Zur Dialektik der Kriege im 19. und 20. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung des sogenannten Ersten Weltkrieges


Redacción Científica, 2014

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Eine Vorbemerkung zur Erklärung des Titels: Warum war der erste Weltkrieg nicht der erste?

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LITERATURLISTE:

Eine Vorbemerkung zur Erklärung des Titels: Warum war der erste Weltkrieg nicht der erste?

Kann es nach der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals, nach ihrer Morgenröte der Völkermorde in Amerika, Afrika und Indien überhaupt noch einen lokalen Krieg geben ? Der Handelskrieg der europäischen Nationen hatte nach Karl Marx bereits das „Erdrund als Schauplatz" gehabt. Man könnte wetten, dass von 10 000 Historikern, die über die sogenannte ursprüngliche Akkumulation gelesen oder von ihr gehört haben, 9 990 überhaupt nicht wissen, wie Marx sie entwickelt und was er konkret darunter versteht. Und von den übrigen zehn Historikern wissen neun sicherlich nicht, auf welchen Handelskrieg Marx Bezug nimmt. So wird Geschichte geschrieben ! (Es empfiehlt sich, zu diesen Ausführungen Lenins „Staat und Revolution", 1. Kapitel: Abschnitt 4: „Das 'Absterben' des Staates und die gewaltsame Revolution" zu Rate zu ziehen. 1.

„Der Krieg führt die Menschen zusammen". In diesem Spruch des antiken Philosophen Heraklit ist schon der tiefe dialektische Gehalt, der dem Krieg innewohnt, prägnant ausgedrückt. Sollte man an einer konkreten gesellschaftlichen Erscheinung entfalten, was unter Dialektik zu verstehen sei, so wähle man den Krieg, nicht den Frieden. Der noch nicht ausgebrochene Krieg erscheint zunächst als etwas ganz Lapidares, als nervtötendes Exerzieren, Einerleiheit, grau in grau, um dann über Nacht emporzuschnellen zum alles Entscheidenden, von dem das Schicksal von Staaten, ja von ganzen Gesellschaftssystemen abhängt. Er läßt sich plakativ und leicht erlernbar in Jahreszahlen einrahmen; nähere Betrachtung offenbart, wie schwierig es ist, seinen Anfang und sein Ende exakt zu bestimmen. Während zum Beispiel im sogenannten ersten Weltkrieg im Westen die Waffen schwiegen, wucherte der Krieg im Osten nach 1918 fort. Der Frieden geht in den Krieg über und vice versa. Der Krieg schwelt - mehr oder minder versteckt. Millionenfache subjektive Friedenswünsche werden durch die strenge Objektivität des Krieges ignoriert. Er ist die grässlichste objektive Gestalt, die sich hinter dem Rücken der Menschen zusammenbraut und gebieterisch die Anspannung aller Kräfte verlangen kann. Die Existenz von Menschen geführten Kriegen zeigt ihre Ohnmacht gegenüber dem von ihnen selbst initiierten und dann gegen sie selbst gerichteten Gang der Geschichte an. Die Bewährung, die im Krieg statthaben soll, erweist sich am Ende als ungenügende Naturbeherrschung. Es wird nicht erkannt, in welchem Milieu der Krieg stattfindet, genauer: welche historischökonomischen Bedingungen ihn hervorgebracht haben, weil die bürgerlichen Ideologen und Offiziere heute nicht mehr in der Lage sind, die Wirklichkeit, die ein System der Warenproduktion ist, richtig widerzuspiegeln. Man kann nicht mehr richtig urteilen, wenn man dem Untergang entgegengeht. 2. Ohne Zweifel ist zum Beispiel das geographische Milieu für die Gestaltung des Krieges recht wichtig, auch der Volkscharakter, das Empfinden, die politische Gesinnung und die Weltanschauung der Soldaten, aber das alles sind sekundäre Faktoren; der Charakter eines Krieges wurzelt heute in der kapitalistischen Ökonomie, in der die Menschen nicht wissen, dass sie, indem sie im Warenaustausch ihre verschiedenartigen Produkte einander als Werte gleichsetzen, sie ihre verschiedenen Arbeiten einander als menschliche Arbeit gleichsetzen. 3. Kurz: die Menschen wissen nicht, was sie tun, und dann wundert man sich noch über die Millionen Toten, die die imperialistischen Kriege produzieren. Wenn schon im Frieden der Produktionsprozess die Menschen, die Menschen nicht den Produktionsprozess beherrschen, wie viel weniger beherrschen sie den Prozess des Krieges. Der Kriegsprozess beherrscht die Soldaten, die Soldaten beherrschen nicht den Kriegsprozess. In einer Besprechung Hitlers mit Feldmarschall von Kluge am 26. Juli 1943 bestätigen es beide kurz hintereinander. Zunächst Kluge: „Diese Entwicklung der gesamtpolitischen Lage war nicht vorauszusehen von uns, das konnten wir nicht ahnen, daß das so kommen würde". 4. Und wenig später Hitler: „Herr Feldmarschall, wir sind hier nicht Herr unserer eigenen Entschlüsse..." 5. Zwar hat der Krieg einen objektiven Gehalt, aber eine objektivistische aus dem Fetischcharakter der Ware allein abgeleitete Geschichtsbetrachtung reicht nicht aus, die Materie zu erfassen; es sind spezifische Klasseninteressen ausbeuterischen Charakters, die den Krieg bewirken, die ihn vorantreiben und die selbst durch Niederlagen nicht zum Erlöschen kommen, wie die beiden Weltkriege gezeigt haben. Eine rein objektivistische (oder eine angeblich neutrale) Betrachtungsweise führt zur militanten und politischen Passivität, zum „philosophischen" Zuschauen und verfehlt gerade entscheidende Hauptkriterien des Marxismus: zum einen seine politischmilitante Praxisbezogenheit, zum anderen: dass er kein Dogma, sondern eine konkrete Anleitung zum Handeln sei, eine Anleitung zur Vernichtung der Klassen, die die Kriege verursachen und zu verantworten haben. Die bürgerlichen Professoren dozieren mit Vorliebe „marxistisch" - Spaß beiseite ! - wer von ihnen wäre aber bereit und auch in der Lage, einen Bankraub zu organisieren wie Stalin. Stalin folgte im Juni 1907 in Tiflis nur einer Anleitung Lenins. Hätten mehrere Marxisten in den europäischen Hauptstädten so gehandelt, hätten sie den Großbankiers das Kapital entzogen, wäre es vielleicht nicht zum sogenannten ersten Weltkrieg gekommen. Man schaue auf die deutsche Sozialdemokratie, die den Bankiers Afterdienste leistete. Den Fetischcharakter der Ware zu entschlüsseln ist eine Sache, eine theoretische, die Bourgeoisie an ihrem empfindlichsten Nerv treffen ist eine andere Sache, eine praktische, beides zusammen erst qualifiziert den Berufsrevolutionär Leninscher Prägung: strenge und höchste Wissenschaftlichkeit paart er mit der revolutionären Tat. Dieser Typus trat nun gegen Ende des Weltkrieges, am Ende des Tunnels, weltgeschichtlich in Erscheinung.

„In Europa gehen die Lichter aus", empfand der englische Außenminister Edward Grey bereits bei Ausbruch des sogenannten ersten Weltkrieges, den Thomas Mann im Zauberberg als „Weltfest des Todes", der Philosoph Georg Simmel als europäisches Harakiri wiedergaben. Arthur Schnitzler schrieb am 5. August 1914 in sein Tagebuch: „Der Weltkrieg. Der Weltruin". Für Lenin war der Krieg eine „barbarische und bestialische Sache". 6. Und Gorki sprach hellsichtig vom ersten Akt einer Welttragödie. Der Krieg ist nach Clausewitz ein Zweikampf. Da sich Clausewitz mit der Philosophie Hegels auseinandergesetzt hatte, kann gefragt werden, ob nicht Hegels Kampf zweier Selbstbewußtseine im Herr-Knecht-Kapitel der „Phänomenologie des Geistes" ihm Anregungen gegeben hatte ? Den Krieg bloß als Zweikampf aufzufassen bezeichnete der sowjetische Oberstleutnant G. Mescerjakov als „vulgär". 7. Die Massenheere und Massenkriege haben den adeligen Duellansatz des Krieges obsolet gemacht; er wird immer mehr auf kollektiver Ebene geführt. Der Krieg ist pervers, und dieser Umstand hat seichte Denker dazu angehalten, ihn ganz zu verwerfen. Nichts wäre falscher als diese Abstraktion. „Krieg dem Kriege" wäre zwar schlüssig im humanistischgefühlsmäßigen, aber nicht im gesellschaftswissenschaftlichen Sinn. Im letzteren hat der Krieg keinen Eigenwert. Keine gesellschaftliche Strömung gibt dem Krieg einen höheren objektiven Wert als der Pazifismus, der sich subjektiv moralisch gegen ihn aufspreizt und verfehlt, das in der Massenkollektivität des Krieges auch ein Glutkern revolutionärer Umbrüche schwelt. Die USA verhielten sich im sogenannten ersten Weltkrieg lange neutral und pazifistisch, aber ihre politische Führung sah schließlich im Weltkrieg die Chance einer universalistischen Mission für eine bürgerliche Demokratie im Geiste General Washingtons. Dieser Schritt vertiefte die Krise, in die der europäische Liberalismus durch kollektive Gewaltorgien geraten war. Man kommt in der Politik und im Krieg nicht ohne Feind aus, wie es Carl Schmitt 1927 formulierte. Das Individuum kam aus dem Krieg zurück als ein Schatten seiner selbst. Die Verdinglichung in der Maschinenindustrie kontinuierte sich in die im industriellen Maschinenkrieg. Der Krieg ist pervers, auch ironisch, und das Perverse und das Ironische, einzeln oder zusammen, sind dasjenige, mit dem es die Philosophie ganz elementar zu tun hat. Wenn etwa ein Berufsoffizier den Soldatenberuf für einen normalen Beruf ausgibt, dann ist er pervers schon allein deswegen, weil er die Spaltung der Gesellschaft in Unterdrücker und Unterdrückte, in kapitalistische Herrenmenschen und proletarische Untermenschen verewigt - ohne es vielleicht zu wissen und zu wollen, weil ihm nicht präsent ist, wie in der Menschwerdung der Affen es dazu kommen konnte, dass eine Minderheit Affen in Uniform wurde und die Mehrheit drangsaliert. Im sogenannten ersten Weltkrieg waren siebzig Prozent aller umgekommenen Soldaten zwischen 20 und 24 Jahre alt. „Alle Menschen werden Brüder, was die Mode streng geteilt !" - das Schillersche „fraternite" von 1789 wurde von Kaiser Wilhelm II. in seiner Balkonrede vom 1. August 1914 dahingehend pervertiert, dass er keine Parteien und keine Konfessionen mehr kenne, sondern dass alle Deutschen nunmehr Brüder seien. Das Terrain für eine Dolchstoßlegende war bereits geebnet. Für Werner Sombart war sogar Beethovens „Eroica" echter Militarismus, und er machte mit dieser Interpretation deutlich, dass der Tabubruch ein Wesenszug des Krieges ist, ohne den es keine Umwertung der Werte geben kann. Dass auch die internationale Gelehrtenrepublik zerfiel und sich von Schiller abwandte, sich national bornierte, darauf machte Hermann Hesse unter bewussten Bezug auf Schillers Ode in einem Artikel vom 3. November 1914 in der Neuen Zürcher Zeitung „O Freunde, nicht diese Töne !" aufmerksam. Fünf Tage vor seinem Soldatentod bei Perthes schrieb der expressionistische Maler August Macke, der Krieg sei das Grausigste, was ein Mensch je erleben kann. Rilke sprach von der wilden Monstrosität des Krieges. Die Soldaten, die sich im Stellungskrieg, der nach der Schlacht an der Marne begann, wiederfanden, sahen eine furchtbare Landschaft, die an Passagen Dantes und Poes erinnerte. Gleichwohl gibt es nach Clausewitz eine Ästhetik des Krieges, wenn er den Krieg des Volkes auf seinen eigenen Fluren um Freiheit und Unabhängigkeit den schönsten aller Kriege nennt. Und erst Mao Tse tung: „Die Aktionsbühne für die Befehlshaber eines Krieges muß auf objektiven Möglichkeiten gegründet sein, auf dieser Bühne aber können sie die Aufführung manch eines Dramas voller Klänge und Farben, voller Macht und Pracht in Szene setzen". 8. Der Bauernsohn Mao und der Bauernsohn Scharnhorst stimmen darin überein, dass man den Krieg am ehesten mit der Dichtkunst vergleichen könne. Conan Doyle sprach nach einer Besichtigung der Schützengräben des sogenannten ersten Weltkrieges vom „most wonderful spot in the world". Der wichtigste Punkt, den man bei jedem Krieg beachten muss, ist die von Clausewitz entdeckte politische Seele des Krieges, die Lenin immer besonders hervorhob. Der früh, mit 40 Jahren verstorbene sowjetische Heerführer M. W. Frunse wies auf die Notwendigkeit hin, die marxistische Theorie mit dem Studium der Kriegswissenschaft zu verbinden, es könne gute Marxisten geben, die aber schlechte Kommandeure seien. Lenin fragte primär nach der politischen Qualifikation eines Mitarbeiters.

Sollte unser Berufsoffizier allerdings religiös sein, und ein Sündenkrüppel neigt sehr dazu, so ist für ihn ja der bisherige Sadomasochismus in der Weltgeschichte gottgewollt, was aber die Perversion als solche nicht aufhebt, eher verdoppelt, ein Sadist, der seinen Sadismus irrational begründet. Überhaupt ist das Christentum die Religion der Sadomasochisten, der unfertigen oder zerbrochenen Menschen und Marat hatte mit seiner Feststellung den Nerv getroffen, dass von allen Religionen das Christentum die knechtischste sei. Da in der perversen kapitalistischen Gesellschaft ausgereifte Persönlichkeiten die Ausnahme sind, hat das perverse Christentum feste Wurzeln im Boden dieser perversen Gesellschaft. Ein Musterbeispiel gibt der englische Militarist Basil Liddell Hart ab, der die blutigste Schlacht des sogenannten ersten Weltkrieges an der Somme als Hauptmann miterlebte, sich als Christ bekannte und zugleich das Gemetzel an der Somme als wunderbare Erfahrung empfand. Im Krieg beten die Menschen wieder, weil der ins Angesicht des Todes Getriebene durch die Anrufung einer überirdischen Macht die Naturkräfte zu bannen hofft, die mit zerstörerischer Drohung sich ihm gegenüber aufgerichtet haben. Der Krieg fördert Blut, Schweiß und Tränen, wie es Churchill in seiner Parlamentsrede vom 13. Mai 1940 formulierte, fördert die Religion und den Aberglauben, aber eingestandenermaßen, er ist in präkommunistischen, also in Klassengesellschaften auch eine Triebkraft des wissenschaftlich - technischen Fortschritts. Selbst als der unter dem Banner der Aufklärung und des Fortschritts das konservative Europa heimsuchende Kaiser der Franzosen am 23. Juni 1812 beim Entlangreiten am Grenzfluß Njemen zwecks Auffindung der günstigsten Überquerungsstelle für 514 000 Soldaten vom Pferd fiel - ein aufspringender Hase hatte es irritiert - veranlasste dieser Vorfall den Napoleon begleitenden General Coulaincourt zu der Äußerung: „Das ist ein schlechtes Omen, wir sollten den Njemen nicht überqueren". In diesem Augenblick konnte sich Coulaincourt noch nicht der schicksalshaften Gewichtigkeit seiner Worte bewußt sein. Eine Volkszählung in Russland ergab 1816 einen durch den Feldzug bedingten Bevölkerungsrückgang von einer Million Menschen. Im massenhaften Sterben aber blühte die Volkskunde im sogenannten ersten Weltkrieg überall auf, man meinte einen wichtigen Beitrag zum Sieg zu leisten, wenn man die eigene Volksseele und die des Feindes „wissenschaftlich" durchleuchtete. Das klassische Beispiel für den Wahn des Krieges ist der Aufstieg der heiligen Johanna von Orleans mit ihren Visionen, die im sogenannten ersten Weltkrieg in der 18jährigen Claire Ferchaud, die aus der katholischen Vendee stammte, eine Nachfolgerin fand.

1916 faselte sie von einem Auftrag Jesu Christi, das Vaterland von den Deutschen zu befreien - und fand Gehör.

Aber trotz aller Perversionen der Kriege gibt es gerechte Kriege, die abstrakt zu verwerfen gerade inhuman wäre. Kant, kein Anhänger eines revolutionären Krieges, bezeichnet in dem „Streit der Fakultäten" den Krieg zwar als den Quell aller Übel und Verderbnis der Sitten, gleichwohl wäre es verfehlt, seine Schrift über den Ewigen Frieden als eine pazifistische zu deuten. Französische Intellektuelle erörterten im sogenannten ersten Weltkrieg ernsthaft, ob Kants Philosophie schuld sei an diesem. In der Neuzeit kennen wir zwei Typen von Kriegen mit einem revolutionären Kern: die von den vom Bürgertum geleiteten Krieg der französischen Revolution ausgehenden gegen die feudale Restauration und die kommunistischen Aufstandskriege gegen das mittlerweile reaktionär gewordene Bürgertum. Die marxistische Theorie als wissenschaftliche Zusammenfassung der Erfahrungen des Proletariats enthält eine Lehre von den Bedingungen der Befreiung des Proletariats vom Joch der kapitalistischen Lohnarbeit und begreift den Kommunismus als die Bewegung, die den kapitalistischen Zustand der Gesellschaft konkret aufheben will. Da die politische Form der ökonomischen Emanzipation der Arbeit nur über die Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparates und die Besitzergreifung der Produktionsmittel im Namen der Gesellschaft möglich ist, hat sich im Laufe der Theorieentwicklung auch eine militärische Strategie und Taktik des Aufstandes herausgebildet, die vornehmlich von Friedrich Engels im 19. Jahrhundert begründet und in der Oktoberrevolution von 1917 ihre Weiterentwicklung durch Lenin in der Praxis bestand, als sich in dieser die bürgerlich demokratische sofort in eine proletarisch sozialistische umwandelte. Der Punkt der Praxis ist besonders wichtig; die marxistische Theorie versteht sich nicht als philosophische Problematisierung der Arbeiterbewegung, sondern insistiert nachdrücklich auf die Probe durch die historische Praxis, in der Lenin die konkrete Analyse einer konkreten Situation verlangte. Die Aussagen der Theorie beweisen ihre Richtigkeit erst in der Praxis einer Massenbewegung, sind mithin denkend allein gar nicht zu beweisen. Durch die Oktoberrevolution ist Russland nicht nur zu einem weltgeschichtlichen Schwerpunkt geworden, sondern wurde zum Schauplatz eines Krieges, eines Krieges zum Kommunismus, wie er in dieser Art in der Weltgeschichte beispiellos war, nachdem die zarte Pflanze des Kommunismus 1871 in Paris von Soldateskastiefeln zertreten worden war. Das war endlich in Russland der von Marx angekündigte, jahrzehntelange Bürgerkrieg, der die völlige Vernichtung des Bürgertums zum Ziel hatte, in dem die Arbeiterklasse die Umstände und sich selbst ändern musste. Und eine Vernichtung, die hauptsächlich zur Aufgabe einer „Außerordentlichen Kommission zur Bekämpfung der Konterrevolution und Sabotage" (Tschecka) wurde. Schon 1926 wurde der „berüchtigte" Paragraph 58 in das Strafgesetzbuch aufgenommen, der bestimmte, was unter konterrevolutionäre Verbrechen zu subsumieren sei: Sturz, Unterhöhlung und Schwächung der Räte. Die Ermordung Kirows am 1. Dezember 1934 gab das Signal zu Säuberungen, die sich mit denen der französischen, der klassischen bürgerlichen Revolution schwer, letztendlich nicht vergleichen lassen. Denn beide Revolutionen hat einen diametral entgegengesetzten Kerngehalt und die beliebten Assoziationen zwischen beiden bleiben an den Oberflächen dieser Umwälzungen. Theoretisch hatte die bürgerliche Revolution zwar auch die Anarchie zum zentralen Thema, die verfehlt werden musste, weil man den zentralen Gedanken des Revolutionsidols Rousseau verdrängen musste, dass alles soziale Übel vom Privateigentum herrühre. In der Oktoberrevolution ist die Aufhebung des Privateigentums an Produktionsmitteln dann nicht mehr rousseauistisch geprägt, sondern marxistisch: die technische Entwicklung der Produktionsmittel bindet die Produzenten an eine Kollektivität, die keine politische Herrschaftsform mehr zulässt, sondern über das Absterben einer kollektivistischen Demokratie in die Anarchie mündet. Das ist nach Marx der vollendete Naturalismus als Humanismus, aber beileibe kein „Zurück zur Natur". Otto Rühle hingegen begreift in seiner Schrift „Brauner und roter Faschismus" aus dem Jahr 1939 die Oktoberrevolution als eine nur bürgerliche und sieht in Lenin lediglich ihren Robespierre, der ja ein glühender Anhänger Rousseaus war. Die kommunistische Erhebung intendiert durch Vernichtung der Kapitalaccumulation auch die Herrschaft der Gegenwart über die Vergangenheit. Sie ist ein asymmetrischer Bürgerkrieg, nach Engels und Lenins Erkenntnissen kämpfen die Kommunisten gegen einen zunächst mächtigeren Feind, für Engels hatte der Barrikadenkampf nach 1848 allen Zauber verloren, da jede militärische Neuerung nur der Armee zugute käme. Lenin wies darauf hin, dass die Reaktion bisher das Monopol der Politikgestaltung, der Verwaltung, des militärischen Fachwissens und der internationalen Beziehungen besaß und sich zudem auf eine ältere und weiter verbreitete Ideologie stützen konnte unter Ausnutzung der besseren Kommunikationskanäle. Auch hatte die Bourgeoisie in ihrer Emanzipation den Vorteil, dass ihre ökonomischen Fundamentalstrukturen bereits unter der feudalistischen Hülle ausgereift waren, während das Proletariat seine kollektivistisch ausgerichteten Strukturen erst nach der Revolution aufbauen kann. Handgreiflich wurde das nach der Oktoberrevolution an einer Landwirtschaft, die durch und durch zersplittert war und die von der von Marx und Engels verkündeten Assoziation von Industrie und Landwirtschaft in weiter Ferne lag.

Die emanzipativen Bewegungen der Neuzeit stehen unter dem Diktum der asymmetrischen Kriegführung, aus der heraus Neuerungen auf dem Gebiet des Militärwesens durch Tabu- und Milieubruch geboren wurden mit dem Schwerpunkt einer Vertiefung des kleinen Krieges, den zu führen man angehalten war. Seien es die Barfußsoldaten des Generals Washington, die militärisch ungeübten Sansculotten, die Matrosen von Kronstadt, die Fahrradsoldaten Giaps, immer lag das Bleigewicht eines traditionell eingespielten Berufssoldatentums auf ihren Köpfen, und es bewahrheitet sich an ihren Erfolgen, die mit einer Wucht einschlugen, die Hegelsche Dialektik der Weltgeschichte, dass in ihr aus unscheinbar Kleinem Großes emporwachsen könne. Lenin, den man in Zürich den kleinen Russen mit den großen Theorien und dem winzigen Anhang nannte, schrieb noch im März 1917 in einem Brief nach Russland, dass er kein Stück Brot mehr zu essen habe und war wenige Monate später als Vorsitzender des Rates der Volkskommissare „offizielles" Oberhaupt über ein Sechstel der Erdoberfläche. Ganz offensichtlich hatte der deutsche Generalstab durch die Einschleusung von Lenin nach Russland lediglich eine Chaotisierung des Landes bezwecken wollen, in der er und seine Bolschewiken ebenfalls versinken sollten, denn die deutsche Armee, so doch wohl der Plan, sollte von ihrem angestrebten russischen Hauptquartier in Moskau die Besatzungsverwaltung diktieren; stattdessen standen die Räte auf, die sich anschickten, die tiefste Revolution in der Weltgeschichte auszuführen. Statt eines leichten Einmarsches nach Moskau sah sich das deutsche Offizierskorps vor einer Volksmiliz, die das herkömmliche Offizierskorps gerade abschaffte und seine Offiziere selbst wählte. Immer wieder sind militante emanzipative gesellschaftliche Bewegungen gezwungen, radikal mit den alten Kriegsregeln zu brechen, und für den Offizier kam es darauf an, möglichst schnell die Vorteile der neuen Kampfweise zu erfassen, sie zu systematisieren, um Ordnung in das Chaos zu bringen. Vorbildlich gelang dies Napoleon, den man für eine bestimmte Zeit nur nachahmen konnte. Für Clausewitz waren die Napoleonischen Kriege bereits totale, während er die vornapoleonischen als „zusammengeschrumpfte" deutete. Die Not derjenigen, die historisch noch an der Peripherie stehen, macht erfinderisch und das aus ihrer militärischen Kreativität Geborene verblüfft die in Routine Erstarrten. Es erwies sich dann, dass zum Beispiel das Anciennitätsprinzip eher ein Hemmschuh für die Erhöhung der Schlagkraft war. Der Militarismus neigt zur Schablone und diese bricht ihm oft genug das Genick, besonders in Bürgerkriegen, in denen die Schwankungen der Volksmassen, insbesondere der kleinbürgerlichen, viel größer sind als in Nationalkriegen. In Bürgerkriegen liegt der Vorteil stets auf Seiten derjenigen, die improvisieren können, flexibel und militant-kreativ sind und den Mut haben, sich auf das Unberechenbare einzulassen. Ohnehin ist die Ungewißheit die Geißel jedes Krieges. Die buntesten, zugleich auch bittersten Blumen treibt jedoch der Bürgerkrieg empor. Die Matrosen von Kronstadt und das aus Frauen bestehende Todesbataillon Kerenskis können davon ein Lied singen. Die maritime Elitetruppe der Bolschewiki lehnte sich gegen diese auf, das Frauenbataillon war das letzte Aufgebot kleinbürgerlicher Jakobiner zur Verteidigung des Winterpalais gegen die Roten. Der reaktionäre Soldat, der nicht gegen den Strom schwimmt, wähnt sich dagegen allzu oft überlegen. So sprachen die klerikal-aristokratischen Emigrantenkreise nach 1789 im Koblenzer Exil von einem „militärischen Spaziergang" nach Paris und die Weltbourgeoisie hielt den Bolschewismus für eine Seuche, die bald beseitigt sein wird. Für Churchill war der Bolschewismus schlimmer als der deutsche Militarismus, dieser aber hatte für ihn Lenin „wie einen Pestbazillus" von der Schweiz nach Russland befördert. Der progressive Krieg entfernt sich immer mehr vom rein Militärischen; er intendiert nicht nur die Tötung des Feindes als Subjekt, sondern auch die Zerstörung von Objekten, die Kraftquellen im Hinterland des Feindes sind und von alten gesellschaftlichen Strukturen. Eine Reduzierung des Krieges auf den bewaffneten Kampf ist heute mehr denn je ganz unzulässig, immer ist Krieg ein spezifisch gearteter Zustand der Gesellschaft. Vor allem aber muss der progressive Soldat bemüht sein, sich bis zu einem gewissen Grade mit den Volksmassen zu verschmelzen, ihre politische Mobilisierung ist nach Mao das A & O revolutionärer Kriegführung. Je mehr der Krieg seine Totalität erreicht, desto mehr wird der Soldat indess auch Einzelkämpfer. Historisch im Pech waren 1871 die Soldaten Dombrowskis und Wroblewskis. Der Pariser Commune stand eine preußisch-"national"französische Militärkoalition entgegen und diesem doppelten Druck, die Bourgeoisie zweier Länder zum ersten Mal in der Geschichte vereint zur Niederschlagung des gemeinsamen Feindes, der Produzenten des Reichtums, konnte die Commune nicht standhalten, sie blieb episodisch. Marx hatte noch am 9. September 1870 die Pariser Arbeiter vor einem Aufstand gewarnt, sprach von einer verzweifelten Torheit, da der Feind fast vor den Toren von Paris stünde. Die Communarden, in deren Rat nur zwei Mitglieder der „Marxschen IAA" saßen, waren zudem so scheu, dass sie vor der Beschlagnahme der Pariser Nationalbank haltmachten und militärisch nicht sofort nach Versailles marschierten, wo die konterrevolutionäre Regierung saß. Und doch, gerade die Niederlage der Kommune zeigte, dass der Sieg der Konterrevolution nichts Endgültiges war. Die Revolutionäre sind ganz anders, als bürgerliche Ängste sie sich zeichnen. Obwohl der bürgerliche Revolutionskrieg gegen den Feudalismus nur peripher unter dem Banner des Atheismus geführt worden war und die religiös deistisch ausgerichteten Robespierristen den Takt im Kampf gegen ihre dem Mittelalter verhafteten Gegner angaben und durch den proletarischen Atheismus die Hemmschwelle zur Ausrottung der Konterrevolution wesentlich niedriger anzusetzen ist oder gegen Null tendiert, da eine höhere außerirdische postmortale Beurteilungsinstanz menschlicher Handlungen wegfällt, zeigten sowohl die Pariser Kommune als auch der russische Bürgerkrieg, dass der weißgardistische Terror roten weit übertraf. Die Anbetung des Geldes, die Raserei, annulliert jedes Sündenregister. Im Rußlandfeldzug wird die Todesquote unter den deutschen Kriegsgefangenen auf 30 Prozent geschätzt, die unter den gefangenen Rotarmisten auf 53. Aus der Tatsache, dass der bürgerliche und der proletarische Terror aus ökonomischen Bedürfnissen herrühren, wird verständlich, dass der rote schon deshalb minimaler sein muss, weil er einer der Mehrheit gegen eine asoziale Minderheit ist. Und aus dieser Mehrheit konnten die Bolschewiki immer wieder neue Kräfte schöpfen. In unserem eurozentristischen Gedankenkreis ist der Kriegszug der Wehrmacht gegen Osten essentieller als der vorausgehende wesensverwandte sowjetische Bürgerkrieg der Weißen gegen die Roten, der jenen natürlich für uns überlagert, da jener tief in das Leben Mitteleuropas eingriff und uns natürlich mehr tangierte als der rein innersowjetische. Zudem sind die kriegerischen Konfrontationen am Ende des sogenannten ersten Weltkrieges zwischen der deutschen Armee und der jungen Sowjetrepublik nach fast hundert Jahren in der kollektiven Erinnerung eher verblasst. Für die Russen war nicht nur der sogenannte zweite Weltkrieg ein vaterländischer, sondern schon der sogenannte erste, als sie gegen die Anfang 1918 einfallenden kaiserlichen Truppen Deutschlands und 16 anderen Interventionsarmeen kämpften. Damals stand eine Massenbewegung mit der Losung: „Hände weg von Sowjetrussland" auf und in den Reihen der Roten Armee kämpften etwa 300 000 Internationalisten aus fast allen Teilen der Erde. Je weiter die Geschichte der Klassenkämpfe zurückliegt, desto mehr wird sie Nacherzählung, obwohl die gegenwärtigen Klassenkämpfe in den vergangenen verwurzelt sind und diese dadurch sogar noch in die sich aus den gegenwärtigen abzeichnenden zukünftigen Konturen hineinwirken. Die Geschichte der Klassenkämpfe ist dieses permanente Durchdringen und Aufheben von vergangenen und gegenwärtigen Strukturen, aus denen heraus Marx zukünftige Strukturen nur skizzieren wollte. Dass die Gegenwart über die Vergangenheit herrsche war aus der Klassenkampfgeschichte ablesbar, programmatisch im Kommunistischen Manifest an der aufzuhebenden Knechtung durch Arbeit entwickelt - es bleibt daher eine Merkwürdigkeit, eine vielleicht sogar ersten Ranges, dass Lenin ein Mausoleum errichtet wurde, just in dem historischen Moment, in dem das russische Volk durch eine Kulturrevolution begleitet anfing, den wissenschaftlichen Sozialismus zu studieren.

Russland wurde am Anfang des 19. und fast in der Mitte des 20. Jahrhunderts zum begehrten Objekt zweier kolossaler Kriegsmaschinerien. Man kann mit einem gewissen Recht sowohl den napoleonischen als auch den hitlerischen Krieg gegen Russland reziprok asymmetrisch nennen: technische Überlegenheit stand gegen Masse und Raum und jene war am Ende in beiden zerbrochen. Das faschistische Deutschland verfügte über dreimal mehr Stahl und viermal mehr Kohle als die UdSSR. 9. Ohne Zweifel hatte der Feldzug Napoleons gegen Russland einen tiefen weltgeschichtlichen Gehalt, weil er sich gegen das Bollwerk der feudalen Reaktion richtete, die Juden die staatsbürgerliche Gleichberechtigung verwehrte, während die „Operation Barbarossa" (oder auch die „Weisung Nr. 21 aus dem Führerhauptquartier", deren erster Satz lautete: „Die deutsche Wehrmacht muß darauf vorbereitet sein, auch vor Beendigung des Krieges gegen England Sowjetrußland in einem schnellen Feldzug niederzuwerfen") herrenmenschentümlich-rassistisch angelegt war. Napoleon und Hitler gingen beide von der taktischen Devise aus: „On s'engage et puis on voit !" Hinzu kam Lenin, für den die bolschewistische Revolution ebenfalls nach dieser Devise ablief. Nur dass Napoleon mit ihr das bürgerliche Gesetzbuch einführte, Lenin es aufhob. Grob gesprochen, denn natürlich machen Männer keine Weltgeschichte. Der sich immer östlicher ausweitende Lebensraum für Deutsche wurde zum Todesraum für Juden. Geht man von der Ausrottung der Juden als das höhere Anliegen des Rassisten Hitlers denn vom Lebensraumgewinn aus, so kann man ihn so gesehen von der genoziden Effizienz her nicht sogleich als Verlierer des Krieges bezeichnen. Am 13. Dezember 1941 hatte Goebbels in seinem Tagebuch vermerkt: „Der Weltkrieg ist da, die Vernichtung des Judentums muß die notwendige Folge sein". Der Doktor der Germanistik trug dazu bei, dass die schlimme Prognose von Lessing wahr wurde: dass es unter diesem Himmel, trotz Aufklärung, noch einmal zur Judenverfolgung kommen könnte. Im sogenannten zweiten Weltkrieg erfolgte die gierig-fieberhafte Fastausrottung einer Rasse, so wahnwitzige Elemente ihr anhafteten - zudem sagte Göring, wer Jude ist bestimme ich - auch aus einer kaltblütig durchkalkulierten technischen Rationalität heraus. Es ging den Rassisten nicht primär um die Zerstörung der Roten Armee. Das war die Angelegenheit der Militaristen in der Wehrmacht, die Hitler zu Vorarbeitern der Rassenausrottung degradierte. So zeitigte das zwanzigste Jahrhundert zwei exklusive Kriege: einen gerechten und progressiven zum Kommunismus (oder zur Anarchie), zur Aufhebung der Herr-Knecht-Dialektik in der Weltgeschichte und einen ungerechten und reaktionären zu ihrer Verewigung in kapitalistischer Gestalt. Und doch verkündete der Sprecher der „Deutschen Wochenschau" vom 25. Juni 1941 mit schneidiger Stimme, dass die besten Soldaten der Welt angetreten seien zum Schutze der Kultur gegen die Barbarei. Man sinne einmal über das Wort „Barbarossa" nach. So prallten im Großen Krieg zwei Systeme aufeinander, die aus jeweiligen Bürgerkriegen entstanden waren, die Stalinisten mussten alles wegräumen, was den Einfall der deutschen Wehrmacht erleichterte einschließlich einer „Fünften Kolonne", in Deutschland hatten die Faschisten die Ausrottung des Marxismus auf ihre Blutfahne geschrieben. Bis dann am 22. Juni 1941 die Sieger aus den in ihren Formen so mannigfaltigen Bürgerkriegen in einen Raumkrieg einstiegen, der in dieser Dimension noch nicht statt hatte und in dem sich die Mannigfaltigkeit insbesondere aus der Partisanentätigkeit ergab. Hitler hatte in „Mein Kampf" den Ausdruck „Bodenpolitik der Zukunft" geprägt, die an Stelle der alten Kolonialpolitik treten sollte. 1940 gab Himmler die Ausarbeitung des „Generalplan Ost" in Auftrag. Aber auch im Raumkrieg war eine Bürgerkriegslinie eruierbar; die Faschisten führten auf ihrem Territorium einen biologisch-rassistischen, die Kommunisten einen volksdemokratisch-sozialen durch. 65 Millionen Slawen sollten laut dem Generalplan „verschrottet" und 39 große Wehrsiedlungen und etliche Wehrdörfer errichtet werden. Der marxistische und der faschistische Revolutionsbegriff sind diametral entgegengesetzt, der permanente (die Umstände und sich selbst in 20, 25 Jahren zu ändern, bis es keine Klassen mehr gibt) gegen den einmaligen: Die Moblisierung der deutschen Volkskraft gelinge nur einmal „und wird allmählich wieder verblassen. Der graue Alltag und die Bequemlichkeiten des Lebens werden dann die Menschen wieder in ihren Bann schlagen und wieder zu Spießern machen". 10. Und so zog Hitlers Wehrmacht dann los, überall das deutsche Spießertum zu verbreiten. Am deutschen Wesen sollte die Welt genesen. Vom Nordkap bis zum Schwarzen Meer vollzog sich auf einer Frontbreite von 2 400 km mit 3,3 Millionen Soldaten mit dem Schwergewicht auf der Infanterie der größte Aufmarsch der Weltgeschichte und es zeigte sich bald, dass die deutsche Wehrmacht auf die rege Partisanentätigkeit mit ihrem eigenen Terrorsystem mental und ausrüstungsmäßig nicht vorbereitet war. Aber es gab auch eine antibolschewistische, eine weiße Guerilla, die im Baltikum und in der Ukraine bis in die Mitte der 50er Jahre ihr Unwesen trieb. Wer Russland betritt, kommt geographisch in einen ganz anderen Raum. Mit der Raumdimension wächst die Komplexität des Krieges, ja sein Chaotisches. Der General im Krieg, der Historiker nach dem Krieg, müssen außerordentliche Fähigkeiten haben, um Ordnung in das Chaos zu bringen. Halder wirft Hitler vor, diese Verschiedenheit in militärischen Hinsicht nicht verstanden zu haben. Rußland ist ein Land wie prädestiniert für die Staffelung von Truppen. Die roten Partisanen bekamen Zulauf von Nichtkommunisten, die durch die Herrenrassenideologie und der aus ihr folgenden Mißhandlung slawischer „Untermenschen" die Seiten wechselten. Hier war die germanische Kriegführung einfach dumm, so dumm wie die Veröffentlichung des Morgenthau-Planes 1943, nach dem Deutschland nach der geforderten bedingungslosen Kapitulation in ein reines Agrarland zurückverwandelt werden sollte. Roosevelt und Churchill stimmten diesem Plan zunächst zu, es gab sogar Stimmen in Washington, die behaupteten, der Plan, der den Titel trug „Programm zur Hinderung Deutschlands an einen Dritten Weltkrieg" sei aus einem kommunistischen Impuls heraus entstanden. Jetzt gab es auf deutscher Seite einen gewissen Sinn, einen nationalen Befreiungskrieg zu proklamieren. Selbst eine Niederlage der Roten Armee hätte auf der anderen Seite noch nicht den Sieg der Wehrmacht über fast 200 Millionen Menschen bedeutet. Schon Rousseau wies darauf hin, dass Russland wegen seiner großen Raumausdehnung schwer zu regieren sei. Welches Gewicht hätte die Besetzung einiger zentraler Städte gehabt, wenn in den Weiten Russlands die Partisanen aktiv gewesen wären ? Der Partisan ist ein Überzeugungstäter, und das gibt ihm die moralische Überlegenheit über den geldorientierten Söldner oder gar gepressten Soldaten, der „seine" Offiziere hasst. Die Sowjetunion verfügte über ein ungeheures Reservistenpotential, sie mobilisierte 30,6 Millionen Soldaten, darunter 820 000 Frauen. Wir können diese Gewichtigkeit des ideologisch ausgerichteten Soldaten schon bei den französischen Sansculotten studieren, die um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert nicht nur die militärische Fachwelt in Erstaunen versetzten.

Schon in der Epoche der bürgerlichen Emanzipation kam es zu dem verkehrten Schauspiel, dass die französische Republik der Jakobiner den Krieg diktatorisch, die Royalisten ihn „republikanisch" führten. Und Frankreich hatte noch den Vorteil, dass es Ende des 18. Jahrhunderts zunächst die ökonomische Basis einer höheren Produktionsweise ausgebildet hatte und darauf als Überbau eine neue Armee gründete. Der französische Bauer war satt - das war „das Geheimnis" der militärischen Wunder Frankreichs bis zum Zusammenbruch seiner Armee beim Überqueren der Beresina. In militärischer Hinsicht verfügte Frankreich über ausgezeichnete natürliche und künstliche Hindernisse an der Grenze. Ausdrücklich hebt der preußische General Scharnhorst den französischen Generalstab hervor, der dafür sorgte, „daß ein schlechter General nicht sehr große Fehler machte". Die Soldaten der Koalition legten ein „maschinenmäßiges Betragen" an den Tag, die Soldaten der Revolution wurden dagegen immer versierter in der Kunst, „das Terrain (jeden Graben, jeden Baum, jeden Hügel) zu benutzen und zerstreut mit Ordnung und in gegenseitiger Unterstützung zu agieren". Das Ausnutzen natürlicher Geländebegebenheiten ist zwar durch die bürgerliche Art, Krieg zu führen, immer obligatorischer geworden, zeichnet diese aber dadurch nicht aus. 11. Dieses Ausnutzen ist so alt wie das Kriegführen selbst. „Les petits cuissons epars dans ce tarrain, etaient d'un usage merveilleux pour lacher des Corps de Cavallerie, qui venaient tomber a l'imprevu sur l'ennemie et le mettaient en deroute". („Kleine, über die ganze Gegend verstreute Waldstücke dienten vortrefflich zur Verbergung von Kavallerieabteilungen. Sie fielen aus ihrer Deckung unvermutet über den Feind her und brachten ihn in Verwirrung") ... schrieb Friedrich der Große zur Schlacht von Liegnitz. Schon der alte chinesische Kriegsweise Sun Tzi wußte: „Vergiß nicht: Wenn der Feind steile Anhöhen vor dir besetzt hat, darfst du ihm nicht folgen, sondern mußt dich zurückziehen und ihn fortlocken". 12. Es gibt gewisse Kriegsweisheiten, die eine relative Allgemeingültigkeit behalten, so Suns: „Erkenne Dich selbst und den Feind - Hundert Schlachten ohne Schlappe", so Clausewitzens Erkenntnis, dass der Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln sei. So auch: man muss zum entscheidenden Zeitpunkt an entscheidender Stelle das ausschlaggebende Übergewicht an Kräften besitzen, was schon der greichische Feldherr Epameinondas wußte, derselbe, der die „schiefe Schlachtordnung" entwickelte, so dass 7 000 Soldaten aus Theben 10 000 Spartaner geschlagen haben sollen. Auch muss man in der Lage sein, eine Konzentration von Kräften aufzuteilen, um der Vernichtung der grossen Masse zu entgehen, die Gegensätze von Konzentration und Dekonzentration geschickt zu kombinieren. Zwei Haupthandlungsarten kommen in jedem Krieg vor: Angriff und Verteidigung, und die Kunst der Truppenführung besteht in der flexiblen Verbindung beider Elemente. „Kriege, die mit einem ununterbrochenen siegreichen Angriff begannen und endeten, hat es in der Weltgeschichte nicht gegeben, und wenn, dann nur als Ausnahme". 13. Der Angrif enthält IMMER Elemente der Verteidigung und vice versa. Mit jeder Höherentwicklung der Kriegskunst wird diese Wechselbeziehung noch komplexer und schneller ineinandergreifender. Auch muss jeder General die Kampfmethoden zu ändern wissen, wenn sich die Verhältnisse ändern. Napoleon war der Auffassung, dass in allen Schlachten stets ein Zeitpunkt eintritt, wo die tapfersten Soldaten, nachdem sie die größten Anstrengungen gemacht haben, Lust verspüren zu fliehen. 14. Nach Lenin hängt jeder Sieg im Krieg vom Kampfgeist der Massen ab. 15. Auf keinem anderen gesellschaftlichen Gebiet spielt der Zufall eine so große Rolle wie im Krieg, beide Seiten versuchen sich gegenseitig zu täuschen und über den Feind wird eine vollständige Aufklärung nie ganz erreicht werden können. „Im Krieg gibt es so viele unvorhergesehene Umstände, die Korrekturen und neue Entschlüsse erfordern, daß man auch bei gewissenhafter Planung nicht alles im voraus schriftlich festlegen, befehlen oder anweisen kann". 16. Und dann der Kern des Krieges überhaupt, der darin besteht, sich selbst zu erhalten und den Feind zu vernichten. Diese Elementarien, obwohl auch sie fließend und letztendlich vergänglich sind, durchwalten die ganze Kriegsgeschichte und sind auch nicht durch die Vertiefung des Epochenbegriffes zu erschüttern, durch den die Kriege unterschieden und auseinandergehalten werden. Diese Vertiefung ist sicherlich eines der Verdienste der preußischen Militärreformer um Scharnhorst und Clausewitz. Man kann den Krieg der Epoche nicht verstehen, wenn man nicht die Epoche versteht, in der er stattfindet. Im weltgeschichtlichen Kontext ist das Wesen des Krieges auch zu durchdenken als nicht existent in der kommunistischen Urgesellschaft und im Kommunismus, es also auch als Negation der Negation aufzufassen ist, zwischen der die Epochen der Klassenkriege liegen. Das Wesen eines Krieges kann in sein Gegenteil umschlagen. Der Krieg Preußens gegen Frankreich war 1870 gerecht, 1871 nahm es bei der Niederschlagung der Kommune an einem ungerechten teil. Jeder große Feldherr bringt Klarheit in die Verworrenheit des Krieges und die Entwicklung des Epochenbegriffs auf der Grundlage sich abwechselnder ökonomischer Strukturen ist eine der großen Errungenschaften der marxistisch-leninistischen Revolutionstheorie nicht nur für die Geschichte, sondern vor allem für die Gegenwart. Kann man es Reformern auf der anderen Seite so arg nachsehen, dass sie einen ähnlichen Fehler begingen wie der Philosoph Hegel. Für diesen vollendete sich Philosophie im einem, in seinem System, zugleich war seine Methode die dialektische, die ohne Abschluß bleiben, über jedes System hinausgehen musste. Scharnhorst philosophierte über die Frage, ob sich das Absolute durch den Erkenntnisprozess verändere, Clausewitz will mit seinem Werk „Vom Kriege" diesen abschlusshaft in allen seinen Gesetzen ausgeleuchtet haben, weil er meinte, der napoleonische Krieg sei bereits der totale, ein Weltkrieg gewesen. Den Reformern als Berufsoffizieren war eben der Krieg eine unüberwindbare Konstante im zwischenmenschlichen Verkehr. Dabei verweist der Epochenbegriff selbst schon auf gesellschaftliche Verhältnisse, die ohne Privateigentum, ohne die schrecklichen Worte „Mein" und „Dein" und damit ohne Krieg auskamen. Erst dann folgten die Epochen der Klassenkämpfe und der Kriege. Und von daher datiert die Fundamentalfrage der Weltgeschichte, ob sich nicht wiederum gesellschaftliche Zustände aus ihrem Verlauf herauskristallisieren können, die die traditionellen Kriegsweisheiten obsolet machen. Es gibt nichts ewiges, nicht einmal die preußische Armee war von Dauer, obwohl deren führender General meinte, sie sei ewig. 17.

Seit Clausewitz ist es obligatorisch, über eine neuzeitliche Dreifaltigkeit nachzudenken: über das Wesen des Krieges, über das Wesen der Politik und über das Wechselverhältnis zwischen beiden. Es gilt, eine bürgerliche und eine proletarischmarxistische, eine idealistisch metaphysische und eine dialektisch materialistische Clausewitzauslegung zu unterscheiden. Natürlich ist die dialektische im Vorteil, denn sie untersucht die Zusammenhänge und erfasst daher insbesondere das Wechselverhältnis richtig. Dialektik ist im Sinn ihres eigenen Zusammenhangs. So lag bei Clausewitz eine abstrakte, unwissenschaftliche Trennung zwischen Innen- und Außenpolitik vor, er sah Kriege lediglich als Fortsetzung der Außenpolitik, so wie es die Geschichte der Politik und die Geschichte der Diplomatie nahelegten. Clausewitz lebte zur Zeit der Dampfmaschinen und interpretierte die Kriege Napoleons, der auf St. Helena rückblickend sagte: Die Politik ist unser Schicksal. Politik als Schicksal - hier haben wir den Horizont der bürgerlichen Ideologie erreicht, denn das Clausewitzsche Primat der Politik wird in der Weise verselbstständigt, als könne man durch Politik, von der Politik aus, von Politikern mit einem guten Charakter zum Frieden gelangen. Die bürgerliche Friedensideologie muss gerade den Zusammenhang von Krieg und Politik auseinanderreißen, um zu glauben und glauben zu machen, dass man durch vernünftige Einsicht eine von kriegerischen Auseinandersetzungen freie Politik betreiben kann. Wir erinnern uns an die wissenschaftliche Aussage von Clausewitz, daß der Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln beinhaltet und darstellt. Die bürgerliche Friedensideologie muss diesen Satz pervertieren: Um das Gespenst des Krieges angeblich zu bannen, baut diese Ideologie das Gespenst der über den Klassen schwebenden Politik auf und tauft es Friedenspolitik. Kriege sind durch dieses Gespenst noch nicht gebannt worden, aber man hat ein vorzügliches Mittel, um durch trügerische Friedenshoffnungen die Völker auf die Knie zu halten. Es gibt heute keinen bürgerlichen Politiker, der nicht Friedenspolitik verkauft, die Friedenssehnsüchte der Völker werden missbraucht und gebannt sollen diese auf die Kunst der hohen Politik und Diplomatie schauen, auf Haupt- und Staatsaktionen. Die Friedenspolitik ist das endlich gefundene Medium, um bürgerliche Herrschaft zu verewigen. Ganz anders der Marxismus: "Die Revolution überhaupt - der Umsturz der bestehenden Gewalt und die Auflösung der alten Verhältnisse - ist ein politischer Akt. Ohne Revolution kann sich aber der Sozialismus nicht ausführen. Er bedarf dieses politischen Aktes, so weit er der Zerstörung und Auflösung bedarf. Wo aber seine organisierende Tätigkeit beginnt, wo sein Selbstzweck, seine Seele hervortritt, da schleudert der Sozialismus die politische Hülle weg." 18. Die bürgerliche Ideologie kann die Frage der Überwindung des Krieges nicht mit der Frage der Überwindung der Politik verbinden, weil das den Lohnsklaven die Perspektive einer herrschaftsfreien Gesellschaft aufzeigen würde. Das Proletariat darf nicht erkennen, daß Politik immer Herr-Knecht- Konstellationen zum Inhalt hat und Politik deshalb betrieben wird, weil unterdrückende und zu unterdrückende Klassen existieren. Die Probleme des Klassenkampfes und des Krieges von der Politik aus zu lösen ist natürlich ein idealistisches, ein hoffnungsloses Unterfangen. Das Tun der Menschen wird nicht aus ihrem Denken, sondern von ihren Bedürfnissen bestimmt. 19.

Neben der Frage nach dem Wesen des Staates wird wohl keine andere Frage so verzerrt, so verfälscht wie die Frage nach dem Wesen der Politik. Wir leben in einem politischen Zeitalter. Fast alle politisieren und fast alle sind in den elementaren Fragen der Politik Analphabeten. Der Politologe schwätzt drauflos und versagt bei der Erläuterung der Idee seiner Wissenschaft. Journalisten schreiben drauflos, ohne sich über die elementaren Konstellationen ihrer Fragestellung zu vergewissern. Dem gewöhnlichen Bewusstsein genügt die Zeitungslektüre, um sich weltpolitisch aufzuspreizen. Die Herrschenden sagen: Politisiert soviel ihr wollt, solange ihr nicht hinter das Wesen der Politik kommt. Das Wesen der Politik für das 20. und 21. Jahrhundert hat Lenin im Linken Radikalismus in sehr prägnanter Form dargelegt: die Massen sind in Klassen geteilt, "..daß die Klassen gewöhnlich und in den meisten Fällen wenigstens in den modernen zivilisierten Ländern von politischen Parteien geführt werden, daß die politischen Parteien in der Regel von mehr oder minder stabilen Gruppen der autoritativsten, einflußreichsten, erfahrensten, auf die verantwortungsvollsten Posten gestellten Personen geleitet werden, die man Führer nennt." 20. Und Politik beinhaltet gerade den Kampf dieser Parteien um die Macht im Staate. Viele Lösungen der Frage der Beendigung von Kriegen in der Geschichte sind deshalb verfehlt, weil man sich über das Wesen der Politik nicht klar geworden ist, weil man an diese Frage abstrakt herangeht, eben von der Politik - losgelöst von den konkret stattfindenden Klassenkämpfen. Man kann nicht die Unterscheidung zwischen gerechten und ungerechten Kriegen treffen, wenn man vom Wesen der Politik Spießbürgervorstellungen hat. So negiert der bürgerliche Pazifismus abstrakt jeden Krieg, es soll keine Gewalt in der Politik angewendet werden. Politik ist aber nach Lenins Bestimmung gerade sehr klassen- und gewaltbeladen. Max Weber erkannte als Frucht aus dem sogenannten ersten Weltkrieg in seiner Schrift „Politik als Beruf" aus dem Jahre 1919 den Zusammenhang zwischen Politik und Gewalt. Wer also die Wörter Frieden und Politik zusammenbringt, versteht von beiden nichts. Die Extreme berühren sich in dieser Frage insofern, als auch Carl Schmitt ganz richtig darlegt, dass eine Welt des Friedens ein Welt ohne Politik zu sein habe. Politik denkt in den Kategorien von Freund und Feind und damit sogleich in denen des Krieges. Eine wissenschaftliche Lösung der Frage des Verhältnisses von Politik und Krieg bleibt dem bürgerlichen Pazifismus natürlich versagt - wie kann man sie von Leuten erwarten, die Probleme, fast möchte man sagen: psychologisch verdrängen. Seine Kehrseite bildet der revisionistische Pazifismus. Er verdrängt die Notwendigkeit des revolutionären Krieges zum Sturz der bis an die Zähne bewaffneten Bourgeoisie - es soll keine Gewalt in der Revolution angewendet werden. Und so sind diese Jünger dann aufgetreten, als habe man gerade heute, gerade jetzt auf diese Erlöser der Menschheit gewartet. Ihr Pazifismus trieb narzisstische Blüten, ihr Versuch, den Ewigen Frieden in die Weltgeschichte einzubilden, ist Einbildung geblieben. Beide Pazifismen bleiben unterhalb der objektiv wissenschaftlichen Lösungsebene, weil sie nicht den dialektischen Widerspruch beherrschen, daß man nur durch den Krieg hindurch den Krieg überwinden kann. Das ist eben der tiefere Sinn der Ausführungen Hegels in der Vorrede zur Phänomenologie des Geistes: "...als ob die Ungleichheit weggeworfen wäre, wie die Schlacke vom reinen Metall, auch nicht einmal so, wie das Werkzeug vom fertigen Gefäße wegbleibt, sondern die Ungleichheit ist als das Negative, als das Selbst im Wahren als solchem selbst noch unmittelbar vorhanden."21. Die Marxisten haben keine Scheu vor dem Negativen, ich darf wohl sagen, sie sind vielmehr die eifrigsten Anhänger des revolutionären Krieges. Dieser Krieg wird indeß mit der Intention geführt, die völlige Vernichtung der Bourgeoisie so schnell wie möglich herbeizuführen. Dieser Widerspruch ist jedem revolutionären Krieg immanent. Siegreiche Revolutionen schließen revolutionäre Kriege nicht mit einem Male völlig aus. Die siegreiche Revolution wird weitergehen und Befreiungskämpfe in anderen Regionen direkt mit Waffengewalt unterstützen. Warum spricht Lenin von einem internationalen Bund schrecklicher Nationen ? 22. "Die sozialen Pfaffen und Opportunisten sind gerne bereit, von dem zukünftigen friedlichen Sozialismus zu träumen." 23. schrieb Lenin im Militärprogramm der proletarischen Revolution.

Man kann tief in das Wesen des Krieges, tief in das Wesen der Politik eingedrungen sein, und dennoch bei der Lösung der Frage versagen, wenn man es nicht versteht, den dialektischen Zusammenhang und das Wechselverhältnis zwischen Krieg und Politik aufzuzeigen. Darauf wies eben Engels hin, als er an Conrad Schmidt schrieb: "Was den Herren allen fehlt, ist Dialektik. Sie sehen stets nur hier Ursache, dort Wirkung. Daß dies eine hohle Abstraktion ist, daß in der Welt solche metaphysischen polaren Gegensätze nur in Krisen existieren, daß der ganze große Verlauf aber in der Form der Wechselwirkung vor sich geht, daß hier nichts absolut und alles relativ ist, das sehen sie nun einmal nicht, für sie hat Hegel nicht existiert." 24. Die Unterscheidung zwischen metaphysischer und dialektischer Betrachtungsweise, die Engels hier gibt, ist aufschlußreich für die Beantwortung der Frage: "Wann wird der Krieg kein Mittel der Politik mehr sein ?" Der Hauptfehler, der hier begangen wird, liegt in der einseitigen negativen Verabsolutierung des Krieges und in der einseitigen positiven Verabsolutierung der Politik. Im dialektischen Prozess herrscht Wechselwirkung zwischen Krieg und Politik, Politik ist eine Vorform des Krieges und geht in den Krieg über, Krieg ist eine Vorform der Politik und geht in die Politik über, das Erste ist auch immer das Zweite. 25. Die metaphysische Methode trennt aber den Krieg abstrakt aus dem politischen Prozess der Geschichte, will ihn mechanisch wie ein Werkzeug aus der Geschichte wegwerfen, der Krieg ist das aufzuhebende Negative, zugleich aber verabsolutiert sie die Politik, sie sei nicht relativ, sondern absolut, ewig, die Aufhebung des Krieges wird nicht zugleich mit der Aufhebung der Politik gedacht, vielmehr wird eine versierte bürgerliche Politik als Ursache eines Friedenszustandes a ngepriesen. Die Politik ist nach dem metaphysischen Weltbild ein ewiges Schicksal der Menschheit. Ganz anders der Dialektiker: "Diese Reflexion aber, daß der Zweck in dem Mittel erreicht und im erfüllten Zweck das Mittel und die Vermittlung enthalten ist, ist das letzte Resultat der äußerlichen Zweckbeziehung, worin sie selbst sich aufgehoben und das sie als ihre Wahrheit dargestellt hat." 26. In dieser Aussage Hegels finden sich mehrere interessante Hinweise: zum einen: im erfüllten Zweck ist das Mittel und die Vermittlung erhalten. Man übertrage das auf die revolutionäre Politik, im Keim ist der Gedanke angelegt, daß man nur durch die Vervollkommnung der Volksbewaffnung zum erfüllten Frieden gelangen kann. Und dann: die äußerliche Zweckbeziehung hebt sich selbst auf, d.h.: wenn es den Krieg nicht mehr als Mittel gibt, gibt es die Politik auch nicht mehr als Zweck. Die Momente und ihre Beziehungen sind im Kommunismus allesamt aufgehoben. Für Lenin sind die Menschen in der Politik immer Opfer von Betrug und Selbstbetrug. Und so auch im Krieg. Klassenbedingte Ideologie verblendet den Kommunismus, weil sie Momente oder Teilprozesse aus dem ganzen großen Verlauf der Geschichte fixiert, verabsolutiert, festgerinnen läßt. Dies findet sowohl mit dem Krieg als auch mit der Politik statt, wenn man sie aus ihrem Wechselverhältnis herauslöst. So zieht eine Einseitigkeit eine andere nach sich und beide resultieren aus konservierendem Beharren gegen vorwärtstreibende Klassen. Begriffsfixierung ist selbst nur Reflex gesellschaftlicher Stagnation, um fixierte Begriffe lagern sich wie magnetisch angezogen ideologische Gehalte, die Ballast sind auf den Köpfen nach Freiheit strebender Klassen. Genau diesen Ballast setzte der Revisionismus vor. Aufschlußreich ist der Artikel "Identität" in der vierten Auflage des Kleinen Philosophischen Wörterbuchs der Sowjetunion: "Es kann keine Identität geben zwischen Krieg und Frieden, Bourgeoisie und Proletariat, Leben und Tod und anderen derartigen Phänomenen, denn sie stehen in einem grundsätzlichen Gegensatz zueinander und schließen einander aus." 27. Und gegen diesen Ballast hat Mao tse tung den Kampf gegen den Revisionismus auf dem philosophischen Feld eröffnet. "Wie kann ein Krieg plötzlich ausbrechen, wenn er nicht in der Zeit des Friedens vorbereitet wurde ? Wie kann der Frieden plötzlich eintreten, wenn er nicht im Krieg vorbereitet wurde ? Manche Leute in der Sowjetunion sind so metaphysisch und erstarrt in ihrem Denken, daß sie meinen, ein Ding sei entweder so oder so, und die Einheit der Gegensätze nicht erkennen, daher machen sie in der Politik Fehler." 28. Verdeutlicht werden kann das durch eine Ausführung in der Kollektivarbeit „Das Philosophische Erbe W. I. Lenins Und Probleme Des Modernen Krieges", die 1974 im Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik erschien. In ihr heißt es, dass der Warschauer Vertrag und die NATO nichts miteinander gemein haben. 29. In dieser Ausführung gibt es keine Einheit der Gegensätze, es liegt keine dialektische Auseinanderfaltung der Geschichte mehr vor, in der klassenbedingt immer auch die Armeen sich wechselseitig aufeinander beziehen. Obwohl der Krieg mehr ist als nur ein Schachspiel, kann an diesem verdeutlicht werden, dass oberflächlich betrachtet die Farben „weiß" und „schwarz" nichts miteinander gemein haben - dialektisch betrachtet haben sie nicht wenig miteinander gemein - aber die Kriegsfiguren sind doch auf beiden Seiten in einer immanenten Entsprechung, beziehen sich als gleichstark im Schachspiel aufeinander. Es liegt die Einheit der Gegensätze vor. Natürlich hatten die Rote Armee und die zaristische Armee auf den ersten Blick nichts miteinander gemein, und dennoch hatte die Rote Armee trotz des Widerstandes einer sogenannten „Militäropposition" Militärspezialisten aus der zaristischen Armee übernommen. Die zaristische Armee wurde nicht einfach abstrakt negiert, sondern bestimmt, so wie man auch einige Errungenschaften der bürgerlichen Militärwissenschaft nicht einfach beiseite werfen sollte. Eins teilt sich in zwei - jeder Krieg ist ein zweiseitiger Prozess. Oder nehmen wir den Wissenschaftsbegriff, der in der Kollektivarbeit vertreten wird: „Die Wissenschaft ist der gesellschaftlich bedingte Prozess der Erkenntnis der objektiven Welt, dessen Ergebnisse ein sich ständig entwickelndes System von Erkenntnissen darstellen, das von der Gesellschaft für die Umwandlung der Wirklichkeit ausgenutzt wird". 30. Ein sich ständig entwickelndes System von Erkenntnissen - wo bleibt in dieser Ausführung das plötzliche Abbrechen der Allmählichkeit, wo bleiben die aus einem Umschlag von Quantität in Qualität sich ergebenden Sprünge in der Entwicklung von Erkenntnissen, wo bleibt der Rückfall hinter einer schon erreichten Erkenntnishöhe, der auch vorkommen kann - kurz: wo bleibt die Dialektik ? Sodann im gleichen Buch: „Das sozialistische Weltsystem und seine militärische Macht bauen auf der ideellen Grundlage des Marxismus - Leninismus auf. Er ist die geistige Kraft, die die Länder der Gemeinschaft verbindet und ihnen unüberwindliche Stärke verleiht." 31. Wirklich ? Die Autoren wagen eine recht problematische Darlegung des Verhältnisses von Basis und Überbau, wir brauchen uns an dieser nicht lange aufhalten, wenn wir darauf bauen, dass die Menschen Geschichte machen, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen und dass es der Grundirrtum der Idealisten ist, ihr Tun aus einer geistigen Kraft, dem Denken, zu erklären und nicht aus ihren Bedürfnissen. Die geistige Kraft des Warschauer Paktes - wo ist sie verblieben ? Auch wird in dem Buch sehr fahrlässig mit der Bedeutung der Philosophie für die marxistisch-leninistische Theorie und Praxis umgegangen. „Die Bedeutung der Philosophie für die militärische Theorie und Praxis hat auch im Zusammenhang mit den Widersprüchen und der Dynamik der gegenwärtigen Epoche sowie im Zusammenhang mit den tiefgreifenden Umgestaltungen auf militärischem Gebiet zugenommen". 32. Eine besondere Rolle bei der wissenschaftsgeschichtlichen Thematik nimmt ohne Zweifel die Philosophie ein, die Frage ist nur, ob ihre Bedeutung in diesem Kontext zu- oder abnimmt ? In der politischen Emanzipation des Bürgertums war der Reflex der Widersprüche zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen ein spezifisch philosophischer. Die Philosophie war das Medium, in dem sich die bürgerliche Aufklärung vollzog, die aber im Hochgefühl ihres Aufschwungs außer Acht ließ, daß die Philosophie zugleich den Keim des Niedergangs in sich birgt. Dieser wächst sich im Marxismus zu einem sie in ihrer wissenschaftsgeschichtlichen Bedeutung reduzierenden aus. Bereits in ihren jungen Jahren schrieben Marx und Engels gegen die Linkshegelianer, die mit dem Hegelianismus auf den Materialismus Feuerbachs losgingen und die zunehmende Bedeutung der Industrie und der Naturwissenschaften in ihren Idealismen nicht würdigten, in der „Deutschen Ideologie": „Die selbständige Philosophie verliert mit der Darstellung der Wirklichkeit ihr Existenzmedium". 33. Um 1875 gründete der Theoretiker Eugen Dühring einen Sozialismus auf der Grundlage eines allumfassenden Systems der Philosophie, gegen das Engels im Namen des historischen und dialektischen Materialismus polemisieren mußte. Engels wies folglich in seinen Spätschriften der Philosophie einen engen Rahmen zu, hatte sie aus der Natur und aus der Geschichte - krass formuliert - amputiert: es bleibe der Philosophie nur noch die Lehre vom Denken und seinen Gesetzen:"...die formelle Logik und die Dialektik. Alles andre geht auf in die positiven Wissenschaften von der Natur und Geschichte". 34. Die Philosophie wird also amputiert, aber nicht ganz erledigt. Ohne dialektischmaterialistische Philosophie können wir nicht auskommen, wir sind ihrer nicht ganz enthoben, wie Mehring meinte. Schon Feuerbach hatte Philosophie als mystische Empirie entzaubert. Gerade auf dem Gebiet der Philosophie finden allerdings immer wieder Rückfälle in eine schiefe Darstellung ihres Bedeutungsgehaltes statt. Es wurde und wird nicht begriffen, dass die Entwicklung zum Kommunismus unter anderem auch das Absterben der Gesellschaftswissenschaften beinhaltet. Das „Kapital" ist mitnichten ein philosophischer Text, in ihm enthüllt Marx das ökonomische Bewegungsgesetz des Kapitalismus. Es gibt seit der Renaissance, die die Gedanken der Menschen vom zukünftigen Glück im Jenseits abwendete zum irdisch erstrebenswerten, auch immer eine tiefe antispekulative, antimetaphysische Strömung in der Wissenschaftsgeschichte. In seinem Artikel: „Über Wissenschaft und Philosophie" kam Bucharin zu einer falschen Positionierung der Philosophie sowohl zu den Natur - als auch zu den Gesellschaftswissenschaften. Für Aristoteles waren alle anderen Wissenschaften nützlicher als die Philosophie, aber keine sei vortrefflicher, für Hegel war die Philosophie die über alle anderen Wissenschaften schwebende und diese erst im Gesamtprozess des Weltgeistes richtig deutende Königin; eine analoge Aufgabe weist Bucharin der Philosophie des historischen Materialismus zu, sie habe die empirischen Einzelerkenntnisse „ ... in ein geordnetes Ganzes zusammenzufassen, sich zum Allgemeinen hin zu bewegen, zum Universum mit seinen universellen Zusammenhängen, Verhältnissen und Gesetzen. Das aber bedeutet sich auf die Philosophie in ihrer modernen und höchsten Form, sich auf die Philosophie des dialektischen Materialismus hin zu bewegen. Sie ist keine Einzelwissenschaft „an sich". Sie deckt die allgemeinsten, universellen und tiefsten Gesetze und Zusammenhänge auf und formuliert sie, dabei in ihrer Wechselbeziehung mit dem Besonderen und dem Einzelnen". 35. Man kann leicht überlesen, dass im Manifest philosophische Anklagen gegen den Kommunismus für nicht erörterungswürdig abgekanzelt wurden. Es konnte nicht ausbleiben, dass in Deutschland ein Sozialismus auf Philosophie gebaut wurde und dass statt wahrer, im Klassenkampf durchzusetzender Bedürfnisse das philosophische Bedürfnis nach Wahrheit diesen überlagerte und die deutschen Philosophen sich daher über diesen erhaben wähnten. 36. Bei Bucharin eine Formulierung, die die typische Hegelsche Triade wiedergibt. Aber es ist nicht mit der Ersetzung der idealistischen Himmelsstürmerei durch die materialistische getan, vielmehr hat die Entwicklung der Wissenschaften selbst den Nachweis erbracht, dass sie keiner behütenden Philosophie mehr über sich bedürfen. Ganz nüchtern hat Friedrich Engels im „Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie" entwickelt, dass die Wissenschaften die notwendigen Zusammenhänge immanent sowohl in ihren eigenen Disziplinen als auch interdisziplinär selbst herstellen können, also ganz irdisch bleiben und zur Herstellung des Gesamtzusammenhangs philosophieabstinent bleiben können. Jeder Versuch einer Wiederbelebung von Natur- und Gesellschaftsphilosophien „wäre ein Rückschritt". 37. Man kann sich kaum dagegen aussprechen, dass das Autorenkollektiv in den Fußstapfen Bucharins wandelt. Neben der Überschätzung der Philosophie liegt eine der Mathematik vor: „Bei all ihrer Kompliziertheit können doch Prozesse des bewaffneten Kampfes durch den strengen mathematischen Apparat mit einer großen Genauigkeit beschrieben werden". 38. Ich nehme gern den Vorwurf auf mich, ein Konservativer zu sein, wenn ich immer noch auf die Devise Napoleons schwöre: „On s'engage et puis on voit" ! Also höchstens Wahrscheinlichkeitsrechnung - mit dieser Devise stürzten sich auch die Leninisten in der Oktoberrevolution ins Gefecht. 39. "Zuviel Philosophie" enthält auch der Aufsatz des Kapitäns zur See Prof. Dr. Wolfgang Scheler: "Clausewitz und das militärtheoretische Denken in der DDR" 40. In diesem Aufsatz versucht Scheler eine Brücke zu schlagen zwischen der revisionistischen Clausewitzrezeption in der DDR und imperialistischen Militärkreisen in der BRD. Ausdrücklich bezieht sich Scheler auf die Clausewitzsche Auffassung, dass Erfahrung und Philosophie sich gegenseitige Bürgschaft leisten müssten. 41. Gelehrte vom Fach sind sich bis heute nicht einig, ob mehr die Hegelsche oder Fichtesche, also Idealismen , auch etwas kantische agnostische Philosophie auf Clausewitz eingewirkt habe, die marxistische Clauswitzkritik muss sich aber gerade gegen diese bürgerliche Philosophien und überhaupt sehr wachsam gegen jede Aufwertung der Philosophie verhalten. Immer konkretere Darstellung der Wirklichkeit und Bedeutungsabnahme der Philosophie gehen im Marxismus Hand in Hand. Es ist daher gewagt, wenn Professor Scheler behauptet, die Verbindung von Philosophie und Erfahrung verhindere beim Soldaten den Verlust der Wirklichkeitsnähe. Philosophie kann auch zur Wirklichkeitsferne führen, was Marx und Engels an damals bekannten Linkshegelianern (Feuerbach, Stirner, Bruno Bauer...u.a.) bewiesen. Der/die proletarische Klassenkämpfer/in muß vor allem dialektisch denken können. Ab 1980 sieht Scherer sicherlich zu Recht eine Aufwertung Clausewitzens in der NVA, die er positiv sieht, ohne Sensibilität für die verhängnisvolle revisionistische Gefahr. "Clausewitz' Theorie des Krieges und kriegswissenschaftliche Erkenntnismethode wurde zum Schlüssel für die Umwälzung, die sich in den achtziger Jahren im Denken über Krieg und Frieden, militärische Gewalt und Sicherheit in der DDR vollzog und schließlich auch die militärdoktrinären Auffassungen und das militärwissenschaftliche Lehrsystem erfassten. Weil der Zweck des geistigen Ringens immer der Lösung politisch hochbrisanter Sachfragen galt, blieb fast unbemerkt, wie das Clausewitzsche Denken wieder zu seinem Recht kam. Um so mehr wirkte Clausewitz nun aber in die Tiefe des öffentlichen Bewußtseins". 42. Mit diesen Ausführungen wird - nebenbei bemerkt - der revolutionären Wachsamkeit in der NVA kein gutes Zeugnis ausgestellt, denn es führt zu einer erstaunlichen Konsequenz: ein Royalist konzipert die proletarische Klassenkriegstheorie, hier ein Royalist befangen in einem idealistischen und obrigkeistsstaatlichen Denkstil. Wir müssen uns immer vergegenwärtigen, in welchem ideologischen Rahmen die preußische Militärphilosophie ihre aparten Fäden nur spinnen konnte. Schon bei Scharnhorst, den Clausewitz als seinen geistigen Vater bezeichnete 43. , können wir eine Abneigung gegen revolutionäre Umwälzungen bemerken, er ist deshalb zu Recht auch lediglich als Reformer in die deutsche Militärgeschichte eingegangen. Zwar lagen nach Scharnhorst die Ursachen für die teilweise deprimierenden Niederlagen der royalistischen Armeen gegen die französischen Revolutionsheere tief in den inneren Verhältnissen der Monarchien und ihrer veralteten Heeresverfassungen, aber er kritisierte das Alte "ohne einen wegwerfenden Blick" 44. Es mag diese spezifisch deutsche, philosophisch versauerte Intellektualatmosphäre gewesen sein, die Clausewitz vom Krieg als von einem "Halbding" sprechen lassen konnte, "ein Widerspruch in sich und nicht seiner eigenen, sondern der Logik der Politik folgt... " 45. , was ja durchaus für eine bürgerliche Kriegstheorie ein fruchtbarer Keim sein kann, gerade der Kleinbürger liebt den Widerspruch, der aber für die proletarische Kriegstheorie nicht mehr als eine Anregung bleibt. Das Proletariat braucht den Krieg nicht als Halbding, sondern rüstet zum letzten totalen Gefecht, das in absoluter Vernichtungsfeindschaft gegen die Bourgeosie geführt wird und den Bürgerkrieg "in seiner fürchterlichsten Form" 46. beinhaltet. Es geht um das Entscheidende, die Herausbildung der sich befreienden werktätigen Massen aus der kapitalistischen Barbarei, um die Überwindung der sich bisher in Klassenkämpfen bewegenden Weltgeschichte und damit auch jeglicher Politik, die immer Ausdruck von Herrschaft des Menschen über den Menschen, von Ausbeutung des Menschen durch den Menschen ist. Clausewitz stellte lediglich die Überlegung an, zu solchen Kriegen herunterszusteigen, "...die in einer bloßen Bedrohung des Gegners und in einem Subsidium des Unterhandelns bestehen...Die ganze Kriegskunst verwandelt sich in bloße Vorsicht, und diese wird hauptsächlich darauf gerichtet sein, dass das schwankende Gleichgewicht nicht plötzlich zu unserem Nachteil umschlage und der halbe Krieg sich in einen ganzen verwandle". 47. Hier liegt der dialektische Hase im Pfeffer, denn das plötzliche Umschlagen von Quantität in Qualität lehrte bereits Hegel, dessen Systemphilosophie zwar gegen die in Frankreich sieghafte bürgerliche Aufklärung die Metaphysik restaurierte, aber innerhalb dieser Restauration fruchtbare dialektische Gedanken darlegte. Und mit einer derartig von dialektischen Sprüngen gereinigten Theorie will Scheler durch Clausewitz eine Zukunftsperspektive für das wiedervereinigte Deutschland mit seiner imperialistischen Armee anvisieren. Und ein kleiner Steg ist ja auch gebaut worden: einige durch Clausewitz geläuterte reaktionäre Offiziere der NVA und der Stasi sind dann auch in Bundeswehr und Polizei integriert worden. Die Entwicklung verläuft indeß anders, denn die natürliche Geschichte und die geschichtliche Natur zeigen, dass die Dauer eines Gleichgewichts nur relativ ist und dieser Theorie, hinter der sich die Unterdrückung der Volksmassen verbirgt, den Todesstoß geben wird. Die obrigkeitsstaatliche Gesinnung von Clausewitz wird deutlich, wenn er von der "wunderlichen Dreifaltigkeit des Krieges" spricht, in der dem Volk nur der "blinde Naturtrieb" des Hasses und der Feindschaft bleibt, dem Feldherren und seinem Heer aber "Mut und Talent" und der Regierung der Verstand der Politik. Staatsgebilde kommen offensichtlich ohne Hierarchiegebilde nicht aus und stehen dann immer in der Tradition von Platons Politeia 48., alle haben die Sklaverei zur Basis. Ganz anders Lenin. In einer Periode des revolutionären Sprungs erwachen "... Millionen getretener Menschen zu Verstand und Vernunft... " 49., legen also ihre Blindheit ab. Der sowjetische Militärexperte Maryganow entwickelte schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg die These, dass die Lehre von den moralischen Faktoren Clausewitz nur entwickelt habe, um die Volksmassen zum Krieg für die verbrecherischen Ziele der preußischen Junker zu mobilisieren. 50. Engels bezeichnete die Volkserhebung gegen Napoleon lediglich als eine halbe Insurrektion, ist man sehr wohlwollend, so kann man Clausewitz eine Negation des feudalabsolutistischen Kriegswesens zubilligen, aber die Geschichte bleibt beim bürgerlichen Militärwesen nicht stehen, sondern entwickelt immer radikalere Negationen, man kann den Ruf "Zurück zu Clausewitz" in gewisser Weise vergleichen mit dem revisionistischen Ruf auf dem Gebiet der Philosophie "Zurück zu Kant". So hatte denn auch Clausewitz ab 1806 bei dem Kantianer Professor Kiesewetter philosophische Vorträge gehört.Insbesondere war es ja Gorbatschow, der sich den imperialistischen Aggressoren mit der Phrase vom "Gleichgewicht der Vernunft und des guten Willens" 51. anbiederte, das es in Klassengesellschaften letztendlich nicht gibt, in denen ein "bald versteckter, bald offener Kampf" 52. herrscht. Diese Phrase hätte auch Kant in Königsberg mit Wohlwollen aufgenommen, da die Vernunft "...vom Throne der höchsten moralisch gesetzgebenden Gewalt herab den Krieg als Rechtsgang schlechterdings verdammt, den Friedenszustand dagegen zur unmittelbaren Pflicht macht." 53. Die Idee des Gleichgewichts in naturgeschichtlichen Prozessen ist in der philosophischen Diskussion zur Zeit der Industrialisierungsdebatte von A. Bogdanow vertreten worden, der sie in seinem Werk "Die Tektologie" als "...das Wesen der materialistischen marxistischen Auffassung der Dialektik ..." 54. bezeichnete. Was damals gegen diese These eingewendet wurde, ist nachzulesen in N. Karews Aufsatz "Die Theorie des Gleichgewichts und der Marxismus":"...daß alle jetzt in der Welt existierenden Unterschiede nichts Gegebenes sind, sondern etwas, was füher nicht existierte - das entstanden ist und ein Produkt der Geschichte darstellt. Und es ist deshalb vollkommen natürlich, dass die logische Folgerung aus der Gleichgewichtsheorie die Anerkennung einer allmählichen Neutralisierung der Gegensätze der Welt, und auf diese Weise ein allmähliches Absterben des Universums in einem gewissen absoluten Gleichgewichtssystem sein muß." 55. Will man die geistesgeschichtliche Quelle dieses Gleichgewichtsdenkens in der sozialistischen Theoriegeschichte ausfindig machen, dieser Idee des Gleichgewichts, die, wie Volker Gebhardt bemerkt, "...im Umfeld des Wiener Kongresses und dann wieder in der Ära Bismarcks in aller Munde" 56. war, so wird man auf ein Buch von Eugen Dühring stoßen, auf: "Der Werth des Lebens", Breslau 1865. Engels muß das Gleichgewicht seines guten Willens verloren haben, als er gegen Dühring schrieb, "...unbedingtes Gleichgewicht gibt es nicht. Die einzelne Bewegung strebt dem Gleichgewicht zu, die Gesamtbewegung hebt das Gleichgewicht wieder auf". 57. Ich habe immer mit einem weinenden und einem lachenden Auge ein Bildband in DDR-Buchläden betrachtet, das den Titel trug: Ewige Freundschaft UdSSR - DDR. In einem wahrhaft sozialistischen Land ist ein solcher Titel ganz unmöglich. Die UdSSR ist überhaupt der erste Staat in der Weltgeschichte, der mit der Intention seiner historischen Aufhebung im Kommunismus konzipiert wurde. Das eben meinte Lenin, als er die Sowjets als Keimformen des Absterbens jedes Staates bezeichnete. "Selbstverständlich ist es ein Grundsatz der marxistischen Dialektik, daß alle Grenzen in der Natur und in der Gesellschaft bedingt und beweglich sind, daß es keine einzige Erscheinung gibt, die nicht unter gewissen Bedingungen in ihr Gegenteil umschlagen könnte." 58. Ohne dieses Umschlagen erfasst zu haben, kann man den Kern, das Wesen der Kriege insbesondere auch der beiden letzten Jahrhunderte nicht erfassen. Nicht nur die Erscheinungen sind fließend und vergänglich, sondern auch die Wesenheiten der Dinge. 59. Die abstrakte Trennung zwischen Wesen und Erscheinung, dass nur diese, nicht jenes widersprüchlich ist, dass nur diese an ihren Widersprüchen zugrunde geht, nicht jenes vergänglich sei, ist ein Grundzug der Metaphysik. Das metaphysische Denken kann zu der Schlußfolgerung kommen und kommt bei der Zuspitzung des Klassenkampfes zwischen Proletariat und Bourgeoisie ganz sicher dazu, dass es zwar verschiedene Erscheinungen des Krieges in der Geschichte gegeben hat und in der Zukunft geben wird, dass aber der Krieg untrennbar zum unveränderlichen Wesen der Geschichte gehört. Aber der Stammeskrieg in der Urgesellschaft ging in den Klassenkrieg antagonistischer Gesellschaften über und mit ihrer revolutionären Aufhebung erlischt das Wesen des Krieges in der Geschichte. Der Kern des Krieges und seine historischen Entfaltungen sind widersprüchlich insgesamt. Den Kern des sogenannten ersten Weltkrieges hat leider auch Jörn Leonard in seinem voluminösen Buch über den sogenannten ersten Weltkrieg nicht erfasst, wenn er als dessen Resultat verkündet: „Der Sieger des Weltkrieges war keine Nation, kein Staat, kein Empire und sein Ergebnis war keine Welt ohne Krieg. Der eigentliche Sieger war der Krieg selbst..." 60. Mit gleichem Recht hätte man nach vier Jahren Krieg schreiben können: Der eigentliche Sieger war der Frieden, denn hier ist der Krieg von seiner Klassenverflochtenheit völlig entbunden, totalisiert zum Selbstzweck, zum Gott der Weltgeschichte, die wohl als Kriegsgeschichte gesehen wird. Zu den Verlierern des Krieges zählten die revolutionären Syndikalisten und die Anarchisten. Die SPD, die ihren eigenen Genossen Karl Liebknecht von der Rednertribüne des Reichstages wegzerrte, als er ausrief: „Solange Leben in mir ist, werde ich gegen den Militarismus kämpfen !", war ausgeblutet, sie verlor zwei Drittel ihrer Mitglieder und kam nur noch auf 200 000. Das war der Preis des Burgfriedens.

Schon die französischen Revolutionskriege und die gegen die Revolution geführten Koalitionskriege sind durch einen ausgesprochen dialektisch-dynamischen Charakter geprägt. In der historischen Sukzession dieser Opposition bildete die aus dem deutsch - französischen Krieg entsprungene Pariser Commune einen weiteren Knotenpunkt. Es hatte sich zunächst gezeigt, dass die französischen Tirailleurs in den napoleonischen Feldzügen die Mehrheit der Kämpfe gegen das alte Europa entschieden hatten. Hier lag der Schlüssel für das zukünftige Soldatenbild des 19. Jahrhunderts, für die preußischen Reformen, für den Sieg Napoleons bei Austerlitz und seiner Niederlage bei Waterloo. Während in den Kabinettskriegen des 18. Jahrhunderts nach Clausewitz das Volk UNMITTELBAR NICHTS war, so brachte die französische Revolution die massive Einmischung des Volkes in das Kriegsgeschehen, bis auch die Generalstäbe der konterrevolutionären Koalitionsarmeen sich dem Diktat beugen mussten, dass der Krieg ein zweiseitiger Prozess ist und sie die französische „levee en masse" in reaktionär arg beschnittener Form übernehmen mussten. Dieser Prozess der bedingten Adaption war in Preußen der dornenreiche Weg der Scharnhorstschen Heeresreform. Die friderizianische Kriegführung ließ die Bürger noch weitgehend unbehelligt. Der Bürger solle gar nicht merken, dass Krieg geführt wird. Zwischen Front und Hinterland konnte also noch strikt getrennt werden, eine Trennung, die im Laufe der kriegerischen Verwicklungen immer mehr abnahm. Heute existiert sie nicht mehr. Dank der Massenmedien bildet heute die Weltöffentlichkeit das „Hinterland" jedes Krieges. Damals war die Armee eine heilige und vollkommene Maschine, die man auch im Krieg nicht in Entscheidungsschlachten opferte. Diese künstliche Maschine war viel zu kostbar: „Die Bataillon decidieren von dem Schicksal eines Staates" (Friedrich der Große). Der Monarch, egal ob aufgeklärt oder nicht, dirigierte wie ein Archimedes von einem ruhenden Pol aus diesen Maschinenmechanismus. General Rüchel bezeichnete die preußische Militärverfassung als „ehrwürdiges Original", rühre man ein Glied an, so bekommt die ganze Kette einen Schlag. 61. Die Revolution in Frankreich zerstörte mit dem Monarchen auch die monotonen Schritte des Paradierens und verlagerte durch die Einführung von Divisonen die Kommandoverantwortung nach unten ... bis, ja bis zum autonom operierenden Guerilla unserer Tage, der aus eigener Motivation heraus für sich und seine Sache kämpft. Es ist markant, dass die moralische Kraft im nichtuniformierten Soldaten, im Krieger, der im Nebel bleibt, größer ist als im regulären. Diese Totalisierung des Krieges, seine Vermassung, war zwar auch immer mit der kreativ-raschen Herausbildung von oft im Geheimen operierenden außerordentlichen Spezialeinheiten verbunden, aber die wuchtige Vermassungstendenz findet in der Totalisierung und Vergöttlichung der Volksmassen durch den Leninismus und auch Maoismus einen ihrer Höhepunkte. Lenin schwebte eine radikale Volksbewaffnung vor, die den Volkskrieg zu einem Abgott sakralisierte. Eine Bewaffnung des Volkes bis auf den letzen Mann, bis auf die letzte Frau, bis auf die letzte Maus, wobei er betonte, dass der moderne Krieg nicht nur ein Krieg der Armeen, sondern auch ein Kampf des Hinterlandes ist. Die Volksbewaffnung war eine Lehre der Pariser Commune, die er nach der Oktoberrevolution modifizierte: im Wörterbuch zur deutschen Militärgeschichte der DDR lesen wir unter dem Stichwort "Allgemeine Wehrpflicht": "Auf Gesetz beruhende Pflicht jedes (in der Regel männlichen) wehrfähigen erwachsenen Staatsbürgers, im Frieden eine bestimmte Zeit und im Kriegsfall entsprechend den Erfordernissen in den Streitkräften zu dienen." 62. Die sowjetische Militärphilosophie und mit ihr die der DDR begründeten den Wechsel von der Volksmiliz zur stehenden Armee mit Lenins Erkenntnis des neuartigen Charakters des Imperialismus, aus dem der Qualitätsunterschied zur Volksmilizcommune herrühre. Das Verhalten der Nationalen Volksarmee beim Zusammenbruch der DDR war dann aber allerdings pazifistisch, zur Volksbewaffnung wurde nicht aufgerufen. Marx sprach noch vom Heroismus der Pariser Kommunarden, die den Kampf bei Strafe des Untergangs einer Anzahl von Führern gewagt hatten. In der maoistischen Militärphilosophie scheint mir das Milizkonzept viel tiefer verankert zu sein. Die Commune zeigte uns zugleich, was aus der revolutionären Bourgeoisie von 1789 geworden war. "... dass der heutige Bourgeois sich für den rechtmäßigen Nachfolger des ehemaligen Feudalherren ansieht". 63. Die Emanzipation der bürgerlichen Klasse endet als Ancien Regime. In der Phase des Imperialismus wurde diese Erkenntnis unzählige Male bestätigt und für Revolutionäre ergibt sich daraus heute nur eine Schlußfolgerung: aus einer Volksbewaffnung heraus die völlige Vernichtung des Bürgertums zu betreiben. Jede andere politische Position beinhaltet eine Beihilfe zur Ausbeutung der Arbeiterklasse. Gleichwohl kritisierte Marx die Communarden, dass sie sich auf die nationalrevolutionäre Tradition von 1793 bezogen hatten. Die proletarische Revolution darf keinen jakobinistischen Ansatz haben noch jakobinistisches Beiwerk. Gerade das war aber in der russischen Doppelrevolution des Jahres 1917 der Fall. Da Russland zu Beginn des Jahres 1917 noch dynastisch regiert wurde, wir also das Ancien Regime in seiner klassischen Form vorfanden, war zunächst eine jakobinistische Februarrevolution vonnöten, in den Straßen von Petrograd und Moskaus wurde die Marseillaise gesungen, die ja zunächst im revolutionären Frankreich von Soldaten gesungen wurde, die ein neues Soldatenbild kreirten. Die französische und englische Bourgoisie hatten dann bei der Vorbereitung der Februarrevolution gehörig ihre Händchen im Spiel wie die deutsche bei der Vorbereitung der Oktoberrevolution. Aber die Geheimdiplomatie kann keine Fäden spinnen, an denen eine Revolution hervorgezogen wird; der ganze Zarismus war von innen bereits so ausgehöhlt, dass ein kleiner Schubs genügte - bautz - und der Götze fiel zu Boden. 64.

Das mit der Emanzipation der bürgerlichen Gesellschaft aufkommende neue, also heute überholte Soldatenbild ging Hand in Hand mit dem Entstehen eines neuen Menschenbildes überhaupt. So fortschrittlich die Konzeption des Arztes La Mettrie auch war, Descartes zu radikalisieren und den Menschen mechanistisch als eine in sich selbst tätige Maschine aufzufassen und damit die Medizin von angeblich occulten Mächten unabhängig zu machen, so hatte doch dieser materialistische Philosoph die Anthropologie in eine Sackgasse geführt. Gerade der Metaphysiker Leibniz erarbeitete unter seinem ganzen metaphysischen Wust ein dialektisches Menschenbild, dessen Verständnis auf allen Gebieten des Lebens, und eben auch auf dem militärischen, ein gewisses, relativ richtiges Erfassen der Zusammenhänge der reziproken Produktivkraftentfaltungen ermöglichte. Leibniz behauptete, dass in jedem Tropfen Materie das ganze Universum ausgedrückt sei und dass es in jedem Lebewesen häufig Metamorphosen gäbe. Jedes Lebewesen hat mannigfaltige Bezüge zur Außenwelt und ist demnach ein Spiegel des Universums. 65. Und eben auf diese sich universell durchdringende Konjunction des subjektiven Faktors und den objektiven Elementen der Wirklichkeit kommt es beim Erfassen der Außenwelt an. Für das Erfassen des Krieges gilt gleiches: die wechselseitige Durchdringung subjektiver und objektiver Faktoren zeichnet seine Metamorphosen ab. Die Individualisierung des Krieges, seine Entmechanisierung, ist gegenläufig, eine Konkretisierung ins Totale, zumindest theoretisch, denn der ganz auf sich gestellte Guerilla operiert eben im Traum vom Volkskrieg, der Einzelkämpfer will im Einssein mit dem Volk seine Subjektivität abwerfen. Die Geschichte des Krieges schleudert den emanzipierten Soldaten zunächst an seine Peripherie, denn diese ist zunächst das Operationsfeld des Partisanen, um von dieser her über die Phasen: Terrorakte - Attentate - Agitation, sodann übergehend in den Bürgerkrieg, in den Kern des totalen Volkskrieges zurückzukehren. Das führt über die jakobinistisch-napoleonischen Kriege hinaus, denn in diesen blieben die Randgebiete des Krieges (die Vendee, die spanische Bauernguerilla, die Tiroler um Andreas Hofer, Nadelstiche durch Kosakeneinsätze) welthistorisch sekundär. Landschlachten wie die von Austerlitz, Borodino, Leipzig und Waterloo kündigten düster die Massenkriege des nächsten Jahrhunderts an. 1811 erschien die Schrift „Über die Milizen", von Gneisenau verfasst und thematisch den Kleinkrieg behandelnd; hundert Jahre später, 1911, von Schlieffens Schrift: „Über die Millionenheere". Wenn Clausewitz im Krieg der Armee gegen den Guerilla den Krieg eines Automaten gegen einen Menschen sieht, so hat er schon im sechsten Buch seines Hauptwerkes angedeutet, dass die Zukunft der Guerilla gehört. Und das zwanzigste Jahrhundert hat trotz zweier Weltkriege gezeigt, dass die essentiellere Weiterentwicklung der Theorie des Krieges im kleinen, nicht im großen stattfand. Die im Peripheren operierende Kleinmiliz hat in emanzipativer Hinsicht eine Ent-Randung des politischen Weltzusammenhangs gebracht, es genügt hier der Verweis auf den Bezwinger zweier Atommächte, auf den General Giap, wie Scharnhorst ein Bauernsohn, der zum Schlüsselsoldaten nach dem zweiten Weltkrieg avancierte. Jeder Ort der Erde ist heute peripher und global zugleich, als habe die Weltgeschichte sich erreicht und ihr emanzipatives Versprechen eingelöst. Diese Identität anzunehmen wäre für die Gattung fatal. Der Mensch ist heute an jedem Ort und zu jeder Zeit „frei" und versklavt zugleich. „In der Vorstellung sind ... die Individuen unter der Bourgeoisieherrschaft freier als früher, weil ihnen ihre Lebensbedingungen zufällig sind; in der Wirklichkeit sind sie natürlich unfreier, weil mehr unter sachlicher Gewalt subsumiert". 66. Für Marxisten konnten also die beiden Weltkriege im 20. Jahrhundert nicht überraschend kommen. Wohl aber die Kriegseuphorie unter den labilen Sozialisten, die besonders beim Ausbruch des sogenannten ersten Weltkrieges schockierte. Und selbst in neutralen Ländern wie der Schweiz oder Schweden gab es prodeutsche Sympathien. Dieser Krieg stellte die verschiedenen Strömungen der Arbeiterbewegung auf ihre bisher größte Bewährungsprobe - und sie fielen durch. Er brachte in den europäischen Arbeiterparteien eine Abkehr vom Internationalismus, den man auf dem Baseler Kongress 1912 noch beschworen hatte, und den Sieg des Sozialchauvinismus, der dadurch sein Gesicht verlor, dass er sich vor allen, man muß sagen, vor buchstäblich allen revolutionären Kampfmitteln zurückschreckte, sich dafür aber umso bereitwilliger den bürgerlichen Militärbehörden fügte, unter anderem auch deshalb, weil er den Zusammenhang zwischen der imperialistischen Politik und ihrer Fortsetzung im Weltkrieg nicht einsehen wollte. Es zeichnete sich schon die Äußerung des Sozialdemokraten Ebert nach dem Krieg ab, dass er die soziale Revolution wie die Pest hasse. Diese Chauvinisten fielen damit in eine Art der Kriegsanalyse zurück, die Clausewitz schon vor achtzig Jahren gerügt hatte. Die Leninisten zogen aus diesem Versagen der II. Internationale die einzig richtige Schlußfolgerung, indem sie eine neue, revolutionäre Internationale anstrebten und die einzig richtige Strategie konzipierten, den Kampf der imperialistischen Räuber untereinander auszunutzen, um sie allesamt zu beseitigen. Sollte dies gelingen, so wäre der Krieg nicht ganz umsonst gewesen, er kann zwar für die Entfaltung der proletarischen Weltrevolution ausgenutzt werden, bildet aber den denkbar schlechtesten Gesamtumfang einer revolutionären Machtergreifung, die in der klassischen marxistischen Theorie in einer ökonomischen Krisensituation und in einer aus ihr folgenden politischen Störung des Kapital-Lohnarbeitsverhältnisses (die lohnabhängigen Massen wollen nicht mehr unter Kapitalbedingungen leben, die den Kapitalisten gehörende, ihnen hörige Regierung kann nicht mehr in der alten Weise regieren) verankert sind. In einer ökonomischen Krise werden weit weniger Produktivkräfte vernichtet als in einem Krieg zwischen Nationen, eine Revolution hat immer einen geringeren Blutzoll als ein sogenannter „regulärer Krieg", kommt den Völkern weit billiger zu stehen. Schon 1847 eröffnete Engels in den „Grundsätzen des Kommunismus" die Vorteilhaftigkeit einer möglichst nur aus wirtschaftlichen Krisenketten sich abzeichnende Revolution. Die Kommunisten sind die ersten, die die Aufhebung des Privateigentums auf friedlichem Wege wünschen. Ein sich durch einen Krieg ergebender Sozialismus, ein Kriegssozialismus ist kein Sozialismus, da es in ihm ebenso wenig wie in einer Volksgemeinschaft oder in einem „New Deal" eine Emanzipation der Massen gab. 67. Es liegt im Zuge imperialistischer Demagogie, ein „Volk in Waffen" zu beschwören. Der Auffassung von Werner Hahlweg ist also kaum zuzustimmen, Kommunisten als die kaltblütigen Kalkulatoren des Völkergemetzels hinzustellen, die auf eine Revolutionierung der Massen durch Krieg setzten. Es waren doch nur die Leninisten, die auf einen sofortigen demokratischen und gerechten Frieden drangen und die Beendigung des Krieges allen kriegführenden Staaten anboten. „Daß der Frieden ... die Sache unvergleichlich besser voranbringen wird als ein Krieg ... Jeder Frieden eröffnet deshalb unserem Einfluß hundertmal mehr und bessere Möglichkeiten". 68. Imperialistische Kriege wirken sich immer negativ auf den gesellschaftlichen Fortschritt aus. Aber Hahlweg meint: „Der Krieg übernahm jetzt die Rolle der einst von Marx und Engels als unvermeidlich angesehenen und erhofften, jedoch damals nicht eingetretenen großen ökonomischen Krise. Mit den durch ihn verursachten Opfern, dem vielfachen, von ihm über alle beteiligten Völkern gebrachten Leid schuf der erste Weltkrieg jene Stimmung von Haß und Erbitterung der Beherrschten und Ausgenutzten gegen die Herrschenden, wie sie zu den unerläßlichen Voraussetzungen einer Revolution gehören". 69. Offensichtlich liegt eine Konfusion vor, denn die Verbindung von Krisen und Krieg ist falsch, „ . denn das sind Erscheinungen ganz verschiedener Ordnung, verschiedenen historischen Ursprungs und verschiedener Klassenbedeutung". 70. Am allerwenigsten kann man die Kommunisten für den Ausbruch imperialistischer Kriege verantwortlich machen. 1914 waren die Bolschewiki aber eine krasse Minderheit und so waren die Weichen rüstungsmäßig und mental fast hundertprozentig ganz auf den Krieg ausgerichtet (richtig verhielt sich zum Beispiel der Sozialdemokrat Karl Liebknecht), im Keim auf einen totalen: alle Mächte der Entente „verbrüderten" sich im Londoner Vertrag vom September 1914, keinen Separatfrieden einzugehen wie auch immer. Er stellte also das Gegenbild zum Baseler Manifest dar. Der Zar war auch gegen Ende des Krieges an ihn geknebelt und konnte keinen Separatfrieden mit Deutschland suchen, die Romanowdynastie ging mit jedem Kriegstag auf den Abgrund zu. Und selbst der Februarminister Miljukow fühlte sich noch an diesen Vertrag gebunden. Auch die gutgemeinten Vermittlungsgesten des amerikanischen Präsidenten Wilson, der sich in der Rolle eines Schiedsrichters gefiel, wurden von beiden Seiten übersehen. Will man aber H. G. Wells glauben, so wurde Wilson mit seinem Konzept einer weltweiten Demokratisierung in den außereuropäischen Ländern als Messias gesehen, zumal er sein Modell einer Weltdemokratie mit dem Weltfrieden verband. Es kann hinzugefügt werden: einer, der mit Kerenski seelenverwandt, für einen kurzen historischen Moment mit Lenin wiederum ernsthaft konkurrierte. Denn man erkannte bald, dass er doch mehr ein Verfechter der Sache der Alliierten war. Es waren nach dem Krieg us- amerikanische Geschichtswissenschaftler, die in der Kriegsschuldfrage Mitte der zwanziger Jahre ebenfalls eine vermittelnde Position zwischen den europäischen Blöcken einnahmen, es seien nur Sydney Fay und Elmer Barnes genannt. Auch zeichnete sich im sogenannten ersten Weltkrieg schon eine Kontur ab, die im sogenannten zweiten viele Soldatenopfer kostete. Gerade vom Hauptkriegsgegner England kamen Stimmen, die sich zwar für einen Endsieg, zugleich aber auch für ein wirtschaftlich und politisch starkes Deutschland aussprachen (Generalstabschef Robertson, der Politiker Balfour), als Puffer gegen das unheimliche Riesenreich im Osten, das mit seinen Soldatenmassen so ausgiebig umgehen konnte. Im sogenannten zweiten Weltkrieg wollte man dann, dass diese Kontinentaleuropa dominierenden Mächte sich gegenseitig zerfleischten, um über ihre Leichen als Beherrscher Europas aufzutreten. Folgerichtig ließ eine zweite Front im Westen auf sich warten, diese bildete sich erst, als die Rote Armee Berlin immer näher kam.

[...]


1. Lenin, Staat und Revolution, Werke Band 25, Dietz Verlag Berlin, 1960,410

2. Vergleiche Lenin, IX. Gesamtrussischer Sowjetkongress, Werke Band 33, Dietz Verlag Berlin, 1962,137

3. Karl Marx, Das Kapital, Werke Band 23, Dietz Verlag, Berlin, 1984,88

4. Adolf Hitler, Besprechung mit Feldmarschall von Kluge am 26. Juli 1943, in: Lagebesprechungen im Führerhauptquartier, herausgegeben von Helmut Heiber, dtv dokumente, Deutscher Taschenbuch Verlag, 1963,202

5. a.a.O.,206. Die britische Appeasementpolitik ist ein Musterbeispiel für eine Politik, die den Frieden bringen will und den Krieg brachte.

6. Lenin, Sozialismus und Krieg, Werke Band 21, Dietz Verlag Berlin, 1960,299

7. G. Mescerjakov, Klausevic i nemeckaja voennaja ideologija (Clausewitz und die deutsche Kriegsideologie), in: Voennaja Mysl', (1945) 6,93ff. „Die Zeiten, in denen Kriege im Wesentlichen von Armeen geführt und entschieden wurden, gehören der Vergangenheit an ... Der neuzeitliche Krieg hat sich zu einem Ringen von Völkern ausgewachsen, das durch die Gesamtkriegsleistung auf den Gebieten der politischen, der wirtschaftlichen, der geistigen und der militärischen Führung entschieden wird". (Franz Halder, Hitler als Feldherr, Dom Verlag, München, 1949,7).

8. Mao Tse tung, Über den langandauernden Krieg, Mai 1938, in: Mao Tse tung, Vom Kriege, Die kriegswissenschaftlichen Schriften, Mit einem Geleitwort von Brigadegeneral Heinz Kaarst, Bertelsmann Sachbuch Verlag, 1969,230

9. Vergleiche Autorenkollektiv: Das Philosophische Erbe W. I. Lenins Und Probleme Des Modernen Krieges, Unter der Redaktion von Generalmajor A.S. Milowidow und Oberst W.G. Koslow, Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin, 1974,171

10. Adolf Hitler, Ansprache vor Divisonskommandeuren am 12. Dezember 1944, in: Lagebesprechungen im Führerhauptquartier, herausgegeben von Helmut Heiber, dtv dokumente, Deutscher Taschenbuch Verlag, 1963,287

11. Den ersten Anstoß zur Umwälzung des feudalen Kriegswesens hatten die wenig geübten Riflemen mit ihrem legendären Kentuckyrifle im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1774 - 1783) gegeben, die in losen Gruppen unter Terrainausnutzung gegen die in Linie aufmarschierenden englischen Truppen kämpften, eine neue Kampfweise, die auch bereits die Aufmerksamkeit von Friedrich 11. erregte. Der junge Gneisenau nahm als Leutnant der Ansbach-Bayreuther Armee auf britischer Seite an dieser Kampagne teil, der junge Scharnhorst setzte sich intensiv mit diesem neuartigen Krieg auseinander mit dem Ergebnis, dass eine Guerilla auf Dauer nicht wird standhalten können, wenn sie sich nicht in eine reguläre Armee entfaltet. Revolutionäre Romantiker sind vernarrt in die Guerilla, sie läßt nichts Festes aufkommen. Auch Lenin legte alles daran, die Sowjets in Staatsorgane zu verwandeln als Resultat des proletarischen Klassenkampfes, auch als Prüfstein einer ernsthaften Revolution, wie seine Polemik gegen Kautsky zeigte. „Kämpft, Arbeiter - damit ist unser Philister „einverstanden" (auch der Bourgeois ist damit 'einverstanden', weil die Arbeiter ja ohnehin kämpfen, und man muß sich nur überlegen, wie man ihrem Schwert die Spitze abbricht) -, kämpft, aber untersteht euch nicht zu siegen ! Zerstört nicht die Staatsmaschine der Bourgeoisie , setzt nicht an die Stelle der bürgerlichen „Staatsorganisation" die proletarische „Staatsorganisation". (Lenin, Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky, Werke Band 28, Dietz Verlag Berlin, 1959,260). Auffallend war zunächst eine Asymmetrie auf dem Gebiet des soldatischen Eingeübtseins: sowohl die Riflemen - die erst später von Steuben geschliffen wurden, er war somit der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort - als auch die Sansculotten hatten ganz geringe militärische Übung, mussten daher Neues (aufgelöste, rasch bewegliche Schützenverbände, die Deckung im Wald suchten, vorzugsweise Operieren in unebenen Gelände) erfinden, das sich auch als der alten Kriegführung (Aufmarsch in Linie auf freier Ebene) überlegen erwies. Die französische Revolution führte auch hier die amerikanische weiter und Napoleon vollendete, was General Washington begonnen, vollendete vor allem das Prinzip des Aufgebots der ganzen Nation.

12. Sun Tzi, Die Kunst des Krieges, Knaur Verlag, München 1988,105

13. Lenin, VII. Moskauer Gouvernements-Parteikonferenz vom 29. bis 31. Oktober 1921, Werke Band 33, 1962,79

14. Vergleiche Napoleon, Pensees, Paris, 1913,79f.

15. Vergleiche Lenin, Rede auf der erweiterten Konferenz von Arbeitern und Rotarmisten im Moskauer Rogoshko-Simonowski-Stadtbezirk am 13. Mai 1920, Werke Band 31, Dietz Verlag Berlin,1959,125

16. I. St. Konew, Das Jahr fünfunfvierzig, Berlin, 1969,49

17. Vergleiche Gerhard von Scharnhorst, Brief an seinen Sohn Heinrich Wilhelm Gerhard von Scharnhorst vom 29. November 1806 aus Danzig, in: Gerhard von Scharnhorst, Ausgewählte militärische Schriften, Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin, 1986,232

18. Karl Marx, Kritische Randglossen zu dem Artikel: "Der König von Preußen und die Sozialreform. Von einem Preußen." MEGA I/2, 1998, 463

19. Vergleiche Friedrich Engels, Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen, in: Karl Marx, Friedrich Engels: Ausgewählte Werke, Progress Verlag, Moskau, 1975,379. Als nach 1945, ausgelöst durch ein Antwortschreiben Stalins an Oberst Rasin vom 23. Februar 1946, die Verunglimpfung von Clausewitz einsetzte, wurde diesem „reaktionären Junker" vorgeworfen, eine Verewigung und Apologetik des Krieges betrieben zu haben.

20. Lenin: Der linke Radikalismus, die Kinderkrankheit im Kommunismus, in: Ausgewählte Werke Progress Verlag, Moskau 1971,582

21. Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Phänomenologie des Geistes, Rheinisch Westfälische Akademie Ausgabe Band 9, Felix Meiner Verlag, Hamburg, 1990,31

22. Lenin: Das Militärprogramm der proletarischen Revolution, in: Lenin über Krieg und Frieden, Drei Artikel, Peking 1975, 71

23. a.a.O.,66f.

24. Friedrich Engels, Brief an Conrad Schmidt vom 27.10.1890

25. Welche Schwierigkeiten ein Kriegstheoretiker hat, wenn er dialektisch ungeschult ist, zeigt der Aufsatz von Ulf Häußler (Regierungsdirektor in der Rechtspflege der Bundeswehr): „'s ist Krieg ?" in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 13. August 2009, Seite 6. Das klassische Völkerrecht kannte nur die Alternative "Krieg oder Frieden", Krieg wurde nach Ulf Häußler definiert als bewaffneter Konflikt zwischen mindestens zwei souveränen Staaten und mit dieser Schablone kommt man in der Zeit der asymmetrischen Kriege ins Rotieren. "Freilich ist die Dichotomie von Krieg und Frieden dem heutigen Völkerrecht unheimlich geworden." Eine Dichotomie von Krieg und Frieden hat es indeß geschichtlich nie gegeben. Es gab und gibt eben, wie Lenin schreibt, Kriege und Kriege. (Vergleiche Lenin: Krieg und Revolution, Werke Band 24, Dietz Verlag Berlin, 1960,396). Die Schwierigkeit besteht eben darin, dass Krieg und Frieden prozessual ineinander übergehen, der Frieden ist nicht etwas vom Krieg grundsätzlich Verschiedenes. Lenin sagt, sowohl den bürgerlichen als auch den sozialistischen Pazifisten ist der Gedanke fremd geblieben: ". der Krieg ist die Fortsetzung der Politik der Friedenszeit, der Frieden ist die Fortsetzung der Politik des Krieges." "Daß der imperialistsiche Krieg von 1914 bis 1917 die Fortsetzung der imperialistischen Politik von 1898 bis 1914, wenn nicht einer noch früheren Periode ist, das haben weder Bourgeois noch Sozialchauvinisten sehen wollen und wollen es auch jetzt nicht sehen. Daß der Frieden jetzt, solange die bürgerlichen Regierungen nicht auf revolutionärem Weg gestürzt sind, nur ein IMPERIALISTISCHER FRIEDEN sein kann, der den IMPERIALISTISCHEN KRIEG FORTSETZT (Hervorhebungen von H. Ahlreip), sehen weder die bürgerlichen noch die sozialistischen Pazifisten." (Lenin: Bürgerlicher und sozialistischer Pazifismus,in: Lenin Werke Band 23, Dietz Verlag Berlin, 1960,196).

26. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Logik Band II, edition suhrkamp Band 6, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1975,461.

27. "Kleines Philosophisches Wörterbuch" (vierte Auflage), in Kommunismus und Klassenkampf 1/1980,1

28. Mao tse tung, Werke Band 5, Dietz Verlag Berlin, 1960, 414

29. Vergleiche Autorenkollektiv: Das Philosophische Erbe W. I. Lenins Und Probleme Des Modernen Krieges, Unter der Redaktion von Generalmajor A.S. Milowidow und Oberst W.G. Koslow, Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin, 1974,113

30. a.a.O.,215

31. a.a.O.,270

32. a.a.O.,347

33. Karl Marx, Friedrich Engels, Die deutsche Ideologie, Werke Band 3, Dietz Verlag, Berlin, 1960,27

34. Friedrich Engels, Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft, Ausgewählte Werke, Progress Verlag, Moskau, 1975,433. Auch Moses Hess erkannte, dass sich die positiven Wissenschaften von der Philosophie emanzipieren werden. In der Geschichte der sozialistischen Theorie ist anzumerken, dass etliches Gedankengut progressiver Strömungen nach krirtischer Durchmusterung in den Marxismus einmündeten, ohne aber die exakte wissenschaftliche Leistung und genuine Erkenntnistiefe von Marx in ihrer Originalität zu tangieren. Wie die Hegelsche Dialektik eine Perle im Misthaufen des deutschen Idealismus war, so ist der Marxismus eine Perle im Misthaufen sozialistischer Idealismen.

35. Nikolai Bucharin, Philosophische Arabesken, Dialektische Skizzen, Karl Dietz Verlag Berlin, 2005,351.

36. Vergleiche Karl Marx / Friedrich Engels, Manifest der Kommunistischen Partei, Werke Band 4, Dietz Verlag Berlin, 1960,486ff.

37. Friedrich Engels, Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie, Werke Band 21, Dietz Verlag, Berlin, 1975,295

38. Autorenkollektiv: Das Philosophische Erbe W. I. Lenins Und Probleme Des

Modernen Krieges, Unter der Redaktion von Generalmajor A.S. Milowidow und Oberst W.G. Koslow, Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin, 1974,348

39. Vergleiche Lenin, Über unsere Revolution, Ausgewählte Werke, Progress Verlag, Moskau, 1975, 766

40. siehe google: scheler clausewitz

41. Carl von Clausewitz, Vom Kriege, Verlag des Ministeriums für nationale Verteidigung, Berlin, 1957,10

42. siehe: google: scheler clausewitz. Dort auf Seite 58

43. Zwischen beiden liegt eine Differenz von 25 Jahren. Schon bei Scharnhorst finden sich Vorstudien für eine umfassende Darstellung des Wesens des Krieges, die er 1812 in Breslau unter dem Titel: "Krieg und Kriegführung" begann, die er aber auf Grund eines durch Kriegsverletzung bedingten Todes nicht ausführen konnte.

44. Friedrich Hossbach, Scharnhorst, Hölzner Verlag, Würzburg/Main,o.J.,13. Ganz richtig hat deshalb Franz Mehring eine wichtige Nuancierung in die Beurteilung von Scharnhorst eingebracht: "Auf der anderen Seite können wir Scharnhorst auch nicht als Schwurzeugen für eine Miliz anrufen, wie wir sie fordern. Wir können wohl sagen, dass unsere Gedanken über Heeresverfassung eine folgerichtige Entwicklung der Gedanken sind, die sich Scharnhorst darüber machte, aber eine Miliz in unserem Sinne zu befürworten, lag ganz außerhalb seines Gesichtskreises." (Franz Mehring, Miliz und stehendes Heer, in. Zur Kriegsgeschichte und Militärfrage, Berlin 1967,233). Mehrings Kriegsschriftstellerei wird von einigen Autoren als Bindeglied zwischen Engels und Lenin gedeutet, so Clemente Ancona: Der Einfluß von Clausewitz' "Vom Kriege" auf das marxistische Denken von Marx bis Lenin, in: Günter Dill (Herausgeber): Clausewitz in Perspektive, Frankfurt am Main, Berlin, Wien, 1980, 571 und Dietmar Schössler: Carl von Clausewitz, Reinbek bei Hamburg, 1991,123f. (siehe: Olaf Rose: Carl von Clausewitz, Wirkungsgeschichte seines Werkes in Rußland und der Sowjetunion 1836 bis 1991, Oldenbourg Verlag 1995,92f.)

45. Carl von Clausewitz, Vom Kriege, Verlag des Ministeriums für nationale Verteidigung, Berlin, 1957,727

46. Karl Marx, Die Klassenkämpfe in Frankreich, in: MEGA I/10, Dietz Verlag Berlin,1977,138

47. Carl von Clausewitz, Vom Kriege, Verlag des Ministeriums für nationale Verteidigung, Berlin,1959,727

48. In der platonischen Staatskonstruktion bilden die Bauern und Handwerker die

unterste Schicht, die Mittelschicht die Wächter und Soldaten, an der Spitze stehen die Philosophenkönige als Staatslenker.

49. Lenin, Notizen über die Diktatur, Geschichtliches zur Frage der Diktatur (Notizen), in: Lenin, Ausgewählte Werke Band V, Dietz Verlag Berlin, 1987,726

50. Olaf Rose, Carl von Clausewitz, Wirkungsgeschichte seines Werkes in Rußland und der Sowjetunion 1836 bis 1995, Oldenbourg Verlag, 1995,209.

51. Antworten von Michail Gorbatschow auf Fragen der Zeitung "Washington Post" und des Nachrichtenmagazins "Newsweek" in: Neue Zeit Nummer 22, 1988,5

52. Karl Marx, Friedrich Engels: Manifest der Kommunistischen Partei, Werke Band 4, Dietz Verlag Berlin,1984,10

53. Immanuel Kant, Zum Ewigen Frieden, Akademie Ausgabe VIII, de Gruyter Verlag Berlin, 1968, 356

54. A. Bogdanov, Die Tektologie, Seite 511 (russisch).

55. N. Karew, Die Theorie des Gleichgewichts und der Marxismus, in: Die Sowjetphilosophie, herausgegeben von W. Goerdt, Darmstadt, 1967,143

56. Volker Gerhardt, Das Prinzip des Gleichgewichts, in: Pathos und Distanz, Reclam 1988,110

57. Friedrich Engels, Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft, Marx Engels Werke Band 20, Dietz Verlag Berlin, 1960, 58

58. Lenin: Über die Junius Broschüre, Lenin Werke Band 22, Dietz Verlag Berlin, 1960,3

59. Vergleiche Lenin, Konspekt zu Hegels „Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie", Werke Band 38, Dietz Verlag Berlin, 1971,240

60. Jörn Leonhard, Die Büchse der Pandora, Geschichte des Ersten Weltkrieges, Verlag C.H. Beck, München 2014,999. Eine Buchbesprechung von Hans-Ulrich Wehler, die voll des Lobes ist, findet sich in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 7. Mai 2013. Dort wird das Buch als „unübertrefflich" ausgezeichnet.

61. Vergleiche: Colmar Freiherr von der Goltz, Von Roßbach bis Jena und Auerstedt. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Heeres, Berlin 1906,295

62. Wörterbuch zur deutschen Militärgeschichte, Band 1, Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1985,16

63. Karl Marx, Der Bürgerkrieg in Frankreich, in: Ausgewählte Werke, Progress Verlag, Moskau, 1975,321

64. Vergleiche Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Phänomenologie des Geistes, Akademieausgabe, Felix Meiner Verlag, Hamburg, 1980,295f.

65. Außerdem stellt sich ja für La Mettrie das Problem, wie ein Automat zu einem Gottesbegriff findet ? Der arme La Mettrie verhält sich zu Leibniz wie der arme Feuerbach zu Hegel.

66. Karl Marx / Friedrich Engels , Die deutsche Ideologie, Werke Band 3, Dietz Verlag Berlin, 1969,76

67. Der „New Deal" zeichnete sich in den USA im sogenannten ersten Weltkrieg im „National War Labor Board" ab, in dem Franklin Delano Roosevelt als einfacher Beamter zur Schule ging.

68. Lenin, IX. Parteitag der KPR (B), Werke Band 30, Dietz Verlag Berlin, 1961,444f.

69. Werner Hahlweg, Lenin und Clausewitz, Archiv für Kulturgeschichte, 1961, 372

70. Lenin, Zur Revision des Parteiprogramms, Werke Band 26, Dietz Verlag Berlin, 1960,148. Wie sehr ein Sozialismus durch Krieg ein falscher ist, wird schon allein dadurch deutlich, dass Mitte 1916 die konservative Londoner „Times" in einer Artikelserie „The Elements of Reconstruction" sich für eine nationale Planwirtschaft und gegen die „alte chaotische Welt des individuellen Wirtschaftslebens , das dem unkontrolliertem Privatprofit diente" aussprach. (Vergleiche Jörn Leonhard, Die Büchse der Pandora, Beck Verlag München, 2014,498). Ein Satz, den jeder Sozialist unterschreiben könnte und der an das Ahlemer Programm der CDU kurz nach dem sogenannten zweiten Weltkrieg erinnert.

Final del extracto de 134 páginas

Detalles

Título
Zur Dialektik der Kriege im 19. und 20. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung des sogenannten Ersten Weltkrieges
Autor
Año
2014
Páginas
134
No. de catálogo
V279033
ISBN (Ebook)
9783656724346
ISBN (Libro)
9783656724339
Tamaño de fichero
1000 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
dialektik, kriege, jahrhundert, berücksichtigung, ersten, weltkrieges
Citar trabajo
Heinz Ahlreip (Autor), 2014, Zur Dialektik der Kriege im 19. und 20. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung des sogenannten Ersten Weltkrieges, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/279033

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