Darstellung von Selbstüberschreitung in dem Spielfilm "Berlin Calling"


Trabajo Escrito, 2014

24 Páginas, Calificación: 1,3


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2.‘DerutopischeKörper‘nachMichelFoucault‘

3 BerlinCalling‘undTechno- Tanz
3.1. Die Handlung
3.2. Ein authentisches Bild der Berliner Techno- Szene?
3.3. Körper, Tanz und Überschreitung in der Technoszene
3.4. Der Übergang von der Alltags- in die Technowelt in ‘Berlin Calling‘

4. Selbstüberschreitung auf dem Dancefloor13

5.Zusammenfassung und Ausblick

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Arbeit beschäftigt sich mit den Tanzdarstellungen in dem Spielfilm “Berlin Calling“ bzw. der Art wie “(Selbst- )Überschreitung“ in Tanzszenen dargestellt wird. Der Film spielt in der Berliner Technoszene und zeigt das Leben von DJ Ikarus (Paul Kalkbrenner) und dessen musikalischen Aufstieg.

Es handelt sich nicht um einen Tanzfilm, d.h. der Tanz steht nicht im Mittelpunkt des Films und hat scheinbar keinen großen Einfluss auf die Erzählung.

Trotzdem haben die Tanzszenen eine Funktion und eine Bedeutung, die im Rah- men dieser Arbeit herausgearbeitet werden sollen.

Da die Präsenz des physischen Körpers für den Tanz obligatorisch ist, soll sich die Arbeit vor allem in Bezug auf Foucaults Text “Der utopische Körper“ mit den Dimensionen des Körperlichen beschäftigen.

Ist eine “Überschreitung“ des Selbst bzw. des Körpers überhaupt möglich und wie kann sie durch die Körperkunst Tanz herbeigeführt werden?

Auf diese Frage möchte ich auch auf der Grundlage einiger soziologischer Ab- handlungen eingehen, die sich mit der Technoszene und der Funktion des Tanzes in dieser beschäftigen.

Aufbauend auf den Forschungsergebnissen über Tanz, Körper und Überschreitung möchte ich nach einer Beschreibung wichtiger Momente des hier betrachteten Films die zentrale Frage erörtern, wie (Selbst- )Überschreitung in ‘Berlin Calling‘ dargestellt wird. Hierzu sollen einige Tanzszenen näher beleuchtet werden.

2. ‘Der utopische Körper‘ nach Michel Foucault

Im Folgenden soll sich die Arbeit dem Begriff der (Selbst- )Überschreitung anhand von Michel Foucaults Texten über die sogenannten “Heterotopien“ nähern. In seinem Text “Andere Räume“ beschreibt der Philosoph soziale Gegenräume, die in ihrem Funktionieren von “normalen“ Räumen abweichen und zu denen, wie gezeigt werden soll, auch der Körper gezählt werden kann, was zudem aus einem anderen Text mit dem Titel “Der utopische Körper“ hervorgeht.

Was macht also den Körper als Heterotopie bzw. Gegenplatzierung aus und was ist im Sinne Foucaults unter einer Überschreitung des Körpers zu verstehen?

Wie kann diese Überschreitung durch den Tanz herbeigeführt werden?

In seinem Aufsatz “Andere Räume“ beschreibt Foucault besondere Orte, die real lokalisierbar und zugleich von der Imagination besetzt sind. Ihm geht es um wahrhaftige und zugleich utopische “Orte außerhalb aller Orte, wiewohl sie tat- sächlich geortet werden können.“1 Diese bezeichnet er in Abgrenzung zu den Utopien, die rein imaginär seien, als “Heterotopien, [da sie] ganz andere sind als alle Plätze, die sie reflektieren oder von denen sie sprechen […]“2.

Foucault spricht weiterhin von “Gegenplatzierungen oder Widerlager[n], tatsäch- lich realisierte[n] Utopien, in denen die wirklichen Plätze innerhalb der Kultur gleichzeitig repräsentiert, bestritten und gewendet sind.“3.

Den Körper begreift Foucault in seinem Text “Der utopische Körper“ ebenfalls als “Ort“4. Zu Beginn beschreibt er seinen Körper als “das genaue Gegenteil einer Utopie“5, als “absolute[n] Ort“6. Er geht auf die Physis seines Körpers ein und spricht von einem “Käfig“7 in dem er buchstäblich gefangen sei (da er sich nicht ohne ihn fortbewegen könne) und aus dem es folglich niemals ein Entrinnen gebe. Foucault stellt resigniert fest: “Mein Körper ist gnadenlose Topie.“8

Die Utopien nennt Foucault zunächst noch in Abgrenzung zum Körper. Sie seien erfunden worden, um ihn zum Verschwinden zu bringen.9

Im Gegensatz zu der physischen Existenz seines Körpers, würde er in einer Uto- pie einen “körperlosen Körper, einen Körper der schön, rein […] von grenzenloser Dauer […] unsichtbar, geschützt und in ständiger Umwandlung begriffen wäre.“10

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

besitzen. Als Beispiel für Utopien, die den Körper zum Verschwinden bringen, nennt Foucault das Jenseits und die Seele.11

Entgegen der zunächst vorgenommenen Trennung von Körper und Utopie be- merkt Foucault, dass auch der Körper ortlose Orte, also Utopien besitze.

Als utopische Eigenschaft des greifbaren, physischen Körpers betrachtet Foucault dessen Unsichtbarkeit. So könne beispielsweise der Hinterkopf ertastet, jedoch nie gesehen werden. Der Körper sei also nie in Gänze, sondern (selbst im Spiegel) immer nur fragmentartig erkennbar.

Das scheinbare Schwinden der Stofflichkeit des Körpers, die Erfahrung eines leichten, durchsichtigen, immateriellen Körpers, resultierend aus der Unmög- lichkeit, ihn komplett zu sehen, werde durch die Vergänglichkeit des Körpers als physisches Objekt konterkariert. Krankheiten, die den Körper zerstören, setzen der Illusion von Leichtigkeit eine bedrohliche Materialität entgegen. Um zugleich

“sichtbar und unsichtbar, Leben und Ding zu sein“12 brauche es nach Foucault

folglich keine Zauberei, sondern lediglich einen Körper.

Auch bei den Praktiken der Körpermodifikation wie z.B. dem Maskieren, Schminken oder Tätowieren fungiere der Körper als utopischer Akteur, da diese die “Kommunikation mit geheimen Mächten“13 ermöglichen.

Auch hier werde der Körper als reine Topie überschritten und in einen utopischen Raum überführt. Nach Foucault ermöglichen die auf den Körper geschriebenen Zeichen dessen Transformation. Sie versetzen ihn in einen “anderen Raum, an einen Ort, der nicht direkt zu dieser Welt gehört. Sie machen den Körper zu einem Teil des imaginären Raumes“14.

Weiterhin spricht Foucault von gewissen “Grenzfälle[n], in denen der Körper sei- ne utopischen Fähigkeiten gegen sich selbst richtet“15.

Er führt hierfür das Beispiel eines Tänzers an und gibt zu bedenken: „Dehnt doch zum Beispiel der Körper des Tänzers sich über einen Raum aus, der für ihn zu- gleich innerer und äußerer Raum ist.“

Das Zitat verweist erneut auf die Ambivalenz des Körpers. Dieser ist nach Fou- cault zugleich Innenraum (Utopie) und Außenraum (Topie). Beim Tanzen wird

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

das Ineinandergreifen der Räume noch komplexer. Topie und Utopie des Körpers werden auf einen Außenraum (die Tanzfläche) ausgedehnt.

Ausgehend von den soeben beschriebenen, mit dem Körper in Verbindung ge- brachten Utopien kommt Foucault auf seine anfängliche These zurück und korri- giert sie wie folgt: “Es war dumm, wenn ich eben meinte, der Körper sei niemals anderswo, er sei immer nur hier und widersetze sich jeglicher Utopie. In Wirk- lichkeit ist mein Körper stets anderswo […]“16. Er beschreibt seinen Körper da- raufhin als “Nullpunkt der Welt“17, da sich die Dinge in der Welt nur im Verhält- nis zu ihm beschreiben ließen. Der Körper sei “der kleine utopische Kern im Mit- telpunkt der Welt, von dem ich ausgehe, von dem ich träume, spreche, fantasiere, die Dinge an ihrem Ort wahrnehme“18.

Als eine Zwischenform aus real lokalisierbarem Ort und ortlosem Ort kann der Körper nicht statisch sein. Dies verdeutlicht Foucault gegen Ende des Textes u.a. an der frühkindlichen Erfahrung eines zerstückelten Körpers.

Kinder bräuchten, so Foucault, recht lange, bis sie wüssten, dass sie einen Körper hätten. Sie nehmen den Körper als zerstreut war und könnten ihn erst durch den Blick in den Spiegel ordnen und zu einem Ganzen zusammenfügen.

Als weiteres Indiz für die historische Konstruktion des Körpers nennt Foucault die Tatsache, dass die Griechen zu Zeiten Homers die Einheit des Körpers nicht be- grifflich benennen konnten. Foucault schließt daraus: “vor Troja […] gab es keine Körper, es gab nur erhobene Arme, eine mutige Brust, schnelle Beine […]“19.

Erst die Leiche habe den alten Griechen gelehrt, dass es einen Körper gebe, nur für diese sei das griechische Wort für “Körper“ aufgetaucht.

Der “zutiefst und ursprünglich utopischen Erfahrung des Körpers“20 werde durch

den Spiegel und die Leiche ein Raum zugewiesen.

Eine weitere Möglichkeit, um Integrität d.h. eine Erfahrung der Ganzheit des Körpers zu erlangen, sieht Foucault im Begreifen des Körpers durch Andere. Durch deren Blicke und Berührungen “beginnen alle unsichtbaren Teile des Kör-

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

pers zu existieren. An den Lippen des Anderen werden die eigenen Lippen spür- bar.“21

In seiner Ambivalenz des gleichzeitigen Ort- seins und nicht Ort- seins fügt sich der Körper in die Beschreibung dessen ein, was Foucault als “Heterotopien“ be- zeichnet. Der Schwebezustand des Körpers zwischen einer Existenz als “gnaden- lose Topie“22 und Utopie macht ihn zu einem Gegenraum. d.h. zu einem Ort, der anders funktioniert als andere Orte. Der Körper als Heterotopie ist keinesfalls sta- tisch. Als utopischer Akteur ist er sozial konstruiert und in steter Veränderung begriffen. Das bedeutet, dass der Körper einen Ort markiert, an dem Überschrei- tungen stattfinden. Sein utopischer Kern ermöglicht es ihm, seine eigenen Gren- zen zu überschreiten - eine Transformation seiner selbst vorzunehmen, indem er die Grenzen auflöst bzw. neu definiert.

3. ‘Berlin Calling‘ und Techno- Tanz

In dem Spielfilm ‘Berlin Calling‘ (2008) begleiten die Zuschauer_innen den mu- sikalischen Aufstieg der Filmfigur Martin Karow, der unter dem Pseudonym “DJ Ikarus“ in der Technoszene aktiv ist. Regisseur Hannes Stöhr bietet in 100 Minu- ten einen Einblick in das Leben eines DJs.

Die Hauptrolle spielt Paul Kalkbrenner, der auch in der außerfilmischen Realität als DJ arbeitet und der durch seine Rolle sowie das für den Film komponierte Stück “Sky and Sand“ berühmt wurde.

Zunächst sollen wichtige Momente des Filmgeschehens wiedergegeben werden. Auch möchte ich auf die Tatsache eingehen, dass die Partyszenen des Films auf Originalaufnahmen basieren, was sie besonders authentisch wirken lässt.

Weiterhin soll sich die Arbeit auf der Grundlage mehrerer Publikationen über die Technoszene speziell mit der Funktion des Tanzes auf Technopartys beschäftigen, um letztlich Aussagen über die Darstellung von Überschreitung durch Tanz in ‘Berlin Calling‘ treffen zu können.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die anfängliche Näherung an den Begriff der (Selbst- )Überschreitung mit Fou- caults Ansatz soll in Verbindung mit einigen Tanzszenen aus ‘Berlin Calling‘ wieder aufgegriffen werden, die in 3.4. näher betrachtet werden sollen.

3.1. Die Handlung

Ikarus und seine Freundin und Managerin Mathilde (Rita Lengyel) touren durch die angesagten Technoclubs Berlins und der Welt. Zu Beginn befinden sie sich auf einem Flughafen. Darauf folgt eine recht lange einleitende Originalaufnahme einer Outdoor- Technoparty.

Durch ein Gespräch, welches die beiden mit Alice, der Chefin ihres Plattenlabels führen, erfahren wir, dass eine neue Platte geplant ist. Alice, eine kühle, berech- nende, kinematographisch stark überzeichnete Figur, die das erbarmungslose Mu- sikbusiness verkörpert, ist von Ikarus Tracks nicht sehr begeistert. Um zu ent- spannen und den Druck, unter dem er steht, zu kompensieren, konsumiert Ikarus so gut wie alle Drogen, die sein Dealer Erbse ihm anbietet.

Zudem feiert er exzessiv und lässt sich rauschartig von Club zu Club treiben.

Es folgt eine Partyszene, in der Mathilde in einem Club nach Ikarus sucht. Sie macht sich Sorgen und presst aus Erbse heraus, welche Droge er Ikarus verkauft hat. Dieser antwortet von ihrem energischen Auftreten eingeschüchtert: “MDMA, nischt großet.“

Ikarus irrt durch die breiten Straßen Berlins. Die urbane Umgebung wirkt anonym und eintönig, ab und zu fährt ein Auto vorbei.

Auf eine sehr tragisch- komische Schlüsselszene, in der Ikarus in einem Hotelres- taurant auf dem bösen Trip, auf dem er sich noch immer befindet, halluzinierend mit seinem Essen spielt, welches er überall auf dem Tisch verteilt hat, folgt der Wendepunkt. Ikarus wird in eine psychiatrische Klinik eingewiesen.

Die Ärztin Prof. Dr. Petra Paul, eine verständnisvolle Frau fortgeschrittenen Al- ters mit 68er Vergangenheit, die sich auf drogeninitiierte Psychosen spezialisiert und ein Buch über Künstler und ihren Drogenkonsum geschrieben hat, spricht mit Ikarus über seine Erfahrungen. Dieser schildert ihr seine Angst- und Nahtoderfah- rungen und äußert Vermutungen über die Art der Pille, die er erwischt hat: “Normalet Ekstasy war dit nich… Böse Pilln warn dit“.

[...]


1 Michel Foucault (1967), Andere Räume, Typoskript eines Vortrags am Cercle d’Etudes Architecturales, übersetzt von Walter Seitter, wiederabgedruckt in: Karlheinz Barck u.a. (Hg.), Aisthesis. Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik, Leipzig 1990, S. 38

2 Ebd.

3 Ebd., S. 39

4 Michel Foucault (1966), Der utopische Körper, in: Ders.: Die Heterotopien. Der utopische Kör- per. Zwei Radiovorträge, Frankfurt am Main, 2005, S.25

5 Ebd.

6 Ebd.

7 Ebd.

8 Ebd.

9 Ebd.

10 Ebd., S. 26

11 Ebd., S. 28

12 Ebd., S. 30

13 Ebd.

14 Ebd.

15 Ebd. S. 33

16 Ebd., S: 33 f.

17 Ebd., S. 34

18 Ebd. , S. 34

19 Ebd. S. 34

20 Ebd., S. 35

21 Ebd., S. 36

22 Ebd., S. 25

Final del extracto de 24 páginas

Detalles

Título
Darstellung von Selbstüberschreitung in dem Spielfilm "Berlin Calling"
Universidad
Carl von Ossietzky University of Oldenburg  (Kunst und visuelle Kultur)
Curso
Tanz und Film
Calificación
1,3
Autor
Año
2014
Páginas
24
No. de catálogo
V280697
ISBN (Ebook)
9783656740773
ISBN (Libro)
9783656740704
Tamaño de fichero
895 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Tanz, Film, Kino, Berlin Calling, Techno, Selbstüberschreitung, Foucault, Drogen, Musik
Citar trabajo
Christoph Benken (Autor), 2014, Darstellung von Selbstüberschreitung in dem Spielfilm "Berlin Calling", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/280697

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