Innovationsprojekte in der öffentlichen Verwaltung

Change Management und weitere Erfolgsfaktoren bei der Umsetzung von Projekten. Die Digitalisierung von Verwaltungsprozessen


Master's Thesis, 2014

80 Pages, Grade: 2,3


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Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einführung
1.1 Problembeschreibung
1.2 Aktualität
1.3 Methodik
1.4 Ziele der Arbeit

2 Grundlagen zu Innovationen und Innovationsmanagement
2.1 Innovation - eine Definition
2.2 Reform versus Innovation
2.3 Wann ist eine Verwaltung innovativ?
2.4 Warum muss eine Verwaltung innovativ sein?
2.5 Innovationswiderstände
2.5.1 Personelle Innovationswiderstände
2.5.2 Institutionelle Innovationswiderstände

3 Ausgewählte Beispiele von Reformprojekten seit 2005
3.1 Ausblick auf das Kapitel
3.2 Das Neue Steuerungsmodell
3.3 Wissensmanagement in öffentlichen Verwaltungen
3.4 IT-orientierte Verwaltungsentwicklung in unteren Bauaufsichtsbehörden
3.4.1 Veränderungsdruck, Veränderungsperspektiven und Erfolgsbedingungen
3.4.2 Steuerung der Verwaltungsentwicklung
3.4.3 Rechtliche Rahmenbedingungen
3.4.4 Prägungen und Einstellungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
3.5 Modernisierung durch Digitalisierung von Verwaltungsprozessen
3.6 Die Hemmnisfaktoren im Überblick

4 Die Rolle der Führungskräfte in Veränderungsprozessen
4.1 Führungskräfte im Fokus
4.2 Einflüsse auf die Reformbereitschaft von Führungskräften
4.3 Der Regenmacher-Effekt
4.4 Führungskräfte als Promotoren von Veränderungsprojekten
4.4.1 Machtpromotor
4.4.2 Prozesspromotor
4.4.3 Fachpromotor
4.4.4 Beziehungspromotor

5 Methoden und Werkzeuge für ein erfolgreiches Veränderungsmanagement
5.1 Das IOP-Führungskonzept für den öffentlichen Sektor
5.2 Innovationsmanagement-Methoden für den Wandel in Organisationen
5.2.1 Change Management in öffentlichen Verwaltungen
5.2.2 Change-Communication
5.2.3 Akzeptanzmanagement
5.2.4 Innovationsmanagement

6 Fazit
6.1 Innovationshemmnisse auf kommunaler Ebene
6.2 Kritische Erfolgsfaktoren und Innovationsstärken
6.3 Möglichkeiten der Innovationsförderung und Anreizinstrumente
6.4 Ausblick auf weitere Forschungsfelder

Literatur

Eigenständigkeitserklärung

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Verdichtung von negativen Einflussfaktoren auf Veränderungsprozesse

Abbildung 2: Sieben verknüpfte Bereiche der Business-Innovation

Abbildung 3: Triple Helix Model of Innovation

Abbildung 4: Ursachen für Wissensinseln in Organisationen

Abbildung 5: Personelle und institutionelle Innovationswiderstände

Abbildung 6: Modernisierungsaktivitäten bezgl. NSM der deutschen Kommunen

Abbildung 7: Erklärungsfaktoren für die Umsetzung des NSM

Abbildung 8: Positionen zur Modernisierung aus Sicht des Verwaltungschefs

Abbildung 9: Zusammenhang zwischen Breite der Unterstützung und Umsetzungsstand

Abbildung 10: Hinderungsgründe für den Einsatz von Wissensmanagement-Instrumenten

Abbildung 11: Institutionelle Verantwortung für Wissensmanagement in den Behörden

Abbildung 12: Erfolgsfaktoren bei der Umsetzung von Veränderungsprojekten

Abbildung 13: Kommunikation von Zielen für die Verwaltungsentwicklung

Abbildung 14: Ausrichtung der Verwaltungsentwicklung in Bauaufsichtsbehörden

Abbildung 15: Beurteilung von Akzeptanz und Formvorschriften zum E-Government

Abbildung 16: Führungskräfte im Fokus

Abbildung 17: Motivationsfaktoren von Führungskräften

Abbildung 18: Bedeutung verschiedener Aspekte in der Führungsarbeit

Abbildung 19: Ergebnisse der Regressionsanalyse

Abbildung 20: IOP-Führungskonzept für den öffentlichen Sektor

Abbildung 21: Zusammenspiel der fachlichen und überfachlichen Seite der Veränderung und des Veränderungsmanagements im zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang

Abbildung 22: Ermittlung des Bedarfs eines Veränderungsmanagements

Abbildung 23: Inhalte der Stufe "Vision"

Abbildung 24: Inhalte der Stufe "Kommunikation"

Abbildung 25: Inhalte der Stufe "Beteiligung"

Abbildung 26: Inhalte der Stufe "Qualifizierung"

Abbildung 27: Ausschnitt aus einem Arbeitszeugnis

Abbildung 28: Akzeptanzmodell nach Kollmann

Abbildung 29: Dimensionen des Innovationsmanagements

Abbildung 30: Kostenwirkungen der DMS-Szenarien

Abbildung 31: Ebenen der Change-Architektur als erfolgskritische Faktoren

Hinweis: Sollte aus Gründen der leichteren Lesbarkeit einmal auf die neutrale Bezeichnung von Personen und Personengruppen verzichtet worden sein, so meint die gewählte Formulierung beide Geschlechter, auch wenn nur die männliche oder weibliche Form steht.

1 Einführung

1.1 Problembeschreibung

Die öffentliche Verwaltung befindet sich in einer Zeit des organisatorischen Umbruchs und der Neuorientierung. Resultierend aus dem ständigen Sparzwang und des weiter fortschreitenden demografischen Wandels, ergeben sich Herausforderungen, die mit der derzeitigen strukturellen Ausrichtung und der traditionellen Arbeitsweise nicht be­wältigt werden können.

Nicht zuletzt die Umsetzung des Neuen Steuerungsmodells (NSM) seit ca. 1993, als Interpretation des „New Public Management“ in Deutschland, hat gezeigt, dass die Einführung und Umsetzung von betriebswirtschaftlichen Elementen in der öffentlichen Verwaltung sehr schwierig von statten geht.

Aber auch aktuelle Studien, z.B. zum Thema „IT-orientierte Verwaltungsentwicklung in unteren Bauaufsichtsbehörden“[1] durch den Fachbereich Verwaltungswissenschaften und der Syncwork AG oder die Studie zum „Wissensmanagement in öffentlichen Ver­waltungen“[2] der Hochschule Harz und MATERNA, zeigen, dass die Ebene der Führungskräfte als Erfolgsfaktor eine besondere Rolle einnimmt.

Insbesondere im Bereich von Innovationsprojekten, wie z.B. der Einführung von Pro­zessmanagement, bei denen hinsichtlich der Einsparmöglichkeiten erhebliche Potenti­ale errechnet worden sind, gibt es wenig Bewegung innerhalb der (Kommunal-) Ver­waltungen.

Wie bereits in dem Projekt-Abschlussbericht zum Thema „Modernisierung durch Digi­talisierung von Verwaltungsprozessen“ erläutert, leiden die Führungskräfte (und Mitar­beiter) in den Verwaltungen an einer strukturellen und sich eher verschärfenden als nachlassenden quantitativen und qualitativen Überlastung, die durch eine scherenhafte Entwicklung von höheren Anforderungen und größeren Komplexität von außen (Politik, Geld, Innovationen, neue Komplexitäten und technische Entwicklungen oder neue Ge­setze und Regelungen) einerseits und weiter schwindenden Ressourcen auf der ande­ren Seite geprägt wird.

Abbildung 1: Verdichtung von negativen Einflussfaktoren auf Veränderungsprozesse

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung

Motivationsdefizite, Frustration im Alltag, nervige Prozeduren und die mangelnde Be­schäftigung mit dem Neuen (Rückzug in bekannte und tradierte Strukturen) sind dann in den meisten Fällen die Folge. Umso mehr gilt die Ablehnung solchen Projekten, die obendrein noch mehr Aufwand und wenn überhaupt einen sehr späten Nutzen ver­sprechen.

1.2 Aktualität

Durch die schnelle Entwicklung des Umfeldes (z.B. Industrie 4.0[3] ) sowie zunehmende Ansprüche und Forderungen von Seiten der Stakeholder einer kommunalen Verwal­tung, geraten diese im Kontext der Rahmenbedingungen unter einen gesteigerten Ver­änderungsdruck. Auch die gesetzlichen Anforderungen, z.B. aus dem E-Government-Gesetz[4], fordern eine rechtzeitige und teilweise tiefgreifende Veränderung in organisatorischen und technischen Strukturen.

Wie bereits oben angeführt, sind bisherige Veränderungsprojekte mit nur teilweisem Erfolg in den Verwaltungen durchgeführt worden.

Daher gilt es zu hinterfragen, welche Widerstände und Hindernisse bei Veränderungs­projekten auftreten und welche Rolle die Führungskräfte dabei einnehmen.

1.3 Methodik

Die im Folgenden aufgeführten Ziele bzw. Fragestellungen der Masterarbeit sollen durch die Analyse vorhandener Studien zu Reform- und Innovationsprojekten in der öffentlichen Verwaltung beantwortet werden. Bei dieser sekundärempirischen Analyse werden Studien rückwirkend bis zum Jahr 2005 berücksichtigt.

Aus den Ergebnissen der Studien, insbesondere der Handlungsempfehlungen und der kritischen Erfolgsfaktoren, soll die Rolle der Führungskräfte bei Veränderungsprojekten herausgearbeitet werden.

Anschließend sollen aus den Instrumenten des (betriebswirtschaftlichen) Innovations- und Akzeptanzmanagements Werkzeuge entwickelt werden, um die Führungskräfte, insbesondere von Kommunalverwaltungen, bei Veränderungsprojekten zu unterstüt­zen.

1.4 Ziele der Arbeit

Vor dem oben aufgezeigten Hintergrund soll diese Master-Arbeit das Feld des Innova­tionsmanagements theoretisch beleuchten sowie einen Überblick über die vorhande­nen Innovationswiderstände und Motivationsfaktoren in den Reihen der Führungskräfte geben. Beispielhaft soll die Einführung von Prozessmanagement als Innovationsprojekt betrachtet werden.

In einem zweiten Schritt ist geplant, eine Übersicht von Instrumenten aus den Berei­chen Change Management, Akzeptanzmanagement und Innovationsmanagement zu erstellen und die Anwendbarkeit auf die Zielgruppe der Führungskräfte in der öffentli­chen Verwaltung, insbesondere der Kommunalverwaltungen, aufzuzeigen.

Somit kann die Arbeit zusammengefasst in folgende Teilziele untergliedert werden:

- Teilziel 1: Bezeichnung von Innovationshemmnissen auf der kommunalen Ebene einerseits und Chancen, (kritische) Erfolgsfaktoren sowie Innovationsstärken auf der anderen Seite.
- Teilziel 2: Möglichkeiten der Innovationsförderung auf kommunaler Ebene und Entwicklung eines Katalogs von Anreizinstrumenten aus oben genannten Ma­nagementansätzen.

Folgende auf den Teilzielen aufbauende Fragen sollen den Einstieg in die Master-Ar­beit bieten:

1. Warum gibt es Widerstände gegenüber Innovationsprojekten, obwohl ein Be­nefit zu erwarten ist? Welche Arten von Widerständen gibt es?
2. Wer sind die für den Erfolg kritischen Akteure (Führungskräfte, Mitarbeiter, Poli­tik)?
3. Wie kann den Widerständen begegnet werden? Gibt es Motivationsfaktoren, die den Widerständen wirksam entgegentreten können?
4. Welche Ansätze aus dem betriebswirtschaftlichen Innovationsmanagement und Akzeptanzmanagement können die Methoden des Change Managements sinn­voll ergänzen?
5. Welche Handlungsempfehlungen, kritische Erfolgsfaktoren, Schlüsselfunktio­nen (Katalysatoren) können aus den Widerständen und Innovationsbarrieren abgeleitet werden?

2 Grundlagen zu Innovationen und Innovationsma­nagement

2.1 Innovation - eine Definition

Das Wort „Innovation“ hielt erstmals 1915 Einzug in den Duden. Hier wird es mit fol­genden Definitionen beschrieben[5]:

1. (Soziologie) geplante und kontrollierte Veränderung, Neuerung in einem sozia­len System durch Anwendung neuer Ideen und Techniken;
2. (bildungssprachlich) Einführung von etwas Neuem; Neuerung; Reform;
3. (Wirtschaft) Realisierung einer neuartigen, fortschrittlichen Lösung für ein be­stimmtes Problem, besonders die Einführung eines neuen Produkts oder die Anwendung eines neuen Verfahrens.

Eine einheitliche Definition für den Begriff „Innovation“ ist derzeit nicht zu finden. Dies ist sehr verwunderlich, da der Begriff regelrecht inflationär verwendet wird. Grunow spricht deshalb auch von einem „Overloaded Signifier“, einem Begriff mit dem sämtli­che (positive) Veränderung in einem Unternehmen bzw. einer Institution zusammen­gefasst wird.

"Dies ist allerdings weniger das Problem einer Gesellschaft im „Innovations-Fieber“ als (vor allem) ein Problem der wissenschaftlichen Analyse, die das Phänomen genauer beschreiben und erklären will."[6] So beschreibt Grunow die daraus resultierende Schwierigkeit, mit dem Begriff „Innovation“ im Rahmen von Forschungsarbeiten umzu­gehen.

Alle in der Literatur oder in Lexika[7] aufgeführten Definitionsansätze beinhalten aber diese drei Bestandteile aus dem Duden.

Begrifflich zusammengefasst spricht man also von

- Organisations-Innovation,
- Produkt-Innovation sowie
- Prozess-Innovation.

Etwas weiter gefasst, kann man den Innovationsbegriff auch auf die Bereiche der Strategie, des Marketings und der Technologie beziehen, wie folgende Grafik zeigt.

Abbildung 2: Sieben verknüpfte Bereiche der Business-Innovation

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung

Ein Innovationsprozess ist ein dynamischer Vorgang und lebt vom Wissen und von der Kreativität der beteiligten Personen. Dabei geht es um zielgerichtetes Problemlösen, was nicht unbedingt mit der Entwicklung von neuen Produkten zu tun haben muss.

Joseph Schumpeter, der Begründer der Innovationstheorie, verstand unter Innovation die (erfolgreiche) Umsetzung einer Idee, nicht nur deren Erfindung.[8] Daher ist der Innovationsbegriff auch streng abzugrenzen vom Begriff der Inventionen (=Erfindungen).

Umgangssprachlich wird der Begriff der Innovation mit der Entwicklung von neuen Produkten und Dienstleistungen im privatwirtschaftlichen Sektor in Zusammenhang gebracht. Doch dieses Verständnis ist längst überholt. Die öffentliche Verwaltung als Teil des gesellschaftlichen Systems kann und darf sich im Bereich Innovation nicht von der Wirtschaft und den wissenschaftlichen Einrichtungen abhängen lassen.

So heißt es bei Rammert: „Die Pluralisierung der beteiligten Akteure und Instan­zen und damit auch die Beteiligung der anderen gesellschaftlichen Bereiche an den heterogen verteilten Innovationsprozessen werden sichtbar. Dabei geraten diese ande­ren gesell­schaftlichen Bereiche selbst unter Anpassungs- und Veränderungsdruck.

Auf der einen Seite wird nach Innovationen des Bildungswesens, des Arbeitsmarktes und der Sozialpolitik gerufen, gleichsam um durch institutionelle Innovationen ein hin­derliches Hinterherhinken dieser Bereiche zu unterbinden; auf der anderen Seite re­giert die Nachfrage nach Innovationen von Politik [Verwaltung] und Planung, um die Abstimmungs- und Koordinationsprozesse billiger und unbürokratischer zu re­geln.“[9]

Sowie weiter: „Der Innovationsprozess selbst sorgt für eine Vervielfältigung der betei­ligten Instanzen, die nicht mehr nur auf die klassischen Bereiche Wissenschaft und Wirtschaft begrenzt bleiben. Und er wird selbst zum Gegenstand von politischen Steu­erungsinnovationen, um die verschiedenen institutionellen Referenzen koordinieren zu können, durch übergreifende Monitoring- und Evaluationssysteme für das nationale Innovationssystem, durch public-private partnerships (PPP) oder durch heterogene Innovationsnetzwerke zwischen wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und politischen Akteuren.“[10]

Diese Herangehensweise greifen Otter/Weber auf und setzen ihn in den Kontext des „Triple-Helix-Ansatzes“ (siehe Abbildung 3). So hat der Staat, und damit die öffentliche Verwaltung, Einfluss auf die Subsysteme des Innovationssytems. Die folgenden Berei­che können dabei als besonders relevant angesehen werden:

- Patent- und Markenrecht,
- Steuerpolitik,
- Wettbewerbspolitik,
- Öffentliche Forschungsförderung,
- Normung und Standardisierung sowie
- Öffentliche Beschaffung.[11]

Darüber hinaus ist die kommunale Verwaltung ein Standortfaktor für Unternehmen und Forschungseinrichtungen, im Rückschluss auch Begünstigter von diesen beiden Ge­sellschaftssystemen, etwa durch Gewerbesteuereinnahmen und die Imagewirkung von Hochschulen und Forschungseinrichtungen.

Abbildung 3: Triple Helix Model of Innovation

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung nach Etzkowitz et al. 2007

2.2 Reform versus Innovation

In vielen Kommunen allgegenwärtig sind die Reformansätze des New Public Manage­ment (NPM) bzw. dessen deutsches Pendant des Neuen Steuerungsmodells (NSM) der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) aus dem Jahre 1993.[12]

Ohne das Reformpaket an dieser Stelle im Einzelnen zu erläutern, war hiermit die Grundlage für viele organisatorische Paradigmenwechsel gesetzt.

Im Gegensatz zum NSM, dessen Umsetzung nie in einer gesetzlichen Form vorge­schrieben war und ist, hat die Reform des kommunalen Haushaltswesens -als Konse­quenz der outputorientierten Steuerung- seit den Beschlüssen der Innenministerkonfe­renz am 21. November 2003[13] eine Welle von Landesgesetzten hervorgerufen, in de­nen die Umsetzung der Doppik geregelt wurde. Dazu gehören auch die Fristen sowie Handreichungen in Form von Richtlinien und Mustern.

Im Rahmen dieser Umstellung wurden in Sachsen-Anhalt durch das Gesetz über ein Neues Kommunales Haushalts- und Rechnungswesen für die Kommunen vom 22. März 2006 neben den gesetzlichen Anpassungen die folgenden Verordnungen und Verwaltungsvorschriften erarbeitet:

- Gemeindehaushaltsverordnung Doppik (GemHVO Doppik),
- Gemeindekassenverordnung Doppik (GemKVO Doppik),
- Inventurrichtlinie (InventRL),
- Bewertungsrichtlinie (BewertRL),
- Kontenrahmenplan einschließlich Zuordnungsvorschriften,
- Produktrahmenplan einschließlich Zuordnungsvorschriften, sowie
- verbindliche Muster zum Inhalt und zur Darstellung der Haushaltssatzung und ih­rer weiteren Bestandteile.

Was diese Ausführungen verdeutlichen sollen ist, dass Reformen üblicherweise durch Konzepte oder sogar Gesetze initiiert werden. Das Ziel und zumeist auch der Weg sind in der Theorie somit vorgegeben. Das Fehlen dieser Vorgaben kann eine Reform zum Scheitern bringen, wie die fehlende Vorgabe von Wirkungszielen bei dem NSM. Eine Steuerung ohne definierte Kennzahlen ist nicht möglich.

Innovationen hingegen sind aus dem betriebswirtschaftlichen Ursprung heraus, Neue­rungen und Verbesserungsprojekte, die entweder aus den Reihen der Mitarbeiter oder der Kunden entspringen. Hierbei wird ein Wissens- und Kreativprozess in Gang ge­setzt, der seitens der Führungskräfte „nur noch“ moderiert werden müsste. Dabei steht das „Was“ fest, nur das „Wie“ liegt in den Händen derer, die am Prozess beteiligt sind.

Damit wird die starke Verknüpfung von Innovations- und Wissensmanagement deut­lich: Innovationsprozesse funktionieren nicht auf Wissensinseln (siehe Abbildung 4).

Im Kontext dieser Arbeit sollen Innovationen als Veränderungsprojekte verstanden werden, die über die gesetzlich vorgeschriebenen Ansätze des E-Government und des NSM hinausgehen, oder deren Grundlage sind. Dies sind zum Beispiel Prozessma­nagement, Ideenmanagement, E-Partizipation oder Wissensmanagement.

2.3 Wann ist eine Verwaltung innovativ?

Wie bereits festgestellt, geht Innovation über die reine Implementierung von Reform­vorhaben hinaus. Die Einbindung und Beteiligung von internen und externen Wissens­trägern ist ein entscheidendes Merkmal für Innovationsfähigkeit einer Organisation.

Verknüpft mit der Absicht des Erlangens von Wettbewerbsvorteilen gegenüber Mitbe­werbern, sprich anderen Kommunen, kann es nur darum gehen, über dem gesetzli­chen Rahmen hinaus, Dienstleistungen anzubieten, die in der Art und Weise der Er­bringung über dem Standard der „konkurrierenden“ Kommunen hinaus geht.

„Aber es geht nicht nur um Methoden und Instrumente. Innovative Kommunen zeich­nen sich auch dadurch aus, dass dort sowohl das Verhältnis von Politik und Verwal­tung als auch das von Führungskräften und Mitarbeitern zueinander mehr an der Sa­che als am Status orientiert ist. Diese "neue Sachlichkeit", die die unterschiedlichen Interessenlagen und Hierarchieebenen keineswegs negiert, muss immer einhergehen mit einer ethischen Grundhaltung der Gemeinwohlorientierung. Grundhaltungen zu vermitteln, ist schwierig: Sie werden eher angenommen, wenn sie vorgelebt und durch innerbetriebliche Prozesse gestützt werden.“ so die KGSt auf ihrer Themendach-Seite „Innovative Kommune“.

In dieser Arbeit soll insbesondere das Verhältnis von Führungskräften und Mitarbeitern zueinander im Mittelpunkt stehen. Auch der weitere Schwerpunkt aus dem kurzen Zitat der KGSt, das Managen von (innerbetrieblichen) Prozessen wird in diesem Zusam­menhang aufgegriffen.

Wie wichtig eben diese Aspekt der Zusammenarbeit über Hierarchie- und Funktional­ebenen hinaus ist, verdeutlicht folgende Abbildung.

Abbildung 4: Ursachen für Wissensinseln in Organisationen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Darstellung nach Probst/Raub/Romhardt 2012

2.4 Warum muss eine Verwaltung innovativ sein?

„Innovationen auf verschiedenen Steuerungsebenen des Staates dienen folgenden Zwecken:

- Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich mit anderen Staaten, mit anderen staatlichen Organisationen und mit privaten Institutionen;
- Förderung der Kooperationsfähigkeit mit den vorgängig genannten Vergleichs­partnern;
- Einflussnahme auf die wissenschaftlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftli­chen Umsysteme;
- Attraktivitätssteigerung staatlicher Institutionen in der Öffentlichkeit und auf dem Arbeitsmarkt.“[14]

Diese vier prägnanten Zielstellungen beschreiben die Notwendigkeit von Innovationen gleichsam für Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen. Allerdings ist -im tägli­chen Wettbewerb um finanzielle und personelle Ressourcen- insbesondere Hand­lungsbedarf für die kommunale Ebene geboten. Dies wird impliziert durch den ständig steigenden Kostendruck und das wachsende Anspruchsdenken der Stakeholder.

Die Herausforderung besteht darin, mit optimalem Aufwand, ein Maximum an Kunden­zufriedenheit zu generieren und dabei dem demografischen Wandel entgegen zu wirken. Dabei spielt der Fachkräftemangel eine entscheidende Rolle.

Durch innovatives Verhalten kann die Attraktivität der öffentlichen Verwaltung gegenüber der Bevölkerung gesteigert werden. Insbesondere dadurch, dass die Ideen und Vorschläge der Mitarbeiter im Arbeitsprozess Einfluss haben, kann dem Image der „staubigen Verwaltung“ und des „lahmen Amtsschimmels“ entgegengewirkt werden.

Aber auch die Attraktivität einer Verwaltung für die gesellschaftlichen Subsysteme ist ein wichtiger Faktor. Verwaltung hat als Standortfaktor immer mehr an Bedeutung gewonnen. Eine innovative Verwaltung ist für Unternehmen ein Entscheidungskriterium für oder gegen eine Ansiedelung.

Dabei spielt die Vergleichbarkeit mit den umliegenden Kommunen eine große Rolle. Grad hier herrscht, auch im Bereich der Kommunen, tatsächlich Wettbewerb.

2.5 Innovationswiderstände

Innovationswiderstände sind persönliche und institutionelle sowie kulturelle Barrieren, die eine positive Entwicklung einer Organisation verhindern können. Allerdings erge­ben sich auch Widerstände und Hindernisse allein aus der Systematik des öffentlichen Sektors.

„Folgende Systemmerkmale bewirken Innovationshindernisse:

- Budgeterhöhung als Erfolgskriterium: Aufgabenmehrung und die damit verbun­dene Budgeterhöhung gelten traditionell als wichtiger Erfolg des Verwaltungs­handelns. Sie sind oft erstrebenswerter als eine Qualitätsverbesserung und / oder Erneuerung von Verwaltungsleistungen.
- Unterschiedliche Anspruchsgruppen und komplexe Zielsysteme: Öffentliche Institutionen müssen gleichzeitig mehrere Anspruchsgruppen zufriedenstellen, die -wie die Shareholder von Privatunternehmen- das Ergebnis keineswegs nur am ökonomischen Erfolg messen. Die unterschiedlichen Interessen und Er­folgsmaßstäbe (teilweise in Konkurrenz und gar Widerspruch stehend) machen im öffentlichen Sektor Widerstand gegen Innovationsvorhaben wahrscheinlicher als bei den meisten Institutionen des privaten Bereichs.
- Maximierung statt Optimierung: Die Maximierung des Gemeinwohls als Ober­ziel staatlicher Aktivitäten kann kaum mit Wirtschaftlichkeitsgrößen oder Kos­ten-Nutzen-Relationen gerechtfertigt werden. Nichterreichung des Oberziels führt zu weiterem Ressourceneinsatz, der nicht von Wirtschaftlichkeitsvorgaben gesteuert wird. Innovationen können in solchen Situationen als nachteilig emp­funden werden, denn sie richten sich gegen bisherige Arbeitsweisen, verursa­chen in der laufenden Budgetperiode Restrukturierungskosten und gefährden das angestrebte Maximalziel.
- Abhängigkeit des Verwaltungshandelns: Gemäß dem Primat der Politik ist das Verwaltungshandeln der Formulierung politischer Absichten nachgeordnet. Die daraus folgende Abhängigkeit des Verwaltungshandelns behindert die eigen­ständige Ideenfindung und -umsetzung durch das Verwaltungspersonal.
- geringe Fehlertoleranz: Die Verwaltung hat Gesetze treu und exakt auszufüh­ren. Politiker und Führungskräfte der Verwaltung scheuen das Risiko sowie die Kosten und Konsequenzen von Fehlern. Einerseits drohen Sanktionen durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit und die Medien. Andererseits fehlen häufig die Finanzmittel für risikoreiche Investitionen in Innovationen. Meldungen über missglückte Innovationen bedeuten für Politiker in aller Regel Wählerverluste.
- Wertekonflikte: Verwaltungshandeln ist infolge zahlreicher Regelungen stark von eingefahrenen Routinen geprägt ("routinisiert"). Ordnungsmäßiges Arbeiten und die strenge Anwendung des Gleichbehandlungsprinzips stehen im Vorder­grund. Neue Werte können damit in konkurrierender Beziehung stehen. Hierbei ist besonders zu denken an: Flexibilität, Kreativität, Kundenorientierung sowie Unternehmertum. Die bewährte Praxis wird dem risikobehafteten innovativen Handeln häufig vorgezogen.
- Planung und Analyse: Bevor neue Projekte in Angriff genommen werden, sind in der öffentlichen Verwaltung oft zeitaufwändige Planungsprozesse und Analy­sen zur Abklärung der Kosten, Risiken und Folgen notwendig. Hinzu kommen Verzögerungen durch das Gesetzgebungsverfahren. Ein Großteil der Innovati­onskraft kann in diesen langen Zeiträumen verloren gehen.“[15]

2.5.1 Personelle Innovationswiderstände

Zu den personellen Innovationswiderständen gehören die individuellen Wissens-, Fä­higkeits- und Willensbarrieren. Die in Abbildung 5 zusätzlich aufgeführten Normbarrie­ren sind beiden Gruppen, der personellen und der institutionellen Widerständen, zuzu­ordnen. Regelungen, Dienstanweisungen und zum Teil auch Gesetze werden von der Institution erlassen und beeinflussen das Handeln der Mitarbeiter. Da die Ursache für diese Barrieren in der Institution liegt, werden sie im Abschnitt 2.5.2 erläutert.

Abbildung 5: Personelle und institutionelle Innovationswiderstände

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung nach Thom 2011, S. 26f.

Im Folgenden werden die einzelnen Barrieren und Widerstände kurz vorgestellt.

„Wissensbarrieren kennzeichnen das "Nicht-Kennen" von Informationen, Abläufen oder Personen im Zusammenhang mit den vielfältigen Innovationsaufgaben. Eine um­sichtige Informations- und Kommunikationspolitik und ihre praktische Umsetzung kön­nen diese Barrieren abbauen.“[16]

Im Tagesgeschäft eines Sachbearbeiters ist bereits -bei der heutigen Personalsitua­tion- kaum Freiraum, um über den Tellerrand hinaus zu blicken. Die eingelaufenen Pfade werden kaum noch verlassen und jedwede Veränderung bringt auch Zweifel am neuen Prozessablauf. Aktuelle Entwicklungen werden nicht mehr bewusst wahrge­nommen.

Aber auch um Prozesse neu zu organisieren, bedarf es dem Wissen um die Tätigkei­ten und der Abläufe in der Organisation: Wer macht eigentlich was und warum wird es so gemacht?

Die traditionelle Sichtweise aus der Perspektive der Hierarchie hat dazu geführt, dass jeder seinen Zuständigkeitsbereich kennt. Allerdings finden die Abläufe bei -am Pro­zess beteiligten- Kollegen und Organisationseinheiten kaum mehr Beachtung.

Die hierarchie- und funktionalbedingten Wissensinseln (s. Abbildung 4) müssen zur Beseitigung dieser Barriere überwunden werden. Wie im Zitat bereits bemerkt, helfen hier eine Informations- und Kommunikationskultur innerhalb der Behörden. Wenn hier von Innovationsprojekten gesprochen wird, dann empfiehlt sich die Einführung eine Wissensmanagementsystems.

„Fähigkeitsbarrieren entstehen aus "Nicht-Können". Fähigkeiten und Fertigkeiten fehlen, um Innovationsprozesse gestalten zu können. [...] Die Maßnahmen zum Abbau dieser Barrieren liegen im Bereich der Personalentwicklung.“[17]

Auch hier liegt die Problematik in der Personalausstattung. Durch immer geringere Ausstattung mit finanziellen Ressourcen, ist in den letzten Jahren die Reduzierung von Personal die logischste Konsequenz gewesen. Die nunmehr verbleibenden Arbeits­kräfte verrichten jedoch ein mindestens gleichbleibendes Aufgabenpensum.

Dies führ dazu, dass die Zeit für Weiterbildungen und Schulungen oder die individuelle Beschäftigung mit neuen Entwicklungen gänzlich fehlt. So passiert es, dass Gesetzes­änderungen, die Grundlage für das Handeln des Sachbearbeiters sind, zwar in der Gesetzessammlung abgeheftet werden, aber nicht verinnerlicht werden. Bescheide werden dann mit altem Rechtsstand versendet und sind somit erfolgreich anfechtbar.[18]

Wenn also die Möglichkeit fehlt, selbst die für die tägliche Arbeit wichtigen Neuerungen zu verfolgen, so ist an eine Beteiligung an Innovationsprojekten nicht zu denken. Ob­wohl vielleicht die Innovationsprojekte, Prozessmanagement in diesem Fall besonders, dazu geeignet sind, Zeitreserven aufzudecken und Abläufe effizienter zu gestalten.

[...]


[1] http://www.syncwork.de/fileadmin/content_files/pdf-Dowloads/Anlagen_News/Studie_Verwaltungsentwicklung_Bauaufsicht.pdf (zuletzt abgerufen am 13.06.2014)

[2] http://egov.hs-harz.de/index.php/download/category/2-publikationen?download=31:studie-wissensmanagement-in-der-oeffentlichen-verwaltung (zuletzt abgerufen am 13.06.2014)

[3] Vgl. ProPress Verlagsgesellschaft mbH 2014

[4] Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung (E-Government-Gesetz - EGovG) vom 25. Juli 2013 (BGBl. I S. 2749)

[5] http://www.duden.de/rechtschreibung/Innovation (zuletzt abgerufen am 15.06.2014)

[6] Grunow 2014, S. 209

[7] Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Innovation, online im Internet: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/54588/innovation-v8.html (zuletzt abgerufen am 15.06.2014)

[8] Vgl. Schumpeter/Seifert 1993, S. 137f.ff.

[9] Rammert 2010, S. 23

[10] Ebd.

[11] Vgl. Otter/Weber 2011, S. 135

[12] KGSt 1992

[13] 173. Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder am 21. November 2003 in Jena; Beschlüsse siehe http://www.haushaltsreform.de/ (zuletzt abgerufen am 19.06.2014)

[14] Thom 2011, S. 17

[15] Thom 2011, S. 18f.

[16] Thom 2011, S. 26

[17] Ebd.

[18] Persönliches Erlebnis des Autors mit einer Behörde auf Kreisebene

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Details

Title
Innovationsprojekte in der öffentlichen Verwaltung
Subtitle
Change Management und weitere Erfolgsfaktoren bei der Umsetzung von Projekten. Die Digitalisierung von Verwaltungsprozessen
College
University of Applied Sciences Wernigerode  (Fachbereich Verwaltungswissenschaften)
Grade
2,3
Author
Year
2014
Pages
80
Catalog Number
V282028
ISBN (eBook)
9783656765226
ISBN (Book)
9783656765233
File size
2027 KB
Language
German
Notes
CD ist nicht im Lieferumfang enthalten!
Keywords
innovationsprojekte, verwaltung, change, management, erfolgsfaktoren, umsetzung, projekten, digitalisierung, verwaltungsprozessen
Quote paper
Dirk Funke (Author), 2014, Innovationsprojekte in der öffentlichen Verwaltung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/282028

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