„Die Ehefrau“. Die rechtshistorische Reise vom Besitz zur gleichberechtigten Partnerin

Eine rechtsvergleichende Arbeit über die Entwicklung der ehelichen Pflichten im deutschen Recht und der Scharia


Tesis (Bachelor), 2011

87 Páginas, Calificación: 1.4


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

A.Einleitung

B. Die Ehe
I. Definition
II. Zweck
III. Anerkennung
IV. Mit der Ehe verbundene Rechte und Pflichten

C. Die Entwicklung der Ehe und deren Rechte und Pflichten in Europa
I. In der europäischen Antike
II. Das Kanonische Recht
III. Die Trennung von Kirche und Staat

D. Die rechtliche Entwicklung der Frauenrechte in der Ehe und deren Einfluss auf die ehelichen Pflichten im deutschen Recht und der Scharia
I. Deutschland.
1. Die einheitliche zivile Anerkennung der Ehe
2. Die rechtliche Situation in Deutschland vor 1900
a) Rechtszersplitterung.
b) DasRömische Recht(Gemeines Recht)
3. Die erste bürgerliche Frauenbewegung
4.Das Inkrafttreten des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)
a)DieGleichberechtigung der Frau auf Ebene der Geschäftsfähigkeit
5. Die weitere Entwicklung des Bürgerlichen Gesetzbuches hinsichtlich der Rechtsstellung der Frau in der Ehe.
6.Die Ära des Nationalsozialismus und die rechtliche Abspaltung des Ehegesetzes
7.Inkrafttreten des deutschen Grundgesetzes sowie die Auswirkungen von Artikel 3 GG auf das deutsche Familienrecht
a) BVerfGE 3, 225 und der darauf folgende “gesetzlose Zustand”.
b) Das deutsche Gleichberechtigungsgesetz
aa) Umwandlung des Güterrechts
bb) Aufhebung des Entscheidungsrechts des Ehemannes in ehelichen Fragen
cc) Der engagierte eheliche Beischlaf als Voraussetzung zum Erhalt der Ehe
dd) Weitere eheliche Pflichten
8. Das Eherechtsreformgesetz 1977
9. Der Straftatbestand der Vergewaltigung in der Ehe
10. Die aktuelle Situation im deutschen Familienrecht.
a) Die Generalklausel des § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB.
b) Beispiele für Pflichten im Rahmen der ehelichen Lebensgemeinschaft
c) Der verfassungsrechtliche Status von Ehe und Familie
d) Differenzierung der theoretischen und praktischen Gleichstellung in Deutschland
11. Zusammenfassung
II. Die Scharia.
1. Einführung in die Scharia
a) Entstehung
b) Vielfältigkeit der Auslegungen und Anwendungen
c) Die rechtliche Arbeitsweise der Scharia.
d) Abgrenzung zu europäischen Rechtsordnungen
2. Das Familienrecht / Eherecht der Scharia im Allgemeinen...
a) Die Ehe in der Scharia..
b) Der soziale Status von Frauen insbesondere der Ehefrau.
c) Geschlechterrollen: ungleich doch gleich vor Allah?.
aa) Pflichten der Ehepartner...
bb) Wirtschaftliche Rechte...
cc) Scheidungsrecht...
(1) Talaq.
(2) Khul.
(3) Gerichtliche Scheidung..
d) Traditionelle Gesellschaft in Perspektive
3.Menschenrechte und die Scharia..
4.Refah Partisi vs Turkey.
5.Islamischer Feminismus
6. Zusammenfassung..

E. Vergleich der Entwicklungsprozesse in beiden Systemen...
I. Gegenüberstellung der beiden Entwicklungen.
II.Analyse anhand der “Mastery” und “Equality” Theorien

F. Schlussfolgerung.

Abkürzungsverzeichnis

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Literaturverzeichnis

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A. Einleitung

Gleichberechtigung – Ein Wort, welches aktuell überall zu hören ist, jedoch auch grade aus diesem Grund schon fast an Aussagekraft verloren hat. Es geht sogar so weit, dass Stimmen laut werden, welche sich über die sogenannte „positive Diskriminierung“ beschweren. Besonders bei der Gleichberechtigung der Geschlechter werden diese Stimmen laut, da diese mittlerweile oftmals als Selbstverständlichkeit gilt. Hierbei wird kaum noch daran zurückgedacht, was für ein langer Weg in der Geschichte zurückgelegt werden musste, um die heutige Situation im deutschen Recht zu ermöglichen. Als besonders langwierig gestaltete sich die vollständige Umsetzung von Gleichberechtigung im Eherecht. Noch in den 1950er Jahren besaßen Ehemänner ein einseitiges Entscheidungsrecht in allen ehelichen Angelegenheiten. Vergewaltigung in der Ehe stellte vor nicht einmal 15 Jahren im deutschen Strafrecht keinen Straftatbestand dar. Oft wird mit Geschlechterdiskriminierung, insbesondere im Familienrecht, der Islam verbunden. Medien berichten kritisch über Menschenrechtsverletzungen unter der Scharia. Es werden Bilder von komplett verhüllten Frauen in den Nachrichten gezeigt. Doch wie kam es dazu, dass in Deutschland im letzten Jahrhundert plötzlich die Gleichstellung der Geschlechter derart vorangebracht werden konnte? Wie gestaltete sich diese Entwicklung? Was sind die Gründe dafür, dass ein jahrtausendealtes Patriarchat in der Ehe in einem Land umgeworfen wird, während es in einem anderen bestehen bleibt?

Um dies zu erörtern, sollen die Entwicklungen im deutschen Rechtssystem mit denen in der Scharia einander gegenüber gestellt werden. Hierbei ist es sinnvoll, beide Entwickelungen zunächst einzeln zu erläutern, um dann später die Ergebnisse zu vergleichen. Als Ausgangspunkt für den Vergleich wurden die Entwicklungen der ehelichen Pflichten in den jeweiligen Rechtssystemen gewählt, da diese die gleiche oder ungleiche Rollenverteilung in der Ehe anschaulich darstellen.

Die Arbeit beginnt mit einem allgemeinen Überblick über die Ehe und wie sich hieraus die ehelichen Pflichten ableiten. Anschließend wird betrachtet, wie sich das Eherecht seit der Antike entwickelt hat, um ein Verständnis dafür zu entwickeln, worauf das Eherecht in Europa ursprünglich aufbaute, bevor zum eigentlichen Vergleich der Entwicklungen der beiden Rechtssysteme übergegangen wird.

Besonders hilfreich bei der Erstellung dieser Arbeit waren die Bücher „Gleichheit und Ungleichheit in der Ehe“ von Arne Duncker und „Between God and the Sultan” von Knut S. Vik ø r.

B. Die Ehe

I. Definition

Es gibt sehr viele Möglichkeiten, die Ehe zu definieren und zahlreiche Perspektiven aus denen sich die Ehe definieren lässt. Jedes Land hat eine eigene rechtliche Definition, jede Kultur eigene kulturelle und soziologische Definitionen, jede Religion eine eigene religiöse Definition und jede Epoche eigene anthropologische Definitionen. Fakt ist jedoch, dass es die Institution der Ehe so lange wie die geschriebene Geschichte selbst gegeben hat. Es ist weder eine Erfindung der europäischen Gesellschaft noch eine neuzeitliche Konstruktion.[1]

Die britische Anthropologin Eleanor Kathleen Gough Aberle definierte die Ehe 1959 als

a relationship established between a woman and one or more other persons, which provides that a child born to the woman under circumstances not prohibited by the rules of the relationship, is accorded full birth-status rights common to normal members of his society or social stratum.”[2]

Aus statistischen Gründen empfehlen die Vereinten Nationen folgende Definition:

the legal union of persons of opposite sex. The legality of the union may be established by civil, religious, or other means as recognized by the laws of each country; and i rrespective of the type of marriage, each should be reported for vital statistics purposes.[3]

Auffällig hierbei ist das Hinzufügen des Wortes “legal”, was der Definition eine rechtliche Ebene verleiht. Diese Ebene wird in dem Buch “A practical treatise on the law of marriage and divorce “ von Leonard Shelford präzisiert und als Vertrag beschrieben. Genau wird hier gesagt, dass “Marriage, in its origin, is a contract of natural law antecedent to its becoming in civil society a civil contract, regulated and prescribed by law and endowed with civil consequences.”[4]

Die Wichtigkeit dieser drei genannten Definitionen wird im nachfolgenden Abschnitt diskutiert.

II. Zweck

Bei nähere, Betrachtung der bisherigen Definitionen zeigen sich bestimmte soziale Zwecke der Ehe. Der erste und offensichtlichste Zweck ist der Schutz der Familie und insbesondere der Kinder, die in eine Familie hineingeboren werden. Mit einer Familie ist in diesem Sinne eine Vereinigung von zwei Menschen gemeint, in der Kinder geboren werden können. Auch wenn dieses Konzept von Anthropologen wie Duran Bell oder Michael Burton[5] kritisiert wird, unterstreichen bestimmte Maßnahmen von Regierungen diese Sichtweise.

Ein Beispiel hierfür ist, wenn Staaten Familien wie selbst regulierende wirtschaftliche Einheiten behandeln, etwa durch Maßnahmen wie das Besteuern einer Familie als Ganzes oder durch die Umverteilung von Leistungen an Familien. Dies kann als eine Möglichkeit angesehen werden, die schwächeren Mitglieder der Gesellschaft zu schützen. In einer Familie werden Ressourcen zwischen den Familienangehörigen aufgeteilt, die außerhalb der Familie arbeiten, denjenigen, die innerhalb der Familie arbeiten und denen, die nicht arbeiten, aufgeteilt. Dieses Konzept verhindert oftmals, dass die physische und emotionale Schwäche der Frauen und deren Gefühl der Verpflichtung gegenüber ihrer Kinder ausgebeutet werden.[6]

Die unter Punkt I. angesprochene Definition der UN ergänzt diesen Zweck mit dem Ausdruck „legal union“ (rechtliche Einheit) von Personen. Dies impliziert, dass eine Ehe offizielle Anerkennung braucht. Es bedeutet auch, dass bestimmte Rechte und Pflichten mit der Ehe verbunden sind. Die erste Definition von Eleanor Kathleen Gough Aberle unterstreicht die Tatsache, dass die Ehe ein Konstrukt ist, welches nicht nur durch eine westliche Gesellschaft geschaffen wurde, da es nicht nur auf monogame Ehen Bezug nimmt. Durch seine Aussage, dass die Ehe in seinem Ursprung ein Vertrag des Naturrechts ist, betont Leonard Shelford, dass die Ehe ein Ergebnis der menschlichen Natur selbst ist. Laut Shelford wird dieser Vertrag des Naturrechts in einer Zivilgesellschaft zu einem zivilrechtlichen Vertrag (positives Recht), welches zivile Konsequenze mit sich bringt. Diese zivilen Konsequenzen können als mit der Ehe verbundenen Rechte und Pflichten angesehen werden.

Eine sehr interessante und wichtige Tatsache für diese Arbeit ist die Betonung der Notwendigkeit einer Frau als Konstante in einer Ehe. Dies liegt daran, dass es die Frau ist, die Kinder gebärt. Selbst in den Fällen, in denen eine Ehe zwischen mehreren Personen besteht, seien es mehrere Männer oder mehrere Frauen, bezieht sich diese Beziehung, die Gough als Ehe bezeichnet, nur auf die Beziehung der Frau, welche die Kinder gebärt, zu einer oder mehrerer Personen.[7]

Gough ist nicht die Einzige, die die Frau als vorherrschenden Faktor einer Ehe ansieht. Krige behauptet ebenfalls auch, dass das einzige beständige Element, welches als unverzichtbar in einer Ehe zu sein scheint, die Braut sei.[8]

III. Anerkennung

In den meisten Rechtsordnungen findet man üblicherweise eine von drei Arten der Anerkennungen von Eheschließungen: die obligatorische Zivilehe, die obligatorische religiöse Eheschließung und die fakultative zivile oder religiöse Eheschließung. Die obligatorische Zivilehe ist die häufigste Form der Ehe in Europa und den meisten Staaten Lateinamerikas. Sie wurde ursprünglich in Frankreich und den Niederlanden entwickelt, um eine weltliche Möglichkeit für Minderheiten zu schaffen, heiraten zu können. Nach der Französischen Revolution wurde sie allgemein verbindlich als Maßnahme gegen die Kirche. Vor dieser Zeit war die obligatorische religiöse Eheschließung in den meisten europäischen Ländern die vorherrschende Art der Anerkennung von Ehen.[9]

Heute lassen sich immer noch einige Staaten finden, die noch diese Form der obligatorischen Eheschließung als Anerkennungsgrundlage verwenden. Aufgrund der religiösen Zusammensetzung seiner Bevölkerung ist Israel beispielsweise ein Staat mit einer obligatorischen religiösen Eheschließung. In diesem Sinne gelten nur die religiösen ehelichen Rechte und Pflichten, die im Einklang mit der jeweiligen Religionszugehörigkeit sind, innerhalb der Ehe.[10]

Die fakultative zivile oder religiöse Eheschließung kann in zwei weitere Untergruppen unterteilt werden: in den englischen sowie den römischen Typ.

Im Falle des römischen Typs erkennt der Staat eine in der Kirche stattgefundene Eheschließung an, sofern sie mit einem staatlichen Aufgebot ergänzt wird. Der englische Typ der fakultativen zivilen oder religiösen Eheschließung wurde erstmals durch den Marriage Act 1836 eingeführt. Der Hauptunterschied zu dem römischen Typ ist, dass der Staat die kirchliche Eheschließung nicht nachträglich anerkennt, sondern stattdessen, die Eheschließung so geregelt wird, dass der ehebegründende Konsens alternativ, statt vor einem Standesbeamten, auch vor einem Religionsdiener erklärt werden kann. Dies bedeutet, dass es bei der englischen Variante keine rechtlichen Unterschiede zwischen der zivilen oder der religiösen Eheschließung gibt.[11]

International gibt es zwei dominierende Ansätze, um im Ausland geschlossene Ehen anzuerkennen. Diese sind die Regeln des persönlichen Rechts und lex loci celebrationis .

Staaten, die den zweiten Ansatz anwenden, richten sich, um eine Ehe anzuerkennen, nach den Gesetzen des Landes, in dem die Eheschließung stattgefunden hat. In Staaten, in denen das persönliche Recht angewendet wird, gibt es zwei Varianten. Einige Staaten verwenden die Gesetze der Herkunftsländer der Eheschließenden, andere, die Gesetze des Wohnsitzes der Eheschließenden.

Darüber hinaus gibt es Verträge und internationale Vereinbarungen über die internationale Anerkennung von Ehen, wie die Verträge von Montevideo von 1889 und 1940 oder das Haager Übereinkommen über die Schließung und Anerkennung der Gültigkeit von Ehen von 1976. Diese regeln die Anerkennung von Ehen in den Unterzeichnerstaaten.[12]

IV. Mit der Ehe verbundene Rechte und Pflichten

Wie in Punkt I. festgestellt, ist die Ehe mit diversen Rechten und Pflichten verbunden. Heutzutage sind diese insbesondere in Zivilgesellschaften in Gesetzen festgelegt. Auch in ihrem natürlichen Ursprung ist die Ehe mit bestimmten Rechten und Pflichten verbunden, welche abhängig von den verschiedenen kulturellen Hintergründen variieren können.

Sir Edmund Leach hat in seinem Bestreben nach einer Definition der Ehe zehn eheliche Rechte festgelegt. Laut Leach ist diese Aufzählung nicht vollständig und die einzelnen Rechte können in verschiedenen Gesellschaften abweichen.[13]

In seinem Buch 'Rethinking anthropology' schrieb er, dass die

“institutions commonly classed as marriage are concerned with the allocation of a number of distinguishable classes of rights. In particular a marriage may serve:

A. To establish the legal father of a woman's children.
B. To establish the legal mother of a man's children.
C. To give the husband a monopoly in the wife's sexuality.
D. To give the wife a monopoly in the husband's sexuality.
E. To give the husband partial or monopolistic rights to the wife's domestic and other labour services.
F. To give the wife partial or monopolistic rights to the husband's labour services.
G. To give the husband partial or total rights over property belonging or potentially accruing to the wife.
H. To give the wife partial or total rights over property belonging or potentially accruing to the husband.
I. To establish a joint fund of property – a partnership – for the benefit of the children of the marriage.
J. To establish a socially significant 'relationship of affinity' between the husband and his wife's brothers.”[14]

Leachs Liste ist genereller Natur und es ist erkennbar, dass die Rechte reziprok zwischen den Geschlechtern verteilt sind. Diese Reziprozität muss aber nicht in jeder Gesellschaft vorhanden sein. In beispielsweise patriarchalisch orientierten Gesellschaften können die Punkte A,C,E und G eine größere Gewichtung haben.

Die entfernende Entwicklung vieler Gesellschaften von der Patriarchie hat auch Einfluss auf die Rechte und Pflichte einer Ehe. Rechtlich richtet sich dies auch nach der Flexibilität des jeweiligen betroffenen Justizwesens.

Die spezifische Entwicklung der Rechte und Pflichten in Europa in Abhängigkeit mit dem sich ändernden Status der Ehefrau in der Gesellschaft soll im Folgenden näher betrachtet werden.

C. Die Entwicklung der Ehe und deren Rechte und Pflichten in Europa

I. In der europäischen Antike

Es gibt einige Indizien dafür, dass im antiken Griechenland innerhalb der Familie eine eher patrilineare Struktur herrschte.

Dort hatten Frauen bereits Bürgerrechte.[15] Man vermutet, dass dies unter anderem auch mit dem Status von Neubürgern (Kindern) zusammenhing, um deren Bürgerrechte zu sichern. Trotz der Bürgerrechte waren Frauen in Griechenland den Männern nicht gleichgestellt. Nach der ursprünglichen Rollenverteilung waren die Frauen für das Haus und die Kindererziehung zuständig. Sowohl die Ehefrau als auch die Kinder standen unter der Hausgewalt des Familienvaters. Dies bedeutete, dass der Vater die Heirat seiner Tochter arrangieren konnte, ohne die Zustimmung der Tochter einzuholen. Bei einer Hochzeit ging eine Frau dementsprechend von der Hausgewalt des Vaters in die Hausgewalt des Ehemannes über. Die rechtmäßige Anerkennung einer Ehe war allein Sache der Familienstämme und wurde in dessen Rahmen mit einer Zeremonie geschlossen. Die rechtmäßige Ehe war für die Bürgerrechte der in der Ehe geborenen Kinder von großer Bedeutung. Scheidungen waren sowohl von Seiten des Mannes als auch von Seiten der Frau möglich.[16] Ein ganz wichtiger Grund der Heirat war das Erbrecht, welches Solon als gesetzliche Regelungen aufgeschrieben hatte. Hiernach erbten eheliche Söhne in gleichen Teilen das Vermögen des Vaters. Töchter konnten vorerst nicht erben, da diese der Hausgewalt der Ehemänner unterlagen. Es war aber möglich, im Falle, dass ein Verstorbener nur eine Tochter hatte, diese zu verheiraten sodass der Besitz dann auf den Ehemann überging.[17]

Zur hellenischen Zeit verbesserte sich der Status der Frauen deutlich. Als Ehefrauen von Königen und als Königinnen selbst konnten sich Frauen im politischen Raum einfügen. Auf städtischer Ebene wurden einige Frauen als Stifterinnen geehrt, was eine veränderte vermögensrechtliche Stellung mit sich brachte – sie durften erben.[18] Interessant ist außerdem, dass im hellenischen Griechenland Mädchen und junge Frauen die Möglichkeit einer intellektuellen, künstlerischen oder wissenschaftlichen höheren Bildung hatten.

Im Gegensatz zum Antiken Griechenland wurden im alten Ägypten die ehelichen Rechte und Pflichten fast ausschließlich juristisch mit Verträgen gehandhabt, was zu einer großen Selbstständigkeit der Frau führte. Dies lag vor allem daran, dass diese Verträge nicht nur zwischen Bräutigam und Brautvater sondern auch zwischen der Braut und dem Bräutigam geschlossen wurden. In den Eheverträgen wurden dann die Rechte und Pflichten beider Ehepartner festgehalten, wie beispielsweise das Verbot von außerehelichem Verkehr und finanzielle Fragen. In Ägypten waren auch Ehescheidungen möglich, welche sowohl von der Ehefrau als auch vom Ehemann ausgehen konnten. Im Falle einer Scheidung bekam die Ehefrau meistens die eingebrachte Mitgift zurück – in einigen Fällen sogar mit einem Aufschlag.[19]

Das römische Recht ist zwar in vielerlei Hinsicht vom Rechtssystem des hellenischen Griechenlands beeinflusst worden, dennoch unterscheide sich beide Rechtssysteme sehr.[20] Die meisten Rechtssysteme im modernen Europa basieren auf dem römischen Recht. Dieses römische Recht wird Justinian I. zugeschrieben. Dieser beauftragte am 15. Dezember 530 eine Kommission damit, eine einheitliche Sammlung des bis dahin entstandenen Rechts zusammenzustellen.[21] Diese Digesten, welche 50 Bücher umfassten, waren Entscheidungshilfen für Richter und erhielten 533 Gesetzeskraft.[22] Ein Jahr darauf trat das wohl wichtigste Werk des Römischen Rechts als Neuerarbeitung seiner ersten Sammlung kaiserlichen Rechts, der Codex Iusinianus, in Kraft. Diese zweite Auflage , welches alle relevanten Kaisergesetze enthielt, wurde später im 16. Jahrhundert unter dem Titel 'Corpus Iuris Civilis' bekannt.[23]

Das Corpus Iuris Civilis bewirkte einige Veränderungen bezüglich der rechtlichen Stellung der Frau.

Eine wichtige Eigenschaft für die Ehegesetze und damit auch für die mit der Ehe verbundenen Rechten und Pflichten war, dass die sogenannte Manus-Ehe nicht in das Corpus Iuris Civilis übernommen wurde.[24] Die Manus-Ehe war Jahrhunderte lang die überwiegende Art der Ehe im älteren römischen Recht. Hiernach ging die Frau in die Hand und in den Familienverband des Mannes ( conventio in manum ) über und fiel somit in die rechtlich unbeschränkte Ehegewalt ( manus ) der paterfamilia . Eheschließungen wurden im Antiken Rom zu der Zeit nicht besonders streng geregelt, sodass es weiteren Alternativen für Fälle bedurfte, in denen kein genauer Übergang nachgewiesen werden konnte. Hier wurde die manus durch usus begründet, was bedeutete, dass die manus nach einem Jahr gültigem ehelichen Zusammenlebens begründet wurde.[25] Die Gewalt des Mannes in der Manus-Ehe bedeutete in einer gewissen Hinsicht den Besitz über die kompletten “Nutzungsrechte” der Ehefrau. Sie sollen alle Rechte eingeschlossen haben bis zum Einschluss der Rechte auf Leben und Tod. Dies umfasste auch das Recht der Ehemänner ihre Frauen zu schlagen oder sie zu verstoßen. Eingeschränkt wurden diese Rechte nur durch die vom Zensor beaufsichtigte Sitte. Diese untersagte dem Hausvater den Missbrauch der manus .[26]

Nachdem die Häufigkeit der Manus-Ehen zurückgegangen war in den letzten Jahrhunderten befand sich in dem Corpus Iuris Civilis des Justinian I. ausschließlich die manus-freie Ehe.[27]

In der manus-freien Ehe verblieb die Frau zusammen mit ihrem Vermögen unter der Gewalt ihres Vaters. Einige sagen, dass dies aufgrund der räumlichen Distanz zu dem Gewalthaber, den Handlungsspielraum der Frau vergrößerte. Da der Vater in der Regel älter war als der Ehemann, konnten Frauen zudem viel wahrscheinlicher sui iuris werden, also eine „gewaltfreie“ Frau.[28] Dies ermöglichte den Frauen daher auch, verstärkt „finanziell und damit auch im vorpolitischen Raum tätig“ werden zu können.[29]

In der manus-freien Ehe wurde das persönliche Verhältnis zwischen Mann und Frau nicht mehr rechtlich bestimmt. Zwar gab es bestimmte, der Sitte nach implizierte Rechte und Pflichten innerhalb einer Ehe (Treue-, Beistands-, Unterhaltspflichten), die jedoch rechtlich nicht eingefordert werden konnten.[30]

Abgelöst wurde das römische Ehe- und Familienrecht später vom Recht der christlichen Kirche, dem kanonischen Recht.

II. Das Kanonische Recht

Das kanonische Recht ist das Gerüst der ecclesischen Gesetze zur Regelung der Angelegenheiten bezüglich der römisch-katholischen Kirche.[31]

Es entstand ab der Spätantike und wurde ab dem 12. Jahrhundert[32] zu einer Sammlung des kanonischen Rechts nach dem Justinianischen Modell zusammengestellt zum corpus iuris canonici zusammengefasst.[33] Zusammen mit dem Corpus Iuris Civilis war das Corpus Iuris Canonici im Mittelalter und der Neuzeit die wesentliche Rechtsquelle in nahezu ganz Europa.[34]

Er blieb das Gesetzbuch der Katholischen Kirche bis es 1917 vom Codex Iuris Canonici abgelöst wurde.[35]

Im Gegensatz zum Eherecht im Römischen Recht beschäftigte sich das kanonische Recht fast ausschließlich mit persönlichem Eherecht. Zwar behandelt es die Rechte und Pflichten während einer bestehenden Ehe erst in zweiter Linie, doch werden diese in dieser Rechtsquelle häufiger behandelt als in jeder anderen.[36]

Das kanonische Recht basiert hauptsächlich auf der Bibel. Diese wurde ca. im 4. Jahrhundert n. Chr. von den Kirchenvätern ausgewertet, interpretiert und in Texte, die später in das Corpus Iuris Canonici einflossen, zusammengefasst.

Obwohl es im alten Testament viele Textstellen gibt, die die Herrschaft des Mannes über die Frau erläutern, greift das kanonische Recht nur auf wenige Passagen bzw. Verse zurück.

Die erste und womöglich wichtigste Stelle ist die Vertreibung Adams und Evas aus dem Paradies. In dieser Stelle verflucht Gott Eva und sagt:

„Zur Frau sprach er: Viel Mühsal bereite ich dir, sooft du schwanger wirst. Unter Schmerzen gebierst du Kinder. Du hast Verlangen nach deinem Mann; er aber wird über dich herrschen.“[37]

Diese Textstelle war bis weit in das 19. Jahrhundert hinein der zentrale Bezugspunkt und Rechtfertigung für eine Herrschaft des Mannes im Eherecht.

Im neuen Testament spielen hierfür besonders die Paulus-Briefe eine zentrale Rolle. Hierin steht u.a.

Ihr sollt aber wissen, daß Christus das Haupt des Mannes ist, der Mann das Haupt der Frau und Gott das Haupt Christi.[38]

Im ersten Korintherbrief 14, 34 wird die Rolle der Frau in der Gemeinde erläutert. Hierbei wird indirekt Bezug auf die Vertreibung aus dem Paradies genommen aus dem ersten Buch Mose 3, 16. Die Stelle sagt,

„Wie es in allen Gemeinden der Heiligen üblich ist, sollen die Frauen in der Versammlung schweigen; es ist ihnen nicht gestattet zu reden. Sie sollen sich unterordnen, wie auch das Gesetz es fordert“. [39]

Eine weitere wichtige Textstelle des Neuen Testaments ist im fünften Kapitel der Epheser in den Versen 22 bis 24 zu finden. Hierin steht geschrieben,

„Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter wie dem Herrn (Christus); denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch Christus das Haupt der Kirche ist; er hat sie gerettet, denn sie ist sein Leib. Wie aber die Kirche sich Christus unterordnet, sollen sich die Frauen in allen den Männern unterordnen.“ [40]

an dieser Stelle wird ein Bereich der „Einordnung der Personen eines Haushalts einschließlich der Kinder und Diener in eine feste Pflichtenzuweisung“[41] beschrieben, der sog. Haustafel. Aus diesem Grund wurde diese Stelle oft herangezogen, um die allgemeine antike Sozialordnung zu rechtfertigen.

Das kanonische Recht stellt mehr oder weniger den Ursprung der Eheherrschaft des Mannes über die Frau im neuzeitlichen Recht dar. Insbesondere das gemeine deutsche Eherecht wurde zum überwiegenden Teil aus dem Kirchenrecht abgeleitet.[42]

Ein wichtiger Schritt weg vom geltenden Eherecht der Kirche war die Trennung von Kirche und Staat worauf im folgenden Punkt näher eingegangen werden soll.

III. Die Trennung von Kirche und Staat

Zur Zeit der Reformation der Kirche wandelte sich die Einstellung zu Kirche und Staat. Dies hatte einen großen Einfluss auf die rechtliche Gestaltung der Ehe. Einer der bekanntesten europäischen Reformatoren war Martin Luther .

Martin Luther deutete die Ehe theologisch um. In seinem Verständnis wurde die Ehe als „weltlich`Ding“[43] angesehen und verlor somit ihren sakramentalen Charakter. Die Ehe war also von Gott gewollt, jedoch nicht um den Menschen zu erlösen, sondern um diesen zu erhalten. Somit entsprach es Gottes Willen, wenn all seine Geschöpfe in der Ehe lebten. Die Ehe diente somit der Fortpflanzung, der Sexualität und als gegenseitige Lebenshilfe.

Dies führte dazu, dass die Ehe zum Instrument obrigkeitlicher Ordnungpolitik wurde, da dessen Bedeutung für die gesellschaftliche und politische Ordnung anerkannt wurde. Hinzu kam die Einführung von Ehegerichten, welche den städtischen Räten oder den landesherrlichen Kirchenbehörden unterstanden. Die Ehe wurde also in ihrer Funktion verrechtlicht.[44]

Diese Auffassung brachte es mit sich, dass im protestantischen Raum die Judikation der Ehe auf den Staat überging. Vorerst brachte dies zwar keine Veränderung des Eheverständnisses mit sich. Einige wichtige Umbrüche waren jedoch schnell erkennbar, Die Zulässigkeit der Ehescheidungen in einigen Fällen war ein großer Schritt. Eine einschneidende Trennung der Ehe und dessen Verständnis ereignete sich zur Zeit der Aufklärung. Naturrechtler erklärten die Ehe in dieser Epoche als nichts weiteres als einen Vertrag. Dieser Gedanke war überaus fortschrittlich. Hinzu kam eine tolerante Haltung gegenüber der „Vertragsparteien“, welche seither kaum ein zweites Mal in der Geschichte vorgekommen ist. Die Naturrechtler dieser Zeit glaubten nämlich, dass aufgrund des vertraglichen Charakters der Ehe auch nur die Vertragsparteien über deren Inhalt bestimmen konnten. Dies bedeutete daher, dass es weder einen Ehezweck noch bestimmte Pflichten innerhalb einer Ehe gab, die zu erfüllen wären. Nicht einmal der Vorrang des Ehemannes war präsent, da die Vertragspartner gleichgestellt waren. Problematisch hieran war jedoch, dass man hieraus schloss, dass, ohne vorgegebenen Inhalt einer Ehe, der Staat diesen frei bestimmen konnte. Somit wurde unter anderem die vorrangige Stellung des Ehemannes durch den Staat dennoch aufrecht gehalten. So hieß es beispielsweise im Gesetzestext des Code Napoléon: „ Le mari doit protection à sa femme , la femme obéissance à son mari “.[45]

Dieses Umdenken führte in vielen europäischen Ländern zu einer Trennung des Eherechts von der Kirche und dessen Eingliederung in den Verantwortungsbereich des Staates. Hiermit entstanden die fakultative oder obligatorische Zivilehe. In Frankreich geschah diese Einführung in der Französischen Revolution, in England 1836 als Lösung des Problems der Ehe zwischen Protestanten. In Deutschland wurde bundesweit die obligatorische Zivilehe durch §§150 f. der

Paulskirchenverfassung von 1849 angeregt. Hierin hieß es:

§ 150

(1) Die bürgerliche Wirksamkeit der Ehe ist nur von der Vollziehung des Civilactes abhängig; die kirchliche Trauung kann nur nach Vollziehung des Civilactes stattfinden.

(2) Die Religionsverschiedenheit ist kein bürgerliches Ehehindernis.[46]

Bundesweit eingeführt wurde die obligatorische Zivilehe 1875.[47]

Der Übergang der Ehe von einem kirchlich zu einem staatlich geregelten Konstrukt hatte einen wesentlichen Einfluss auf die Rolle und Stellung der Frau in der Ehe. Der Staat als Regulator der Ehe und deren Inhalt bedeuteten mehr Flexibilität innerhalb der Bestimmungen der Ehe, da die Abspaltung der Ehe von der Bestimmungsmacht einer höheren Gewalt bedeutete, dass der Mensch an sich mehr Einfluss ausüben konnte. In Europa entwickelten sich die Rechtssysteme trotz unterschiedlicher Wirkungsweisen in eine ähnliche Richtung. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit soll nun betrachtet werden inwieweit diese Trennung in der weiteren juristischen Entwicklung in Deutschland zu der Gleichstellung von Mann und Frau in der Ehe führte, bevor anschließend diese Entwicklung mit eines der bekanntesten religionsgebundenen Rechtssysteme der Welt, der Scharia verglichen wird.

D. Die rechtliche Entwicklung der Frauenrechte in der Ehe und deren Einfluss auf die ehelichen Pflichten im deutschen Recht und der Scharia

I. Deutschland

1. Die einheitliche zivile Anerkennung der Ehe

Die Trennung von Kirche und Staat war in der geschichtlichen Entwicklung der Ehe der ausschlaggebende Wendepunkt, welcher die Gleichberechtigung der Ehefrau innerhalb der Ehe erst möglich machte. Aus diesem Grund wird an dieser Stelle hierauf näher eingegangen.

Der summus episcopus in der evangelischen Kirche muss einmal verschwinden.“[48] Dies sagte Otto von Bismarck bereits 1865 während er die Aufhebung des landesherrlichen Kirchenregiments erwog um die bisherigen Aufgaben an das Kultusministerium und dem Justizministerium zu übergeben.[49] Der Zeitrahmen, welcher für gewöhnlich als die Periode des eigentlichen Kulturkampfes bezeichnet wird, wird reduktionistisch jedoch in der Zeit zwischen 1871 und 1878 gesehen. Hierbei bezieht man sich auf den Machtkampf zwischen Bismarck und Papst Pius IX und genauer auf die Intentionen und Handlungen Bismarcks.[50]

Obwohl Bismarcks Kirchenpolitik zum Großteil durch seine eigene Religiosität beeinflusst war, ist davon auszugehen, dass er dennoch zwischen Politik und Privatinteressen zu unterscheiden wusste.[51] Zwar glaubte er mit seiner recht engen Haltung zum Pietismus, dass das Christentum die Grundlage der Zivilisation und der Sitte bilde, realpolitisch standen dennoch die Bemühungen zur Einheit des Reiches im Vordergrund.[52] Es gibt eine große Vielfalt von Meinungen zu den Gründen des Kulturkampfes. Die Meinung von Virchow zeigt, wie wichtig die Gesellschaft und dessen Wandel für Veränderungen letztendlich im Recht sind. Er ist der Ansicht, dass der Kulturkampf ein geistiger Kampf zwischen der alten, kirchlichen und der neuen, materiellen Weltanschauung, ein Kampf zwischen Glaube und Unglaube sei.[53] Aus diesem Grund bewirkte die Koalition mit den Liberalen für Bismarck und seine Politik eine Nähe zu den Forderungen zur Trennung von Kirche und Staat.[54] Im Laufe des „Kulturkampfes“ veranlasste er eine Reihe von gegen die katholische Kirche gerichteten Gesetzen, in denen sich Sachfragen und Repression vermischten. Zu diesen Gesetzen gehörten u.a. die Auflösung der katholischen Abteilung im preußischen Kulturministerium, die Abänderung des Strafgesetzbuch, um den Geistlichen zu verbieten, bei Verlautbarungen in ihrem Beruf den „öffentlichen Frieden“ zu gefährden, die Einführung einer Staatlichen Schulaufsicht anstatt einer geistlichen sowie die Einführung der obligatorischen Zivilehe.[55] Letzteres bedeutete, dass nun nur noch Eheschließungen vor einer staatlichen Instanz (Standesamt) Gültigkeit besaßen. Die Abtrennung vom Eherecht aus dem Rechtsbereich der Kirche in Deutschland war 1875 abgeschlossen. Dies geschah mit dem Reichspersonenstandsgesetz (RPstG), dessen enthaltene Regelungen zur Zivilehe und deren Schließung später ins BGB übernommen werden sollten. Hiermit wurde die kirchliche Eheschließung ungültig. Dies hieß jedoch nicht, dass die kirchliche Eheschließung an sich abgeschafft wurde, sondern nur, dass eine kirchliche Trauung erst nach ziviler Eheschließung durchgeführt werden konnte. Somit verlor die kirchliche Ehe ihre Außenwirkung. Insbesondere die Ehepflichten wurden mit dieser Umgestaltung zu einer Sache des Staates und konnten durch staatliche Instanzen entschieden werden. Die politischen Bestrebungen zu der Zeit führten zu einer Säkularisierung des Eherechts, welche nach einer Zeit zur gesetzlichen Regelung der Ehepflichten führte.[56]

Für die ehelichen Pflichten und deren Gestaltung war die Einführung der obligatorischen Zivilehe im Zusammenhang mit der Pflichtverletzung in Fragen der Ehescheidung wichtig, da hier ab dem Zeitpunkt überall staatliche Instanzen entscheiden konnten. In Verbindung mit der Rechtsstellung der Ehefrau im Eheschließungsrecht des RPStG ist zu erwähnen, dass in den jeweiligen Gesetzestexten nur Elemente der Gleichheit erkennbar waren. Ein Beispiel ist § 28 RPStG, worin stand, dass zur Eheschließung die Einwilligung beider Eheschließenden erforderlich sei.[57]

Das RPStG war nicht nur der erste Schritt in Richtung eines vereinheitlichte Rechtssystems im Deutschen Reich, sondern auch der erste und entscheidende Schritt, um die Rechtsstellung der Ehefrau von den alten patriarchalen Regeln der Kirche loszulösen. Zwar gab es immer noch keine zentralen Gesetzesbestimmungen zum persönlichen Verhältnis der Ehegatten und auch keine zu den Scheidungsgründen, dies sollte nach der Umstrukturierung der Kompetenzzuweisungen jedoch bald nachgeholt werden.[58] So brachte das BGB mit seiner Einführung am 1.1.1900 zum ersten Mal Rechtseinheit im Familienrecht.[59]

2. Die rechtliche Situation in Deutschland vor 1900

Um die eigentliche Leistung der Zusammenstellung des BGB nachvollziehen zu können, muss zunächst ein Blick auf die rechtliche Situation von 1900 geworfen werden. Dies ist ebenfalls sinnvoll, um zu verstehen worauf sich das BGB aufbaute.

a) Rechtszersplitterung

Wie im vorigen Abschnitt festgestellt, brachte das Inkrafttreten des RPStG am Ende des „Kulturkampfes“ eine Vereinheitlichung des Eheschließungsrechts, welches die obligatorische Zivilehe im deutschen Recht verbindlich machte. Dies galt jedoch nur für das Eheschließungsrecht und damit auch für Scheidungen, welche nun durch staatliche Gerichte gewährleistet wurden. In allen anderen Bereichen des Eherechts und somit auch für die Regelung der ehelichen Pflichten galten immer noch regionale Partikularrechte. Aufgrund der Vielzahl von Partikularstaaten und Staaten mit eigener Rechtssetzungshoheit herrschte somit für den Großteil des Eherechts weiterhin eine weitreichende Rechtszersplitterung. Durch die einzelnen Territorien wurde die Entwicklung unterschiedlicher Rechtsvorstellungen gefördert.[60] Besonders auffällig war diese Rechtszersplitterung im ehelichen Güterrecht, da dieses neben dem Erbrecht eines der Rechtsgebiete war , welches die größte Rechtszerplitterung aufwies. Hier gab es mehr als 200 unterschiedliche Güterrechte, welche in vielen Fällen sogar darüber hinausgehend durch Eheverträge modifiziert werden konnten.[61] Diese Rechtszersplitterung bereitete in der juristischen Praxis einige Schwierigkeiten. Zwar gab es grob betrachtet drei große Rechtsgebiete: das Gebiet des preußischen Allgemeinen Landrechts (in den östlichen Provinzen der Monarchie und in Teilen von Westphalen und Bayern), das Gebiet des französischen Rechts (im Rheinland und in Baden) sowie das Gebiet des gemeinen römischen Rechts (in allen Ländern zwischen den anderen beiden Gebieten)[62] Dies wurde jedoch dadurch verkompliziert, dass z.B. in den Gebieten, in denen das gemeine Recht Anwendung fand, das gemeine Recht u.a. nur subsidiäre Geltung besaß und daher andere Statuten oder örtliche Gewohnheitsrechte vorgingen.[63] Das gemeine Recht funktionierte also als Lückenfüller in den Fällen, in denen eine Rechtssituation nicht durch andere Gesetze abgedeckt war.

b) Das Römische Recht (Gemeines Recht)

Die Auswirkungen der Grundregeln des römischen Rechts auf deutsche Rechtsquellen waren für das Eherecht und insbesondere für die Stellung von Mann und Frau bis in die Neuzeit von enormer Bedeutung. Diese wurden grade auch zum Ende des 19. Jahrhunderts hin gerne im Zusammenhang mit der damaligen Rechtsgestaltung zitiert. Es wird hierbei insbesondere gerne eine Grundregel zur Stellung der Frau herangezogen. Hierbei handelt es sich um die Regel Ulpians in D. 50,17,2, dass die Frau „ prinzipiell gleichberechtigt sein [soll], aber im Auftreten nach außen oder Auftreten für Dritte oft eingeschränkt oder einem Mann untergeordnet “.[64] Nach dieser Grundregel kann von der Gleichheit der Geschlechter abgewichen werden. Ansonsten wird die Ehe im römischen Recht an zwei Stellen definiert. Einmal heißt es nach Modestinus, dass die Ehe die Verbindung eines Mannes und einer Frau und eine Vereinigung für das ganze Leben, die Gemeinschaft des göttlichen und menschlichen Rechts ist. (D. 23.2.1) Weiter wird die Ehe oder Heirat in den Institutionen (Inst. 1, 9, 1) als die Verbindung von Mann und Frau zu ungeteilter Lebensgemeinschaft defiiert. Auffällig ist hierbei, dass es sich lediglich um eine Beschreibung des ehelichen Zusammenlebens handelt, anstatt spezifische ehelichen Pflichten zu nennen.[65] Bei objektiver Betrachtung dieser Ehedefinitionen im römischen Recht, sind in Anbetracht der Rechtsstellung der Ehefrau keine Zurücksetzungen zu erkennen. Somit kann sie selbst bis heute als eine Art zeitlose und universelle Definition betrachten.[66] Wenn man sich zudem die Grundregeln zur Behandlung der Geschlechter in der Rechtssprache des Römischen Rechts näher anschaut fällt einem auf, dass an sich Frauen nicht literarisch schlechter gestellt werden. So heißt es u.a. in Ulpian, D. 50, 16, 195 pr., dass sich „ ein Ausspruch, der nur das männliche Geschlecht berücksichtigt, in der Regel auf beide Geschlechter “ erstreckt oder in Ulpian, D. 50, 16, 1, dass im Ausdruck „si quis“ (wenn jemand) beide Geschlechter inbegriffen sind.[67]

Diese Grundregeln gelten jedoch nur im Zweifel. Ansonsten gibt es viele Einzelsätze im Römischen Recht, welche nachteilig für Frauen sind. Diese können fast alle mit der schon benannten Grundregel des D. 50, 17, 2 begründet werden (s.o.) aus der folgt, dass Frauen aus dem öffentlichen Leben ins Häusliche gedrängt werden. Dies sollte die eherechtliche Arbeitsteilung der Ehegatten nach dem Geschlecht rechtfertigen. Dieses Denken herrschte noch bis in die zweite Hälfte des letzten Jahrhunderts.[68]

3. Die e rste bürgerliche Frauenbewegung

In der Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts wird die Ehe, so wie sie zu den jeweiligen Zeiten bestand, stark kritisiert. Die Kämpferinnen für die Rechte der Frauen bezeichneten die Ehe als Unrechtsinstitution und suchten Wege, um gleichberechtigte Verhältnisse in ihr einzuführen.[69] Die Frauenbewegung in Deutschland findet ihren Anfang in den 1840er Jahren.[70] Die deutsche Frauenbewegung wird meistens in zwei Epochen gegliedert. Die erste Frauenbewegung, welche auch als die bürgerliche Frauenbewegung bekannt ist, dauerte bis 1933.[71] Um die Motive dieser Frauen zu verstehen, muss man sich mit deren Lebenssituationen auseinandersetzen. Die Gesellschaft der damaligen Zeit hatte eine gewisse Erwartungshaltung gegenüber den bürgerlichen Frauen. Hierbei sollte deren gesamtes Leben dem Prinzip guter Bürgerlichkeit entsprechen: Sie sollten sich um ihre Männer und Kinder kümmern. Es wurde von ihnen die repräsentative Einrichtung der Wohnung erwartet sie sollten für eine „geordnete Häuslichkeit“ und ein „geregeltes Familienleben“ sorgten. Sowie sie selbst davor auch, wurden ihre Töchter von Anfang ihrer Erziehung an auf ihre zukünftige Rolle als Ehefrau vorbereitet. Wenn sich jedoch in der Zukunft keine Möglichkeit der Ehe bot, bestanden nur sehr wenige Alternativen, um für ihren eigenen Unterhalt selbst aufkommen zu können. Es gab nur sehr wenige für Frauen akzeptierte Berufe, wie Gouvernante oder Lehrerin.[72]

Die bürgerlichen Frauen der ersten Frauenbewegung wollten diese Daseinserfüllung, das auf eine Reduzierung der Frau zum Zwecke der Ehe basierte, mehr als dulden und forderten die Befreiung aus der Abhängigkeit der Herkunftsfamilie durch die Möglichkeit ihren Lebensunterhalt „standesgemäß“ selbst verdienen zu können.[73] Die deutsche Frauenbewegung setzte sich seit den 1870er Jahre mit dem deutschen Familienrecht auseinander. Der Grund hierfür waren einerseits die Vorbereitungen zum BGB und andererseits eine bekannt gewordene Missbrauchsmöglichkeit der „patria potestas“.[74] Besonders in den 1890er Jahren wurde die Gleichberechtigung von Männern und Frauen in der Kritik der Entwürfe des BGB vertreten und kann als die Wurzel des Gleichberechtigungsgedankens, wie er selbst in der heutigen Zeit noch vertreten wird, angesehen werden.[75] Mit der Gründung des Allgemeinen Frauenvereins am 18. Oktober 1865 in Leipzig wurde erstmalig ein bedeutender Organisationsgrad der Frauenbewegung erreicht,[76] der es erlaubte aktiv gegen Ungerechtigkeiten vorzugehen. Stark kritisiert wird vor allem das Römische Recht, da hierin der Hauptgrund der Unterdrückung der Frau gesehen wird. So heißt es:

„der Pudels Kern ist also die levitas und imbecillitas sexus; die angebliche Schwäche und Leichtigkeit des weiblichen Geschlechts“.[77]

Die Ansicht des Römischen Rechts, dass das weibliche Geschlecht von Natur schwach und hilflos ist und darum schutzbedürftig und dem männlichen Geschlecht untertan sei, habe die altgermanische Ansicht der Frauen verdrängt.[78] Bei den alten Germanen, so Louise Otto-Peters, Gründerin und Kopf des Allgemeinen deutschen Frauenvereins,

„waren dagegen die Frauen wie wir wissen geachtet und geehrt, nicht allein als Hüterinnen des Hauses und Herdes, sondern als Seherinnen und Priesterinnen, sie nehmen mit Teil an den öffentlichen Versammlungen der Gemeinden und hatten das Recht darin mitzusprechen und mit zustimmen.“[79]

Trotz der vielen verschiedenen Strömungen der Frauenbewegung hatten sie in der Entstehungszeit des BGB eine gemeinsame Forderung: als Grundsatz die gleichen Rechte und Pflichten für Mann und Frau im Familienrecht.[80] Hierbei erkannten sie, das der Schwerpunkt auf die Rechte der verheirateten Frau liegen müsste, da diese dem Mann noch untergeordnete Interessen zuzuschreiben waren, da sie mit ihrer Person und ihrem Vermögen ihren Ehemännern schutzlos ausgeliefert wären.[81] Daher wäre ein ausreichender Schutz für Ehefrauen nur durch die rechtliche Gleichstellung beider Ehegatten erreichbar.[82] Nachdem die erste Petition, in der eine gleichberechtigte Stellung von Mann und Frau in der Ehe gefordert wurde, zum ersten Entwurf des BGB mehr oder weniger gescheitert war lernten die Frauen der bürgerlichen Frauenbewegung dazu und leiteten offensivere Schritte ein. Hierzu zählten eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit durch Veranstaltungen, das Verteilen von Flugblättern und Resolutionen. So konnte 1896 eine Resolution an den Reichstag, welche sehr schnell über 25 000 Unterschriften bekam, entworfen werden.[83] In ihren Bestrebungen stießen sie jedoch an einige Schwierigkeiten aufgrund ihrer unterschiedlichen Arbeitsweise insbesondere, da sie nur Laien in den Rechtsgebieten waren. So beriefen sich die maßgeblich an der Entwicklung des BGB beteiligten Juristen auf die damaligen Rechtsauffassungen. Da diese sich lediglich als Kompilatoren des geltenden Rechts sahen, akzeptierten sie keine neuen Ideen der rechtlichen Gestaltung. Alles, was sich noch nicht aus dem historischen Erbe oder der deutschen rechtshistorischen Entwicklung herleiten ließ, war noch nicht bereit in das BGB aufgenommen zu werden.

Die bürgerliche Frauenbewegung wiederum, dessen Vertreterinnen juristisch ungeschult waren, richtete sich nach den natürlichen Fraueninteressen. Hierdurch war ihre Arbeitsweise nicht durch rechtswissenschaftliche Lehren, Vorgaben oder Zwänge beeinflusst. Ihre Lösungsansätze waren praxisorientiert und richteten sich an die tatsächlichen Umstände. Zwar gingen die Frauen der Frauenbewegung davon aus, was ihnen rechtlich als sinnvoll, zweckmäßig, gerecht, ausgleichend und verbessernd erschien,[84] konnten aber ihre Forderungen gegen die patriarchalisch geprägten Überzeugungen der deutschen Gesellschaft der damaligen Zeit nicht zufriedenstellend durchsetzen.[85]

So mussten sie sich vorerst nur mit dem Zugeständnis der Kodifizierung des Gütertrennungssystems als vertraglichen Güterstand zufrieden geben.[86] Dennoch ist die in den darauffolgenden Jahrzehnten stattgefundene schrittweise Befreiung der Frauen aus patriarchalen Verhältnissen großteils auch der bürgerlichen Frauenbewegung zuzuschreiben.[87]

4. Das Inkrafttreten des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) wurde am 24. August 1896 im Reichsgesetzblatt veröffentlicht und trat am 1. Januar 1900 in Kraft.[88] Dies war erst durch die Übertragung des Zivilrechts in die Kompetenz des Reiches 1873 durch Reichsgesetz möglich geworden. Hierbei war die zentrale Aufgabe, unter der Besichtigung der Grundlagen des gemeinen Rechts, Rechtseinheit zu schaffen.[89] Aus diesem Grund wurde der Gesetzesaufbau vom gemeinen römischen Zivilrecht empfohlen. Dies bedeutete, dass das BGB so aufgebaut war, dass nach dem allgemeinen Teil eine weitere Gliederung der gewichtigsten Rechtsgebiete folgte.[90] Das Familienrecht und damit auch das Eherecht wurde im 4. Buch des BGB angesiedelt und war in seiner Entstehung von der bisherigen Geschichte des deutschen Familienrechts und dessen Rechtszersplitterung stark geprägt. Eines hatten die vielen verschiedenen Eherechtssysteme gemeinsam gehabt. Alle waren patriarchalisch geordnet mit einem anerkannten Mannesvorrang in allen Teilrechtsgebieten des Familienrechts. Dies galt somit auch für das in mindestens 100 Einzelsysteme aufgesplitterte Ehevermögensrecht.[91] In den Vorbereitungen des BGB kamen in den Fragen des ehelichen Güterrechts starke Auseinandersetzungen zwischen den Germanisten und den Romanisten auf.[92] Die Germanisten waren der Ansicht, dass es im ersten Entwurf dem Anschein nach keine Berücksichtigung des deutschen Privatrechts gab.[93] Sie waren der Meinung, dass das römische Recht ein Unglück und ein Unrecht sei und befürchteten, dass der Mann seine übergeordnete Stellung in der Ehe verlieren könnte. Besonders, da diese übergeordnete Stellung auch in der Heiligen Schrift festgehalten wurde und sie deshalb als sittlichen Prinzip verstanden wurde.[94] Weiter vertraten sie die Idee, dass bei eigenständigen Rechten der Ehefrau der Gemeinschaftsrechtscharakter verloren gehe. Hier dachte man insbesondere, dass es bewirken würde, dass der Verkehr unter Eheleuten einen eher geschäftlichen Charakter annehmen würde, da diese sich dann nur noch für die Erweiterung seines oder ihres eigenen Vermögensquantums interessieren würden.[95] Aus diesen Gründen propagierten die Germanisten für eine Einschränkung der Frau in Ihrer Geschäftsfähigkeit und lehnten weiterhin jegliche selbstständigen Handlungs- und Verwaltungsrechte der Frau ab.[96] Deshalb hatte das Herrschaftsrecht des Mannes im ehelichen Güterrecht vorübergehend weiter Bestand.[97] Eine Errungenschaft bezüglich der Stellung der Frau brachte die Einführung des BGB dennoch mit sich – Frauen erlangten erstmalig einheitlich im gesamten Reich Geschäftsfähigkeit.[98]

a) Die Gleichberechtigung der Frau auf Ebene der Geschäftsfähigkeit

Nachdem sie damals bereits im Handelsgesetzbuch und in der Gewerbeordnung enthalten war, setzte Gottlieb Planck, der für die Ausarbeitung des ersten Entwurfs des BGB Redaktor des Familienrechts der ersten BGB -Kommission war[99], die Geschäftsfähigkeit der Frau im BGB durch.[100] Damals herrschte noch die cura maritalis. Dies bedeutet, dass der Ehemann die Rechte der Verwaltung und des Nießbrauchs an dem Vermögen seiner Ehefrau hat.[101] Während der Diskussionen zum BGB stellte sich heraus, dass ein Großteil der Mitwirkenden nicht bereit war, sich komplett von diesem Denken zu trennen.[102] Aus diesem Grund lautete sein Vorschlag wie folgt:

„1. Die Geschäftsfähigkeit einer Frau wird dadurch, dass die Ehefrau ist, nicht beschränkt. 2. Eine Ehefrau kann ohne Genehmigung ihres Ehemanns über die zu ihrem eingebrachten Vermögen gehörigen Gegenstände nicht verfügen und findet wegen der von ihr ohne solche Genehmigung während der Ehe eingegangenen Schulden die Zwangsvollstreckung in das eingebrachte Vermögen nicht statt.“[103]

Der zweite Satz beschränkte die Gestaltungsrechte der Frau an ihrem Vermögen. Positiv betrachtet bedeutete dies jedoch, dass es zumindest keine Einschränkung in ihrer eigentlichen Geschäftsfähigkeit gab. Sie war nun zumindest formell uneingeschränkt in der Lage Verpflichtungen einzugehen. Ein Nachteil ergab sich allerdings dennoch aus der Einschränkung der Verwaltung des ehelichen Vermögens. Da der Mann hierüber entscheiden durfte, wurde die Frau oftmals als unsichere Vertragspartnerin angesehen und verlor daher an Kreditwürdigkeit.[104]

5. Die weitere Entwicklung des Bürgerlichen Gesetzbuches hinsichtlich der Rechtsstellung der Frau in der Ehe

Die ersten Jahrzehnte nach Inkrafttreten des BGB brachte keine wesentlichen Veränderungen mit sich. Selbst in der Weimarer Republik gab es keine wirklich entscheidenden Veränderungen im Familienrecht. Jedoch konnten erste Denkanstöße zur Gleichberechtigung der Frau im Allgemeinen erkannt werden. So wurde z.B. die Gleichberechtigung der Frau in Art. 119 I S. 2 WRV (Weimarer Reichsverfassung) erstmals eingeführt. Dies geschah jedoch vorerst nur als Programmsatz und war daher kein verbindlicher Rechtsmaßstab.[105]

6. Die Ära des Nationalsozialismus und die rechtliche Abspaltung des Ehegesetzes

N icht unerwähnt soll die Zeit des Nationalsozialismus in dieser Arbeit bleiben. Diese Zeit ist dafür verantwortlich, dass sich die Entwicklung der rechtlichen Gleichstellung der Frau verzögerte. Insbesondere die Freiheit selbst über das Familienleben zu bestimmen, wurde massiv eingeschränkt. Dies lag vor allem an der Bevölkerungspolitik der Nationalsozialisten, welche aus der privaten Entscheidung zur Fortpflanzung eine öffentliche Angelegenheit machten. Die Eheverbote, Kastrationen und die Vernichtung lebensunwerten Lebens sollte in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben. Hinzu kamen strenge Abtreibungsverordnungen sowie ein Verbot, welches die Vertreibung von Verhütungsmitteln untersagte. Die Freiheit sich nicht fortzupflanzen wurde auf diese Weise stark beeinträchtigt.[106]

Die Familienpolitik zielte auf die Durchsetzung der Rassenideologie, des „eugenischen Prinzips und auf Kinderreichtum und Mannesvorrang“ ab.[107] 1938 erfolgte eine Umgestaltung des Eherechts durch die Abspaltung des selbigen aus dem BGB ins Ehegesetz (EheG).[108] Dies hatte einen wesentlichen Einfluss auf das Scheidungsrecht. Hier wurde zwischen der verschuldensabhängigen und der verschuldensunabhängigen Scheidung differenziert. Zu der ersten Kategorie gehörten der Ehebruch, die Verweigerung der Fortpflanzung und die Generalklausel der Eheverfehlung. Daneben wurde eine völlig neue Kategorie geschaffen. Diese zweite Kategorie bezog sich auf Scheidungsgründe, wie die Geisteskrankheit (wozu nicht einmal eine ernsthafte Geisteskrankheit zählen musste, da u.a. auch die Hysterie unter die Begrifflichkeit fiel), ekelerregende Krankheiten und Unfruchtbarkeit, sowie die unheilbare Zerrüttung der Ehe.[109] In der Nachkriegszeit wurde das Eherecht von typischem nationalsozialistischen Gedankengut befreit, jedoch nicht unmittelbar wieder in das BGB eingegliedert. Dieser Umstand ist wesentlich daraus zurückzuführen, dass der Fokus nach dem Krieg auf unsicheren Eheschicksalen aus der NS-Zeit lag, welchen rückwirkend Rechtsbeständigkeit verleihen werden musste.[110] Erst kurz vor der Jahrtausendwende, im Jahre 1998 wurde das Eherecht wieder vollständig in das BGB eingegliedert.[111]

7. Inkrafttreten des deutschen Grundgesetzes sowie die Auswirkungen von Artikel 3 GG auf das deutsche Familienrecht

Am 24. Mai 1949 trat das Grundgesetz in Kraft.[112] Hierin wurde in Art. 3 II festgeschrieben:

„Männer und Frauen sind gleichberechtigt“.[113]

Mag dieser Grundsatz noch so kurz sein, für die Stellung der Frau in der Gesellschaft bedeutete dieser kleine formelle Schritt einen großen revolutionären Fortschritt.[114] Allerdings war dies kein leichtes Unterfangen, denn eine schwierige Debatte war dem Ganzen vorangegangen. Es mag für junge Generationen schwer nachvollziehbar sein, dass eine Tatsache, welche in der heutigen Zeit als selbstverständlich erachtet wird, in seiner Entstehung gegen heftige Kritik gestoßen war. Hierzu muss man bedenken, dass das gesellschaftliche Bild der Familie davor ganz anders betrachtet wurde war und dass die Stabilität einer Familie und die Sicherheit der traditionellen Rollenverteilung innerhalb der Ehe einen ganz anderen Stellenwert beigemessen wurde. Der Krieg hat bei jeder Familie seine Spuren hinterlassen. Es war nur allzu menschlich, dass die, die den Schrecken des Krieges gesehen und selbigen überlebt hatten, sich in der Familie nach einer „heilen Welt“ sehnten.[115] Diese „heile Welt“ wurde zunächst in der bekannten, traditionellen Rollenverteilung innerhalb der Ehe gesucht, jedoch oftmals nicht gefunden. Dies lag zum großen Teil an den Brüchen der traditionellen Rolle der Frau, welche der Krieg erzwungen hatte.[116] In der Literatur spricht man oft einen „erzwungenen Matriarchat“.[117] Dies lag nicht nur daran, dass Frauen in den Kriegsjahren in Rüstungsfabriken arbeiten mussten, sondern auch erheblich an den Verhältnissen nach dem Krieg. Hier sprechen die Zahlen für sich: Im Jahre 1946 kamen auf 100 Männer im Alter zwischen 20 und 30 Jahren 167 Frauen. 30% der Familien mussten ohne einem männlichen Familienoberhaupt auskommen. Selbst von den Vätern, die zu ihren Familien zurückkehren konnten, waren rund 18% gar nicht oder nur eingeschränkt erwerbsfähig.[118] Hinzu kamen einige der höchsten Scheidungsraten, da viele Ehen die unterschiedlichen Erlebnisse der Ehegatten während des Krieges und dessen Folgen nicht verkraftet hatten.[119] All dies hatte zur Folge, dass vor allem im Familien- und Erwerbsleben Männerarmut herrschte. Aus diesem Grund waren die Frauen gezwungen neben der Erziehung der Kinder auch für den Lebensunterhalt der Familie zu sorgen. Es waren auch vor allem Frauen, welche die Trümmer des Krieges beseitigen und die Städte wieder aufbauten, weshalb auch heute noch jedem die „Trümmerfrau“ ein Begriff ist.[120]

Während den Diskussionen zum Art 3 II GG gab es daher viele Ansichten, wie dieser formuliert werden sollte. Einige waren für die Wiederaufnahme des Artikels aus der WRV „Alle Männer und Frauen haben die selben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten“, andere wollten wiederum Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt sehen. Bei der direkten Formulierung, welches Elisabeth Selbert eingebracht hatte, hatten viele die Befürchtung, die Schutzbestimmungen im Arbeitsrecht könnten gefährdet werden, da auf die psychischen und physischen Unterschiede der Frau keine Rücksicht mehr genommen werden würden.[121] Es ist daher nicht ganz so verwunderlich, dass der Antrag bis in die erste Lesung der Hauptsitzung hinein abgelehnt wurde. Erst nachdem die gewerkschaftlich und politisch orientierte Frauenöffentlichkeit mobilisiert worden war und die Mitglieder des parlamentarischen Rates mit Eingaben, Proteste und Resolutionen entgegenkamen wurde der Art. 3 II GG in der bis heute beibehaltenen Form angenommen.[122]

Doch selbst hiernach gingen die Diskussionen weiter. Um einen „Rechtlosen“ Zustand zu vermeiden sollten alle bestehenden Normen, welche gegen den Inhalt des GG standen, nicht sofort, sondern erst zum 31. März 1953 ungültig werden.[123] Somit war ein Zeitraum von 4 Jahren gegeben um alle der Gleichberechtigung entgegenstehenden Regelungen des Familienrechts zu ermitteln und der neuen Rechtssituation anzupassen.[124] Anstatt diesen Zeitraum jedoch sinnvoll zu nutzen, wollten der größere Teil der Rechtsgelehrten diese neue Situation nicht so hinnehmen und versuchten durch diverse Auslegungen den Art. 3 II GG entweder abzuschwächen oder sogar ganz zu umgehen.[125] Aus diesem Grund ist es nicht verwunderlich, dass es am 31. März 1953 immer noch keine Neuregelung existierte.[126] Dennoch wollte niemand so recht glauben, dass alle Normen, welche mit dem GG im Widerspruch standen wirklich mit Ablauf der gegebenen Frist ihre Rechtskraft verlieren würden.[127]

a) BVerfGE 3, 225 und der darauf folgende “gesetzlose Zustand”

So kam es am 18. Dezember 1953 zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts, welches die Gleichberechtigung innerhalb der Ehe klar bestätigen sollte. Auslöser dieses Urteils war ein Ehescheidungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Frankfurt (Main). Hierin hatte eine Ehefrau, die im Gegensatz zu ihrem Ehemann nicht imstande war den Kostenvorschuss aufzubringen, versucht durch eine einstweilige Anordnung ihren Mann zur Zahlung eines Prozesskostenvorschusses zu bringen. Eine Voraussetzung hierfür war, dass die Ehegatten „im Güterstand der Verwaltung und Nutznießung leben“. Das OLG war jedoch der Ansicht, dass dies gegen Art. 3 II GG stünde. Da das OLG sich nicht sicher war, ob nach Ablauf der Frist aus Art. 117 I GG alle dem Art. 3 II GG entgegenstehenden Rechtsnormen wirklich ihre Rechtskraft verlieren würden und diese Frage für dessen Urteilsfindung ausschlaggebend war, wurde die Frage, ob „Art. 117 Abs. 1 GG insoweit nichtig sei, als er das bürgerliche Recht auf dem Gebiet von Ehe und Familie mit Ablauf des 31. März 1953 außer Kraft setzt “ dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.[128] Das Bundesverfassungsgericht hielt in seinem Urteil fest, dass streitige Bestimmungen, die dem Inhalt des Art. 3 II GG widersprachen, nach Ablauf der Frist in Art. 117 I GG außer Kraft getreten waren.[129] Weiter stellte es unmissverständlich fest, dass auch in der Familie Männer und Frauen gleichberechtigt seien.[130] Ferner räumte es einige der Rechtfertigungsgründe für die Ungleichbehandlung der Frau im Familienrecht aus dem Weg. So auch, dass es keine gegenseitige Gefährdung zwischen Art. 3 II GG und Art. 6 I GG gebe. Dies wäre insbesondere dadurch offensichtlich, da selbst in der Weimarer Verfassung noch geschrieben stand, dass „ die Ehe […] als Grundlage des Familienlebens und der Erhaltung und der Vermehrung der Nation unter dem besonderen Schutz der Verfassung [steht]“ und sie „ auf der Gleichberechtigung der beiden Geschlechter“ beruht.[131] Außerdem dürfe man den Begriff „Gleichberechtigung“ und dessen präzisen juristischen Sinn nicht mit „rechtlich kaum fassbaren Vokabeln“ wie „Gleichwertigkeit“ oder „Gleichmacherei“ abmildern.[132]

Somit gab es keinen Weg mehr um die Gesetzesänderungen, die im Familienrecht anstanden, zu umgehen und die Gleichberechtigung im Familienrecht konnte ernsthaft Form annehmen.

b) Das deutsche Gleichberechtigungsgesetz 1957

Erst 1957, vier Jahre nach Ablauf der Frist aus Art. 117 I GG, konnte das Gleichberechtigungsgesetz verabschiedet werden und im darauffolgenden Jahr in Kraft treten. Trotz des vielversprechenden Titels des Gesetzes und des Kampfes um diese „Gleichberechtigung“, lies das Gesetz dennoch einiges zu wünschen übrig. Die Ehefrau hatte in Ihrer Rechtsstellung immer noch keine wirkliche Gleichberechtigung erreicht. So gab es noch viele Regelungen, die aus heutiger Sicht dem Inhalt des Art. 3 II GG widersprachen. Unter anderem die Geschlechterhierarchie innerhalb der Familie in Form der Arbeitsteilung in der Ernährerehe. Hiernach sollte eine Ehefrau nur dann erwerbstätig sein können, wenn dies vereinbar mit ihren Familienpflichten wäre. Selbst im Namensrecht herrschte noch der automatische Vorrang des Namens des Mannes.[133] Hier stellt sich natürlich die Frage, wie sich dies mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 1953 vereinbaren ließe. Die Antwort hierauf findet sich im Urteil selbst. Hier sagte das Bundesverfassungsgericht:

„Es bedarf kaum eines Hinweises, dass im Bereich des Familienrechts im Hinblick auf die objektiven biologischen oder funktionalen (arbeitsteiligen) Unterschiede nach der Natur des jeweiligen Lebensverhältnisses auch eine besondere rechtliche Regelung erlaubt oder sogar notwendig ist [...] Das wird auch von keiner Seite ernstlich verkannt und liegt gerade einem großen Teil der zur Verwirklichung der Gleichberechtigung aufgestellten Forderungen als selbstverständliche Voraussetzung zugrunde.“[134]

Es ist jedoch wichtig auch hervorzuheben, dass trotz einiger Lücken in der Gleichberechtigung zwischen Ehegatten, dass das Gleichberechtigungsgesetz von 1957 sehr viele positive Errungenschaften grade in diesem Bereich eingeführt hatte.

aa) Umwandlung des Güterrechts

Seit dem ursprünglichen Inkrafttreten des BGB konnte man im ehelichen Güterrecht zwischen den Güterständen der Nutzverwaltung, der Gütertrennung, der Gütergemeinschaft, der Fahrnisgemeinschaft und der Errungenschaftsgemeinschaft frei wählen. Falls durch einen Ehevertrag keine Wahl getroffen wurde galt gesetzlich jedoch die Nutzverwaltung.[135]

In diesem Fall war jedoch eine Beteiligung der Ehefrau an den Errungenschaften des Ehemannes nicht möglich. Dies war zu der Zeit nur in den Fällen der Errungenschafts-, der Fahrnis- und der Gütergemeinschaft der Fall.[136]

Seit der Einführung des Gleichberechtigungsgesetzes in 1958 unterscheidet man im ehelichen Güterrecht zwischen der Gütertrennung, der Gütergemeinschaft oder der Zugewinngemeinschaft. Hierbei gilt letzteres immer dann, wenn keiner der anderen Möglichkeiten in einem notariellen Ehevertrag vereinbart wurde.[137]

Die Zugewinngemeinschaft sah mit der Beendigung des Güterstandes innerhalb der Gütertrennung einen Zugewinnausgleich vor.[138] Dessen Einführung sollte die Eigentümerfreiheit der Ehefrau wieder herstellen, welches durch den ehemaligen grundgesetzwidrigen Güterstand der ehemännlichen Verwaltung und Nutznießung nur von Seiten der Frau aufgeopfert worden war. Dies diente vor allem der Autonomie der Ehefrau.[139] Heute ist es schwerer nachzuvollziehen, dass der Zugewinngemeinschaft ein großer Schritt für die Ehefrau war, besonders in Bezug auf die ehelichen Pflichten. Aber ein weiterer Blick auf die bereits erwähnte Stelle im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 1953 bringt Klarheit. Wenn es im Gleichberechtigungsgesetz von 1957 geschrieben stand, dass eine Ehefrau nur dann arbeiten sollte, wenn es sie nicht in der Ausübung ihrer häuslichen Pflichten einschränkt und dies sogar mit dem Urteil begründet wird, dass diese Ungleichbehandlung biologisch gerechtfertigt ist kann man sich vorstellen wie fest die Rollenverteilung innerhalb der Ehe zu der Zeit verankert war. Von den Ehefrauen wurde also gesetzlich erwartet, dass sie die Arbeiten im Haushalt übernehmen. Da diese Form der Arbeit nicht monetär entlohnt wird konnte die Ehefrau kein eigenes Kapital ansparen ohne im Zweifel noch die Doppellast der Haushaltsführung und Kindeserziehung etc. zu haben. Mit der Zugewinngemeinschaft kann man es sich also so vorstellen, dass die Gesamteinnahmen einer Familie gerecht auf beide Bereiche der Arbeitsteilung verteilt werden. Im Falle einer Scheidung hatte die Ehefrau somit eine größere wirtschaftliche Sicherheit als zuvor.

bb) Aufhebung des Entscheidungsrechts des Ehemannes in ehelichen Fragen

Eine weitere wichtige Veränderung, welches das Gleichberechtigungsgesetz von 1957 mit sich brachte war die Aufhebung des einseitigen Entscheidungsrechts des Ehemannes in allen das gemeinschaftliche eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten, was davor in § 1354 BGB festgehalten wurde.[140] Rechtlich hatte dies zur Folge, dass die eheliche Gemeinschaft von dem Zeitpunkt an nicht mehr nur vom Ehemann sondern auch von der Ehefrau gemeinschaftlich gestaltet werden konnte. Dies bedeutete auch für die Ehefrau, dass sie u.a. einen eigenen Wohnsitz begründen oder Verträge über außerhäusliche Tätigkeiten eingehen konnte ohne, dass der Ehemann diese kündigen konnte.[141] Dies bedeutete für die Ehefrau eine viel größere Selbstständigkeit und gleichzeitig eine gewichtige Loslösung von der Abhängigkeit vom Ehemann.

cc) Der e ngagierte eheliche Beischlaf als Voraussetzung zum Erhalt der Ehe

Das nachfolgend zu erläuternde Urteil des Bundesgerichtshofes wurde am 2. November 1966 verkündet, hat jedoch nicht entscheidend mit dem Gleichberechtigungsgesetz von 1957 zu tun. Es erklärt jedoch sehr anschaulich was u.a. noch zu den ehelichen Pflichten der Ehefrau mit angerechnet wurde, zusätzlich zu den logischen aus der sogenannten „Hausfrauenehe“ erschließbaren häuslichen und familiären Pflichten.

Im vorliegenden Fall ging es um eine Scheidung. Hierin sollte festgestellt werden, welcher der beiden Ehegatten Schuld an der Zerrüttung deren Ehe trug. Auf der einen Seite war die Beklagte der Meinung, der Kläger hätte die Ehe dadurch zerrüttet, dass er sich der Zeugin D. hingewendet hatte und mit dieser Ehebruch betrieb.[142] Auf der anderen Seite behauptete der Kläger, die Beklagte wäre durch ihrer Einstellung zum ehelichen Verkehr an der Zerrüttung der Ehe schuld, da diese ihm erklärt habe, sie „ empfinde nichts beim Geschlechtsverkehr und sei imstande, dabei Zeitung zu lesen; er möge sich selber befriedigen.[143]

In den Begründungen des Urteils des BGH vom 2. November 1966 finden sich einige Stellen, welche darauf hinweisen, was alles als eheliche Pflichten verstanden wurden. So hielt das BGH in seinen Erwägungen fest, dass

„die Frau […] ihren ehelichen Pflichten nicht schon damit [genügt], dass sie die Beiwohnung teilnahmslos geschehen lässt. Wenn es ihr infolge ihrer Veranlagung oder aus anderen Gründen, zu denen die Unwissenheit der Eheleute gehören kann, versagt bleibt, im ehelichen Verkehr Befriedigung zu finden, so fordert die Ehe von ihr doch eine Gewährung in ehelicher Zuneigung und Opferbereitschaft und verbietet es Gleichgültigkeit oder Widerwillen zur Schau zu tragen.[144]

Somit kann die Hingabe, wenn auch vorgetäuscht, als eheliche Pflicht angesehen werden. Weiter wurde in diesem Urteil gesagt, dass eine eheliche Pflicht auch darin bestehen würde seine persönlichen Gefühle nicht in verletzender Form auszusprechen.[145]

Bei den Abwägungen des BGH werden die negativen Behauptungen der Beklagten gegenüber dem ehelichen Verkehr auf eine gleiche Stufe mit dem Ehebruch des Ehemanns gestellt. An einer Stelle des Urteils heißt es sogar, dass selbst wenn die Beklagte diese Äußerungen erst nach dem Ehebruch des Ehemanns getätigt hätte, diese die Hinwendung des Ehemanns zu der anderen Frau entscheidend fördern würde und dies daher eine Mitursache der Zerrüttung der Ehe wäre.[146] Eine derartige Abwägungsweise unterstreicht die männliche Justiz der damaligen Zeit und wirft die Frage auf, ob gar die Judikative selbst eine Gleichberechtigung zwischen Eheleuten unterbinden wollte.

dd) weitere eheliche Pflichten

Bezüglich der ehelichen Pflichten war man sich einig, dass es sinnlos wäre eine komplette Aufzählung der ehelichen Pflichten zu erstellen. Aus diesem Grund werden diese summarisch in § 1353 festgehalten.[147] Hierin heißt es „ Die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet“[148] Die einzelnen Pflichten wurden hieraus im Einzelfall interpretiert. Daher finden sich die meisten ehelichen Pflichten in den Rechtsprechungen von Scheidungsfällen da hierfür eine Eheverfehlung vorliegen musste, welches als ein Verstoß gegen eines der ehelichen Pflichten verstanden wurde.[149] Die einzelnen Pflichten hingen immer jeweils vom Wesen der Ehe ab und fanden daher nicht unbedingt immer in jeder Ehe Geltung[150].

[...]


[1] Vgl. van Dülmen, 1990, S. 157.

[2] Gough Kathleen, zitiert in: Horn/Birner/Ward, 2006, S. 226.

[3] Shryock/Siegel, 1980, S. 76.

[4] Shelford, 1841, S. 29.

[5] Vgl. Steuer, 2003, S. 208.

[6] Vgl. Steuer, 2003, S. 209.

[7] Vgl. Horn/Birner/Ward, 2006, S. 226.

[7] Vgl. Horn/Birner/Ward, 2006, S. 226.

[8] Vgl. Krige, zitiert in: Horn/Birner/Ward, 2006, S. 226.

[9] Vgl. Neuhaus, 1979, S. 51 f..

[10] Vgl. Scheftlewitz in Bergmann/Ferid/Henrich, International Marriage and Children's Law, Israel, Stand 01.04.1987 III. A.1, p. 17, zitiert auf Internetpräsenz des Leibnis Rechenzentrums, der Bayrischen Akademie der Wissenschaft, IPR: Eheschließungsstatut (Art. 13 EGBGB), Formstatut (Art. 11 EGBGB), obligatorische Zivilehe und "Heilung durch Statutenwechsel", URL: http://www.lrz.de/~Lorenz/urteile/iprax07_47.htm

(zuletzte besucht: 21.08.2011).

[11] Vgl. Neuhaus, 1979, S. 55 f..

[12] Vgl. Nolan/Wardle, 2006, S. 218 ff.

[13] Vgl. Sperber, 1996, S. 19.

[14] Leach, 2004, S. 107 f..

[15] Vgl. Schmitz, 2007, S. 138 ff..

[16] Vgl. Schmitz, 2007, S. 28 ff.

[17] Vgl. Schmitz, 2007, S. 32 ff.

[18] Vgl. Schmitz, 2007, S. 142 ff.

[19] Vgl. Reichel, 2005, S. 116 f..

[20] Vgl. Barta, 2010, S. 61 f

[21] Vgl. Meier, 2004, S. 7.

[22] Vgl. Meier, 2004, S. 41.

[23] Vgl. Meier, 2004, S. 42.

[24] Vgl. Duncker, 2003, S. 376.

[25] Vgl. Duncker, 200, S. 336.

[26] Vgl. Duncker, 2003, S. 375.

[27] Vgl. Duncker, 2003d, S. 337.

[28] Vgl. Wirbelauer, 2007, S. 168.

[29] Vgl. Beuster, 1999, S. 11.

[30] Vgl. Hausmaninger/Selb, 2001, S. 98.

[31] Vgl. Burn, 1792, S. 115.

[32] Vgl. Volkert, 2004, S. 131.

[33] Vgl. Leapingwell, 1859, S. 15.

[34] Vgl. Müssig, 2010, S. 15.

[35] Vgl. Schnell, 1977, S. 45.

[36] Vgl. Duncker, 2003, S. 65.

[37] 1 Mose 3, 16, Die Bibel, Einheitsübersetzung, Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart, 1980.

[38] 1 Kor 11, 3, Die Bibel, Einheitsübersetzung, Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart, 1980.

[39] 1 Kor 14, 34, Die Bibel, Einheitsübersetzung, Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart, 1980.

[40] Eph 5, 22-24, Die Bibel, Einheitsübersetzung, Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart, 1980.

[41] Vgl. Duncker, 2003, S. 405.

[42] Vgl. Duncker, 2003, S. 400 ff.

[43] Vgl. Albrecht, 2006, S. 81 ff..

[44] Vgl. Albrecht, 2006, S. 81 ff..

[45] Vgl. Henrich, 1995, § 2II, S. 12 ff..

[46] Vgl. Humphrey, 2006, S. 49 ff..

[47] Vgl. Humphrey, 2006, S. 48.

[48] zitiert in: Sun-Ryol, 1996, S. 40.

[49] Vgl. Sun-Ryol, 1996, S. 40.

[50] Vgl. Liepach, 1999, S. 35; Barutta, 2010, S. 21.

[51] Vgl. Sun-Ryol, 1996, S. 35.

[52] Vgl. Sun-Ryol, 1996 d, S. 35 ff..

[53] Vgl. Sun-Ryol, 1996, S. 49.

[54] Vgl. Sun-Ryol, 1996, S. 49.

[55] Vgl. Charwath, 2011, S. 623 f..

[56] Vgl. Duncker, 2003, S. 176 f..

[57] Vgl. Duncker, 2003, S. 177; S. 358.

[58] Vgl. Duncker, 2003, S. 122.

[59] Vgl. Hohloch, FamR, 2000, S. 60.

[60] Vgl. Hohloch, FamR, 2000, S. 60 f.

[61] Vgl. Schmid, 1990, S. 19.

[62] Vgl. Duncker, 2003, S. 42.

[63] Vgl. Duncker, 2003, S. 42.

[64] Vgl. Duncker, 2003, S. 262.

[65] Vgl. Duncker, 2003, S. 212 f..

[66] Vgl. Duncker, 2003, S. 219.

[67] Vgl. Duncker, 2003, S. 259.

[68] Vgl. Duncker, 2003, S. 260 f..

[69] Vgl. Fopp, 2007, S. 182.

[70] Vgl. Nave-Herz, Geschichte der Frauenbewegung, 1986, S. 7.

[71] Vgl. Nave-Herz, Geschichte der Frauenbewegung, 1986, S. 45.

[72] Vgl. Nave-Herz, Rolle des Lehrers, 1977, S. 9 ff.

[73] Vgl. Nave-Herz, Geschichte der Frauenbewegung, 1986, S. 13.

[74] Vgl. Duncker, 2003, S. 1090.

[75] Vgl. Duncker, 2003, S. 1090.

[76] Vgl. Schmid, 1990, S.107.

[77] Wachler, Zur rechtlichen Stellung der Frau, S. 9, zitiert in: Riedel, 2008, S. 43.

[78] Vgl. Duncker, 2003, S. 101.

[79] Allgemeiner deutscher Frauen-Verein (Hrsg), 1876, S. 6.

[80] Vgl. Riedel, 2008, S. 530.

[81] Vgl. Riedel, 2008, S. 530.

[82] Vgl. Riedel, 2008, S. 530.

[83] Vgl. Schmid, 1990, S. 109; 132 ff..

[84] Vgl. Schmid, 1990, S. 531.

[85] Vgl. Schmid, 1990, S. 532.

[86] Vgl. Schmid, 1990, S. 109.

[87] Vgl. Fopp, 2007, S. 182.

[88] Vgl. Schmid, 1990, S. 143.

[89] Vgl. Schmid, 1990, S. 39 ff..

[90] Vgl. Schmid, 1990, S. 41.

[91] Vgl. Hohloch, FamR, 2000, S. 62 f.

[92] Vgl. Schmid, 1990, S. 87.

[93] Vgl. Schmid, 1990, S. 110.

[94] Vgl. Schmid, 1990, S. 94; S. 111.

[95] Vgl. Schmid, 1990, S. 92.

[96] Vgl. Schmid, 1990, S. 112.

[97] Vgl. Schmid, 1990, S. 145.

[98] Vgl. Gerhard, 1997, S. 393.

[99] Vgl. Iannone, 2009, S. 20.

[100] Vgl. Schmid, 1990, S. 112.

[101] Vgl. Siebenhaar/Siegmann/Pöschmann, 1869, S. 45.

[102] Vgl. Schmid, 1990, S. 93.

[103] zitiert in: Schmid, 1990, S. 64.

[104] Vgl. Gerhard, 1997, S. 393 f.

[105] Vgl. Hohloch, FamR, 2000, S. 65.

[106] Vgl. Ramm, 1996, S. 77.

[107] Hohloch, FamR, 2000, S. 65.

[108] Vgl. Humphrey, 2006, S. 275.

[109] Vgl. Humphrey, 2006, S. 275 f..

[110] Vgl. Hohloch, FamR, 2000, S. 66.

[111] Vgl. Franzius, 2005, S. 21.

[112] Vgl. Ruhl, 1994, S. 271.

[113] Art. 3 II GG.

[114] Vgl. Franzius, 2005, S. 22.

[115] Vgl. Franzius, 2005, S. 20.

[116] Vgl. Franzius, 2005, S. 19 f.

[117] Vgl. Franzius, 2005, S. 19.

[118] Vgl. Franzius, 2005, S. 18.

[119] Vgl. Franzius, 2005, S. 20.

[120] Vgl. Franzius, 2005, S. 19.

[121] Vgl. Franzius, 2005, S. 25 ff.

[122] Vgl. Franzius, 2005, S. 26 f.

[123] Vgl. Franzius, 2005, S. 56.

[124] Vgl. Franzius, 2005, S. 56.

[125] Vgl. Franzius, 2005, S. 58 ff.

[126] Vgl. Franzius, 2005, S. 129.

[127] Vgl. Franzius, 2005, S. 129.

[128] BVerfGE 3, 225, Rz. 4 f.

[129] BVerfGE 3, 225 <225>.

[130] BVerfGE 3, 225 Rz. 39.

[131] BVerfGE 3, 225, Rz. 39 f..

[132] BVerfGE 3, 225, Rz. 38.

[133] Vgl. Lenz/Adler, 2010, S. 108.

[134] BverfGE 3, 225, Rz. 40.

[135] Vgl. Martiny, 2000, S. 41.

[136] Vgl. Lehmann, 2006, S. 318.

[137] Vgl. Slabon, 2006, S. 232.

[138] Vgl. Lehmann, 2006, S. 318.

[139] Vgl. Lipp/Schumann/Veit- Röthel, 2009, S. 64.

[140] Vgl. Isensee/Kichhof- Sachs, § 182, Rz. 102.

[141] Vgl. Erler, 1996, S. 123.

[142] BGH, Urteil vom 2.11.1966, NJW 1967, <1078>.

[143] BGH, Urteil vom 2.11.1966, NJW 1967, <1078>.

[144] BGH, Urteil vom 2.11.1966, NJW 1967, <1079>.

[145] BGH, Urteil vom 2.11.1966, NJW 1967, <1079>.

[146] BGH, Urteil vom 2.11.1966, NJW 1967, <1079>.

[147] Vgl. Försch, 2006, S. 147.

[148] § 1353 I S. 2 BGB

[149] Vgl. Försch, 2006, S. 147.

[150] Vgl. Försch, 2006, S. 147.

Final del extracto de 87 páginas

Detalles

Título
„Die Ehefrau“. Die rechtshistorische Reise vom Besitz zur gleichberechtigten Partnerin
Subtítulo
Eine rechtsvergleichende Arbeit über die Entwicklung der ehelichen Pflichten im deutschen Recht und der Scharia
Universidad
Carl von Ossietzky University of Oldenburg  (Hanse Law School)
Calificación
1.4
Autor
Año
2011
Páginas
87
No. de catálogo
V277729
ISBN (Ebook)
9783656704560
ISBN (Libro)
9783656706519
Tamaño de fichero
843 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
ehefrau, reise, besitz, partnerin, eine, arbeit, entwicklung, pflichten, recht, scharia
Citar trabajo
Alicia Danielsson (Autor), 2011, „Die Ehefrau“. Die rechtshistorische Reise vom Besitz zur gleichberechtigten Partnerin, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/277729

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