Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Die Prozesskostenrechnung
1 Entwicklung der Prozesskostenrechnung
2 Ursachen für die Entstehung der Prozesskostenrechnung
2.1 Veränderungen in der Wertschöpfungsstruktur
2.2 Veränderungen der Kostenstruktur
3 Aufgaben und Ziele
4 Voraussetzungen und Einsatzgebiete
5 Prozesskostenrechnung in Dienstleistungsunternehmen
6 Zwischenfazit
7 Kriterien für die Einführung der Prozesskostenrechnung
8 Möglichkeiten und Grenzen der Prozesskostenrechnung
9 Methodik und Umsetzung der Prozesskostenrechnung
9.1 Festlegung der Anwendungsbereiche im Unternehmen
9.2 Prozessanalyse
9.3 Bestimmung von Kostentreibern
9.4 Ermittlung von Prozessmenge, -kosten und -kostensatz
Literatur- und Quellenverzeichnis (inklusive weiterführender Literatur)
Anhang
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Prozesskostenrechnung
Als Prozesskostenrechnung (PKR) wird generell ein Verfahren bezeichnet, welches hervorragend zur Verrechnung, Steuerung und Planung von Gemeinkosten geeignet scheint. Dieses Instrument des Prozesskostenmanagements setzt in den indirekten Bereichen (Gemeinkostenbereiche) eines Unternehmens an. Zwar können diese Kosten, beispielsweise die allgemeine Verwaltung, exakt ermittelt werden, aber für welche Leistungen die Ressourcen verbraucht werden, kann meist nur unbefriedigend beantwortet werden.[1]
In dieser Arbeit wird für die Prozesskostenrechnung ein theoretisches Hintergrundwissen erarbeitet. Dabei werden die allgemeinen Sichtweisen der einschlägigen Experten auf diesem Gebiet der Kostenrechnung anhand der Literatur dargestellt.
Nach einem kurzen Abriss der Entwicklungsgeschichte der PKR wird auf die wesentlichen Ursachen eingegangen, die zur Entstehung des Kostenrechnungssystems Anlass gaben, um das Verständnis dieses spezifischen Verrechnungsverfahrens zu erleichtern. Anschließend werden ihre wichtigsten Ziele und die Aufgabenfelder der PKR skizziert, um danach auf die Chancen dieses Systems, aber auch dessen Grenzen einzugehen. Am Ende dieser Arbeit steht die allgemein anerkannte Methodik einer PKR.
1 Entwicklung der Prozesskostenrechnung
Die traditionellen Kostenrechnungsverfahren entstanden vor ca. 90 Jahren, als die Lohn- und Materialeinzelkosten noch den größeren Anteil der Kosten eines Unternehmens ausmachten, die Gemeinkosten dagegen verhältnismäßig gering waren. Diese wurden mit Hilfe eines Zuschlagssatzes auf die variablen Kosten verteilt.
Die Verschiebung der betrieblichen Kostenstruktur, bedingt durch die Automation der Produktionsverfahren (technologische Entwicklung), führte zu einem Rückgang der Lohneinzelkosten. Den Ausgangspunkt für die Entstehung der PKR bildete schließlich der von Miller/Vollmann verfasste Artikel „The hidden factory“[2] aus dem Jahr 1985. Am Beispiel der amerikanischen Industrie zeigten sie, dass die Gemeinkosten seit mehr als 100 Jahren stetig steigen, während der Anteil der Lohneinzelkosten gleichzeitig abnimmt (s. Abb. 2.1). Die indirekten Bereiche eines Unternehmens stellen nach Auffassung der Autoren eine „verborgene Fabrik“ dar, deren Leistungen im Vergleich zur eigentlichen Fertigung kaum Beachtung finden. Sie formulierten deshalb konkrete Vorschläge zur Gemeinkostensenkung durch eine Reduktion der kostentreibenden Transaktionen: „If as we believe, transactions are responsible for most overhead costs in the hidden factory, than the key to managing overheads is to control the transactions that drive them.“[3] Jedoch stellen Miller/Vollmann kein Verfahren zur kostenrechnerischen Abbildung der Overhead-Kosten vor, sondern beschränken sich auf die rein verbale Beschreibung der Zusammenhänge zwischen Transaktion und Gemeinkosten.[4]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Veränderte Kostenstrukturen in der betrieblichen Wertschöpfung[5]
Diese Erkenntnisse griffen Johnson/Cooper/Kaplan auf, um sie in Richtung einer strategischen Kalkulation weiter zu entwickeln. Dabei wurde der Begriff des Activity-Based Costing (ABC) geprägt. Die deutsche Firma Siemens AG bearbeitete zwar schon 1975 praktische Ansätze, um fixe Gemeinkosten aufgrund der in Anspruch genommenen Aktivitäten auf die Produkte umzurechnen[6], im deutschsprachigen Raum modifizierte jedoch erst Horváth 1989 das ABC zum Begriff ‚Prozesskostenrechnung’.[7] Während beim ABC-Ansatz einzelne Aktivitäten im Vordergrund stehen, wird bei der PKR der gesamte Prozess betrachtet.[8]
2 Ursachen für die Entstehung der Prozesskostenrechnung
Die Gründe für eine Entwicklung der Prozesskostenrechnung sind in der Literatur hinreichend beschrieben und eindeutig zusammengefasst. So werden als Hauptursachen die Veränderungen in der Struktur der betrieblichen Wertschöpfung sowie den damit verbundenen Verschiebungen der Kostenstruktur angeführt. Weiterhin werden Mängel bei den traditionellen Kostenrechnungssystemen verantwortlich gemacht.[9]
2.1 Veränderungen in der Wertschöpfungsstruktur
In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten veränderte sich die Produkterstellung in praktisch allen Stufen der betrieblichen Wertschöpfung. So führte z. B. die rasante Entwicklung der Computertechnologie in vielen Unternehmen zu computerintegrierten Produktionssystemen, welche die Fertigung wesentlich flexibler gestalten. Trotz der Vielzahl an Fabrikaten arbeiten die Produktionsanlagen wirtschaftlich.
Durch die größere Variantenvielfalt und die notwendige Flexibilität in der Fertigung steigen auch die Anforderungen an die Steuerung des Materialflusses im Unternehmen. So genannte Just-In-Time-Systeme wurden entwickelt und umgesetzt, um eine bestmögliche Synchronisation der betrieblichen Prozesse zu erreichen. Dabei werden die Bestände und die durch sie verursachten Kosten minimiert.
Die Umsetzung dieser Ziele und der damit verbundene Erfolg sind letztendlich nur zu erreichen, wenn ein umfangreiches Qualitätsmanagement sichergestellt wird, denn jeder Qualitätsmangel kann eine Störung des Produktionsflusses bewirken.[10] Einhergehend mit den Neuerungen in den Produktionsbereichen entstehen Verschiebungen in der betrieblichen Kostenstruktur. Somit verändern sich auch die Ansprüche an die Kosteninformationen.
2.2 Veränderungen der Kostenstruktur
Die vorhandenen Kostenrechnungssysteme mit ihren Anwendungsmöglichkeiten und ihrer Verursachungsgerechtigkeit spiegeln in keiner Weise mehr die unternehmerische Wirklichkeit wider. Der eingangs erwähnte hohe und immer weiter steigende Anteil der Gemeinkosten an den Fertigungskosten (s. Abb. 1) beruht vor allem auf dem gestiegenen Umfang an vorbereitenden, planenden, steuernden und überwachenden Tätigkeiten. Dies bezieht sich vorwiegend auf die Bereiche Forschung und Entwicklung, Beschaffung und Logistik, Produktionsplanung und -steuerung, Qualitätssicherung und -prü-fung sowie Auftragsabwicklung, Vertrieb und Service.
Der Rückgang der Fertigungslöhne begründet sich in erster Linie in der starken technologischen Weiterentwicklung und der damit verbundenen Rationalisierung. Somit stellen sie keine realitätsnahe Zuschlagsbasis für die Kostenkalkulation mehr dar.[11]
Um die gestiegenen Gemeinkosten abzudecken, werden in vielen Unternehmen mittlerweile Zuschlagssätze von mehreren hundert Prozent erforderlich, während früher 50 - 60 % ausreichend waren. Treten bei der Herstellung eines Produktes bspw. positive Lohnabweichungen auf, so bewirkt dies automatisch eine unzutreffende Verrechnung der Gemeinkosten. Umgekehrt: werden die Fertigungslöhne unterschritten, werden diese aufgrund der Proportionalität fälschlicherweise als Einsparungen bei den Gemeinkosten ausgewiesen.
Solche Verzerrungen entstehen auch durch die fortschreitende Automatisierung der Produktionsprozesse. Die Technologiekosten (v. a. Zinsen, Abschreibungen, Energie, Instandhaltung und Wartung) steigen, während die Lohneinzelkosten sinken. Die Fertigungslöhne als Zuschlagsbasis können zu gravierenden Fehlsteuerungen im Unternehmen führen. Die unzutreffende Verrechnung der Gemeinkosten kann bedingen, dass Produktlinien mit positivem Ergebnis in Wirklichkeit nicht kostendeckend arbeiten und umgekehrt vermeintlich verlustbringende Fertigungslinien in Wirklichkeit positive Ergebnisbeiträge leisten[12].[13]
3 Aufgaben und Ziele
Die Aufgaben der PKR ergeben sich hauptsächlich aus den Entstehungsursachen. Als Hauptziel wird dabei die effiziente Planung, Verrechnung und Kontrolle der Gemeinkosten angeführt. Der Gemeinkostenblock soll durch die Kalkulation nach Prozessen und der Untergliederung nach Tätigkeiten transparenter gestaltet werden. Das bedeutet, dass die betrieblichen Gemeinkosten entsprechend der tatsächlichen Inanspruchnahme durch betriebliche Tätigkeiten auf die Kalkulationsobjekte verrechnet werden. Die PKR beinhaltet demnach folgende Hauptziele:
- (Gemein-)Kostentransparenz: Was kostet ein Prozess?
- Verbesserung der Gemeinkostenplanung und -kontrolle,
- Identifikation der gemeinkostentreibenden Faktoren,
- Kapazitätsplanung: Welche Ressourcen benötigt ein Prozess?
- rationelle Nutzung von Ressourcenpotenzialen,
- Prozessorientierte Kalkulation: Was kostet ein Produkt tatsächlich?
- Vermeidung von strategischen Fehlentscheidungen,
- Prozessoptimierung: Wo liegen Verbesserungspotenziale?[14]
Die Anwendung der PKR schafft einen besseren Überblick über den Einsatz der Ressourcen. Es wird dabei aufgezeigt, wofür und wie die bereitgestellten Ressourcen in der jeweiligen Kostenstelle verwendet werden. Neben den vorangestellten Hauptzielsetzungen existieren weitere Nutzungsmöglichkeiten als Unterziele für die PKR:
- langfristige Einflussnahme auf die Kostenstruktur des Unternehmens,
- Vereinfachung der Gemeinkostenplanung und -budgetierung,
- Erstellung eines internen, strategischen Informationssystems,
- Optimierung der Bereichsorganisation.[15]
4 Voraussetzungen und Einsatzgebiete
Die Anwendung der Prozesskostenrechnung ist an einige Voraussetzungen gebunden, wobei die wichtigsten an dieser Stelle erläutert werden. Die Prozesskostenrechnung ist nur in Unternehmensbereichen praktikabel, in denen repetitive, d.h. sich ständig wiederholende Tätigkeiten mit geringem Entscheidungsspielraum durchgeführt werden.
Die Begründung dafür liegt in der Homogenität der Tätigkeiten und in ihrer Quantifizierbarkeit. Tätigkeiten, welche diese Merkmale nicht aufweisen, eignen sich entweder nicht oder nur theoretisch zur PKR, da der Differenzierungsgrad dieser Aktivitäten zu groß für eine sinnvolle Operationalisierung im Sinne von Prozessen und Bezugsgrößen ist (s. Abb. 2).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Einsatzbereiche der Prozesskostenrechnung[16]
Eine weitere Prämisse der PKR besteht in der Forderung, dass ein Zusammenhang zwischen den gemeinkostentreibenden Faktoren und den verursachten Kosten bestehen muss, um konkrete Kostendaten ermitteln zu können. Eine verursachungsbezogene Verrechnung der Prozesskosten ist nur möglich, wenn detaillierte Daten über Prozesse und Kosten vorhanden sind.[17]
PKR kann zusammenfassend als Instrumentarium für Kalkulation und für Gemeinkostenmanagement beschrieben werden.
Werden die Prozesskosteninformationen in die laufende interne Preisfindung und Bestandsbewertung einbezogen, spricht man von PKR als Kalkulationsinstrument. Hierbei dient die PKR lediglich als modulare Ergänzung anderer Kostenrechnungssysteme, als Weiterentwicklung der (Grenz-)Plankostenrechnung oder innerhalb der Vollkostenrechnung[18]. Als Instrument des Gemeinkostenmanagements soll die PKR Ineffizienzen in den indirekten Unternehmensbereichen aufdecken. Sie wird jedoch nicht nur zur Optimierung der Organisationsabläufe eingesetzt, sondern auch als Grundlage für strategische Entscheidungen genutzt.[19]
5 Prozesskostenrechnung in Dienstleistungsunternehmen
Größtenteils bezieht sich Prozesskostenrechnung, wenn darüber geschrieben oder gesprochen wird, auf das Fertigungsumfeld, denn sie wurde ursprünglich für Produktionsunternehmen entwickelt. Inzwischen ist sie auch den Unternehmen der Dienstleistungsbranche von großem Nutzen.
In der Praxis ist die Einrichtung eines Prozesskostenmodells für beide Unternehmenstypen fast identisch. Industrieunternehmen analysieren die Gemeinkosten im Rahmen der Prozesskostenrechnung, die den Kosten für die Erbringung von Dienstleistungen in der Produktion entsprechen. Das sind Tätigkeiten, welche die Herstellung von Produkten ermöglichen, aber nicht direkt an der Herstellung beteiligt sind (z. B. Bestellung, Zeitplanung, Weiterbildung, Produktionseinrichtung, Gestaltung, Kontrolle, Ausbildung, Unterstützung etc.). Wird die Prozesskostenrechnung auf Aktivitäten aus den Bereichen Marketing, Verkauf, Logistik, Einkauf und Geschäftsleitung ausgedehnt, tritt ihre Dienstleistungsorientierung noch deutlicher hervor. In der Tat war sie von Beginn an nicht produktions-, sondern dienstleistungsorientiert. Daher sind für die Übertragung des Modells auf Unternehmen, die ausschließlich Dienstleistungen erbringen, keine neuen Prinzipien erforderlich.[20]
Dienstleistungsunternehmen sehen sich mit den gleichen Managementaufgaben konfrontiert wie Hersteller. Sie benötigen die Prozesskostenrechnung, um die von ihnen be-reitgestellten Ressourcen mit den Einnahmen zu verknüpfen. Da praktisch alle Betriebsaufwendungen zu fixen Kosten werden, wenn das Ressourcenangebot festgelegt ist, brauchen Dienstleister die Erkenntnisse der Prozesskostenrechnung noch dringender als Fertigungsunternehmen.
[...]
[1] Jandt/ Michel/ Torspecken, 1998, S. 222 ff. i.V.m. Hahn/ Kaufmann, 1997, S. 223 f.
[2] Miller/ Vollmann, 1985, S. 142 ff.
[3] Miller/ Vollmann, 1985, S. 146.
[4] Braun, 1994, S. 4.
[5] Miller/ Vollmann, 1985, S. 143.
[6] Schweitzer/ Küpper, 1998, S. 323.
[7] Remer, 1997, S. 13 i.V.m. Meyer/ Weber, 1997, S. 3.
[8] Eine Gegenüberstellung von PKR und ABC wird in Anhang 1 abgebildet.
[9] Reckenfelderbäumer, 1998, S. 3 ff.
[10] Remer, 1997, S. 19 ff. i.V.m. o.V., Internet Theorie, Stand: 06.10.2005.
[11] Olshagen, 1991, S. 16 ff. i.V.m. Braun, 1994, S. 10 ff.
[12] Ein Beispiel hierfür ist in Anhang 2 dargestellt.
[13] o.V., Internet Theorie, Stand: 06.10.2005.
[14] Coners, 2003, S. 255 i.V.m. Kaufmann/ Mayer, 2000, S. 294 u. o.V., Internet Formen, Stand: 04.10.2005.
[15] Schmidt, 1996, S.192 f.
[16] Coenenberg, 2003, S. 211.
[17] Sahl, 1998, S. 48 ff.
[18] Lorson, 1993, S. 273 f.
[19] Stromann/ Weißenberger, 1999, S. 8 f.
[20] Cooper/ Kaplan, 1999, S. 287 f.