Der Technologietransfer Deutschland. USA nach dem Zweiten Weltkrieg am Beispiel der Kochel Windkanalanlage


Thesis (M.A.), 2004

167 Pages, Grade: Gut


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Vorwort
1.2 Einordnung des Themas
1.3 Forschungsstand
1.4 Quellenlage
1.5 Fragestellung und Struktur

2 Die Ursprünge des Kochel-Windkanals
2.1 Chronologische Entwicklung der Windkanäle in Deutschland
2.2 Das Aerodynamische Institut der Heeresversuchsstelle Peenemünde
2.2.1 Organisatorische Gliederung des Personals des AI an der HVP
2.2.2 Der Luftangriff der RAF vom 17. - 18. August 1943
2.2.3 Die Verlagerung des AI nach Kochel
3 Die Vorbereitungen der USA auf die Technischen Missionen
3.1 Die Entstehung von CIOS
3.2 Die Entstehung von FIAT
3.3 Die Naval Technical Mission in Europe (NavTechMisEu)

4 Das Eintreffen der Amerikaner Mai 1945
4.1 Schutz der Dokumente
4.2 Die Übergabe der WVA
4.3 Sicherung der Anlage und Eintreffen der Spezialisten
4.4 Technischer Entwicklungsstand der Windkanalanlagen 1945
4.4.1 Die 40 x 40 cm-Messstrecken
4.4.2 Die 18 x 18 cm-Messstrecke
4.4.3 Projekt „A“
4.5 Beurteilung durch die amerikanischen Dienststellen

5 Transfer und Weiterführung der Projekte in den USA
5.2 Die Verlagerung der Anlage
5.3 Ausnutzung des Archivs

6 Anwendungsbeispiele in der Amerikanischen Rüstung nach 1945
6.1 Naval Ordnance Laboratory in White Oak, Maryland
6.2 Das Arnold Engineering and Development Center

7 Zusammenfassung und Beurteilung

8 Anhang
8.1 Abkürzungsverzeichnis
8.2 Bildanhang
8.3 Materialanhang

9 Quellenverzeichnis
9.1 Primärquellen
9.2 Gedruckte Quellen

10 Literaturverzeichnis
10.1 Zeitgenössische Literatur, Memoiren
10.2 Monographien
10.3 Periodika

1 Einleitung

1.1 Vorwort

Kaum ein Thema der neuesten Geschichte ist so intensiv journalistisch aufgearbeitet worden wie die Entwicklung der Raketenwaffen in Peenemünde. Betrachtet man die Sekundärliteratur, so kann man den Eindruck bekommen, dass der Gegenstand unter allen wesentlichen Gesichtspunkten dargestellt worden ist - von der Faszination technischer Entwicklungen in Adalbert Bärwolfs „Es begann in Peenemünde“ über den Vorwurf einer unmoralischen Verschwörung in Linda Hunts „Secret Agenda“ bis zur These einer Hetzjagd in Franz Kurowskis „Unternehmen Paperclip, Alliierte Jagd auf deutsche Wissenschaftler“.

Der Technologietransfer, der als eine Voraussetzung für alle späteren Entwicklungen der Raketentechnik gelten kann, ist bei diesen Darstellungen allerdings immer in den Hintergrund getreten. Zwischen Technik und Moral steht Organisation, ein oft nicht beachtetes Bindeglied menschlichen Handelns. Die Organisation bestimmt, wie mit Mensch und Maschine verfahren wird, ob die Technologie im Sinne der zivilen Forschung, z.B. der Weltraumfahrt, oder der Entwicklung von Massenvernichtungswaffen, z.B. der Atomraketen, eingesetzt wird.

Die Organisation eines Transfers von Mensch, Gedankengut und Material darzustellen, ist der leitende Gedanke der vorliegenden Arbeit.

Die Grundidee für die Arbeit entstand im Jahre 2001 während eines Aufenthaltes am Amerikanischen Nationalarchiv. Bei einem Praktikum für das Magisterhauptfach Bibliothekswissenschaften kam der Autor in Berührung mit den sog. Technical Intelligence Reports der alliierten Streitkräfte. Diese Berichte waren verfasst worden, um einen übergreifenden Eindruck vom Fortschritt der deutschen Rüstungsforschung während des zweiten Weltkrieges zu gewinnen. Ohne Zweifel dienten sie auch der Beantwortung der Frage, ob sich das eroberte Material bei einer Übernahme in die eigene Forschung als nützlich erweisen könnte. Die Durchsicht dieser Akten weckte das Interesse an einer weitergehenden Beschäftigung mit diesem Aspekt der Zeitgeschichte im Rahmen einer Magisterarbeit. Eine Eingrenzung des Themas war jedoch erforderlich, da nach dem Zweiten Weltkrieg eine derart große Zahl von Projekten der deutschen Rüstungsforschung übernommen wurde, dass es notwendig erschien, eines davon auszusuchen, um es in seinem vollen Umfang beschreiben zu können. Für eine exemplarische Untersuchung des Transferprozesses bot sich das von den Amerikanern in den Regierungsakten als „Kochel Windtunnel“1 beschriebene Projekt an, da hierzu eine Fülle von Akten vorliegt, die „Recommendation on“2, „Shipment of“3 und „Plans of“4 betitelt sind.

1.2 Einordnung des Themas

„Durch die Bewegung eines Flugzeuges in der Luft entstehen Kräfte an seiner Oberfläche und tragen es. […] Das Zusammenwirken dieser Luftkräfte und ihre Abhängigkeit von Gestalt und Bewegung des Flugzeuges bestimmen weitgehend die Auslegung seiner Form, seiner tragenden Struktur und seiner Steuerung und damit seine Flugleistungen und Flugeigenschaften.“5

Mit diesen Worten geht Werner Heinzerling auf die Frage ein, wozu man Windkanäle braucht. In einem 1990 in Ludwig Bölkows Buch Ein Jahrhundert Flugzeuge erschienenen Beitrag stellt er die Entwicklung der Aerodynamik als wichtigen Teilbereich der Luftfahrtforschung heraus. Die Untersuchung des Luftwiderstands, d.h. der aerodynamischen Eigenschaften, ist bis heute aktuell und untrennbar mit vielfältigen Anwendungen vom Auto bis zum Raumgleiter verbunden.

Die Wurzeln dieser wissenschaftlichen Disziplin reichen zurück bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts. Zu dieser Zeit ebneten einige herausragende Entdeckungen den Weg in ein neues Zeitalter. Neue Forschungsrichtungen wurden begründet durch die Entdeckung der Röntgenstrahlen, der Radioaktivität und der Molekularkräfte, die hergebrachten Wissenschaften spezialisierten sich zunehmend. In diesem Zusammengang interessiert uns die Strömungslehre oder auch Hydrodynamik. Sie ist einer der ältesten Bereiche der theoretischen Physik und geht zurück auf frühneuzeitliche Erkenntnisse von Galileo Galilei und Leonardo da Vinci. Sir Isaac Newton fasste deren Erkenntnisse in seinem Werk: Philosophiae Naturalis Principia Mathematica von 1687 in einer ersten einheitlichen Theorie zusammen. Daniel Bernoullis Abhandlung Hydrodynamica sive de viribus et motibus fluidorum commentarii verdankt die Disziplin schließlich ihren Namen.6

Ludwig Prandtl wurde bei seiner Beschäftigung mit hydrodynamischen Eigenschaften in den ersten Jahren des 20. Jahrhundert auf ein bedeutendes Phänomen aufmerksam. Die Strömung innerhalb eines Körpers schien sich von seiner Innenwand abzulösen, anstatt an ihr entlang zu fließen. Er stellte seine Erkenntnisse der Öffentlichkeit 1904 auf dem 3. internationalen Mathematiker-Kongress in Heidelberg vor. Die Grenzschichttheorie war geboren und mit ihr die Voraussetzung für die kommende Erforschung des Überschalls, denn „die klassische Hydrodynamik fächerte sich [auf] in die (spezielle) Hydrodynamik, die Aerodynamik, die Thermodynamik und die Gasdynamik […]“7.

In dem Maße, wie sich der moderne Flugzeugbau entwickelte, nahm auch die Bedeutung der Aerodynamik immer mehr zu. Weltweit wurden die ersten Windkanäle gebaut, in denen Modelle auf ihre Flugeigenschaften hin untersucht wurden. Die Erkenntnisse waren zunächst empirischer Natur, da es an der wissenschaftlichen Durchdringung des Themas noch mangelte. Neue Erkenntnisse wurden in dem Maße gewonnen, in dem sich leistungsfähigere Windkanäle realisieren ließen.

In diesem Zusammenhang hatten die restriktiven Auflagen der Siegermächte nach dem Ersten Weltkrieg eine fördernde Wirkung auf die deutsche Luftfahrtforschung. „Je härter wiederum die Verbote wurden und je länger sie dauerten, desto mehr fühlte sich die deutsche Luftfahrt im moralischen Recht, sie zu missachten“.8 Die Forschungsinstitute und Universitäten wandten sich in den 20er und 30er Jahren der Grundlagenforschung zu, und bereits sehr früh, genau im April 1934, wurde an der Technischen Hochschule in Aachen mit dem Bau eines ersten Überschallwindkanals begonnen.

Die Notwendigkeit aerodynamischer Untersuchungen und die Entstehung einer deutschen Forschungslandschaft mündete in einen Wettbewerb internationaler Grundlagenforschung. 1933 hatte das Reichsluftfahrtministerium die Bedeutung dieser Forschung erkannt und wandte sich an Carl Wieselsberger, den Konstrukteur der Aachener Unterschallwindkanäle, um sich seine Unterstützung für ein neues Überschallprojekt zu sichern. Wieselsberger kontaktierte daraufhin Rudolph Hermann, einen jungen Doktoranden, der sich zum ersten Mal mit dieser Problematik vertraut machen sollte. Nach der Fertigstellung dieses Projektes 1935 dauerte es kein ganzes Jahr, bis Wernher von Braun im Auftrag des Heeres Aachen besuchte, um Wissenschaftler für den Bau eines Überschallwindkanals für die geheimen Laboratorien in Peenemünde zu rekrutieren. Die Rüstung für den Krieg war in vollem Gange, und es bestand großes Interesse daran, Geschosse zu produzieren, die weiter flogen, präziser waren und größeren Schaden beim Einschlag anrichteten als ihre europäischen Gegenstücke. 1937 konnten die Versuche an den von der Industrie gelieferten Modellen beginnen.

Windkanäle hatten am Vorabend des Zweiten Weltkriegs über die Flugzeugentwicklung hinaus eine Bedeutung für die Waffenentwicklung gewonnen. Selbst wenn es noch lange dauern sollte, bis Flugzeuge die Schallmauer durchbrechen konnten, die Anstrengungen zum Bau der experimentellen Anlagen waren mehr als gerechtfertigt. Eine erste Anwendung der Erkenntnisse von Hermanns Windkanaluntersuchungen in Aachen zeigte die Reichweitenverbesserung eines Geschosses um bis zu 50 %. Mit der Erforschung der aerodynamischen Eigenschaften von Projektilen und Raketen wurde eine weltweite Vorreiterrolle erreicht.

Nach der Entdeckung von Peenemünde durch die Engländer im Jahre 1943 und der daraufhin eingeleiteten Bombardierung entschloss man sich zur Ausgliederung und Verlagerung des Aerodynamischen Instituts. Mehrere Gründe spielten dabei eine Rolle, u.a. auch der Bau eines noch leistungsfähigeren Windkanals, als er bisher in Peenemünde in Verwendung war. Die Anlagen wurden innerhalb eines Jahres nach Kochel in Oberbayern verbracht, um unter dem Deckmantel einer GmbH die Forschung wieder aufzunehmen und mit dem Neubau der größeren Anlagen zu beginnen.

Nach der Niederlage 1945 erkannten die Amerikaner, wie intensiv auf dem Gebiet der Aerodynamik in Deutschland geforscht worden war. In einem Bericht, der die in Kochel eroberten Forschungsberichte bewertet, heißt es:

„In scanning the reports and talking with the people who did the work, one is struck with two items. First, our approach to the wind tunnel developments has very closely paralleled theirs, both in our successes and failures. Second, one cannot escape noticing that the trials and errors made by us last year were made by them five or six years ago.”9

Die deutschen Erfahrungen auf dem Gebiet der Aerodynamik waren so bedeutsam, dass man sich entschloss, diesen gesamten Bereich des ehemaligen Aerodynamischen Instituts von Peenemünde in die USA zu überführen. Die Windkanäle und die an ihnen geleisteten Forschungsarbeiten stellten dabei nur einen kleinen Teil des durch das Project Paperclip transferierten Wissensfundus dar.

Der Transfer dieser Erkenntnisse, der mit ihnen verbundenen Menschen, Dokumente und Forschungsanlagen ist das Thema dieser Arbeit. Sie soll in einer exemplarischen Untersuchung den Werdegang eines Forschungsprojektes verfolgen, von der Entstehung, über die Eroberung und Übernahme bis zur Integration.

Die Fortschritte der amerikanischen Luft- und Raumfahrtforschung in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts basierten sicher nicht ausschließlich auf deutschen Projekten, wie Kritiker dieser Art von Untersuchungen zu bedenken geben. Der positive Einfluss gerade der Aerodynamik lässt sich jedoch nicht abstreiten, und die Vorgehensweise, mit der Spezialisten auf Schlüsselzentren der Grundlagenforschung verteilt wurden, spricht für sich.

1.3 Forschungsstand

Bei der Beschäftigung mit der einschlägigen Literatur ließ sich feststellen, dass die einzelnen Phasen des Prozesses der Übernahme von Technologie, der von John Gimbel als „Intellectual Reparations“ bezeichnet wurde, sich zu einem Gesamtbild zusammenfügen lassen. Die Etappen eines einzelnen Projektes von der Entstehung über Eroberung und Übernahme bis zur Integration ließen sich jedoch nicht systematisch recherchieren. Eine übergreifende Darstellung der Ereignisse in Peenemünde, Kochel und später in den USA fand sich allein in den Memoiren beteiligter Personen. Eine objektive Betrachtung auf dem Hintergrund damals geltender Direktiven ist jedoch von ihnen naturgemäß nicht zu erwarten.

Die Peenemünder bzw. Kocheler Windkanäle finden in der vorliegenden Literatur unter folgenden Gesichtspunkten Beachtung:

1. Als Teilaspekt des Project Paperclip

Die 1999 an der Universität Erlangen/Nürnberg vorgelegte und bis heute leider unveröffentlichte Dissertation von Manfred Herrmann stellt die neueste wissenschaftliche Abhandlung des deutschsprachigen Raumes dar. Es handelt sich hier nach Wissen des Autors um die einzige Darstellung, die auf amerikanischen Regierungsquellen und OMGUS-Akten basiert. Dabei muss besonders hervorgehoben werden, dass Herrmann 1999 noch Zugang zu Archivalien hatte, die auf amerikanischen Militärbasen gelagert sind, so z.B. dem United States Air Force Historical Research Center auf der Maxwell Air Force Base und den Operational Archives der Navy. Der Zutritt, bis 1999 durch den deutschen Militärattaché anberaumt, ist Nicht-Amerikanern nach den Ereignissen des 11. September 2001 verwehrt.

In deutschen populärwissenschaftlichen Darstellungen, die Franz Kurowski in den 80er Jahren unter verschiedenen Titel veröffentlicht hat, dient die Kocheler Anlage als Beispiel. Von den Veröffentlichungen im englischen Sprachraum sind u.a. die Werke von Tom Bower und Linda Hunt anzuführen. Diese Arbeiten zum Thema Paperclip leiden jedoch unter der einseitigen Zielsetzung, die sich auf den Sicherheitsaspekt der amerikanischen

Demokratie beschränkt. Die Untersuchung der Frage, ob die Dossiers der deutschen Wissenschaftler geschönt wurden, um in der Folge Verbrechern des NS-Regimes den Zugang in die Vereinigten Staaten zu ermöglichen, berührt die Peenemünder Gruppe und die Windkanäle lediglich am Rande.

Eine tiefergehende Beschäftigung mit der Struktur des Projektes findet sich in dem Werk von Clarence Lasby: Project Paperclip, German Scientists and the Cold War. Obwohl Lasby zum Zeitpunkt der Veröffentlichung, 1975, noch durch strenge Sicherheitsbestimmungen eingeschränkt war, lieferte er eine erste schlüssige Darstellung des Gesamtkomplexes. Die Brisanz des Themas wird besonders deutlich, wenn man bedenkt, dass es bis zu zehn Jahre gedauert hatte, bis seine Arbeit die entsprechenden Regierungsstellen passiert hatte und gedruckt werden durfte.

Ein weiteres Standardwerk wurde 1990 von John Gimbel veröffentlicht. Waren Linda Hunt 1991 und Tom Bower 1988 besonders an der NS-Schuldfrage interessiert, so beleuchtete Gimbel den Themenkomplex aus einer neuen Perspektive. Seine Nachforschungen galten dem Aspekt der Ausbeutung des besiegten Landes, daher der Untertitel Exploitation and Plunder in Postwar Germany. Im Gegensatz zu Lasby hatte Gimbel weit weniger Hürden bei der Faktenrecherche zu nehmen und konnte erstmals mit einer Vielzahl von Originalquellen die damals geltenden Direktiven wiedergeben. Die genannten Veröffentlichungen haben im englischsprachigen Raum bis heute den Rang von Standardwerken und bildeten den Ausgangspunkt der bibliographischen Recherche.

2. Als Teilaspekt der Raketenentwicklung mit Schwerpunkt Militärgeschichte

Zum militärgeschichtlichen Aspekt der Windkanäle wurden Ende der 90er Jahre drei Bücher in Deutschland veröffentlicht, die den aktuellen Forschungsstand widerspiegeln. Das mit Abstand vollständigste Werk ist Botho Stüwes Peenemünde West von 1998. Wie der Titel schon nahe legt, handelt es sich bei diesem Buch um eine Bestandsaufnahme der Entwicklungen auf Seiten der Luftwaffe.Die Luftwaffe war Nutznießer der durch das Heer errichteten Windkanäle und übergab deshalb Forschungsaufträge an das Aerodynamische Institut. Leider wird in diesem äußerst umfangreichen Buch nicht näher auf die Details der Windkanäle eingegangen, da ihre Geschichte Teil von Peenemünde Ost war. Ein weiteres Buch über die Vorgänge in Peenemünde ist unter dem Titel Raketenspuren erschienen. Die Autoren Volkhard Bode und Gerhard Kaiser haben sich bemüht, die Geschichte beider Versuchsstellen in chronologischer Form nachzuvollziehen. Während Stüwe auf die Entwicklungsgeschichte einzelner Raketenwaffen eingeht, wird das Thema hier in seiner Gänze beleuchtet. Leider wird auch hier nur in kurzen Absätzen auf die Windkanäle hingewiesen. Schließlich soll Gerhard Reisigs Raketenforschung in Deutschland nicht unerwähnt bleiben. Es ist das letzte zusammenfassende deutsche Werk eines Zeitzeugen und steht deshalb auf der Schwelle zwischen Primär- und Sekundärliteratur. Die Technologie der sog. V-Waffen und ihre Entwicklung in Peenemünde Ost werden hier im Detail erläutert.

Die ausführlichste Darstellung unter Berücksichtigung der am aerodynamischen Institut gemachten Fortschritte findet sich in der Veröffentlichung Michael J. Neufelds The Rocket and the Reich von 1995. Das Werk ist die vollständigste Bewertung der in Peenemünde Ost getätigten Raketenentwicklungen. Der Autor, von Beruf Kurator an der Smithsonian

Institution, bietet eine beeindruckende Zusammenstellung von Material aus z.T. schwer zugänglichen Archiven in den USA, Deutschland und England. Neufeld war es möglich, neben den Beständen allgemein zugänglicher Archivzentren (Bundesarchiv in Koblenz und Freiburg, Imperial War Museum in London und National Archives in Washington DC) die Archivalien der militärischen Forschungszentren des Redstone Scientific Information Center (RSIC) in Huntsville und des Army Intelligence and Security Command (INSCOM) in Fort Meade einzusehen. Wie bereits erwähnt sind diese auf Militärbasen gelegenen Archivzentren europäischen Forschern nicht mehr zugänglich. Die Auswertung dieser Quellen macht Neufelds Arbeit, ebenso wie die von Manfred Herrmann, besonders interessant.

3. Als Teilaspekt der Raketenentwicklung mit Schwerpunkt Technikgeschichte

Die Technikgeschichte hat sich in jüngster Zeit erneut mit den Fortentwicklungen deutscher Kriegstechnologie im Ausland beschäftigt. Als Gegenstück zum amerikabetonten Bild der vorliegenden Arbeit soll hier auf einen 2001 erschienenen Aufsatz in der Zeitschrift für Technikgeschichte von Mathias Uhl mit dem Titel Hightech unter realsozialistischen Bedingungen verwiesen werden. Der Autor beschreibt in beispielhafter Weise die Übernahme deutscher Spezialisten in die sowjetische Raketenforschung. Uhl analysiert den Technologietransfer anhand neu zur Verfügung stehender Archivalien der ehemaligen Sowjetunion. Ebenfalls 2001 erschien das Buch des gleichen Autors unter dem Titel Stalins V-2.

Im Jahre 2000 hat sich Dimitri Alexejewitsch Sobolew in seinem Buch Deutsche Spuren in der Sowjetischen Luftfahrtgeschichte mit dem Thema des Technologietransfers in die Sowjetunion auseinandergesetzt. Die Veröffentlichungen zeigen, wie wertvoll neu erschlossene Archivalien für die Behandlung des Themas sind.

Eine Publikation der American Astronomical Society aus dem Jahre 1994 unter dem Titel History of Rocketry and Astronautics erwähnt zum ersten Mal die Bedeutung der Peenemünder und Kocheler Windkanäle für die moderne Weltraumfahrt. Leider gibt es kaum weitere Publikationen zu dieser Frage in der Sekundärliteratur, die Übernahme der V-2 (offizielle Bezeichnung A-4), als Ursprung der amerikanischen Weltraumfahrt bewertet, überwiegt in den Veröffentlichungen.

1.4 Quellenlage

Die Arbeit ist zum größten Teil auf empirische Quellenanalyse gegründet. Sekundärliteratur stand zu den Hauptteilen über den Transferprozess kaum zur Verfügung. Eine besondere Ergänzung waren die 1996 erschienenen Memoiren von Peter Wegener The Peenemünde Wind Tunnels. Wegener schrieb dieses Buch auf der Grundlage von Tagebucheintragungen und Briefen, die erhalten geblieben waren. Es war von großer Hilfe bei der Erstellung eines chronologischen Ablaufes und füllte die sogenannten „blank spots“, die sich nur durch einen Zeitzeugen eliminieren lassen.

Auf diese Weise ergab sich eine zweigleisige Vorgehensweise. Dem Autor erschlossen sich im Lauf der Aktenrecherche die Vorgehensweise der amerikanischen Regierung und durch Zeitzeugenaussagen die Sichtweise des betroffenen Wissenschaftlers. Dr. Wegener erklärte sich während des Schreibens der Arbeit zu einem telefonischen Interview bereit. Die Ergebnisse sind in die endgültige Fassung eingeflossen.

Das verwendete Quellenmaterial wurde größtenteils zwischen 1996 und 1999 freigegeben und stammt aus den folgenden Beständen:

Bestände des Amerikanischen Nationalarchiv in College Park, Maryland:

- Aktenbestände des Department of the Navy

In der Record Group 38, Office of the Chief of Naval Operations, findet sich eine umfassende Sammlung von Anfragen und Vorschlägen, die durch das Office bearbeitet worden sind (Siehe Naval Technical Mission in Europe). Dessen Hauptaufgabe war Beratung des Präsidenten, des Secretary und des Chief of the Navy sowie die Verwaltung von strategischen Vorhaben.

Record Group 72, Records of the Bureau of Aeronautics, enthält einige CIOS-Berichte und darauf fußende Analysen. Der Windkanal taucht hier nicht als zentraler Gegenstand auf, wird aber im Vergleich mit anderen deutschen Forschungszentren angeführt. Das Bureau beriet den Chief of Naval Operations in Waffenentwicklungen und Testergebnissen für maritimen Flug.

Der Hauptteil der Akten in Verbindung mit dem Wiederaufbau in White Oak, Maryland findet sich in Record Group 74, Records of the Bureau of Ordnance. Die Hauptaufgabe des Bureau war Bereitstellung der Ausrüstung für die Navy sowie die Unterhaltung der Forschungseinrichtungen.

Record Group 80, General Records of the Department of the Navy, beinhaltet als offizielle Sammelstelle des Navy Department bis 1947 übergreifende Direktiven. Funktion des Departement war Beratung des Präsidenten und Verwaltung der US-Navy und der US-Marines. Ein für die Darstellung des Windkanaltransfers wichtiger Aktenbestand ist 1999 freigegeben worden. Wieviel weiterhin zurückgehalten wird, kann nur vermutet werden.

- Aktenbestände des War Department

Record Group 165, Records of the War Department General and Special Staffs, beinhaltet die Akten des Vorgängers des heutigen Army Staff. Die Record Group erfasst Dokumente bis 1947. Hauptaufgabe des Staff war die Überwachung der Mobilisierung von Streitkräften, Sicherstellung der Effizienz der Truppe und gegebenenfalls Beratung des Secretary of War. Da der Windkanal in Kochel von Einheiten der Army gefunden wurde konnten hier einige Kopien alliierter Untersuchungsberichte gefunden werden. Solange die Army Air Forces noch kein eigenes Department bildeten, wurden während des Bombenkrieges Untersuchungen über die Effizienz der Bombereinsätze durchgeführt. Record Group 243 enthält sämtliche Untersuchungen über Zustände vor und nach amerikanischen Angriffen. Für fast alle deutschen und japanischen Städte, selbst für Kochel, wurden Einsatzszenarien entworfen.

Record Group 319, Records of the Army Staff, beinhaltet Dokumente des Army Staff seit 1950. Dessen Funktion innerhalb der Streitkräfte ist in der Darstellung von RG 165 bereits erläutert. Die ausgewählten Dokumente sind Bestandteil der sog. G-2 Library mit den CIOS-Berichten.

Eine wichtige Quelle zur Darstellung der Vorgehensweise bei der Eroberung Kochels sind die sog. After Action Reports, die von den Streitkräften am Ende jeden Tages verfasst worden sind. Sie sind Bestandteil der Records of the Adjutant General’s Office, Record Group 407. Dieses Office diente primär der administrativen Unterstützung des War Department und ging später im sog. Army Records Management Program auf.

- Aktenbestände des Department of Defense

Zuletzt wurden die Paperclip Dossiers der deutschen Wissenschaftler aus der Record Group 330, Records of the Office of the Secretary of Defense, eingesehen. Seit 1947 steht der Secretary of Defense dem Department of Defense (früher War Department) vor und assistiert dem Präsidenten in Angelegenheiten der nationalen Sicherheit. Ein Teil der Paperclip Dossiers unterliegt weiterhin der Geheimhaltung. Jedes Jahr werden mehr Informationen durch den sogenannten Freedom of Information Act einsehbar.

Bestände des Archivs der Universität von Alabama in Huntsville:

Vor seinem Tod am 17. Mai 1991 war Rudolph Hermann Professor Emeritus für Physik und Aerospace Engineering an der Universität von Alabama. Als Leiter des Research Institute war es ihm möglich, einen fast kompletten Satz der Dokumente des Aerodynamischen Instituts für weitere Forschungen zu behalten. Nach seinem Ableben gingen die Dokumente als Sondersammlung an das Archiv über. Die Auswertung dieser Quellen war für den Autor besonders wertvoll. Für die Zeit in Peenemünde sind die Akten der Gruppe 66 mit den Buchstaben HVP als Abkürzung für Heeres-Versuchsstelle Peenemünde gekennzeichnet. Nach der Verselbständigung und dem Umzug nach Kochel wurde das Kürzel WVA für Wasserbau-Versuchsanstalt verwendet. Neben den technischen Errungenschaften liefern sie einen Überblick über die administrative Struktur des AI und seiner Mitarbeiter.

Bestände des Archivs des Smithsonian Air and Space Museum:

Einer der administrativen Berichte der Wasserbau-Versuchsanstalt konnte nicht in Huntsville gefunden werden, was zu einer weiteren Recherche bei der Smithsonian Institution führte. Durch die Übergabe von Aktenbeständen der Wright Patterson Air Force Base an die Institution kam der sog. Fort Eustis Mikrofilm als Bestandteil der Captured German & Japanese Air Technical Documents nach Washington. Der gesuchte Bericht WVA 66/161 wurde zwar gefunden, befand sich aber in beinahe unleserlichem Zustand. Die in dieser Arbeit zitierten Stellen sind die einzigen, die der Autor aus dem Dokument im Kontext übernehmen konnte.

Bestände der Navy Department Library:

In der Sekundärliteratur wird auf den sog. Zwicky Report verwiesen. Dieser Bericht wurde von einem Teilnehmer einer CIOS-Aufklärungsmission in dreimonatiger Arbeit in Kochel verfasst und stellt die größte amerikanische Quelle über die Arbeit der WVA dar. Er beinhaltet neben Formeln und Tabellen zu den einzelnen Projekten auch die letzte organisatorische Aufschlüsselung der GmbH nach dem Einmarsch der Amerikaner. Eine Suche über die Library of Congress erschloss dem Autor eine Kopie dieses Berichtes in der Navy Department Library.

Weitere Quellen bestehen aus einer schriftlichen Ausarbeitung eines ungenannten deutschen Wissenschaftlers am Naval Ordnance Laboratory. Er beschreibt die Übernahme der WVA durch die Amerikaner und die Verlagerung nach Kochel. Die Authentizität des Dokumentes wurde dem Autor durch den ehemaligen Direktor des z.Zt. aktiven HyperschallWindkanals T-9, Robert Voisinet, garantiert.

Eine Reihe von kurzen Interviews mit amerikanischen Wissenschaftlern, die in den 50er Jahren mit den Paperclip-Spezialisten zusammenarbeiteten ergänzen das Quellenmaterial. David Christensen, John Heaman, David Hiebert, Charles A. Lundquist, Ellery B. May, Bob Middleton und Robert L. Spencer waren so freundlich, ihre Erfahrungen beim Umgang mit den deutschen Emigranten im Ausland zu schildern. Besonderer Dank gilt Herrn Christensen für einen Einblick in die verlorenen Gespräche mit Walter Dornberger.

Eine detaillierte Auflistung der für die Arbeit herangezogenen Quellen findet sich im Literaturverzeichnis.

1.5 Fragestellung und Struktur

Durch die Auswertung der Quellen sollen drei Fragen zum Technologietransfer mit empirischen Mitteln beantwortet werden. Die erste Frage gilt der Überführung von Menschen, Material und Wissen:

„Wie gestaltete sich der Transferprozess von Deutschland in die Vereinigten Staaten?“

Eine Beantwortung dieser Frage setzt ein Verständnis der damaligen Sichtweise von Technologie und der ihr von außen zugeschriebenen Relevanz voraus. Auf diesem Hintergrund stellt sich die zweite Frage:

„Wie entstand das alliierte Interesse an deutscher Technologie?“

Eine Beantwortung dieser Frage führt notwendigerweise dazu, die Erwartungshaltung auf der Seite der alliierten „Entdecker“ zu ergründen, woraus sich schließlich die Kriterien für die Beantwortung der dritten Frage ergeben:

„Ist der Transfer erfolgreich gewesen bzw. war der Aufwand gerechtfertigt?“

Um diese Fragen systematisch zu beantworten, ist der Hauptteil dieser Arbeit in vier Teile gegliedert. Zunächst wird der Ursprung der Peenemünder Windkanäle, ihre Einbettung in die deutsche Forschungslandschaft zwischen den Weltkriegen und die Inbetriebnahme der Peenemünder Forschungseinrichtung im Jahre 1937 dargestellt. Es folgen eine Erläuterung der administrativen Struktur und der Anlass zur Verlagerung nach Kochel. (Kap. 2) Der zweite Teil beginnt chronologisch mit einer Darstellung der technischen Aufklärungsmissionen der Amerikaner. (Kap. 3)

Aufgrund der kriegsbedingten Verlagerung des Aerodynamischen Instituts von Peenemünde nach Kochel verfolgt der dritte Teil den aktiven und passiven Einfluss kriegerischer Handlungen auf das Projekt. Die Darstellung der Eroberung durch alliierte Streitkräfte, mit

Schwerpunkt auf Logistik und Planung der Ausbeutung, bestimmt diesen Teil der Arbeit. (Kap. 4)

Der vierte Teil verfolgt die Übernahme von Wissenschaftlern, Dokumenten und technischer Ausrüstung durch die Alliierten. Am Beispiel der Windkanalanlage und ihres wissenschaftlichen Personals wird die Mechanik des durch Herrmann, Lasby und Gimbel beschriebenen Project Paperclip an einem Fallbeispiel erklärt. (Kap. 5) Im letzten Teil werden die beiden Forschungszentren der Amerikaner besprochen, auf die die Windkanäle und die daran beteiligten deutschen Wissenschaftler einen entscheidenden Einfluss gehabt haben. Dieser Teil schließt die Darstellung des Technologietransfers ab. (Kap. 6)

2 Die Ursprünge des Kochel-Windkanals

2.1 Chronologische Entwicklung der Windkanäle in Deutschland

Die Bedeutung des Überschallwindkanals in Kochel für die Amerikaner wird verständlich, wenn man die wichtigsten Entwicklungen der deutschen Windkanäle und ihrer geistigen Väter, der bedeutenden Aerodynamiker der dreißiger Jahre, nachvollzieht. Die Ursprünge dieser Entwicklung liegen im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts. In einer Zeit, als sich die Aerodynamik auf dem Weg „von einer halbempirischen zu einer ausgereiften naturwissenschaftlichen Disziplin [befand], war unbestrittenermaßen Ludwig Prandtl [1875 - 1953] besonders wichtig“10. Seine Arbeiten zur Strömungsforschung, anwendbar in der Strömung des Wassers wie auch der Luft, bildeten die allgemeine Grundlage aller späteren Entwicklungen. Die auf dem 3. internationalen Mathematiker-Kongress in Heidelberg 1904 präsentierte Untersuchung „Über Flüssigkeitsbewegungen bei sehr kleiner Reibung“ sollte den Durchbruch für eine neue Ära theoretischer und praktischer Forschungsansätze schaffen. Die Rede ist von der sogenannten „Grenzschichttheorie“. Sie besagt, „dass man die Strömung in der Umgebung eines Körpers in zwei Sektoren einteilen kann: in eine sehr dünne Schicht in der unmittelbaren Nähe des Körpers, in der die Reibung einen großen Einfluss auf den Ablauf der Bewegungen hat; außerhalb dieser Grenzschicht kann die Reibung vernachlässigt und die Strömung mit weitestgehender Genauigkeit als reibungslos charakterisiert werden“.11 Diese Entdeckung, ein Wegbereiter der Stromlinienform, war für kommende Generationen von Aerodynamikern maßgebend. Einen Schüler Prandtls, Theodore von Kármán (1881 - 1963), inspirierte sie 1912 zu einer Dissertation „Über den Mechanismus des Widerstandes, den ein bewegter Körper in einer Flüssigkeit erfährt". Die Theorie der Wirbelstraße, auch Kármánsche Wirbelstraße genannt, sollte es ermöglichen den unsymmetrischen Abriss des Luftstroms hinter einem Zylinder genau darzustellen und die damit verbundene Entstehung von Druckunterschieden vor und hinter einem bewegten Objekt dem modernen Flugzeugbau zugänglich zu machen. Ein weiterer Schritt auf dem Weg zum modernen Jet war getan. Dies sind nur zwei Beispiele von richtungsweisenden Arbeiten, die in ihrer theoretischen Durchdringung praktischer Probleme die klassische Hydrodynamik anfingen aufzuspalten in die „spezielle“ Hydrodynamik, die Aerodynamik und die Gasdynamik. Die Gründung zweier Forschungszentren, gefördert durch die „Motorluftschiff-Studiengesellschaft“12, ermöglichte nach der Erfindung des Windkanals durch Francis H. Wenham 1872 die Heranbildung von institutionalisierter Forschung mit staatlichen Mitteln unter Zuhilfenahme immer besserer Windkanalanlagen.

- Die Aerodynamische Versuchsanstalt (AVA) in Göttingen wurde 1907 gegründet. Ihr Leiter wurde Ludwig Prandtl. Zu seinen Assistenten und Schülern zählten u.a. Carl Wieselsberger und Theodore von Kármán. Die Arbeit der AVA setzte ihren Schwerpunkt auf die Grundlagenforschung.

- 1912 wurde die „Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt“ (DVL) in Berlin Adlersdorf gegründet. Wegen des großen Interesses des Militärs an der Luftrüstung war eine Besetzung leitender Stellen aus den eigenen Reihen vorgesehen. Präsident wurde Generalleutnant Hermann Reiß mit zwei Vertretern aus der Wirtschaft, Hermann Stilke und Gustav Vischer. Die starke Kontrolle des Staates war offensichtlich; so schreibt Trischler, dass „in den Technischen Ausschuss, der den Arbeitsplan der Versuchsanstalt festzulegen hatte, […] 19 der 27 Mitglieder vom Reichskanzler delegiert [wurden]“.13 Die DVL konzentrierte sich stärker auf praktische Probleme, sprich die Anwendung der in der AVA erarbeiteten theoretischen Grundlagen.

Die Bedeutung der oben genannten Versuchsanstalten für das Kocheler Windkanal-Projekt wird im Verlauf der Arbeit noch deutlicher, wenn dargestellt wird, wie die technischen Aufklärungseinheiten der Amerikaner 1945 eine Bewertung der vorgefundenen Anlagen im nationalen und internationalen Vergleich vornahmen.

Die nach der Gründung der AVA erfolgte Umsetzung des ersten deutschen Windkanals nach Prandtls Vorgaben kann als die Geburt des bis heute verbreiteten Kanals „Göttinger Bauart“ gelten. Prandtl hatte seine Erfahrungen mit dem an der TH Hannover entworfenen handbetriebenen Wasserkanal14 auf eine Vorrichtung übertragen, „bei der das Modell steht, und die Luft mittels eines Ventilators daran vorbeigeführt wird“.15

Statt den technischen Fortschritt in der Entwicklung von Windkanälen im Einzelnen nachzuzeichnen, soll an dieser Stelle auf die folgende Tabelle verwiesen werden, die einen Überblick über die deutschen Entwicklungen dieser Zeit gibt und auf einer Aufstellung von Werner Heinzerling von Anfang der neunziger Jahre beruht.16

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tafel 2: Deutsche Windkanal-Entwicklungen bis 1945

2.2 Das Aerodynamische Institut der Heeresversuchsstelle Peenemünde

Die Bezeichnung Kochel-Windkanal wird in dieser Arbeit in Anlehnung an die offizielle Bezeichnung auf amerikanischer Seite verwendet 17 Der eigentliche Ursprung der Anlage liegt jedoch in der Heeresversuchsstelle Peenemünde (HVP)18, wo unter der Leitung von Dr. Rudolph Hermann im Jahre 1937 die ersten Versuche mit der besagten Vakuumspeicher-Windkanalanlage an Flak-Projektilen vorgenommen wurden.19 Dr. Hermann äußerte sich in der „Denkschrift über die Windkanäle der Heeres-Versuchsstelle Peenemünde“ vom 1. Juni 1939:

„Zur Lösung der strömungstechnischen und thermodynamischen Fragen, die in Verbindung mit der Untersuchung dieser bei hohen Geschwindigkeiten fliegenden Aggregate auftreten, sollen die Überschall-Windkanäle in Peenemünde dienen. Ihre Errichtung wurde durch den Chef Wa Prüf am 30.11.36 verfügt.“20

Um die in Peenemünde gemachten Fortschritte würdigen zu können, muss man sich vor Augen halten, dass in den dreißiger und frühen vierziger Jahren die Verwendung von Überschallwindkanälen in der Aerodynamik noch in den Kinderschuhen steckte. Frühe Erfolge an Artillerieprojektilen im 10 x 10 cm-Überschallkanal in Aachen konnten beweisen, dass eine erhöhte Reichweite der Geschütze nicht nur eine Sache des verwendeten Rohres oder Zündstoffes war, sondern bis zu 50% von den aerodynamischen Eigenschaften des Geschosses abhing. Diese rechnerische Leistung, welche von Dr. Herrmann während seiner Zeit an der Technischen Universität Aachen erbracht worden war, garantierte ihm das Interesse des Heereswaffenamtes und kurze Zeit später die Leitung des Institutes in Peenemünde.

Experten auf diesem Gebiet waren rar und mussten erst herangebildet werden. Dies verdeutlicht ein Beispiel: Ein Wissenschaftler, der in Peenemünde und später in Kochel zum Mitglied eines Expertenteams heranwachsen sollte, war Peter Wegener. Dieser war 1943 zum Zeitpunkt seiner Anstellung in Peenemünde 25 Jahre alt und wegen seiner Beschäftigung mit der Strömungsforschung herangezogen worden. Seine Kenntnisse entstammten aber dem Gebiet der Ozeanographie, nicht der Aerodynamik. Nach seinem Eintreffen in Peenemünde wurde ihm von Richard Lehnert, dem Leiter der aerodynamischen Abteilung vorgeschlagen, sich mit Ludwig Prandtls Buch „Führer durch die Strömungslehre“ vertraut zu machen.21

Das Beispiel verdeutlicht, wie junge Wissenschaftler, die später für die Amerikaner bei der Verwirklichung von Windkanaluntersuchungen in den USA unabdingbar waren, zu Beginn ihrer Tätigkeit während des Zweiten Weltkrieges in das Aufgabengebiet erst hineinwachsen mussten.

Eine der grundlegenden Erkenntnisse bei der Beschäftigung mit Windkanälen ist die Tatsache, dass eine Einrichtung nicht nur der Fortentwicklung von Testobjekten dient, sondern immer auch der Entwicklung der nächst schnelleren und größeren Anlage. In ihren Memoiren stellen Herrmann und Wegener die Linie der Entwicklung heraus, an deren Anfang kleinere und weniger leistungsstarke Windkanäle in Aachen und Göttingen standen (siehe Kapitel 2.1). Die Heeresversuchsstelle in Peenemünde sollte unter Walter Dornberger als technologisches Referenzprojekt das Beste erhalten, was damals möglich war. Nicht zuletzt wurde dort die Rakete A-4 durch Wernher von Braun konzipiert und für die Massenfertigung entwickelt. Wegen der in ausreichendem Maße vorhandenen Literatur zu von Braun und den sogenannten Vergeltungswaffen soll hier nicht weiter darauf eingegangen werden. Für die Entstehung des Windkanals ist relevant, dass zwischen 1936 und 1939 Anlagen mit den folgenden Leistungsdaten gebaut wurden22:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Strahlquerschnitt des geplanten Kanals für Dauerbetrieb: 20 x 20 cm.“23

Diese Angaben vom 1. Juni 1939 beziehen sich auf eine experimentelle Anlage auf dem Gelände der Heeres-Versuchstelle, welche sich größtenteils noch im Aufbau befand. Das Prinzip wird jedoch bis zum Ende des Krieges und über den Wiederaufbau in den USA hinweg erhalten bleiben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tafel 3: Grundriß - Schema der Windkanalanlage Peenemünde auf Usedom. (Quelle: UAH / HVP Archiv Nr. 66/11 - Denkschrift über die Windkanäle der Heeresversuchsstelle Peenemünde, S. 44)

2.2.1 Organisatorische Gliederung des Personals des AI an der HVP

In Peenemünde wurden die Wissenschaftler in Abteilungen und Gruppen mit Forschungsaufträgen unterteilt, welche immer eine bestimmte Teilaufgabe des Gesamtproblems zu lösen hatten. Es war wichtig für die Forschungsführung, den einzelnen Wissenschaftler so uninformiert über die Arbeit des anderen zu lassen wie nur eben möglich. In einem Bericht über „Captured German Scientific Establishments“ berichtet Col. Leslie M. Simon über die Methoden der Geheimhaltung:

„The usual method of rigorous German security was followed. Projects were broken into problems, and the problems sub-divided into sub-problems. A specific institution or scientist was given only a small „task“ to do. The worker was not only kept in ignorance of the broad aspects of this problem, but the statement of the “task” was so framed as to keep him from knowing that this product was to be used in connection with a rocket.”24 Da in Peenemünde Ost der Forschungsgegenstand offensichtlich war, blieb die Trennung der Forschungsgruppen eine reine Formalität. Trotzdem muss angemerkt werden, dass eine Kommunikation der Gruppen untereinander kaum stattfand.

Der Verbleib der Unterlagen über die Organisation der Forschung in der Heeresversuchstelle ist großenteils bekannt. Sie liegen relativ weit verteilt im Militärarchiv in Freiburg, den National Archives in Washington DC, dem Smithsonian Air und Space Museum Archive in Silver Spring, Maryland, dem Public Record Office in London und aufgrund des Kriegsverlaufs mit hoher Wahrscheinlichkeit auch im Russischen Staatsarchiv zu Moskau. Eine komplette Rekonstruktion der Heeresversuchstelle würde eine eigene Untersuchung erforderlich machen. Der amerikanische Doktorand Mike Peterson arbeitet zur Zeit an einer Dissertation über Peenemünde OST und seine Organisation unter Berücksichtigung sozialgeschichtlicher Hintergründe. Aus diesen Gründen soll hier nur das für die Windkanäle relevante Aerodynamische Institut in seiner Organisation und seinen Aufgabenbereichen rekonstruiert werden.25

Direktor des Instituts in Peenemünde war von 1937 - 1944 Dr. Rudolph Hermann. Unter ihm arbeiteten ca. 200 Männer und Frauen an der Entwicklung der von Goebbels so genannten Vergeltungswaffen. Das Institut leistete Grundlagenarbeit für die aerodynamische Entwicklung der A-4/„V-2“ Rakete, die beinahe komplette Konzeption der Flak-Rakete C2 „Wasserfall“ sowie Grundlagenforschungen und Problemanalysen an den Geräten Fernrakete A-9 (A4b), RIII „Rheintochter“, „Taifun“ und es erarbeitete unzählige Untersuchungen für Artillerieprojektile. Die Struktur der dem Institut angeschlossenen Abteilungen im Jahr 1940 ist genau überliefert, sie wurde selbst nach dem Umzug nach Kochel nur geringfügig verändert. Die Personalliste berücksichtigt Neuzugänge bis in das Jahr 1943.

Seite 23 zeigt eine tabellarische Gliederung des AI in Peenemünde auf Grundlage des Tätigkeitsberichtes des AI für das Jahr 1940 sowie der übrigen in Fußnote 25 angeführten Quellen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten26

Dem Direktor des Instituts unterstanden folgende Abteilungen:

1. Abteilung Forschungslabor (FL)

Von der Abteilung Forschungslabor wurden die theoretischen Arbeiten und Berechnungen sowie die praktischen Versuche im Windkanal durchgeführt. Um Probleme logistisch aufteilen zu können, war die Abteilung nach den Arbeitsgebieten in vier Gruppen eingeteilt, von denen jede von einem wissenschaftlichen Spezialisten geführt wurde.

Die Gruppe Aerodynamik hatte die Aufgabe, alle mit dem Bau und der laufenden Verbesserung der Windkanäle auftretenden aerodynamischen Fragen zu klären. Weiterhin hatte sie die strömungsgünstigsten Formen der in Frage kommenden Körper theoretisch und experimentell zu entwickeln. Sie war verantwortlich für den Entwurf von Modellen, deren Messung in den Windkanälen und ihrer Erprobung im Freiflug.

Die Gruppe Thermodynamik behandelte alle beim Windkanalbetrieb auftretenden und mit der Entwicklung der Körper in Zusammenhang stehenden thermodynamischen und wärmetechnischen Fragen in theoretischer sowie experimenteller Hinsicht. Als vordringliche Aufgaben waren ihr die Ausbildung einer einwandfreien Temperaturmessung sowie die Bestimmung der Aggregate bei Überschallgeschwindigkeit zugewiesen.

Die Gruppe Elektromesstechnik entwickelte die für aerodynamische und thermodynamische Untersuchungen anzuwendenden elektrischen Messmethoden wie elektrische Schnellwaagen, elektrische Manometer für kleinste Drucke und Verstärkeranordnungen.

Die Gruppe Mathematisches Büro behandelte alle mathematischen Fragen, die im Zusammenhang mit den theoretischen Untersuchungen der Abteilung standen. Hier sind insbesondere zahlreiche mathematische Probleme in der theoretischen Gasdynamik zu nennen, weiterhin die Berechnung, Konstruktion und laufende Korrektur der für die verschiedenen Überschallgeschwindigkeiten zu entwickelnden Windkanal-Düsen. Außerdem wurden von ihr Bahnberechnungen für die Freiflugversuche durchgeführt, um den Einfluss der einzelnen aerodynamischen Größen auf die Flugbahn zu studieren. Das mathematische Büro war außerdem für die gesamte Auswertung der Windkanalversuche verantwortlich.

2. Abteilung Technische Entwicklung (TE):

Das Aufgabengebiet der Abteilung Technische Entwicklung umfasste alle Konstruktions- und Herstellungsarbeiten beim Bau der Windkanäle, bei ihrer laufenden Verbesserung, den Modellversuchen und den Freiflugversuchen. Den beiden Sachgebieten entsprechend gliederte sie sich in zwei Gruppen.

Die Gruppe Konstruktion konstruierte die Versuchsanlagen, Messgeräte und Modelle bis zur fertigen Werkstattzeichnung durch.

Die Gruppe Herstellung bearbeitete die Herstellung in einer eigenen Werkstatt sowie die Montage und Justierung der Versuchsanlagen. Außerdem war sie verantwortlich für die Überwachung der bei Fremdfirmen laufenden Herstellungsaufträge.

3. Abteilung Elektrobetrieb (EB):

Die Abteilung Elektrobetrieb hatte die Aufgabe, die für den Versuchsbetrieb notwendigen elektrischen Versuchsanlagen zu überwachen und weiter zu verbessern. Weiterhin war sie für die Beschaffung, die Überwachung und Instandhaltung sämtlicher für den Windkanal-Betrieb und die Durchführung der Versuche erforderlichen Betriebsanlagen zuständig. Dazu gehörten: Elektromotoren, Pumpenanlage, Rohrleitungsnetz, Ventile, Hochspannungsfelder, Schalt-, Steuer- und Überwachungsanlage, elektrische Experimentier-Anlage einschließlich der dazugehörigen Akkumulatorenbatterie und elektrischen Umformer-Aggregate sowie sämtliche elektrischen Instrumente und Messgeräte.27

2.2.2 Der Luftangriff der RAF vom 17. - 18. August 1943

Der erste Spatenstich für den Bau der Laboratorien sowohl des Heeres wie auch der Luftwaffe erfolgte in Peenemünde im Jahre 1936. Ein Jahr später wurden die neuen, in neoklassizisitschem Stil errichteten Gebäude von den ersten Wissenschaftlerteams in den regulären Forschungsbetrieb überführt. Unter Berücksichtigung dieser langen Vorlaufzeit und aufgrund der nicht gerade geräuscharmen Versuchsobjekte mag es unverständlich erscheinen, warum die Heeresversuchsstelle erst im Spätsommer 1943 ins Visier der Royal Air Force geriet.

Martin Middlebrook stellt dazu die herausfordernde These auf:

„British Intelligence was too slow in discovering what was happening at Peenemünde.“28

In diesem Zusammenhang muss der sogenannte Oslo-Bericht erwähnt werden. Kurz nach dem Ausbruch des Krieges empfing der britische Naval Attaché ein Schreiben eines Deutschen, in dem ihm Informationen über deutsche technische Geheimprojekte versprochen wurden. Es wurde kein Geld als Entschädigung für diese Information verlangt. Als Zeichen für ein britisches Einverständnis sollte die allabendliche Nachrichtenübertragung der BBC für Deutschland leicht abgeändert werden.

Die Änderungen im Radioprogramm führten tatsächlich zur Preisgabe des Standortes und des Nutzungsprogramms der Forschungseinrichtung Peenemünde mittels einer anonymen Postsendung. Am 04.11.1939 befanden sich diese Informationen in den Händen britischer Fachleute. Volkhard Bode und Gerhard Kaiser schreiben dazu:

„Entscheidend war schließlich der sogenannte Oslo-Bericht, mit dem der britische Geheimdienst kurz nach Kriegsbeginn auf mysteriöse Weise über neue deutsche Waffenentwicklungen unterrichtet wurde. Ob tatsächlich Dr. Ing. Hans Kummerrow der Informant gewesen ist, lässt sich bis heute nicht beweisen. Er selbst wurde zusammen mit seiner Ehefrau und seinen Söhnen 1943 in Berlin-Plötzensee als Mitglied der Widerstandsorganisation „Rote Kapelle“ hingerichtet.“29

Die Informationen über das deutsche Rüstungsprogramm in Peenemünde waren von so gravierender Bedeutung, dass sie von der britischen Regierung als Täuschungsmanöver ausgelegt wurden und für lange Zeit keine Beachtung fanden. Dies sollte sich erst im späten März 1943 ändern. Durch Abhören eines Gespräches der in Kriegsgefangenschaft befindlichen deutschen Generäle Thoma und Cruewell wurden die Vermutungen über ein deutsches Waffenprogramm erneut erhärtet. Abschriften gelangten ebenso wie Kopien des OsloBerichts zu den Intelligence-Abteilungen von British Army und Royal Air Force. So entstand ein Zuständigkeitskonflikt, der das Königreich weiterhin an einer angemessenen Reaktion hindern sollte. Es konnte keine Einigkeit erzielt werden über die Frage, ob die Informationen eines deutschen Armee-Generals durch die Army behandelt werden, oder ob der Gesprächsgegenstand, Raketenwaffen, in den Zuständigkeitsbereich der RAF fallen sollte.

Nachdem die Army sich zum Handeln entschlossen hatte, dauerte es weitere 23 Tage, bis die Informationen über verschiedene Dienststellen, respektive den Joint Chiefs of Staff, schließlich den Prime Minister Winston Churchill erreichten.

Eine ungewöhnliche Entscheidung wurde getroffen. Mr. Duncan Sandys, Commander a.D. der ersten experimentellen britischen Flak-Rakete, sollte allein verantwortlich für die Untersuchung des deutschen Raketenprogramms sein. Damit war die Verantwortung aus den Händen von Army und Air Force an einen invaliden Zivilisten übertragen worden30. Ein für das militärische Establishment beispielloser Affront.

Mr. Sandys fuhr fort Informationen von deutschen Kriegsgefangenen und entflohenen Zwangsarbeitern zu einem einheitlichen Bild zusammenzusetzen.

Fünf Aufklärungsflüge wurden anberaumt. Am 20. Mai, sowie dem 12., 21., 23. und 26. Juni. Die Auswertung der Luftaufnahmen erschloss dem britischen Militär die gesamte Halbinsel. „As far as Peenemünde was concerned, those midsummer sorties of 1943 were all-important

[…]”31

Die Untersuchung wurde mit den von Mr. Sandys vorgelegten Ergebnissen am 27. Juni für abgeschlossen erklärt und Commander in Chief des Bomber Command Arthur Harris wurde kurz darauf mit der Organisation eines Luftangriffes beauftragt. Seine Aufgabe umfasste dabei jedoch nicht die taktische Auswahl der Ziele, sondern lediglich die Planung des Anfluges und des Abwurfes der Bombenlast. Harris wurden folgende Bereiche der Versuchsstelle als Zielvorgaben gegeben32:

“1) The experimental establishment, destruction of which would interfere with research work and the development of the rocket apparatus.
2) The two large factory workshops, where it is believed the rockets and / or projecting apparatus were being finally assembled.
3) The living and sleeping quarters, with the object of killing or incapacitating as many of the scientific and technical personnel as possible.”

In der Nacht vom 17. zum 18. August war es soweit. Nach einigen kurzen Nachteinsätzen über dem Zielgebiet, die dazu dienten die optimalen Wetterbedingungen abzuwarten, flogen sechs Bombergruppen über Dänemark in Richtung Peenemünde.

Die Einzelheiten dieses Luftangriffes sind nicht von Relevanz für diese Arbeit und können bei Martin Middlebrook nachgelesen werden. Es soll hier in geraffter Form das Ergebnis eines nächtlichen Kampfes um die Heeresversuchsstelle dargestellt werden, da in der Folge dieses Kampfes einige tiefgreifende Entscheidungen in Peenemünde beschleunigt wurden.

Am Morgen des 18. August, um 8.00 Uhr wurde von General Dornberger und Wernher von Braun der Schaden am Entwicklungswerk nach einem Rundflug erfasst. Es sollte Tage dauern bis das Ausmaß des Angriffs von deutscher Seite analysiert worden war. Dornberger äußerte sich über den Luftangriff:

„Am härtesten war die Siedlung betroffen worden. Die englischen Radiomeldungen zeigten, dass das beabsichtigt war. Man wusste, dass dort die Wissenschaftler und Fachkräfte des Werkes wohnten. […] Der Sachschaden im Werk war gegenüber dem ersten Eindruck überraschend gering. Prüffelder und Sonderanlagen wie Windkanal und Messhaus waren überhaupt nicht getroffen worden. Bei der uns sofort und von allen Seiten in großzügigster Weise gewährten Hilfe war die Weiterarbeit mit einer Verzögerung von 4 bis 6 Wochen gesichert.“33

2.2.3 Die Verlagerung des AI nach Kochel

Der Luftangriff auf Peenemünde vom 17. - 18. August war nicht der letzte bis zum Ende des Krieges. In der Folgezeit sollte die US-Army Air Force bis ins Jahr 1944 hinein ebenfalls Angriffe auf die Heeresversuchsstelle fliegen.

Wie bereits angesprochen hatte der Angriff eine beschleunigende Wirkung auf mehrere Entscheidungen, die die Dezentralisierung des Werkes betrafen.

Die A-4 sollte bald Serienreife erlangen und die Massenproduktion wurde ausgelagert auf das sog. Mittelwerk, künftig HAP / MW genannt. Col. Leslie M. Simon gibt einen kurzen Überblick über die drei abgespaltenen Teile der Heeresversuchstelle:

„A considerable part of the Peenemünde Rocket Group was brought to the GarmishPartenkirchen area prior to the surrender. Thus, the Group was distributed as follows: the manufacturing and a part of the development at Nordhausen [Mittelwerk], the experimental ballistics at Kochel, and the theoretical people and some others at Garmish.”34

Die Verlagerung des Aerodynamischen Instituts, von Simon als „experimental ballistics“ bezeichnet, wird uns in diesem Kapitel beschäftigen.

Die Windkanäle hatten den britischen Luftangriff unbeschadet überstanden. Um so wichtiger erschien es nun, ihr Fortbestehen und das der mit ihnen verbundenen Projekte zu sichern.35

Kochel am See, ca. 60 km südlich von München, sollte die neuen Teststände und Laboratorien beherbergen. Der kleine Ort in Oberbayern zog das Interesse des Planungsstabes aber noch aus anderen Gründen auf sich:

„Die Wahl des Ortes Kochel war durch den Neubau des Superschall-Windkanals beeinflusst. Dieser erfordert wegen seines großen Energiebedarfs (57.000 kW installierte Leistung) und besonderer technischer Voraussetzungen den Antrieb durch unmittelbare Wasserkraft mit mindestens 100m Gefälle. Diese steht in Kochel zur Verfügung. Der Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion erteilt mit Schreiben 1[?].10.1943 seine Zustimmung und ordnete den unverzüglichen Bezug an.“36

Vom Dezember 1943 an wurde ein schrittweiser Umzug des Aerodynamischen Institutes vorgenommen. Der Plan sah vor, damit die laufenden Versuche nicht durch die Ausgliederung beeinträchtigt würden, erst einen der Windkanäle in den Süden zu verbringen. Später, nach erfolgreicher Inbetriebnahme, sollte der zweite dann folgen.

Ein viel wichtigerer Schritt in der Ausgliederung des Institutes war die De-facto- Verselbständigung der Einrichtung.

Unter dem Decknamen „Wasserbauversuchsanstalt“ (WVA) wurde eine unabhängige Gesellschaft gegründet, die vordergründig mit dem Militär (oder militärischer Forschung) nichts zu tun hatte.37 Ihr vollständiger Name lautete „Aerodynamisch-Ballistische Versuchsanstalt Kochelsee G.m.b.H“

„Am 15. Januar 1944 wurde die Wasserbau-Versuchsanstalt Kochelsee G.m.b.H. auf Befehl des Amtschefs des Heeres- und Waffenamtes gegründet. Sie stellt das aus dem HAP 11 herausgenommene Aerodynamische Institut dar, das von Karlshagen nach Kochel / Obb. verlagert wurde.“38

Auch die finanziellen Bindungen an Peenemünde wurden gelöst. Die Finanzierung des Proektes sowie die Bezahlung aller Gehälter erfolgten direkt aus Berlin. Zu diesem Zweck wurde die Organisation des ehemaligen Aerodynamischen Institutes verändert um die Personalstelle und die Finanzdirektion einer Gesellschaft inkorporieren zu können.39 Die laufenden Verträge mit der HVP wurden gekündigt und die Angehörigen des AI mit neuen Verträgen durch die WVA wieder eingestellt.

„Die WVA wurde gleichzeitig aus verwaltungstechnischen und Geheimhaltungsgründen als selbständige Gesellschaft mit beschränkter Haftung auf[gezog]en.“40

Rudolph Herrmann avancierte zum Betriebsleiter, seine Assistenten in Personal-, Nachschubund Finanzfragen wurden Dr. phil. Herbert Graf und Dr. phil. Hermann Kurzweg, der gleichzeitig Abteilungsleiter der Forschung blieb. Bei Betrachtung der Organisation ist es erstaunlich, wie flüssig sich der Übergang von einem Institut zu einem scheinbar selbständigen Betrieb unter Beibehaltung fast aller internen Abteilungen gestaltete.

Das wissenschaftliche Personal des AI wurde in den Pensionen und Gasthäusern des Ortes Kochel zwangsweise einquartiert. Diese Vorgehensweise führte natürlich zu Spannungen zwischen der örtlichen Bevölkerung und den Neuankömmlingen, schließlich wurde niemand vor Ort über die anstehenden Bauvorhaben informiert. Der Bau begann im Winter 1943 mit der Errichtung von standardisierten Bretterbaracken. Sie dienten der Bereitstellung provisorischer Arbeitsräumlichkeiten. Bis zum Frühjahr waren die ersten Gebäude dann bezugsfertig.

Gleich zu Anfang wurde der Bau von Betonfundamenten forciert um möglichst schnell mit der Konstruktion der Forschungslabors beginnen zu können. Die Arbeitskräfte bestanden, wie aus dem Jahresbericht der WVA für 1944 hervorgeht, aus Zwangsarbeitergruppen:

„Für die Bauarbeiten standen zur Verfügung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten41

Im November 1944 war der Umzug von Peenemünde nach Kochel abgeschlossen. Die neue Gliederung des ehemaligen AI von Peenemünde wird in der Tabelle auf S. 30 dargestellt. Diese Darstellung basiert auf dem Bericht Prof. Fritz Zwickys, der in den Monaten Mai, Juni und Juli 1945 eine detaillierte Analyse der Forschungsarbeiten der WVA und ihrer logistischen Interna verfasst hatte.42

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3 Die Vorbereitungen der USA auf die Technischen Missionen

Die USA waren in den Zeiten des Friedens weniger an einer technologischen Aufklärung interessiert gewesen, als man meinen möchte. Die Entsendung von Militärattachés an die amerikanischen Botschaften in europäischen Ländern schien ein adäquates Mittel zur Informationsbeschaffung zu sein. Dort konnten sie „sich aus Publikationen, durch Besuche in Rüstungsunternehmen, durch Gespräche mit Militärs oder Beobachtung von Manövern und Paraden informieren“43. In Fragen der Aerodynamik herrschte ein freier Transfer von technischem Wissen. Es versteht sich von selbst, dass mit dem 30. Januar 1933 und der Übernahme durch die Nationalsozialisten eine Einschränkung dieser Möglichkeiten im Deutschen Reich vonstatten ging.

Das böse Erwachen durch die Blitzkriege gegen Polen und Frankreich in den Jahren 1939 und 1940 bescherte zunächst den Briten eine Situation, in der sie auf ein waffentechnisch fortgeschrittenes Deutschland reagieren mussten. Die Einrichtung einer Special Section for Technical Intelligence durch das britische War Office im Jahre 1940 ist ein Indikator für das Heraufziehen größerer Veränderungen in der technischen Aufklärung der Alliierten. Ihr folgte auf amerikanischer Seite im September des gleichen Jahres „innerhalb des Army Ordnance Department eine Ordnance Military Intelligence Section […]. Dies war eine Einheit, um die Berichte des militärischen Nachrichtendienstes G-2 der US-Army auszuwerten, der für die Nachrichtenbeschaffung auf allen militärisch relevanten Gebieten zuständig war“44. Die Bezeichnung G 2 bezieht sich auf die Gliederung der Dienststellen der US-Army:45

G-1 US Army staff Position mit Zuständigkeit für Personal.

G-2 US-Army staff Position zuständig für Geheimdienst und Zensur G-3 US-Army staff Position beauftragt mit Training und Operationen G-4 US-Army staff Position für Logistik

G-5 US-Army staff Position beschäftigt mit zivilen Angelegenheiten

G-6 US-Army staff Position für Psychologische Kriegsführung und Öffentlichkeitsarbeit

Das Bindeglied zwischen den Geheimdienststellen der Streitkräfte und den kämpfenden Truppen waren sogenannte Enemy Equipment Intelligence Units. Die erste Einheit unter diesem Namen wurde im Dezember 1942 vom US Army Ordnance Department eingesetzt „nachdem sich die amerikanischen Streitkräfte in Marokko und Algerien festgesetzt hatten“46.

Nach erfolgreichen Kampfhandlungen wurden die Überreste feindlichen Gerätes untersucht, gegebenenfalls Fotos und Berichte angefertigt. Die erbeuteten Waffen waren nicht nur Gegenstand eigener Untersuchungen, sondern wurden teilweise auch aktiv im Feld gegen den Feind erneut eingesetzt. Dies führte zu einigen unangenehmen Überraschungen auf der deutschen Seite, die sich plötzlich mit den Auswirkungen ihrer eigenen Waffen im Kampf konfrontiert sah. Um einer Wiederholung dieser Art der Übernahme des eigenen Gerätes durch den Feind vorzubeugen, setzten einige Einheiten dann „absichtlich“ auf dem Feld hinterlassene Geräte ein, die durch teilweise Demontage in ihrer Handhabung für den Schießenden lebensgefährlich geworden waren.

Natürlich blieben Aufklärungstruppen dieser Art nicht der Army vorbehalten. In kürzester Zeit entstanden ähnliche Enemy Equipment Intelligence Units auch bei der US Army Air Force (USAAF)47 unter dem Namen Air Technical Intelligence Units und bei dem für Kommunikations- und Aufklärungsmittel zuständigen US Army Signal Corps. Die Streitkräfte der Amerikaner und Briten fuhren in ihren Bemühungen fort, ihre Aufklärungseinheiten in technischen Fragen zu koordinieren. Es sollte aber während des Vormarschs im Westen Europas immer schwieriger werden, diese Missionen voneinander zu trennen und ein einheitliches Vorgehen auf diesem Gebiet zu erreichen. Ein Grund dafür war das Bekanntwerden der wichtigsten deutschen Industrie- und Forschungszentren durch die Geheimdiensttätigkeiten der Alliierten und der Wunsch der involvierten Aufklärungseinheiten, als erste dort einzutreffen und die gegebenenfalls große technologische Beute für sich zu sichern. Die kämpfenden Verbände sahen sich in ihrem Vormarsch immer mehr durch mitreisende und teilweise vorauseilende Aufklärungseinheiten behindert, die nicht zu ihrem Stab gehörten und daher sich und das Unternehmen aktiv gefährdeten. Mit der Invasion in der Normandie war auch gleichzeitig der Startschuss für einen Wettlauf der besonderen Art gefallen.

„Mit dem Vordringen der alliierten Truppen in Westeuropa [sollten] dabei sehr viele Ziele nahezu gleichzeitig in den Zugriffsbereich der alliierten Ermittler kommen. In dieser Situation begannen verschiedenste Stellen Vorbereitungen für die technologische Aufklärung unter Kampfbedingungen und unter großem Zeitdruck zu treffen.“48 Das Supreme Headquarter Expeditionary Forces (SHAEF)49 sah sich mit einer Situation konfrontiert, in der ein zentrales Organ geschaffen werden musste, um ein Ausufern der sich teilweise überschneidenden technischen Missionen zu Lasten der kämpfenden Einheiten zu vermeiden. Im Juni 1944 wurde kurz vor dem Beginn der Invasion der Versuch unternommen, durch Gründung des Combined Intelligence Priority Committee CIPC eine zentrale Anlaufstelle für Gesuche nach technologischen Aufklärungsmissionen zu schaffen. Der tatsächliche Aufwand einer derartigen Institution und erst recht das Interesse auf Seiten der alliierten Rüstungsindustrie am Besuch relevanter Einrichtungen wurden dabei kolossal unterschätzt. Das CIPC wurde angeführt durch den amerikanischen General J.T. Betts, einen Angehörigen des SHAEF, und einen britischen Chemieprofessor, R.P. Lindstead, seinerseits Mitglied des britischen Ministry of Supply. Sie koordinierten die eintreffenden Anfragen mit einer „Handvoll Sekretärinnen“50. Dies hatte den Unmut der übrigen interessierten militärischen und zivilen Stellen zur Folge, da sie sich in ihrem Engagement beträchtlich behindert sahen. Der stärkste Gegner aber war das Combined Intelligence Committee CIC, welches auf Regierungsebene die gesamte nachrichtendienstliche Tätigkeit mit dem Britischen Königreich koordinierte. Das CIC selbst unterstand den Combined Chiefs of Staff und bildete damit die höchste Ebene geheimdienstlich bilateraler Zusammenarbeit mit dem Königreich. Das CIC war selbst mit der Planung einer Institution beschäftigt, die einem geordneten Vorstoß folgen und für die Regierung relevantes Material auswerten sollte. Bis zum 6. Juni 1944 war das Komitee jedoch zu keinem für Eisenhower zufriedenstellenden Ergebnis gekommen. Dass das von ihm ins Leben gerufene CIPC nicht in der Lage war, der Situation gerecht zu werden, sollte für die amerikanische Aufklärung wichtige Folgen haben.

3.1 Die Entstehung von CIOS

Nach dem Affront durch General Eisenhower sah sich das CIC zum schnelleren Handeln gezwungen. Zum 21. August 1944 wurde das CIPC durch die zu gleichen Teilen amerikanische und britische Organisation CIOS (Combined Intelligence Objective Subcommittee) abgelöst. Die Leiter des CIPC, Betts und Lindstead, wurden in ihren Positionen übernommen und koordinierten die Interessen der Vertreter folgender Regierungsstellen:

Vertreter der Vereinigten Staaten:

Departement of State

US-Army Signal Security Agency SSA51

US-Army Air Force Intelligence Service52

Office of Naval Intelligence (ONI)

Foreign Economic Administration (FEA)

Office of Strategic Services (OSS)

Office of Scientific Research and Development

[...]


1 Siehe NA RG 80, General Records of the Department of the Navy, Box 2889 - Dr. Eber and Dr. Willi Heybey, request for

2 Siehe NA RG 72, Bureau of Aeronautics, Naval Technical Mission to Europe, Box 17 - Letter Report 18945(A)

3 Siehe NA RG 38, Chief of Naval Operations, Naval Technical Mission to Europe, Box 30, Serial 1386 Equipment and Personnel of the Kochel Wind Tunnel

4 Siehe NA RG 38, Chief of Naval Operations, Naval Technical Mission to Europe, Box 32, Serial 1567 Kochel Wind Tunnel

5 Siehe Heinzerling, S. 304

6 Vgl. Trischler, S. 49

7 Ebd., S.56

8 Ebd., S.135

9 Siehe NA RG 38, Chief of Naval Operations, Naval Technical Mission to Europe, Box 63, Serial 1386 Enclosure F

10 Siehe Trischler, S. 52

11 Ebd., S.53

12 Bei der „Motorluftschiff-Studiengesellschaft“ handelte es sich um eine Kooperation aus Vertretern von Staat, Wissenschaft und Wirtschaft, die sich für die Erforschung aerodynamischer Phänomene einsetzte. (Gegr. 1906 unter Vorsitz von Friedrich Althoff [1839 - 1908], Henry Theodore von Böttinger [1848 1920]. Mitglieder waren u.a. Admiral Friedrich v. Hollmann [1842 - 1913] und Emil Rathenau [1838 1915].

13 Siehe Trischler, S. 81

14 Siehe Bildanhang, Tafel 1

15 Protokoll der Sitzung des Aufsichtsausschusses, 28.10.1906 (BA-MA, N 277/6, Bl. 122f.)

16 Heinzerling hat in seiner Aufstellung den internationalen Entwicklungsverlauf nachgezeichnet. In der unten stehenden Tabelle wurden ausschließlich deutsche Entwicklungen berücksichtigt. Heinzerlings Tabelle wurde weiterhin durch die Informationen aus Rudolf Hermanns und Peter Wegeners Memoiren ergänzt, sowie dem Quellenmaterial: NA RG 72, Bureau of Aeronautics, Naval Technical Mission to Europe, Box 18 - Dr. Millikan, Conference Report in BuAer, 7 July 1945. NA RG 72, Bureau of Aeronautics, Naval Technical Mission to Europe, Box 15 - Special Mission on Captured German Scientific Establishments, Braunschweig, File No. XXX-71 Siehe auch , Rudolph Hermann, The Supersonic Wind Tunnel Installations at Peenemünde and Kochel and Their Contributions to the Aerodynamics of Rocket-Powered Vehicles S. 40-42.

17 Das Amerikanische Aktenmaterial verwendet ausschließlich den Begriff „Kochel-Windtunnel“, welcher dem Fundort der Anlage Rechnung trägt.

18 Die HVP war ca. 40 Km von Swinemünde entfernt an der Nordwestlichen Spitze Usedoms gelegen. Das Militär operierte bis zum Ende des Krieges mit verschiedenen Decknamen für die HVP um feindliche Geheimdienste zu verwirren. So ist die gleiche Einrichtung auch bekannt als HAP 11 (Heimat Artilleriepark 11) mit Standort in Karlshagen und später als Elektromechanische Werke Peenemünde.

19 In der Heeresversuchsstelle waren weniger die Eigenschaften von Flugzeugkörpern als die Eigenschaften von Geschossprojektilen von Bedeutung. Daher war eine Konzentration auf die Erforschung ballistischer Verhaltensweisen vorrangig.

20 Siehe UAH / HVP Archiv Nr. 66/11 - Denkschrift über die Windkanäle der Heeresversuchsstelle Peenemünde, S.3

21 „Der Prandtl“ gilt seit dem Erscheinen der ersten Auflage 1931 unumstritten als das Standardwerk, das in ganzheitlicher Weise die Strömungen vom phänomenologischen Standpunkt her betrachtet und Systematiken daraus ableitet. Die Betonung liegt auf der Beschreibung der Vorgänge und nicht der Verfahren.

22 Siehe UAH / HVP Archiv Nr. 66/11, S.22

23 Ebd., S.22

24 NA RG 72, Bureau of Aeronautics, Naval Technical Mission to Europe, Box 15 - Special Mission on Captured German Scientific Establishments, Braunschweig, File No. XXX-71, Part V Section I, S.80

25 NA RG 38, Chief of Naval Operations, Naval Technical Mission to Europe, Box 31, Folder 16, Serial 1452 - Enclosure A „Qualifications and Experience of Kochel Key Personnel” NA RG 330, Secretary of Defense, JIOA, Case Files, Box 4 - Dossier Arnold, Gottfried Max NA RG 330, Secretary of Defense, JIOA, Case Files, Box 29 - Dossier Dellmeier, Günther NA RG 330, Secretary of Defense, JIOA, Case Files, Box 34 - Dossier Eber Gerhard NA RG 330, Secretary of Defense, JIOA, Case Files, Box 35 - Dossier Eckert, Ullrich NA RG 330, Secretary of Defense, JIOA, Case Files, Box 49 - Dossier Geineder, Florian NA RG 330, Secretary of Defense, JIOA, Case Files, Box 56 - Dossier Grünewald, Karl Heinrich NA RG 330, Secretary of Defense, JIOA, Case Files, Box 70 - Dossier Hermann, Rudolf NA RG 330, Secretary of Defense, JIOA, Case Files, Box 71 - Dossier Heybey, Willi Hermann Emil NA RG 330, Secretary of Defense, JIOA, Case Files, Box 74 - Dossier Hoh, Siegfried NA RG 330, Secretary of Defense, JIOA, Case Files, Box 97 - Dossier Kurzweg, Hermann NA RG 330, Secretary of Defense, JIOA, Case Files, Box 101 - Dossier Lehnert, Richard NA RG 330, Secretary of Defense, JIOA, Case Files, Box 124 - Dossier Peucker, Max NA RG 330, Secretary of Defense, JIOA, Case Files, Box 130 - Dossier Ramm, Heinrich NA RG 330, Secretary of Defense, JIOA, Case Files, Box 163 - Dossier Stollenwerk, Edmund Johann NA RG 330, Secretary of Defense, JIOA, Case Files, Box 177 - Dossier Wegener, Peter NA RG 330, Secretary of Defense, JIOA, Case Files, Box 182 - Dossier Winkler, Ernst Hans NA RG 330, Secretary of Defense, JIOA, Case Files, Box 185 - Dossier Zettler-Seidel, Philipp Wolfgang UAH / HVP Archiv Nr. 66/11 - Denkschrift über die Windkanäle der Heeres-Versuchstelle Peenemünde UAH / HVP Archiv Nr. 66/39 - Tätigkeitsbericht der Aerodynamischen Hauptabteilung für das Jahr 1940.

26 Günther Dellmeier gehörte zunächst nicht dem Aerodynamischen Institut an, sondern war innerhalb einer anderen Forschungsabteilung von Peenemünde mit der Konzeption von strahlgetriebenen Starthilfen beschäftigt.

27 Vgl. UAH / HVP Archiv 66/11, S. 42 ff.

28 Siehe Middlebrook, S. 35 ff.

29 Siehe Bode, S. 58

30 Commander Sandys musste seinen Dienst bei der Army beenden, nachdem ein Unfall seine Füße verstümmelt hatte.

31 Siehe Middlebrook, S. 42

32 Siehe ebd., S.46

33 Siehe Dornberger, S. 183

34 NA RG 72, Bureau of Aeronautics, Naval Technical Mission to Europe, Box 15 - Special Mission on Captured German Scientific Establishments, Braunschweig, File No. XXX-71, Part VIII Introduction, S.130

35 Es muss angemerkt werden, dass die in dieser Arbeit angesprochenen Projekte „A“ und „Wasserfall“ nur eine Auswahl der in Verbindung mit den Windkanälen stehenden Projekte darstellen. Durch ihre Zugehörigkeit zur Wehrmacht kamen die Kanäle mit einer Vielzahl von Prüf- und Messaufgaben direkt aus Berlin in Berührung. Wegener schreibt dazu: „Research on models of artillery shells, which were spun by small electric motors in the test section to simulate real shells, and on models of strange, high speed bombs, small rockets, and the like was carried out by Lehnert‘s group.” Siehe Wegener, S. 66

36 Siehe UAH / WVA Archiv 66/161 - Erster Jahresbericht der Wasserbau-Versuchsanstalt Kochelsee, S. 2 (Das Datum dieser Zustimmung ist nach den Unterlagen des Autors nicht einwandfrei zu bestimmen, da eine Schwäche des Originals die zweite Ziffer des Datums unleserlich macht.)

37 Die Wissenschaftler waren angehalten ihren Dienst in „zivil“ zu versehen und sich gegenüber der einheimischen Bevölkerung nicht als Angehörige der Deutschen Wehrmacht auszugeben. Es ist auch überliefert, dass während des Umzuges an den Fuß der Alpen keine militärische Präsenz gezeigt wurde.

38 Siehe UAH / WVA Archiv 66/161 - Erster Jahresbericht der Wasserbau-Versuchsanstalt Kochelsee, S.2

39 Siehe Tabelle, S.21

40 Siehe UAH / WVA Archiv 66/161, S.2

41 Siehe Ebd., S.3-4

42 Siehe Zwicky, Fritz - Report On Certain Phases Of War Research In Germany; B3 Internal Organization of the WVA, S. 139ff.

43 Siehe Herrmann, S.35

44 Ebd., S. 37

45 Analog gliedern sich die übrigen Streitkräfte mit Ausnahme der Navy, es fehlen jedoch die Teileinheiten 5 und 6. Der Joint Staff ist mit J-1, J-2, J-3 und J-4 benannt, der Special Staff dementsprechend S-1, S-2, S-3 und S-4. Die US-Navy genießt innerhalb der amerikanischen Streitkräfte eine besondere Stellung. Dies schlägt sich nicht nur in der Bildung einer sehr eigenen Indexierung der Dokumente nieder, die Dienststellen sind ebenfalls anders als bei den übrigen Streitkräften bezeichnet.

46 Siehe Herrmann, S. 40

47 Die US Air Force war bis in das Jahr 1947 hinein ein Teil der US Army und wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg von der Army abgespalten und in eine gleichwertige Institution umgewandelt. Am 26. Juli unterzeichnete Präsident Harry S. Truman an Bord des Flugzeugs „Sacred Crow“ den „National Security Act of 1947“. Dieser schuf eine unabhängige Air Force beauftragt mit „offensive and defensive air operations“ unter einem zivilen Secretary of Defense. In einer kurzen Note schreibt Truman persönlich: „It was in this C54 airplane, the „Sacred Crow“, that I, Harry S. Truman, Thirty-Third President of the United States, signed the National Security Act on July 26, 1947, thereby creating the United States Air Force as an independent agency within the Department of Defense.”, Siehe Bildanhang, Tafel 7.

48 Siehe Herrmann, S.44

49 SHAEF war eine Organisation, die speziell geschaffen wurde, um der Invasion in der Normandie im Juni 1944 unter dem Decknamen „Operation Overlord“ zum Erfolg zu verhelfen. In ihr waren die fähigsten militärischen Führungskräfte der Alliierten vereint. SHAEF wurde geleitet von: Lieutenant General Omar N. Bradley [1893 - 1981], Admiral Sir Bertram H. Ramsay [1883 - 1945], Air Chief Marshal Sir Trafford Leigh-Mallory [1892 - 1944], Lieutenant General Walter Bedell Smith [1895 - 1961], Air Chief Marshal Sir Arthur Tedder [1890 - 1967], Supreme Commander Dwight D. Eisenhower [1890 - 1969] und General Sir Bernard L. Montgomery [1887 - 1976]. Alle Kommandeure unterstanden Eisenhower direkt und waren zur engsten Zusammenarbeit verpflichtet. SHAEF wurde am 24. Juli 1945 aufgelöst.

50 Siehe Herrmann, S. 46

51 1945 wird die SSA umstrukturiert in die ASA (Army Security Agency) mit Sitz in Arlington Hall, Virginia

52 ATI-Teams (Air Technical Intelligence Teams) werden zunächst durch eine kleine Gruppe von Fachleuten an der Air Technical Intelligence School in Wright Field, Ohio, dem späteren Aufenthaltsort vieler Paperclip Wissenschafter, ausgebildet. Einen eigenen Geheimdienst, den US-Air Force Security Service (USAFSS) erhält die Air Force erst mit ihrer förmlichen Verselbständigung 1947.

Excerpt out of 167 pages

Details

Title
Der Technologietransfer Deutschland. USA nach dem Zweiten Weltkrieg am Beispiel der Kochel Windkanalanlage
College
University of Koblenz-Landau  (Institut für Geschichte)
Grade
Gut
Author
Year
2004
Pages
167
Catalog Number
V28223
ISBN (eBook)
9783638300698
ISBN (Book)
9783638702720
File size
5295 KB
Language
German
Notes
Die Arbeit analysiert den Werdegang einer militärischen Entwicklung im Bereich Aerodynamik im Zusammenhang mit den ersten ballistischen Raketen von Peenemünde. Dargestellt werden der Ursprung aerodynamischer Forschungen in Deutschland, ihre Anwendung zum Bau des Überschallwindkanals in Peenemünde, den Transport nach Kochel, die Analyse durch amerikanische Expertenteams, sowie den darauf folgenden Abtransport und die Integration in US-Rüstungsprojekte in den 50er Jahren.
Keywords
Technologietransfer, Deutschland, Zweiten, Weltkrieg, Beispiel, Kochel, Windkanalanlage
Quote paper
Sebastian Klapdor (Author), 2004, Der Technologietransfer Deutschland. USA nach dem Zweiten Weltkrieg am Beispiel der Kochel Windkanalanlage, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/28223

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