum konfliktauslösenden Moment. 135

5.4 Die Verleugnung

Angesichts der in der Literatur allgemein vorherrschenden Auffassung des Phänomens 'Verleugnung' lassen sich einige Aspekte darstellen, die nicht nur äußerst fragwürdig, sondern gleichsam absurd erscheinen:

Verleugnung wird fast ausschließlich als pathologischer Prozeß beschrieben.

Verleugnung und Verdrängung werden nicht hinreichend differenziert (vgl.

Der Prozeß der Verleugnung wird zumeist nur aus der Sicht des Beobachters definiert.

- Verleugnung als empirisches Forschungsobjekt scheint kein generelles Phänomen zu sein, sondern nur im Bereich schwerer chronischer oder terminaler Krankheiten relevant.
- Es wird zu selten zwischen subjektiver Verleugnung und Verleugnung im sozialen Interaktionskontext differenziert.

Verleugnung, unter theoretischen Aspekten betrachtet, unterstellt generell ein All-tagsphänomen, dass die subjektive Ausblendung spezifischer Realitätsrepräsentanzen zum Ziele hat. Diese Ausblendung spezifischer Realitätsrepräsentanzen impliziert einen Abwehrprozeß auf der Ebene sekundärprozessualer Verarbeitungsformen. Verleugnungen sind die Folge von bereits bewerteten Realitätsaspekten, die ganz oder zum Teil subjektiv oder im sozialen Interaktionkontext ausgeblendet werden. Vor diesem Hintergrund unterliegt die Verleugnung bewußten Verarbeitungsstrategien; denn wenn Realitätsaspekte keine bewußte Qualität erfahren haben, dann können sie auch nicht verleugnet werden, sondern dann unterliegen sie latenten Verarbeitungsstrategien und sind den Bedingungen der Verdrängung zu subsumieren.

Entwicklungshistorisch kann die Verleugnung als ein Spätprodukt (nach Konstituierung der Systeme) aufgefaßt werden, dessen Vorgänger die Verneinung zu sein scheint. Eine Verneinung ist nichts anderes als die Zurückweisung eines Anspruches rsp. einer Erwartung perzipierter Realitätsaspekte. Die Verleugnung ist in so fern als Verlängerung der Verneinung aufzufassen als perzipierte Realitätsaspekte einem Bewertungsprozeß unterliegen und das Subjekt daraufhin spezifische Aspekte aus seinem subjektiven und sozialen Sein auszublenden versucht. Es kann bei diesem Prozeß doch wohl kaum darum gehen, die Folgen der Verleugnung in subjektiver und sozialer Hinsicht an pro-fessionellen Maßstäben zu bewerten, sondern vielmehr herauszukristallisieren, aufgrund welcher Informationen der Bewertungsprozeß in der Ausblendung spezifischer Realitätsaspekte mündet und welche subjektiv-rationale bzw. emotionale Intention dahintersteht.

Die Relevanz dieser Auffassung zeigt sich auf der empirischen Ebene dadurch, daß über bewußt intentionale Symbole die Verleugnung mit Hilfe qualitativer rsp. biographischer Interviews unmittelbar eruiert werden kann, während Verdrängung eben nur mittelbar (über empirisch konstatierbare Widerstände) beobachtbar ist. Paraphrasierend für die Relevanz der hier vertretenen Auffassung möchte ich zwei Definitionen der Verleugnung anführen, die empirisch erhebliche Probleme aufwerfen:

Hackett und Cassem (1974) definieren in ihrem Fremdbeurteilungsverfahren Ver-leugnung als "... bewußte oder unbewußte Zurückweisung der teilweisen oder gesamten verfügbaren Bedeutung eines Ereignisses, um Furcht, Angst oder andere unangenehme Affekte zu lindern." (zit. nach M. Beutel, 1985)

Gaus und Köhle erweitern diese Definition in bezug auf Krankheit: "Verleugnen ist die bewußte oder unbewußte Zurückweisung der gesamten verfügbaren Bedeutung einer Erkrankung in der Absicht, Angst zu mindern und emotionalen Stress zu mindern."(zit. nach Breitkopf 1983)

Breitkopf führt in seiner Studiendiskussion auch eine Definition von Verleugnen aus klinischer Sicht an: "Der Arzt definiert eine Realitätsnorm, der Arzt beobachtet unan-gemessenes Verhalten und bewertet es als unvernünftig, unverständlich, skurril, schlimm."

Was die erste Definition angeht, so muß doch zunächst berücksichtigt werden, daß die Diagnose vom Arzt bewußt vermittelt wird, was eine gleichsam bewußte Perzeption auf seiten des Patienten unterstellt. Dabei ist aber der Bewertungsprozeß der Diagnose von entscheidender Relevanz, nicht die Diagnose selbst , sondern das bewußte bzw. latente Wissen über die Erkrankung. Erst mit Hilfe von bewußt vermittelten Bewertungskriterien kann die Verleugnung als Handlungsalternative selektiert werden. Es ist grundsätzlich nicht die Diagnose, die Abwehrmechanismen mobilisiert, sondern vielmehr die Sinn und Bedeutungsinterpretation hinsichtlich aktueller und prognostischer Auswirkungen auf die Lebenssituation der Betroffenen. Die Bewertungsmaßstäbe entweder die professionelle Aufklärung über Sinn und Zweck therapeutischer Interventionen oder die Verwertung der Informationssuche des Betroffenen selbst entscheiden über Art und Ausmaß der gewählten Verarbei-tungsstrategien, d.h. es sind entweder habitualisierte Strategien, die im Krankheitsfalle präferiert werden oder es sind Neubewertungen auf der Basis eines bewußten Entscheidungsprozesses.

Darüber hinaus müßten die Autoren explizieren, was unter der 'unbewußten Zu-rückweisung der gesamtem verfügbaren Bedeutung einer Erkrankung' zu verstehen ist und wie diese unbewußte Zurückweisung empirisch operationalisiert werden kann. Eine unbewußte Zurückweisung kann es in Anbetracht der bewußt vermittelten Diagnose nicht geben; nur die assoziativen Sinnkontexte können zurückgewiesen werden, was einer bewußten Ausblendung der gesamten oder partiellen Bedeutung einer Erkrankung korrespondiert. Dabei ist aber zu berücksichtigen, ob überhaupt ein Bedeutungskontext der Erkrankung existiert.

Die Tatsache, die häufig unterschlagen wird, betrifft die Informationen über die Auswirkungen und Prognosen einer Erkrankung für die Lebensituation des betroffenen Subjektes, ob sie intersubjektive Validität beanspruchen können oder ob die Fachsprache dem Patienten interpretierbare Sinn und Bedeutungsinhalte vermittelt, konkret, ob die Informationen explizit vermittelt werden oder über latente Sinn-strukturen.

Interessant in diesem Zusammenhang ist die folgende Darstellung von Breitkopf (1983) und Hackett und Casem (Zit. nach Breitkopf 1983):

" Der Verleugner ignoriert seine Angst und konzentriert sich in der Klinik auf die Hotellerie, er akzentuiert sein Überlebenspotential.

A definition of denial would be incomplete without adding optimism. Not only is danger minimized or negated, but optimism is present in form of hope, not simply for survival, but also for a good Future."

Die Ausblendung von Angsttendenzen kann doch nur dann erfolgen, wenn die Angst Bewußtseinsrepräsentanz erlangt hat, und die Art der Angstausblendung erfolgt mit Hilfe bewußt intentionaler Aufmerksamkeitsverschiebungen im Hinblick auf hof-fungsvolle Zukunftsperspektiven. Dabei ist es selbstverständlich möglich, daß die Ausdrucksformen der Verleugnung rigide Züge zeigen können, aber nur aufgrund ha-bitualisierter Verarbeitungsmechanismen auf der Ebene realer Ausblendungsin-tentionen, weil die Bewertung von Realitätsaspekten dadurch verkürzt, ganz wegfällt oder subjektiv interpretiert wird.

Die zweite Definition hat professionellen oder institutionellen Charakter; institutionell im system funktionalistischen Sinn und professionell im Sinne der personifizierten Vertreter des Systems Gesundheitswesen also mit subjektiven Aspekten versehen. Die Einseitigkeit ist offensichtlich und zeigt in ihren Ausdrucksformen immer eine negative im Sinne von Devianz Zuschreibung für die betroffenen Subjekte, obwohl Verleugnung als Abwehrprozeß eine subjektspezifische Handlungskategorie kennzeichnet. Die generelle Problematik der klinischen Definition offenbart eine aufgrund subjektiver Definitionsmacht deviante Etikettierung durch professionelle Helfer, wobei sowohl die intersubjektive Validität als auch die objektive Reliabilität außer acht gelassen wird.

Speziell zeigt sich auf der empirischen Ebene das Problem der Operationalisierung für einen neutralen Beobachter.

Zusammenfassend ist Verleugnung als bewußter, spezifische Realitätsaspekte aus-blendender, Abwehrprozeß aufzufassen, dessen Sinnhaftigkeit keinesfalls durch de-viante Etikettierung professioneller Experten erfaßt zu werden vermag, sondern nur über Sinn und Bedeutungsinterpretationen auf seiten der handelnden Subjekte. Es scheint wenig sinnvoll, professionelle die nicht zwangsläufig systemimmanenten Konsens implizieren Definitionen für den empirischen Kontext zu operationalisieren, wenn eine subjektspezifische Kategorie mit Hilfe der Betroffenen analysiert werden soll. Eine einseitig klinische Definition konterkariert darüber hinaus den Sinnzusammenhang eines Alltagsphänomens mit seinen diversen Erscheinungsformen auf seiten der handelnden Subjekte. Sie unterschlägt gleichwohl die wie Hackett und Casem ausführen potentiell hoffnungsvollen Zukunftsorientierungen. In diesem Sinne könnte man die Verleugnung auch als Coping Prozeß kennzeichnen, was aber nicht unproblematisch ist; denn Verleugnung betrifft die Ausblendung von bewußtseinsfähigen Realitätsrepräsentanzen, während die bewußt intentionale Aufmerksamkeitsverschiebung eine Neubewertung der Lebenssituation mit dem Ziel kennzeichnet, zukunftsorientierte Handlungsalternativen zu entwickeln.

5.5 Die Bagatellisierung

Wenn Verdrängung als frühinfantiler Abwehrprozeß, der die langfristige Ausblendung spezifischer Sinnkontexte intendiert und die Nachverdrängung in der aktuellen Situation eine Ausblendung von Aspekten mit enger Affinität zu verdrängten Sinn-kontexten auf der latenten Ebene kennzeichnet; wenn die Verleugnung die be-wußt intentionale Ausblendung spezifischer Realitätsaspekte mit der Möglichkeit vermittels bewußter Aufmerksamkeitsverschiebungen auch hoffnungsvolle Zu-kunftsperspektiven zuzulassen, dann ist die Bagatellisierung zunächst als subjektives Interpretationspotential zu berücksichtigen.

Die Bagatellisierung ist ein auf einer bewußten Perzeption basierender Interpretati-onsprozeß, der der bewußten Perzeption eine positive Umdeutung eines Ereignisses ermöglicht. Die Bagatellisierung eines Ereignisses ist nichts anderes als einer subjek-tiven Sinn und Bedeutungsinterpretation die problematischen Inhalte zu entziehen. Ausgeblendet werden dabei im Gegensatz zur Verdrängung und Verleugnung nur die für das subjektive Sein problematischen Inhalte. Sie werden durch subjektive akzeptable Interpretationen ersetzt. Auf eine Störung des Subjektes zu seinem Interaktionskontext bezogen, bedeutet das:

Ein Symptom wird perzipiert und subjektiv so interpretiert, daß die Bedeutung des Symptoms mit bedrohlichen Tendenzen scheinbar oder faktisch assoziiert ist. Die bedrohlichen Tendenzen können subjektiv nicht ertragen werden, woraufhin eine subjektive Neubewertung der bedrohlichen Tendenzen eingeleitet wird. Das Subjekt versucht sie auszublenden, indem sie durch weniger bedrohliche Aspekte ersetzt werden oder der soziale Interaktionskontext bietet dem Subjekt diverse Deutungsmuster an, wobei wahrscheinlich die Bedeutung selektiert wird, die weniger bedrohlich erscheint, das bedeutet auch, daß betroffene subjektive Repräsentanzen nicht modifiziert werden müssen.

Entwicklungshistorisch ist auch die Bagatellisierung ein Spätprodukt sozialisatorischer Bildungsprozesse. Während bei der Verleugnung ein Ereignis oder der Aspekt eines Ereignisses ausgeblendet wird, impliziert die Bagatellisierung eine subjektiv rsp. sozial akzeptable Neubewertung eines bewußt perzipierten Ereignisses oder Aspektes, d.h. das Ereignis wird sehr wohl akzeptiert, aber die bedrohlich erscheinenden Assoziationen unterliegen einer weniger bedrohlichen Neuinterpretation oder wenn man so will einer Verharmlosung. Verdrängung als ursprünglicher Abwehrprozeß gegen repressiv ver-mittelte Außenweltansprüche wäre noch als oktrojierter Anpassungsprozeß zu verstehen, aber die Wiederkehr des Verdrängten in Form von Symptomen impliziert eine Störung des Subjektes zu seinem Interaktionskontext. Bagatellisierung hingegen kann sowohl als Abwehrprozeß sofern die Ausblendung mit Hilfe der Neubewertung berücksichtigt wird als auch als Anpassungsprozeß an sozial erwünschte Verhaltens-muster aufgefaßt werden, wobei diese Prozesse permanent wiederholt werden können, ohne daß zwangsläufig eine Störung des Subjektes zu seinem Interaktionskontext manifest wird.

5.6 Die Intellektualisierung

"Die Motivabwehr wird von der Intellektualisierung dadurch erreicht, das die Affekte von den Vorstellungen abgetrennt werden. Die sachlichen Inhalte werden nur noch rein intellektuell ohne ihre zugehörigen Gefühlsregungen betrachtet." (Nusko 1986)

Diese Definition zeigt meiner Auffassung nach einige Schwächen

Intellektualisierung wird allein im Sinne eines Abwehrprozesses auf der intrapsy-chischen Ebene abgehandelt,

eine Gefühlsregung ist eine diffuse oder sinnhafte Erregungsrepräsentanz,

- ein Affekt ist eine subjektiv nicht erklärbare Handlungskategorie, die sich quasi hinter dem Rücken des Subjektes durchsetzt.

Intellektualisierung läßt sich vielmehr im Sinne eines Alltagsphänomens analysieren, als gesellschafts oder gruppenspezifische Denkweise, teils die dualistische Denkweise der Trennung von Soma und Psyche und teils die instrumentell funktionalistische Denkweise. Probleme, Konflikte, Ereignisse, intrapsychische oder soziale Rea-litätsaspekte werden mit Hilfe instrumenteller Verbalisierungen intentional auf einer sachlichen rsp. fachlichen Ebene diskutiert und interpretiert, so daß die vitalen zu-gehörigen Empfindungen kontrolliert oder völlig ausgeblendet werden (vgl. Runde et. al; Alexethymie M. de Unzan, Beula Parker usw.) Die Interpretation der subjektiven und sozialen Realität unterliegt allein den mentalen Repräsentanzen, es ist der Versuch, Affekte und Emotionen aus der Lebenswelt auszugrenzen, was sowohl die Gesamtperson (vgl. Kap. III und VI) als auch Teilaspekte des Subjektes sowie den Einfluß des sozialen Interaktionskontextes betrifft; gleichsam der personifizierte Funktionalismus, der vitale Prozesse immer zu kontrollieren rsp. instrumentell zu erfassen und zu interpretieren sucht. (vgl. B. Parker 1971)

Die Fähigkeit zur Intellektualisierung vermittels spezifischer Bildungsprozesse wird im sozialisatorischen Interaktionskontext habitualisiert, so dass das Subjekt sein In Der Welt Sein fast ausschließlich im sogenannten 'objektivierenden' Sinn zu interpretieren sucht. In diesem Sinn wäre die Intellektualisierung mit einer emotionalen und affektiven Verdrängung verbunden.

Im Rahmen von Krankheits oder der Verarbeitungsstrategien im sozialen Interakti-onskontext auf der aktuellen Ebene, wäre die Intellektualisierung auch ohne Ver-drängung denkbar, nämlich als Möglichkeit zur Bewältigung oder Adaptation an reale Erwartungen und Ansprüche. Indem Bedingungen des sozialen Interaktionskontextes instrumentell funktionalistisch rsp. unter Zweck Mittel Relatio-nen interpretiert werden, d.h. sie werden bewußt intentional bewertet, können sie in ihrem vollständigen Ausmaß analysiert und prognostiziert werden, ohne daß die emotionale oder affektive Betroffenheit perzipiert wird. Die quasi vitale Bedrohung wird mit Hilfe instrumentell funktionalistischer Interpretationsmuster nicht mehr wahrgenommen. Die Intellektualisierung in diesem Sinne ist kein Abwehrprozeß, sondern vielmehr ein Adaptations Prozeß an spezifische soziale Realitäten oder ein Coping Prozeß spezi-fischer Lebensbedingungen bzw. subjektiver und sozialer Aspekte. Wenn die Intel-lektualisierung als subjektive Handlungsstrategie unter Berücksichtigung realer Be-dingungen aber unter Ausblendung affektiver und emotionaler Aspekte gekenn-zeichnet wird, dann ist sie eine spezifische Art der Alltagsbewältigung oder der An-passung. Es werden letztendlich alle Bedingungen eines Ereignisses erfaßbar, nur nicht auf allen Erlebnisebenen. Auf der aktuellen Ebene und unter Berücksichtigung der Habitualisierung unterliegen Bewertung und Handlungsstrategien eines Ereignisses bewußt intentionalen Repräsentanzen auf der Ebene instrumentell funktionalistischer Sinnstrukturen, wobei es sein mag, daß die Perzeption der restriktiven oder bedrohli-chen Aspekte den latenten Verarbeitungsbedingungen unterliegen. Sind aber die restriktiven oder bedrohlichen Aspekte bewußt perzipiert worden, dann kann einerseits mit Hilfe der Intellektualisierung ein Coping- oder Anpassungsprozeß erreicht werden, oder die restriktiven oder bedrohlichen Aspekte werden verleugnet. Abschließend möchte ich die Intellektualisierung als Verneinung mit subtileren mentalen Repräsentanzen bezeichnen oder als Verneinung auf einer abstrakteren kognitiven Ebene; denn je abstrakter die kognitiven Denkstrukturen, desto geringer die Beziehung zum gesamten Erlebniskontext.

5.7 Die Rationalisierung

Allgemein wird bei der Rationalisierung aus einer möglichen Anzahl von Erklärungen für die gegenwärtige Situation jene ausgewählt, die 'gute' Gründe aber nicht notwendigerweise auch reale Gründe nennt." (Lehnert&Kube 1957, Nusko 1987) Generell ließe sich die Intellektualisierung als Verneinung rsp. Urteilsfunktion auf abstrakterer kognitiver Ebene kennzeichnet, die Rationalisierung hingegen als Bagatellisierung mit subtileren abstrakt kognitiven Mitteln. Ereignisse oder Erlebnisse werden bewußt perzipiert, aber die Kontexte und Beziehungen der Ereignisse werden mit feineren Abstraktionen so interpretiert, daß eine subjektive Bedrohung oder Problematisierung in eine Befriedigung oder Akzeptanz ausläuft. Mit Hilfe von Aufmerksamkeitsverschiebungen, die Alternativrepräsentanzen aktivieren, rekurriert das Subjekt auf bewußtseinsfähige Interpretationskontexte, die sowohl eine Befrie-digungsmöglichkeit offenlassen als auch subjektadäquat zu sein scheinen, wobei nicht notwendigerweise eine vom sozialen Interaktionskontext erwünschte oder erwartete Interpretation selektiert wird. Das Subjekt rekurriert grundsätzlich auf bewußt verfügbare Repräsentanzen, die sowohl Realitätsansprüchen genügen können, gleich-sam aber auch eine neue subjektive Realität konstituieren. Die Konstituierung der neuen subjektiven Realität muß nicht zwangsläufig die Handlungsstrukturen im sozialen Interaktionskontext modifizieren oder beeinflussen. Rationalisierung kann demnach als bewußte Selektion von positiv gefärbten Alternativinterpretationen subjektiver oder sozialer Perzeptionen gekennzeichnet werden. Intellektualisierung und Rationalisierung sind aufgrund ihrer Präsupposition von abstrakt kognitiven Denk-prozessen keine frühinfantilen Anpassungs oder Copingstrategien, sondern entwick-lungshistorisch können sie erst mit der Phase der formalen Operationen (ab 12. Lebensjahr) beginnen. Was Nusko (1986) als Rationalisierung bei Kindern be-schreibt ein Kind stolpert über einen Gegenstand und versetzt ihm daraufhin Fußtritte, als würde er den wahren Schuldigen bestrafen , hat nichts mit Rationalisierung zu tun, sondern betrifft Projektionsmechanismen.

Im Gegensatz zur Intellektualsierung impliziert die Rationalisierung immer die Aus-blendung bedrohlicher oder problematischer Aspekte eines Ereignisses oder Erleb-nisses. Während die Bagatellisierung eine Verharmlosung von Realitätsaspekten zum Ziele hat, modifiziert die Rationalisierung die Realitätsaspekte mit Hilfe positiv gefärbter Alternativinterpretationen, was im Sinne von Övermann (1982) 'strategisches Handeln' bezeichnet. Sofern die Alternativrepräsentanz ein Phantasieprodukt darstellt, scheint der Begriff der Illusionierung präziser zu sein. Rationalisierung vor diesem Hintergrund impliziert zwangsläufig einen mehr oder minder engen Realitätsbezug, zumal die Operationalisierung für die empirische Beobachtung problematisch würde, wenn der Rationalisierung der Realitätsbezug entzogen wird. Die Definition als "Irrationalization" (Schaffer & Schoben 1956) präsupponiert eine Explikation des Begriffs 'Rational', d.h. es wird ein Normalitätskonstrukt unterstellt. Rationalisierung im sozialen Interaktionskontext präsupponiert zwangsläufig einen bestimmten Grad an intersubjektiver Validität der Alternativrepräsentanzen ansonsten wäre eine Störung des Subjektes zu seinem Interaktionskontext vorprogrammiert . Die aus den Alterna-tivrepräsentanzen resultierenden Handlungsstrukturen lassen sich erst auf der empiri-schen Ebene eruieren, nämlich durch den Entscheidungsprozeß hinsichtlich der Akzeptanz der verfügbaren Befriedigung oder im Rahmen intersubjektiver Kom-munikationsprozesse.

Von professioneller Seite scheint die Rationalisierung fast ausschließlich als patho-logischer oder devianter Prozeß aufgefaßt zu werden, was aber nur dann meßbar wäre, wenn die objektivierbaren Kriterien apriori expliziert werden. Es muß aber zunächst darum gehen, den subjektiven Sinn dieser Verarbeitungsstrategie bei unterschiedlichen Ereignissen und in unterschiedlichen Situationen herauszukristallisieren. Dabei handelt es sich einerseits um die Merkmale eines Alltagsphänomens und um die Merkmale eines spezifisches Ereignisses rsp. einer spezifischen Situation. In diesem Sinne scheint Rationalierung die Bewertung von Realitätsaspekten mit Hilfe aller verfügbaren Alternativinterpretationen zu bezeichnen, mit dem Ziel, unter Ausblendung der bedroh-lichen oder problematischen Aspekte, eine positiv gefärbte Alternativrepräsentanz zu besetzen. Sofern die Ausblendung von Aspekten betroffen ist, handelt es sich um einen Abwehrprozeß; sofern die bewußt verfügbaren Alternativrepräsentanzen besetzt werden, handelt es sich um einen bewußt intentionalen Interpretationsprozeß und man könnte von einer Coping Strategie sprechen, sofern die positiv gefärbte Hand-lungsintention im Zentrum der Betrachtung steht. Bei der Rationalisierung scheint sowohl eine Anpassungs als auch eine Copingstrategie möglich, wobei im sozialen Interaktionskontext die Anpassungsstrategie und für das subjektive Erleben die Coping Strategie relevant wäre.

6. Die Sexualtheorie

6.1 Die orale Phase

Freud unterstellt zwei Annahmen, die bisexuelle und die polymorph perverse Veranlagung. Während die bisexuelle Veranlagung aus der nicht konstatierbaren psychischen Struktur abgeleitet ist, d.h. biologisch lassen sich zwar maskuline oder feminine geschlechtsspezifische Merkmale feststellen, aber psychisch sind keine Differenzen konstatierbar, somit kann man also entweder von einer Bewertung in Form der Bisexualität sprechen oder wertneutral von einem geschlechtsunspezifischen Potential. Aufgrund der vielfältigen in den frühinfantilen Entwicklungsphasen möglichen sexuellen Befriedigungen erscheint die polymorph perverse Anlage eine unzulässige Bewertung zu enthalten, womit auch diese Annahme in eine wertneutrale im Sinne eines sexuellen Befriedigungs-Potentials modifiziert wird.

Die Phase der Undifferenziertheit ist verknüpft mit einer eingeschränkten Per-zeption Reizschutzapparat genannt , die für die Reifung das biologischen Systems als relevant angesehen wird. Der Säugling ist zunächst also nur von seinen existenziellen Bedürfnissen abhängig, ganz Es oder äquivalent ganz Lust Ich, völlig dem Lust Unlustprinzip oder dem Primärvorgang folgend, was besagt, dass die Bezugspersonen die Befriegung übernehmen, zumeist die Mutter.

Die Mutter Kind Dyade repräsentiert nicht nur die ersten Objektbeziehungen mit einer Vielfalt affektiver Kommunikationsmittel, sondern auch die Befriedigung der Bedürfnisse, insbesondere Nahrung und Sauberkeit sowie Zuwendung, wobei immer auch eine Reizung der erogenen Zonen unterstellt werden muß. Der Saugreflex oder die Nahrungsaufnahme ist gleichsam mit einer Reizung der Mundschleimhaut assoziiert, deren Folge Freud als "Ludeln" oder Wonnesaugen" bezeichnet. "Das Ludeln oder Lutschen, das schon beim Säugling auftritt und bis in die Jahre der Reife fortgesetzt werden oder sich durchs ganze Leben erhalten kann, besteht in einer rhythmisch wiederholten saugenden Berührung mit dem Munde, (den Lippen) ... Ein Teil der Lippen selbst, die Zunge, eine beliebige andere erreichbare Hautstelle - selbst die große Zehe werden zum Objekt genommen, an dem das Saugen ausgeführt wird. Ein dabei auftretender Greifreflex äußert sich etwa durch gleichzeitiges Zupfen am Ohrläppchen und kann sich eines Teils einer anderen Person zum gleichen Zwecke bemächtigen. Das Wonnesaugen ist mit voller Aufzehrung der Aufmerksamkeit verbunden, führt entweder zum Einschlafen oder selbst zu einer motorischen Reaktion in einer Art von Orgasmus. Nicht selten kombiniert sich mit dem Wonnesaugen die reibende Berührung gewisser empfindlicher Körperstellen, der Brust, der äußeren Genitalien. Auf diesem Wege gelangen viele Kinder vom Ludeln. zur Masturbation.” 136 Das Hauptmerkmal dieser oralen Phase läßt sich als autoerotisch bezeichnen, weil die Befriedigung zwar partiell durch die Bezugspersonen vermittelt werden, aber die orale Befriedigung unabhängig vom Objekt erfolgt. Das Lusterlebnis, welches durch die Reizung der erogenen Zonen erlebt wird, impliziert nur dann eine Wiederholung, wenn es bereits eine Erinnerungsspur hinterlassen hat. ”Der Zustand des Bedürfnisses nach Wiederholung der Befriedigung verrät sich durch zweierlei: erstens durch ein eigentümliches Spannungsgefühl, welches an sich mehr den Charakter der Unlust trägt, und zweitens durch eine zentral bedingte, in die peripherische Zone projizierte.Juck und Reizem-pfindung.” 137

Vor dem interkulturellen Hintergrund hat die orale Befriedigung in bezug auf ihre Präferenz besondere Bedeutung; es zeigt sich ganz offensichtlich, dass in anderen Kulturkreisen die körperliche Zuwendung sehr viel stärker präferiert wird als in den sogenannten Hochkulturen. Es ist zwar auch bei uns eine Wandlung in bezug auf den Kinderwagen zu konstatieren, aber er bleibt immer noch das primäre Beför-derungsmittel, obwohl in anderen Kulturen der Körperkontakt relevanter ist, nicht nur Wärmeempfindungen und Geruchswahrnehmungen, sondern auch Bewegung, Ruhe, Erregung, Gereiztheit der Mutter werden viel intensiver wahrgenommen und vermitteln Geborgenheit, Sicherheit und Vertrauen, was bei uns in dieser intensiven Beziehung scheinbar belanglos geworden ist, obwohl und das ist ein gewichtiges Argumente, eine in der Außenwelt wahrgenommene Gefahr aufgrund des unmittelbaren Körperkontaktes mit der Mutter erheblich weniger Angst erzeugt.

In diesem Kontext läßt sich auch das Stillen und die Entwöhnung behandeln:

Zunächst bleibt zu berücksichtigen, dass eine Anzahl der verschiedensten Geburtsarten zu beobachten ist, von der Hausgeburt bis hin zur völlig sterilen Krankenhausgeburt, wobei bislang meines Wissens - keine Studie existiert, die Entwicklungsdifferenzen mit unterschiedlicher Geburtsarten vergleicht.

Der zweite diesbezügliche Aspekt betrifft den rational nicht erklärbaren Zwang zu festen Stillzeiten, d.h. nicht das Nahrungsbedürfnis des Kindes entscheidet über den Zeitpunkt der Nahrungszufuhr, sondern die zumeist durch das Krankenhaus festgesetzten Stillzeiten, die Stillzeiten werden nicht bedürfnisentsprechend zugestanden, sondern Organisationsökonomie bestimmt, wann ein Kind Hunger hat, in anderen Kulturen wird entsprechend dem infantilen Bedürfnis gestillt.

Auch diesbezügliche Studien hinsichtlich ihrer Entwicklungsrelevanz sind mir nicht bekannt. Da die Stillzeiten bereits einen Zwang implizieren, so wird der Entwöhnungsprozeß kaum ohne Zwang verlaufen; denn zu frühe oder zwanghafte Entwöhnung impliziert immer auch die ersten Verdrängungsschübe, also Fixierung und Regression der Entwicklung. Die Vermittlungsfähigkeit der Bezugspersonen entscheidet über einen unproblematischen Prozeß oder über einen problematischen und konfliktären. Der Übergang von der Brust oder Flasche mit Hilfe von Schnuller zu sukzessiver Verabreichung fester Nahrung ermöglicht einen Entwöhnungsprozeß ohne Verdrängungen rsp. Konflikten. Anders, wenn die Bezugspersonen bestimmten Normansprüchen gerecht werden wollen, dann setzt ein eher zu früher Versagungsprozeß ein, so dass dem Kind keine Möglichkeit gegeben wird, die oktrojierte Versagung zu bewältigen. Eine Betrachtung der diesbezüglich vorherrschenden Normansprüche stellt nicht nur einen Kontext zu soziologisch re-levanten Faktoren her, sondern es wird deutlich, dass die über die Eltern vermittelten gesellschaftsspezifischen Normen den späteren Grad einer möglichen Ich Autonomie entscheidend beeinflussen.

6.2 Die anale Phase

Die Erreichung von Entwicklungszielen ist immer auch abhängig von der Kon-fliktbewältigung der vorhergehenden Entwicklungsphase, d.h. Traumen in der oralen Phase korrespondieren einer Fixierung, deren Konsequenzen sich in Ver-drängungsprozessen offenbaren und als orale Entwicklungshemmung aufzufassen ist, dann wird bereits zu diesem Zeitpunkt das Fähigkeitspotenzial eingeschränkt und wahrscheinlich auch schon der Realitätsbezug konterkariert.

Im Verlaufe des sukzessiven Entwicklungsprozesses lernt das Kind nicht nur die Beherrschung seiner Motorik, Mimik, Gestik und Sprache, sondern auch oder gerade die differenziertere Mitteilung spezifischer Bedürfnisse. Diese Erweiterung der Kommunikations und Interaktionsfähigkeiten korrespondiert einerseits der Kanalisierung von Bedürfnissen und andererseits der Erweiterung der Bedürfnis-differenzierungen. Man könnte meinen, die Konflikte zwischen Trieberregungen und Außenwelt nehmen aufgrund der Anpassungsprozesse an das Bezugssystem zu, Ge und Verbote, Zuwendung und Deprivation behindern die subjektiven Aktivitäten und Forderungen, und Ansprüche von seiten der Bezugspersonen wachsen.

Im Verlauf dieser Entwicklung wird auch die Afterzone als erogen empfunden, was wahrscheinlich im besonderem Maße durch den Zwang zur Reinlichkeit beeinflußt zu werden scheint, aber auch aufgrund der Verdauungsfunktion selbst und auch aufgrund der willkürlichen Betätigung des Schließmuskels. "Kinder, welche die erogene Reizbarkeit der Afterzone ausnützen, verraten sich dadurch, daß sie die Stuhlmassen zurückhalten, bis dieselben durch ihre Anhäufung heftige Muskelkontraktionen anregen und beim Durchgang durch den After einen starken Reiz auf die Schleinhaut ausüben können"138, was beim Urinieren in ähnlicher Form möglich ist. Die anale Phase aber ge-winnt insbesondere im Kontext zur Reinlichkeitserziehung an Relevanz, weil eine ungeheure Anzahl von Zwängen und Vermittlungsformen denkbar ist. Während die oralen Befriedigungen größtenteils noch toleriert werden, verweigern die Bezugs-personen die Beschäftigung mit den analen oder urethalen Ausscheidungen, obwohl sie für das Kind insofern bedeutsame Identifizierungsprodukte sind, weil die Erkenntnis dieses ureigenen Produktes gleichsam als Geschenk für die geliebten Personen Verwen-dung finden können. 139 Die besondere Beziehung zu diesen Produkten und die mit ihnen assoziierten Lusterlebnisse werden aber unter mehr oder minder strenge Bestrafung gestellt, was zwangsläufig die Befriedigungsziele oder objekte, womit das Kind selbst gemeint ist, modifizierungsbedürftig erscheinen lassen. Auf die diesbezügliche Bedeutung hinsichtlich der Vermittlung braucht nicht besonders hingewiesen zu werden, denn gerade hier beginnen die Barrieren zu entstehen, die späterhin als Scham und Ekel konkrete Gestalt annehmen.

[...]

1 Sigmund Freud: Triebe und Triebschiksale, Studienausgabe Bd. III, Frankfurt 1976: 82

2 S. Freud: Studienausgabe Bd. III, S. 86

3 Ebenda: S. 85

4 Ebenda: S. 86

5 S. Freud: Studienausgabe Bd. III, S. 66

6 vgl. S. Freud: Triebe und Triebschiksale, Studienausgabe Bd, III, Frankfurt 1976: 90 ff.

7 S. Freud: Jenseits des Lustprinzips, Studienausgabe Bd. III: 220

8 S. Freud: Zur Psychologie der Traumvorgänge, Studien­ausgabe Bd. II, , S. 568, vgl. dazu auch Studienausgabe Bd. I, S.348, Studienausgabe Bd. III, S. 181 217‑219, 270f

9 S. Freud: a.a.O.: Studienausgabe Bd. III, S.221

10 Derselbe: Das Ich und das Es, Studienausgabe Bd. III, S.291

11 intentionale Handlung soll verstanden werden als entwick­lungsstandsspezifische Handlung.

12 S. Freud: Die Wege der Symptombildung, Studienausgabe Bd. I, S. 362

13 Ebenda: S. 365

14 S. Freud: Ansätze zu einer Theorie der Angstneurose, StAsg. Bd. VI, S. 43

15 S. Freud: Ansätze zu einer Theorie der Angstneurose, Stasg. Bd. VI, S. 43

16 S. Freud: Das Ich und das Es, Stasg. Bd. III: 312 und 313

17 S. Freud: Jenseits ds Lustprinzips, a.a.O.: 260 und 261, (s. Kap. 7.3 Zusammenfassung (Narzißmus)

18 S. Freud: Die Libidotheorie, Stasg. Bd.V:121; vgl.auch: Zur Einführung in den Narißmus, a.a.O.: 66 ff. Über den pranoischen Mechanismus, a.a.O. S. 196 ff, (s. Sexualtheorie)

19 S. Freud: Das Ich und das Es, Studienausgabe Bd. III, S. 283

20 S. Freud: Archaische Züge und Infantilismus des Traumes, Studienausgabe Bd. I, S. 21‑4

21 S. Freud: Das Unbewußte und das Bewußtsein, Stasg. Bd. II, S.580

22 S. Freud: Einige Bemerkungen über den Begriff des Unbewußten, Studienausgabe Bd.III, S. 33/34

23 S. Freud: Formulierung über die zwei Prinzipien des psychischen Geschehens, Studasg. Bd. III: 18

24 Ebenda: S. 18

25 S. Freud: Die Fixierung an das Trauma, 18. Vorl., Studienausgabe Bd. I: 276/77

26 S. Freud: Das Unbewußte, Kap. V, Studienausgabe Bd.III, Frankfurt a/M 1976, 5. 145 f.

27 S. Freud: Zur Psychologie der Traumvorgänge, Studi­enausgabe Bd.II, S. 538/39

28 Derselbe: Das Ich und das Es, Studienausgabe Bd. III. vgl. S. 290

29 S. Freud: Zur Psychologie der Traumvorgänge, Studi­enausgabe Bd.II, S. 539/40

30 S. Freud: Jenseits des Lustprinzips, Studienausgabe BD. III, S. 270

31 Derselbe: Zur Psychologie der Traumvorgänge, a.a.0.9 571

32 S. Freud: Zur Psychologie der Traumvorgänge, a.a.O., 5. 572

33 S . Freud: Zur Psychologie der Traumvorgänge , a.a.0. S. 572/73

vgl, dazu: Die Verneinung, Studienausgabe Bd. III, S. 373‑377

34 S. Freud: Einige Bemerkungen über den Begriff des Ubw, Studienausgabe Bd. III, S. 29

35 Ebenda S. 31/32

36 S .Freud: Einige Bemerkungen über den Begriff des Ubw, Studienausgabe Gd. III, a.a.O.: 34

37 S. Freud: Das Ich und das Es, Studienausgabe Bd. III, S.285, vgl. auch 31.Vorl., Studienausgabe

Bd. I: 509

38 S. Freud: Das Unbewußte, Studienausgabe Bd. 111, S.160; vgl. dazu Bd.I, S. 83 ff. (Versprechen als Fehlleistung, und Bd. III, S. 168 ff.

39 S. Freud: Das Unbewußte, a.a.O. S. 153

40 Die Freud’sche Arbeit über das Bewußtsein ist leider verloren gegangen

41 S. Freud: Das Ich und das Es, in Studienausgabe Bd. III, S. S. 263

42 S. Freud: Das Unbewußte, a.a.O. S. 150

43 S. Freud: Das Unbewußte, a.a. O. S. 150

44 vgl. S. Freud: Das Ich und das Es, a.a.O., S. 288

45 vgl. C.‑F. Graumann: Aktualgenese, in Zeitschrift für exp. angew. Psychologie, 6 (1959), 410/­448

46 S. Freud: Metapsychologische Ergänzung zur Traumlehre, in Studienausgabe Bd. III, 189

47 Jenseits des Lustprinzips, Studienausgabe Bd. III, S. 244/45

48 S. Freud: Der Primär‑ und Sekundärvorgang, Studienaus­gabe Bd. III, S. 569

49 vgl. Ebenda: S. 564

50 Ebenda: S. 571

51 Ebenda: S. 573

52 S. Freud: Der Primär‑ und Sekundärvorgang, Studienaus­gabe Bd. III, S. 564

53 S. Freud: Primär und Sekundärvorgang, StAsg. Bd. II, S. 569

54 S. Freud: Das Ubw, Stasg. Bd. III, S. 149

55 Ebenda: S. 149

56 Ebenda: S. 150

57 S. Freud: Das Ubw, Studienausgabe Bd. III, S. 136

58 Derselbe: Das Ich und das Es, Studienausgabe Bd. III, S. 291

59 S. Freud: Das Ubw, Studienausgabe Bd. III, S. 153

60 S. Freud: Die Frage der Laienanalyse, Studienausgabe Bd. , Das ES, S. 291

61 Derselbe: Abriß der Psychoanalyse, Frankfurt a/M 1972, S. 9

62 S. Freud: Abriß der Psychoanalyse, a.a.0. S. 23 (2) Vgl. : Ichentwicklung in dieser Arbeit und

Georg Groddeck: Das Buch vom Es, 2.Aufl. München o. J. Erstausgabe 1923

63 S. Freud: Die Zerlegung der psychischen Persönlichkeit, 31. Vorlesung, Studienausgabe Bd. I, S.511

64 Derselbe: Das Ich und das Es, Studienausgabe Bd.III, S. 305

65 S. Freud: Abriß der Psychoanalyse, a.a.0. S. 512

66 S.Freud: Triebverzicht, Studienausgabe Bd.IX, S. 562/63

67 vgl. hierzu in dieser Arbeit: Verdrängung, Sub­limierung, Identifizierung

68 S. Freud: Das Unbehagen in der Kultur, Studienausgabe Bd. IX, S. 262

69 S. Freud: Das Unbehagen in der KuItur, Studienausgabe Bd. IX, S. 266/67

70 Vgl. Kris, Hartmann und Lowenstein

71 vgl. H.Hartmann: Ich‑Psychologie, Stuttgart 1972: 90 ff.

72 S. Freud: Gesichtspunkte der Entwicklung und Regression, 22,.Vorl", Studienausgabe Bd. I: 349

73 S. Freud: Triebe und Triebschiksale, Studienausgabe Bd. II: 98, 2 Derselbe:Formulierung über die zwei Prinzipien des psychischen Geschehens, a.a.0.: 21

74 derselbe: Die Verneinung, Studienausgabe Bd. III: 374

75 Derselbe:Formulierung über die zwei Prinzipien des psychischen Geschehens, a.a.0.: 21

76 S. Freud: Das Unbehagen in der Kultur, a.a.0.: 198

77 Ebenda: 199

78 S. Freud: Die Frage der Laienanalyse, EB: 286

79 S. Freud: Die Zerlegung der psychischen Persönlichkeit, 31.Vorl., a.a.O., S. 512/13, vgl. auch S. 514­, 515 und Das Ich und das Es. a.a.O., S.293‑295

80 Vgl. W.Reich: Die Funktion des Orgasmus, Köln/Berlin 1969 und Charakteranalyse, Frankfurt a/M 1970

81 S.Freud: Das Ich und das Es. a.a.0.: 297

82 S. Freud: Die psychoanalytische Technik, EB: 411

83 S. Freud: Die psychoanalytische Technikg EB: 411

84 vgl. zur Ich‑Stärke H. Hartmann: Ich‑Psychologie, Stuttgart 1972: 142‑144 und

0. Fenichel: Aufsätze Bd. II: 80 ff, vgl. zu Ich‑Funktion: H, Hartmann: Ich‑Psychologie: 120 f, 138 f, 142 f.

85 W.Reich: Charakteranalyse‑, S. 290

86 S. Freud: Das Unbehagen in der Kultur, a.a.O. S.227

87 S. Freud: Widerstand und Verdrängung, 32.Vorl.9 Studienausgabe Bd.I, S. 291

88 Derselbe: Die Fixierung an das Trauma, das Unbewußte, 18. Vorlesung, Bd.I, S. 279

89 S. Freud: Widerstand und Verdrängung, a.a.O., S.291/92 vgl. auch 289‑291, Äußerungsformen des Widerstandes

90 Ebenda: S. 297, vgl. auch 22.Vorlesung, S. 233‑249

91 vgl. S. Freud: Die Freud’sche psychoanalytische Methode, EB S. 103

92 S. Freud: Der Wahn und die Träume in W. Jensens Gradiva, Studienausgabe Bd.X, S. 35

93 S. Freud: Der Wahn und die Träume in W. Jensens Gradiva, Studienausgabe Bd.X S. 47, vgl. a. S. 80

94 Derselbe: Die Verdrängung, a.a.O. S. 107

95 Derselbe: Die endliche und die unendliche Analyse* EB S.367/68

96 Vgl. S. Freud: Die Verdrängung, S. 108

97 Rene Spitz: Die Entstehung der ersten Objektbeziehungen, 3.Aufl.. Stuttgart1973, S.86ff

98 vgl. A. Mitscherlich: Krankheit als Konflikt Bd.I+II, Frankfurt a/M 1966 u. W.Reich: Charakterana­lyse, a.a.0. S. 151 ff

99 S . Freud: Die Verdrängung, a. a. O. , S. 1 09

100 S. Freud: Die Fixierung an das Trauma, das Unbewußte, a.a. O. S. 274/75

101 S. Freud: Die Fixierung an das Trauma, das Unbewußte, S. 275

102 Derselbe:Über den paranoischen Mechanismus, Studien­ausgabe Bd.VII, S. 190

103 S. Freud: Die Frage der Laienanalyse a.a.O. So 22~/3‑4­vgl. hierzu: Sandor Frenzci: Entwicklungsstufen des Wirklichkeitssinnes, in Schriften zur Psychoanalyse Bd.I, Stuttgart 1970, S. 148ff

104 vgl. nächsten Abschnitt dieser Arbeit: Der quantitative Aspekt der Verdrängung und auch: Verdrängung und Instanzen

105 S. Freud: Hemmung, Symptom und Angst, Studienausgabe Bd.VI, S. 239/40, vgl. auch: S. 292‑294

106 Derselbe: Über den paranoischen Mechanismus, a,a.0. S. 190

107 Derselbe: Über den paranoischen Mechanismus, a,a.0. S. 191f.

108 Dersebe: Die Verdrängung, a.a.O. S. 108

109 S. Freud:Jenseits des Lustprinzips, a.a.O. S. 220

110 vgl. derselbe: Die Verdrängung, a.a.O., S.113

111 S. Freud: Das Ubw, Kap.V" a.a.O. S. 140

112 Derselbe: Angst und Triebleben, 32.Vorl.. Studienausgabe Bd. I, S. 521

113 S. Freud: Angst und Triebleben, a.a.O., S. 525

114 Ebenda: S. 520

115 S. Freud: Das Ubw, Kap. IV, a.a.O. S. 141,

116 vgl. S. Freud: 32.Vorlesung, Angst und Triebleben, a.a.O. S. 517ff.

117 S. Freud: Hemmung, Symptom und Angst, a.a.O., S. 242

118 S. Freud: Die Frage der Laienanalyse, a.a.0. S.332

119 S. Freud: Die Zerlegung der Psych. Persönlichkeit.a.a.0. S. 207

120 vgl. S.Freud: Neurose und Psychose, Studienausgabe Bd. III, S. 334

121 S. Freud: Die kulturelle Sexualmoral und die moderne Nervosität, Studienausgabe Bd. IX, S. 18

122 S. Freud: Die kulturelle Sexualmoral, a,a.O., S.23

123 vgl. S. Freud: Massenpsychologie und Ich‑Analyse, Bd. IX, 5. 128 f.

124 Derselbe: Die kulturelle Sexualmoral ..., Bd. IX, S. 129

125 S. Freud: Massenpsychologie und lch‑Analyse, Bd.IX, S.129

126 vgl. Ebenda: S. 128

127 S. Freud: Zur Einführung des Narzißmus, Bd. III, S.61/2

128 H. Hartmann: Ich‑Psychologie, Kap.12. Stuttgart 1972, S.222

129 H. Hartmann: Ich‑Psychologie, Kap.12. Stuttgart 1972, S.222/23

130 vgl. Triebtheorie, in dieser Arbeit, S. 3

131 vgl. Sandor Ferenczi: Entwicklungsstufen des Wirklichkeitssinnes, in Schriften zur Psychoanalyse Bd.1, Stuttgart 1970, S.148ff.

132 S . Freud: Die Identifizierung, Studienausgabe Bd. IX, S.98

133 Ebenda: S. 99

134 S. Freud: Das Ich und das Es, a.a.O. S.297/98

135 Ebenda: S. 298/99, u. Bd. I, 31.Vorl. S. 501 ff." in dieser Arbeit: Sexualtheorie

vgl. zur Identifizierung: W. Loch: Identifikation ‑ Intro­jektion, in Über Begriffe und Methoden der Psychoanalyse, Stuttgart 1975, S. 71‑91 und 0. Fenichel: Die Identifizierung, in Psychoanalyse und Gesellschaft, Frankfurt a/M 1972, S.42ff.

136 S. Freud: Die infantile Sexualität, Bd. V., S. 87

137 S. Freud: Die infantile Sexualität, Bd. V., S. 91

138 S. Freud: Die infantile Sexualität, a.a.O., S.92

139 vgl. Alice Balint: Pschoanalyse der frühen Lebensjahre, 3. Aufl.1, München 1973, S. 83ff.

Fin de l'extrait de 452 pages

Résumé des informations

Titre
Theorie und Anwendungsbereiche der Analytischen Soziologie
Auteur
Année
2004
Pages
452
N° de catalogue
V27695
ISBN (ebook)
9783638296731
ISBN (Livre)
9783638723671
Taille d'un fichier
2432 KB
Langue
allemand
Mots clés
Theorie, Anwendungsbereiche, Analytischen, Soziologie
Citation du texte
Rudolf Kutz, Dr. (Auteur), 2004, Theorie und Anwendungsbereiche der Analytischen Soziologie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/27695

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