Anfänge der Frauenbewegung und Genderdiskussion in Ägypten

Am Beispiel von Qasim Amin und Hoda Scha`arawi als Begründer


Hausarbeit (Hauptseminar), 2014

22 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Geschichtlicher Überblick zur Entstehung der Frauenbewegung in Ägypten
II.1. Der Kampf um die Frauenrechte in Ägypten
II.1.1. Das Recht auf Bildung
II.1.2. Das Recht auf Arbeit
II.1.3. Das Recht auf politische Tätigkeiten
II.1.4. Das Recht auf die Gleichberechtigung:

III. Die Rolle von Qasim Amin in der Bewegung (1863-1908)

IV. Der Einfluss Hoda Sha'arawis auf die Entstehung der Bewegung und Forderung/Förderung der Frauenrechte (1879-1974)

V. Schlussbemerkung: Frauenkämpfe

VI. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Die vorliegende Arbeit behandelt eine besondere Thematik bezüglich der Genderdiskussion und der Entstehung der Frauenbewegung in einem arabischen islamischen Staat: Ägypten. Die Thematik meiner Untersuchung „Genderdiskussion in Ägypten und Entstehung der Frauenbewegung“ habe ich mit besonderem Interesse ausgesucht, da das zentrale Anliegen der Ägypter nämlich politischer und wirtschaftlicher Fortschritt nur durch die aktive Beteiligung der gesamten Bevölkerung mit ihren zwei Flügeln -Männern und Frauen- vollziehbar ist. Aus diesem u.a. Gründen erschien es mir von großer Bedeutung dieses Thema der näheren Betrachtung zu unterziehen.

Die Betonung „islamisch-arabisch“ geschieht hier absichtlich, da die islamisch-arabische Ideologie eine wesentliche Rolle bei der Entstehung der Frauenbewegung in Ägypten spielte und bis heute noch spielt. Diese Betonung zeigt ebenso auf die Schwierigkeiten und Konflikte, welche die Frauenrechtlerinnen erleben mussten. Sie sollten einerseits immer gegen die Patriarchalität des arabischen Mannes kämpfen, der sich als Familienoberhaupt und der alleinige Versorger der weiblichen Mitglieder seiner Familie betrachtet hat und davon ausging, dass ihm die Frauen unterlegen sein sollten. Andererseits mussten sie ebenso gegen eine religiöse Autorität kämpfen, die meiner Meinung nach der Autorität des Papsttums in früheren Zeiten ähnlich sein mag. Die religiösen Gelehrten, die auch ausschließlich Männer waren, legten immer fest, was die Laien (mit weiblicher Mehrheit) zu tun hat, was die religiösen Angelegenheiten betraf, weil die Frauen keinen Zugang zur Bildung hatten.

In dem ersten Kapitel der Arbeit werde ich einen geschichtlichen Überblick über die Entstehungsgeschichte der ägyptischen Frauenbewegung sowie ihrer Schwierigkeiten geben. Dabei wird auf den ersten Herrscher des modernen Ägyptens eingegangen, welcher m.E. den ägyptischen Staatsfeminismus schuf: Muhammed Ali. Er ließ beispielsweise Krankenschwesterschulen bauen und sorgte dafür, dass die Mädchen heiraten konnten, die aus sozialen Einschränkungen durch die Tradition keinen Ehemann finden konnten. In diesem Kapitel werden zudem die Schwierigkeiten erläutert, welche den arbeitenden Frauen begegneten. Dabei wird auch auf den Einfluss der politischen Debatte auf den Verlauf der Bewegung Bezug genommen: 1919 Revolution, 1952 Revolution, der Erste und der Zweite Weltkrieg.

Darüber hinaus behandelt die vorliegende Untersuchung die ersten Schritte bei der Entstehung der Ägyptischen Feministinnen Union im Jahre 1923 und ihre Rolle bei der Entwicklung der ägyptischen Gesellschaftsstrukturen und der Erweiterung des Bewusstseins vieler ÄgypterInnen. Ein wichtiges Problem begegnete ebenso der Feministinnen Union: Obwohl die Frauen das Recht auf Bildung bekamen, waren die Abschlüsse der Frauen denen der Männer nicht gleich bzw. weniger wert. Das war ebenso ein Wendepunkt in der Frauenbewegung, die sich für allgemeine Gleichberechtigung mit den Männern eingesetzt haben und nicht nur bezüglich der Bildung.

In dem zweiten Kapitel wird der Einfluss Qasim Amins auf die Entstehung und Entwicklung des ägyptischen Feminismus erläutert. Dank seinen zwei Büchern („Die Befreiung der Frau“ und „Die neue Frau“) wird Amin als der erste Feminist Ägyptens betrachtet, der sich für Frauenrechte einsetzte. In diesem Kapitel werden auch Amins wichtigsten Kritikpunkte an der Gesellschaft sowie seine Vorschläge zur Veränderung der bestehenden Gesellschaftsstrukturen in Betracht gezogen.

Im dritten Kapitel werde ich die Rolle der ersten Feministin Ägyptens Hoda Schar`awi erörtern, welche als Vordenkerin und Begründerin der Frauenbewegung in Ägypten zu betrachten ist. Danach folgen meine Schlussbemerkungen zu diesem wichtigen Thema, welches in großen Teilen der Bevölkerung als Tabuthema betrachtet wird.

Umgang mit Quellen:

Für diese Untersuchung ist es m.E. sehr wesentlich, dass man Zugang zu arabischsprachigen Quellen hat, die die Genderdebatte und die Frauenbewegung in Ägypten möglicherweise anders betrachten bzw. besser analysieren können. Zitate aus den arabischsprachigen Quellen wurden von dem Verfasser der vorliegenden Untersuchung in die deutsche Sprache übersetzt. Dabei wurde der wort- und sinngetreuen Übertragung aus dem Arabischen in das Deutsche der Vorzug gegeben vor eventuellen anderen Ansprüchen an die Formulierungsweise.

II. Geschichtlicher Überblick zur Entstehung der Frauenbewegung in Ägypten

Zunächst einmal möchte ich den Lesern einen geschichtlichen und ebenso soziokulturellen Überblick geben, wie die ägyptischen Gesellschaften im 18. und 19. Jahrhundert funktioniert haben, bevor es zu dem großen soziokulturellen Wandel durch den wichtigsten Herrscher im modernen Ägypten gekommen ist, der das moderne Ägypten „im heutigen Sinne“ geschaffen hatte: Muhammed Ali. Im 19. Jahrhundert fing man an, sich für etwaige Verbesserung bzw. Veränderung der Frauenlage in Ägypten einzusetzen, die bemerkenswerte Parallelen zu den Anfängen der europäischen Frauenbewegung aufweist. Für die Entstehung der Frauenbewegung waren bestimmte Faktoren sehr wichtig wie z.B. die gesellschaftliche und sogar familiäre Akzeptanz für eine neue Rolle der Frau innerhalb der meistens männlich dominierten Gesellschaften, die sie auf bestimmte Auslegungen der heiligen Schriften des Islam und des Christentums stützten.

Auf der anderen Seite war auch die offizielle Seite des Staates von großer Bedeutung. Zur Erläuterung der Rolle des Staates ist die folgende Frage wesentlich: Wollte der Staat die Neuformulierung der Gesellschaft akzeptieren und sogar fördern oder nicht?

In dem 19. Jahrhundert begannen die Frauen ihre spezifische Situation als Frauen öffentlich zur Sprache zu bringen, die bestehenden patriarchalischen Strukturen infrage zu stellen, vorgegebene Grenzen zu überschreiten und kollektiv im öffentlichen Raum politische Forderungen zu erheben. (S. Kreile, Renate: Frauenbewegung in der arabischen Welt -Gemeinsamkeiten und Konfliktslinien, 2006)

Hanna Wettig schrieb in der Zeitschrift „Informationszentrum Dritte Welt“:

Die Geschichte des arabischen Feminismus ist geprägt von Nationalismus, antikolonialem Widerstand, patriarchalen Familienstrukturen und der Fokussierung auf den Frauenkörper. FeministInnen haben sich über 100 Jahre am Islam abgearbeitet und gegen den Westen abgegrenzt. Ss stand die Frau im Zentrum des Widerspruchs zwischen Okzident und Orient." (S. Wettig, Hannah: Selbstbewusst zwischen den Welten)

Der Kampf um die Frauenrechte war eingebettet in dem nationalen Befreiungskampf gegen die Briten. Dabei spiegelte die Befreiung der Frau von den soziokulturellen Fesseln innerhalb der ägyptischen Gesellschaft die Befreiung des gesamten Landes von den Briten wider. Die Befreiung der Frau war für den nationalen Fortschritt und für die Befreiung des Staates wesentlich. Im 19. Jhd. herrschte in Ägypten eine bestimmte Frauenrolle, die der sog. Harem-Ära ähnlich gewesen war. In dieser Zeit wurde das Leben der Ägypter in zwei Teilen bzw. Aufgaben aufgeteilt: Eine private Seite, die meistens nur zuhause vollziehbar war. Für diese Aufgaben standen ausschließlich die Frauen bereit. Diese Frauen, die nur Haushaltsaufgaben und Kindererziehung leisten durften und keinen Anspruch auf Bildung, Arbeit oder auch eine politische Rolle hatten, wurden als „ehrenvolle“ bzw. edle Frauen betrachtet. Zu dieser Zeit waren die Männer sehr stolz darauf, dass ihre Frauen das Haus nie verlassen haben. Auf der anderen Seite gab es die öffentliche soziale bzw. gesellschaftliche Rolle, die ausschließlich den Männern zugeschrieben worden war. (Vgl. aus dem arabischen Original, Wasfi, Dalia: Entstehung und Entwicklung des ägyptischen und internationalen Feminismus)

Sowohl die damaligen Traditionen als auch bestimmte Auslegungen der heiligen Schriften formalisierten die männliche Autorität und Macht und schafften ein System der geschlechtlichen Ungleichheit, da die Frauen den Männern unterlegen seien und den Männern gegenüber gehorsam sein sollten, weil sie -wie man zu sagen pflegte- Mangel an Verstand und Glauben hätten. Man legte die Rolle des Mannes als Familienoberhaupt mit allen damit verbundenen Privilegien und Vorrechten fest, die einige Männer als Gegenleistungen für ihren Schutz, ihre Versorgung, Finanzierung und Unterstützung der Frauen gegenüber betrachteten.

Die Überschreitung dieser gesellschaftlich vorgeschriebenen Privatheit-Öffentlichkeits-Grenze geschah allerdings allmählich. Es wurden ehrenamtliche u.a. soziale Bewegungen gegründet, die an der Entwicklung, Modernisierung und sogar bei der Aufklärung der Bevölkerung teilhaben wollten. Zur Unterstützung dieser ehrenamtlichen sozialen Arbeit der Frauen wurden Zeitschriften gegründet, in denen ausschließlich die Frauen die dominierende Rolle spielten: Die Frauenaufgaben in der neuen Gesellschaft wurden erläutert und bestimmte wichtige soziale Probleme wurden diskutiert. Z.B. erschien im Jahre 1892 die allererste Frauenzeitschrift in Ägypten „al-Fatah: Das Mädchen“. (Vgl. Huber, Alfred: Frauenbewegung und Frauenemanzipation in Ägypten)

Im Jahre 1925 erschien eine weitere Frauenzeitschrift „Al-Masrya: Die Ägypterin“. Herausgeberin war Ceza Nabarawi (1897-1985), die im Zusammenhang mit der Revolution 1919 die Anhebung des Heiratsmindestalters für Mädchen auf 16 Jahre vorgeschlagen hatte und die später, so wie Hoda Sha’arawi, zur stellvertretenden Präsidentin der Weltfrauenliga gewählt wurde. Auch die Zeitschrift „El-Amal: Die Hoffnung“, geleitet von Monira Thabet, beschäftigte sich ab 1925 mit dem Problem der Frauenrechte. (Ebd.)

Durch diese journalistische Arbeit traten die Frauen in das öffentliche Leben ohne große Konflikte weder mit den Männern noch mit der Gesellschaft: Sie begannen, journalistische Artikel zu schreiben, in denen sie ihre Meinung äußern konnten/durften. Die Chefs der einzelnen Abteilungen wurden gewählt. Andere Frauen führten die Buchhaltung und organisatorische Arbeiten durch. Diese Tätigkeiten verliehen den Frauen den Mut, sowohl politische, öffentliche als auch soziale Arbeiten leisten zu können/wollen. Diese Tätigkeiten galten als Übung für Frauen, damit sie ihre Rechte wahrnehmen können, wenn sie es dürfen.

Ab 1908 bis 1919 wurden weitere soziale Organisationen gegründet. Einige beschäftigten sich hauptsächlich mit sozialen Arbeiten wie der Waisenbetreuung, Bildung für die Armen etc. Andere kümmerten sich ausschließlich um die Förderung der Frauenrolle in der ägyptischen Gesellschaft. (Vgl. aus dem arabischen Original, Shukrallah/Darwisch/Wasif, 1998: 9)

II.1. Der Kampf um die Frauenrechte in Ägypten

II.1.1. Das Recht auf Bildung

Die Frauenbefreiung hat in Ägypten mehrere Phasen durchlaufen müssen. Das erste und größte Interesse war auf die Bildung der Frauen konzentriert. Die Parole „Gleiche Bildungschancen für alle“ war zu dieser Zeit in Ägypten kaum vorhanden. Es gab auch kaum bürgerliche Initiative, um die Frauenrechte zu fordern. Die Befreiung der Frauen bzw. die neue Gestaltung der Gesellschaft wurde von den damaligen Herrschern gestartet. In diesem Zusammenhang ist auch wesentlich zu erwähnen, dass Muhammed Ali der erste gewesen ist, der den Staatsfeminismus in Ägypten geschaffen hat.

Im Jahre 1805 haben einige Vertreter der ägyptischen Elite Muhammed Ali zum Herrscher Ägyptens ernannt. Mit diesem nicht-ägyptischen Herrscher begann m. E. die goldene Zeit des modernen Ägyptens, da er als der eigentliche Begründer des modernen Ägyptens zu betrachten ist. Muhamed Ali setzte sich nicht nur für die Bildung der Staatsinstitutionen, Bildung und den Austausch von Forschern und Wissenschaftlern aller Fachrichtungen mit v.a. europäischen Staaten ein, sondern befasst sich auch mit der Bildung der Inländerinnen „der Ägypterinnen“. Er wollte der Frau eine neue soziale Rolle schaffen, die die Frau vorher nicht spielen durfte.

Der Start der Frauenbefreiung begann in Ägypten in früheren Zeiten, als Muhammed Ali im Jahre 1830 die die erste Medizinhochschule bauen ließ. Zu dieser Zeit war die ägyptische Gesellschaft davon sehr überzeugt, dass die ägyptischen Frauen von keinem männlichen Arzt untersucht werden durften/sollten, auch wenn dies zum Tod der weiblichen Kranken führen konnte.

Aus eigener Initiative hatte Muhammed Ali die allererste Mädchenschule (Krankenschwesterschule) im Jahre 1832 eröffnet, in der die Mädchen medizinische Grundkenntnisse v.a. die Geburt betreffend erwerben und sämtliche Frauenkrankheiten heilen lernen sollten. Da die Gesellschaft immer noch dagegen war, dass die Frauen Bildung bekommen durften, hatten es fast alle Ägypter verweigert, ihre Mädchen in diese Schule zu schicken, obwohl Muhammed Ali sie mit hohen Strafen bedroht hatte. Erst im Jahre 1837 erreichte die Zahl der Schulmädchen 50, weil Muhammed Ali ihnen sehr viele Privilegien bzw. Vorteilen versprochen hatte.

Diesen Mädchen ist ein anderes Problem begegnet, nämlich, dass sie in der Gesellschaft so verachtet waren, dass keiner sie heiraten wollte. Als Lösung dafür hatte Muhammed Ali befohlen, dass die männlichen Medizinabsolventen die Mädchen der Mädchenschule heiraten sollten. Der Staat hatte dafür gesorgt, eine gemeinsame Hochzeitsfeier zu veranstalten. Darüber hinaus übernahm der Staat die Kosten der Hauseinrichtungen für die Ehepartner. (Vgl. aus dem arabischen Original, Wasfi, Dalia: Entstehung und Entwicklung des ägyptischen und internationalen Feminismus)

Die Betonung bzw. die Wiederholung des Wortes „Heirat“ ist hier absichtlich geschehen, damit man merken kann, wie wichtig die Heirat für die damalige Gesellschaft war. Im Gegensatz zu den Männern, die außereheliche Beziehungen haben konnten, was sogar als Indikator für gute, starke und fruchtbare Männlichkeit gedeutet wurde, durften die Frauen keine außerehelichen Beziehungen führen. Diese Aufteilung hatte m.E. wenig mit Religion bzw. religiösen Gewohnheiten zu tun. Das sind soziale Rollenaufteilungen in der damaligen männlich dominierten Gesellschaft und es war auch logisch, dass diese Aufteilung zugunsten der Männer war und die Frauen als menschliche Wesen unterdrückt hat und ihnen kaum Rechte als Persönlichkeit zusprach.

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Details

Titel
Anfänge der Frauenbewegung und Genderdiskussion in Ägypten
Untertitel
Am Beispiel von Qasim Amin und Hoda Scha`arawi als Begründer
Hochschule
Universität Vechta; früher Hochschule Vechta  (Institut für Geistes- und Kulturwissenschaften)
Autor
Jahr
2014
Seiten
22
Katalognummer
V282139
ISBN (eBook)
9783656766452
ISBN (Buch)
9783656838388
Dateigröße
470 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Frauenbewegung, Ägypten, Genderdiskussion, Gleichberechtigung
Arbeit zitieren
wissenschaftlicher Assistent Ramadan Nooh (Autor:in), 2014, Anfänge der Frauenbewegung und Genderdiskussion in Ägypten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/282139

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