Die Überliquidisierung der Weltfinanzmärkte in den Jahren 2001 bis 2005

Motive und Wirkungen


Mémoire (de fin d'études), 2011

105 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhalt

1 EINFÜHRUNG
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung und Gang der Untersuchung

2 THEORETISCHE HINTERGRÜNDE - KONZIPIERUNG DER THEMATIK

3 ZENTRALBANKEN
3.1 Vorbemerkung
3.2 Motive und wirtschaftliche Ursachen für ihr Handeln und Versagen
3.2.1 Die Rezession vermeiden wollen und dennoch zu einer führen - wie ist das möglich? Die durch Zentralbanken betriebene Niedrigzinspolitik aus ökonomischer Sicht
3.3 Wirkungen
3.4 Fazit

4 GESCHÄFTSBANKEN UND SONSTIGE INTERMEDIÄRE
4.1 Ursachen, Vorgehen und Konsequenzen
4.2 Besonderheiten in Bezug auf die Hintergründe, die zu den Fehlentscheidungen (die die Überliquidisierung bewirkt haben) geführt haben
4.2.1 Trugschlüsse
4.2.2 Die konträre Entwicklung der Maßnahme einer Marktregulierung
4.3 Kritik zum Kapitel 4
4.4 Ursachen und Wirkung zusammengefasst
4.4.1 Überliquidisierung durch das Versagen der Politik im Zusammenspiel mit der Zentralbankpolitik:
4.4.2 Überliquidisierung durch Fehlentwicklungen auf den Finanzmärkten

5 FINANZIERUNGSGESELLSCHAFTEN
5.1 Vorbemerkung
5.2 Risikoproblematik im Sinne eines exzessiven Optimismus als Erklärung für die Renditejagd respektive zunehmende Liquidisierung
5.3 Überliquidisierung durch Finanzinnovationen
5.3.1 Einige Eckzahlen und Fakten zur Einleitung in die Problematik
5.3.2 Rolle und Versagen derBeteiligten (Akteure und Institutionen)
5.3.2.1 Besonderheit: Versagen der Ratingagenturen im Risikotransferprozess
5.3.2.2 Folgenschwerer Kreditgeberwechsel / Kopierung des Finanzierungssystems
5.3.2.3 Bepreisung, Vergütung und Handel mit dem Risiko/Die Asymmetrie der Anreize als treibende Kraft des Liquisierungsprozesses
5.4 Fazit (in der Wirtschaft erzeugte Wirkungen)

6 SCHLUSSWORT

7 ANHANG

8 LITERATURVERZEICHNIS

Verzeichnis der Abbildungen

Abb. 1: Überliquidisierung der Weltfinanzmärkte

Abb. 2: Global savings and investment as a share of world GDP

Abb. 3: Abweichung von der Taylor-Regel

Abb. 4: Taylor-Regel-Bestimmung

Abb. 5: Liquiditätsschwemme

Abb. 6: Karikatur „Political Cartoon: Amateurs Max Keiser

Abb. 7: European Financials' Balance Sheets (Total Assets, $ bn)

Abb. 8: Great Moderation (Große Mäßigung)

Abb. 9: SinkendeRisikoprämien

Abb. 10: Global hedge fund assets as a percentage of nominal OECD GDP

Abb. 11: Handel an denFinanzmärkten weltweit, 1990-2005

Abb. 12: Börsengehandelte Finanzderivate - Nominalbeträge und Handel von 1990 bis 2004

Abb. 13: Das System der Finanzierung des selbstgenutzten Wohneigentums in den USA

Abb. 14: Kopiertes System

Verzeichnis des Anhangs

Anhang I: Central bank discount rate Japan

Anhang 2: Yield 10-year interest-bearing government bonds Japan

Anhang 3: JPY/USD exchange rate

Anhang 4: Central bank rate China

Anhang 5: CNY/USD exchange rate

Anhang 6: Federal funds rate

Anhang 7: Prime interest rate USA

Anhang 8: Bank Prime Loan Rate USA

Anhang 9: 30-Year Conventional Mortgage Rate USA

Anhang 10: Yield 10-year federal government securities USA

Anhang 11 : Long-term government bond yields Euro Area

Anhang 12: EUR/USD exchange rate

Verzeichnis der Abkürzungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.

1 Einführung

1.1 Problemstellung

Die Finanzkrise 2007/08, die als Liquiditätskrise begann, entwickelte sich schnell weltweit zu einem Eigenkapitalproblem des Banksektors[1] und nahm 2008, in einer global verursachten Rezession, ihr Ende. Nicht nur deshalb erlebte die ökonomische Forschung über Finanzmärkte und Finanzinstitutionen in den letzten 20 Jahren eine Hochkonjunktur. „Es gab zahlreiche neue methodische Entwicklungen, die sowohl die theoretische als auch die empirische Forschung beflügelten.“ Die Disziplin Finance etablierte sich in dieser Zeit endgültig als ein eigenständiges Forschungsfeld. „Methoden des quantitativen Risikomanagements fanden in den 1990er Jahren Eingang in die Bankenregulierung. Das Thema Finanzmarktstabilität wurde in der Forschung von Zentralbanken und internationalen Organisationen wie dem IWF, der Weltbank und auch der BIZ groß geschrieben. Und trotz all dieser Forschungsaktivität traf die Krise, die im Juli 2007 ihren Ausgang in den USA nahm und sich dann mit einer überraschenden Geschwindigkeit weltweit ausbreitete, den Finanzmarkt relativ unvorbereitet. Ihr Ausmaß und ihre Tiefe überraschten viele. Zwar hatten die globalen

Zahlungsbilanzungleichgewichte, der Immobilienboom und private Verschuldung in den USA, die Undurchsichtigkeit komplex strukturierter Finanzprodukte und die historisch extrem niedrigen Risikoprämien vielen Ökonomen und Wirtschaftspolitikern seit Langem Kopfschmerzen bereitet. Die Sorge, dass es zu einer krisenhaften Bereinigung dieser Ungleichgewichte kommen könnte, wurde vielfach geäußert.[2] Niemand sah aber den dramatischen Verlauf der Ereignisse, wie sie sich seit Juli 2007 entwickelten, voraus.“[3] Die durch eine Reihe an Fehlentscheidungen erzeugte Finanzkrise führt vor Augen, dass ein tieferes analytisches Verständnis der makroökonomischen Rolle von Finanzinstitutionen, ihrer Geschäftspolitik und ihres Risiko- und Bilanzmanagements von zentraler Bedeutung ist. Gerade deshalb richtet sich das Hauptaugenmerk der vorliegenden Arbeit auf diese in der Finanzwirtschaft getroffenen Fehlentscheidungen, die zur Überliquidisierung der Weltwirtschaft führten. Im Zusammenhang mit den Irrwegen der Politik als Hauptursache, werden hier die Verlaufsformen der global zustande gekommenen Überliquidisierung besprochen. Während die Wirkung der Geldpolitik über das Bankensystem in der älteren Makroökonomie stets im Blickfeld war, zeigt sich, dass die Kombination von Finanzintermediären und entwickelten, modernen Kapitalmärkten den bestehenden Zusammenhängen eine neue Bedeutung gibt, sodass ein Rückgriff auf älteres Wissen die Lücken nicht leicht schließen kann.[4] Bereits Kindleberger (1993) sprach diesen direkten Zusammenhang zwischen Geldpolitik, Finanzinstitutionen (deren Insolvenzen im Finanzsystem) und deren Wirkungen auf die Realwirtschaft an: „Modern economic theory tends to ignore price changes on the ground that while a change in price produces a gain or loss for one set of economic actors, it simultaneously results in offsetting loss or gain for another. On this score, to worry about prices and price levels is ,money illusion4, mistaking nominal money values for real values. This fails to take account of dynamic effects of two kinds. From a monetary viewpoint, price increases and decreases stimulate bank expansion and contraction, respectively, and produce macroeconomic change. When price declines lead to bankruptcy, moreover that bankruptcy spreads through the system in cumulating fashion with results that are not offset elsewhere. In the second place, while one group gains and another loses from price changes, awareness of gain and loss is not likely to be simultaneous or to fall on groups that are identical in behavior. On both accounts, the results of price changes are unlikely to be offsetting .. ,”[5]

1.2 Zielsetzung und Gang der Untersuchung

Der Hauptteil der vorliegenden Arbeit gliedert sich in vier Abschnitte (Kap. 2 - 5.), die jeweils Ursachen und Einzelwirkungen der im Laufe der Zeit (2001 - 2005) verursachten Überliquidisierung der Weltfinanzmärkte, die zum Zusammenbruch der Realwirtschaft geführt haben, hinterfragen. Abschließend wird im letzten Kapitel aufgezeigt, wie ein Nacheinander der Fehlentwicklungen auf dem Finanzmarkt ein Nacheinander der Entwicklungen in der Realwirtschaft erzeugte und damit deren Niedergang generierte. Der Anhang gibt die wichtigsten Fakten empirisch wieder und dient als Ergänzung der behandelten Problematik.

Zudem wird diese Arbeit um einige Abbildungen bereichert. Alle illustrativen Darstellungen zum folgenden Text, wurden in den dazugehörigen Verzeichnissen ergänzend nachgetragen.

Kapitel zwei widmet sich den definitorischen Grundlagen der Überliquidisierungsproblematik. Zunächst wird aufgezeigt, dass die Überproduktion an Geldmenge auf drei wirtschaftlichen Ebenen erfolgte: der Zentralbankebene, der Geschäftsbankebene und der Finanzierungsebene. Demnach soll das erste Kapitel primär auf das Bestehen direkter Zusammenhänge zwischen den drei so unterschiedlichen Komponenten aufmerksam machen, da genau die Vernachlässigung dieser, im Zeitraum 2001 bis 2005, die Geldwirtschaft dazu veranlasste, sich nicht äquivalent und überproportional zu den Entwicklungen der Realwirtschaft zu verhalten. Dieses Verhalten führte im Nachhinein zum Kollaps der Weltwirtschaft. Gerade aus diesem Grund, bzw. im Hinblick auf ein gegenwärtiges Fehlen eines makroökonomischen Mainstream-Modells seitens der Forschung wie auch in Bezug auf die gesamte Untersuchung der vorliegenden Arbeit, empfinde ich das Heranziehen dieses Modells zur Ergänzung dieser Thematik als besonders bedeutsam. Die in Kapitel zwei getroffene thematische Abgrenzung soll in die Untersuchung der Arbeit einführen und deren Zielsetzung motivieren.

Kapitel drei schildert die Überliquidisierung der Weltfinanzmärkte seitens der vier größten Zentralbanken: Fed, EZB, PBoC und BoJ. So werden im Rahmen dieses Kapitels zunächst die Ursachen für die ausgeübte „leichte Geldpolitik“[6] untersucht. Dazu werden die seitens der Wirtschaftswissenschaft z.T. konträr vertretenen Ansichten hinsichtlich der betriebenen Geldpolitik, wie auch der Bereitstellung kurzfristiger Liquidität zu sehr niedrigen Zinssätzen, angeführt. Durch die in diesem Teil vorgebrachten Untersuchungen, u.a. von: Diamond und Rajan (2009), Bernanke (2005), (2009), Obstfeld und Rogoff (2009), Francke (2008) und Buiter (2008) wird deutlich, dass die durch Zentralbanken betriebene Niedrigzinspolitik im Versagen der Politik derjeweiligen Staaten ihre Begründung findet. Ergänzt wird Kapitel drei um den Ansatz Taylors (1985, 2007), der die gegenseitige Interaktion der Zentralbanken bei der Niedrigzinssetzung mittels Überlegungen aufBasis der Spieltheorie zu erklären versucht.

Kapitel vier untersucht die Überliquidisierung der Weltfinanzmärkte seitens der Geschäftsbankenwelt. Im Rahmen dieses Abschnitts wird ein Krisenprozess vor dem Hintergrund einer Überakkumulation dargestellt: Das enorm gewachsene Gewicht der Vermögensbestände brach sich in der Periode 2001 bis 2005 über die Bewegung des Geldkapitals Bahn. Mit dem enormen Wachstum des Kreditsystems, der Eigentums- und Besitztitel entwickelte sich eine umfangreiche Branche an Finanzleuten etc., die immer größere Schwierigkeiten hatten, die akkumulierten Ersparnisse profitabel anzulegen.[7] Die nicht produktiv reinvestierten Gewinne wurden an den Finanzmärkten von Finanzinvestoren angelegt,[8] die zu zentralen Akteuren im Wirtschaftsprozess geworden sind. Dieser Teil soll vor allem erklären, dass sich die chronische Überakkumulation in der Realwirtschaft im Bereich der Geldakkumulation in einem dynamischen Prozess der Kreditvolumina umsetzte: Die Banken haben die Kreditvolumina selbst ausgedehnt, um die Liquidität für immer neue Geschäfte zu erhalten.[9] Das Fehlverhalten im Banksektor wird hier am Ansatz der falsch verstandenen Markteffizienz und infolgedessen betriebenen Deregulierung erklärt. Es zeigt sich, dass die komplette Lockerung von Regulierungsvorschriften die Investment-, wie auch Geschäftsbanken dazu veranlasste, in ihre jeweiligen Gegenrollen einzutauchen. Im Resultat erzeugten sie damit in ihren Bankbilanzen eine gefährliche Kombination aus Liquiditäts- und Kreditrisiken.[10] Ergänzt wird das vierte Kapitel durch die Basler Ansätze zur Stabilisierung des Banksystems, da auch diese auf der Annahme der Finanzmarkteffizienz aufbauten und demzufolge ein undurchführbares Modellieren der Bankenrisiken samt deren Minimierung durch entsprechende Capital Ratios erlaubten und nicht zuletzt ein destruktives Moral Hazard unterstützten.

Im Kapitel fünf wird die Überliquidisierung der Weltfinanzmärkte mittels Finanzierungsgesellschaften analysiert. Dabei werden mehrere Aspekte besprochen. Beginnend mit den unterschiedlichen Auffassungen des Risikobegriffes soll vor allem auf die Bedeutung seiner Interpretation aufmerksam gemacht werden. So zeigt sich zunächst, dass gerade die Zeiten wirtschaftlicher Stabilität Investoren dazu getrieben haben, ihre Risikowahrnehmung zu reduzieren. Wie so oft in der Geschichte wenn das Geld billig wurde, kam es auch hier aufgrund dessen zum finanziellen Boom. Deswegen richtet sich die Aufmerksamkeit des Kapitels im Weiteren auf die wachsenden Finanzmarktinnovationen und vor allem auf die Anreizmechanismen, die sich hinter ihrer Ausbreitung verbargen. Im Laufe dieses Abschnitts wird deutlich, dass hinter der Überliquidisierung der Weltfinanzmärkte in Wirklichkeit das Versagen der an den kontinuierlich steigenden, immer riskanter werdenden Transaktionen beteiligten Akteure steht. Nicht zu vergessen gilt hier, dass das staatliche Handeln (u.a. die „Demokratisierung der Kreditvergabe“[11] )[12] die Bildung opportunistischer, eigennutzbasierter, leichtsinniger, und nicht zuletzt auf kurzfristige Gewinnerzielung ausgerichtete Anreizschemata wesentlich erleichtert hat. Auch wird in Folge dieses Kapitels klar, dass mit der Überliquidisierung der Finanzmärkte eine Akkumulation von Risiken einherging, von der sich kein Transaktionsteilnehmer bewusst war, welches Ausmaß sie annehmen würde.[13]

Im Schlusswort werden nur die wichtigsten Ergebnisse resümiert. Vielmehr richtet sich dieser Abschnitt auf die in der Weltwirtschaft hervorgerufen Effekte, die diese Politik „wilder“ Geldproduktion impliziert hat - die Abkopplung der Finanz- von der Realwirtschaft. Der Umfang des letzten Kapitels soll somit auf die globale Bedeutung der auf dem Finanzmarkt getroffenen Fehlentscheidungen aufmerksam machen.

Ergänzend gewährt der Anhang einen Blick auf wichtige Fakten seitens der Empirie.

2 Theoretische Hintergründe - Konzipierung derThematik

„Die Überliquidisierung der Weltfinanzmärkte nahm ihren Ausgang in der Überproduktion von Zentralbankgeld der großen Zentralbanken der USA (Fed), Chinas (PBoC), des Eurosystems (EZB) und Japans (BoJ). Im Ergebnis führte diese zu der multiplikativen Schöpfung von Geschäftsbankengeld und monetären Derivaten“, welche die Weltfinanzmärkte mit der entstandenen Liquidität in überreichlichem Maße versah. Die unten stehende Abbildung verdeutlicht diesen Vorgang anhand einer „auf den Kopf gestellten Pyramide“.[14] Im nachfolgenden Text werden die einzelnen Stufen dieser Pyramide analysiert. Dadurch wird versucht, den in der Weltwirtschaft im Einzelnen verursachten Gesamteffekt der Überliquidisierung und seine Folgen verständlicher zu machen. Der Aufbau der vorliegenden Arbeit lässt eine gesonderte Betrachtung zu, ohne ihr Augenmerk von den Wechselwirkungen der hier behandelten Problematik abzulenken.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Überliquidisierung der Weltfinanzmärkte

Quelle: Francke, H.-H.(2008), S. 261.

Die Wirkung der Geldpolitik auf das Bankensystem ist ein Thema, das in der akademischen Ökonomie oftmals begonnen, jedoch nicht weiterverfolgt wurde. Dabei sind diese Zusammenhänge und Wechselwirkungen für die Theorie moderner Kapitalmärkte von zentraler Bedeutung. Leider ist eine Integration der Ansätze der Geldpolitik mit den Einsichten und Rollen der Finanzintermediäre in ein makroökonomisches Mainstream-Modell noch nicht wirklich in Sicht, obwohl klar ist, dass der Finanzsektor als Ganzes so agiert, dass sich ein direktes Feedback zwischen Geldpolitik, Bankbilanz und Realwirtschaft ergibt.[15]

3 Zentralbanken

3.1 Vorbemerkung

Die ökonomische Literatur weist hinsichtlich der Ursächlichkeit des durch die Zentralbankpolitik des „leichten Geldes“ verursachten finanziellen Kollapses ganz unterschiedliche Ansätze auf. Manche Ökonomen sehen den Ausgang des Niedergangs der Finanzmärkte primär in den USA, bzw. in deren irrtümlich betriebenen Politik und dem Scheitern der US-Finanzmarkt-Regulierungssysteme. Andere Kommentatoren blicken wiederum auf die in der Weltwirtschaft primär durch globale Ungleichgewichte und vorherige Finanzkrisen erzeugte Fehlmechanismen und machen diese für die in den USA betriebene Niedrigzinspolitik hauptverantwortlich. Im Umfang dieses Kapitels wird hauptsächlich die Argumentation der Letzteren herangezogen.[16] Demnach wird im Rahmen dieses Kapitels zuerst kurz auf die Krisenkonstellation der Vergangenheit und die dadurch in der Weltwirtschaft erzeugten Ungleichgewichte eingegangen. Damit soll das Verständnis des mit der Globalökonomie verbundenen Mechanismus erleichtert werden, bzw. auf die mit der Globalisierung der Weltwirtschaft einhergehenden Kausalzusammenhänge aufmerksam gemacht werden. Gleichzeitig wird auch auf einige auffallende ökonomische Besonderheiten, die im Zusammenhang mit den Fehlentscheidungen der Politik aufgetreten sind, hingewiesen. Unmittelbar danach folgt ein Abschnitt, der die Interaktion der vier größten Zentralbanken zu erklären versucht. Zum Schluss wird kurz auf die Wirkungen als Folge politischer Fehltritte eingegangen.[17]

3.2 Motive und wirtschaftliche Ursachen für ihr Handeln und Versagen

3.2.1 Die Rezession vermeiden wollen und dennoch zu einerführen - wie ist das möglich? Die durch Zentralbanken betriebene Niedrigzinspolitik aus Ökonomischersicht

Als Ursache für die Politik des leichten Geldes und deren Folge, der internationalen Finanzkrise, werden immer wieder die globalen Zahlungsbilanzungleichgewichte genannt. „Zwar sind sich die meisten Beobachter einig, dass der Auslöser der Krise im US-Markt für zweitklassige Hypothekenkredite, in der Transformation illiquider Kredite in liquide Wertpapiere, bzw. der Art und Weise der Kreditvergabe (Solvenzproblem) sowie der Form der Weiterreichung an die Kapitalmärkte (Liquiditätsproblem) zu suchen ist“ (siehe folgendes Kapitel). Jedoch nehmen in der langen Liste anderer Faktoren, die zur Überliquidisierung der Weltwirtschaft geführt haben, „die globalen Ungleichgewichte neben dem hohen Leistungsbilanzdefizit der Vereinigten Staaten und den entsprechenden Überschüssen der aufstrebenden Volkswirtschaften Asiens einen prominenten Platz ein. Dies ist verständlich, da die Konfiguration der Leistungsbilanzsalden seit Langem als „unhaltbar“ eingestuft wurde.“[18] Entsprechend stellen die globalen Ungleichgewichte eine zentrale Ursache dar. Sie „nahmen Anfang dieses Jahrzehnts Kontur an, als - im Gegensatz zu früheren Konjunkturzyklen - das US-Leistungsbilanzdefizit[19] trotz nachlassender wirtschaftlicher Aktivität in den USA weiter anstieg, um im Aufschwung der Jahre 2003 bis 2006 noch zuzunehmen. Die Gegenposition bildeten Staaten, die durch eine starke wechselkurspolitische Anbindung an den US-Dollar gekennzeichnet sind. Dazu gehörten - neben Japan - zunächst vor allem die aufstrebenden Volkswirtschaften Asiens, die von der Asienkrise 1997 besonders stark betroffen waren (Hongkong, Indonesien, Korea, Malaysia und Thailand). Mit dem Anstieg der Öl- und Rohstoffpreise seit 2000 kamen die öl- und rohstoffreichen Staaten hinzu. Schließlich weist seit 2002 China rasch wachsende Leistungsbilanzüberschüsse auf. Die globalen Ungleichgewichte sind daher Ungleichgewichte innerhalb der ,Dollar-Zone‘.“[20] Auch wird die Periode der Niedrigzinspolitik (2001 - 2005) mit dem Entgegenwirken einer befürchteten Deflation nach der Tech-Blase (2001), wie auch der weltweit zunehmenden Ersparnis begründet.[21]

Als erstes Argument hierfür möchte ich die Erklärung von Diamond und Rajan (2009) heranziehen. Diese sprechen im Zusammenhang mit der betriebenen Niedrigzinspolitik von einer „extrem entgegenkommenden monetären Politik“ seitens der Weltzentralbanken. Sie bemerken in der betriebenen Politik einen starken Zusammenhang zu vorausgegangenen Krisen, als ein Beispiel besprechen sie die Effekte der Asienkrise (Mitte der 1990er Jahre bis 2003; einschließlich China), die mit Thailands Währungskrise begonnen hat und zur rapiden Kreditvergabe und einem Gefolge weiterer asiatischer Staaten, führte.[22] Die Asienkrise zog folglich auch zahlreiche Emerging Market-Ökonomien mit sich und führte Ende der 1990er Jahre zu hohen globalen Ungleichgewichten, die in der Weltwirtschaft eine Sequenz politischer Reaktionen verursachte. Die mangelnde Investitionsbereitschaft von inländischen Anlegern in Emerging Markets (aufgrund vorangegangener Finanzkrisen) und ihre Suche nach sicheren Anlagehäfen führte zu einem Kapitalexport in die Industrieländer, speziell in die USA. Auch die Notenbanken der Schwellenländer legten ihre Devisenreserven schwerpunktmäßig in den USA an. Leistungsbilanzüberschüsse gegenüber den USA und der Versuch durch Devisenmarktinterventionen eine Aufwertung der heimischen Währung gegenüber dem US-Dollar zu verhindern, führten zu einem stetigen Aufbau entsprechender Reservepositionen und einem entsprechenden Rückfluss in die USA. Auch das Petro-Dolar- Recycling der Öl exportierenden Länder sowie das Carry Trading[23] und die simultane Anlage der liquiden Mittel in anderen Laufzeitsegmenten des US-Finanzmarktes gelten als Ursache für sinkende langfristige Zinssätze in den USA.[24] Genau diese gegen 2004 entstandenen, noch stärkeren, weltweiten Ungleichgewichte erachten Diamond und Rajan (2009) als ausschlaggebend für eine Politik, die eigentlich eine Rezession vermeiden sollte und dennoch zu einer führte. So kommen sie zu dem Schluss, dass die gegen 2004 erzeugten, die Weltwirtschaft destabilisierenden, globalen Ungleichgewichte ihren Ursprung in den durch die Asienkrise erzeugten globalen Ungleichgewichten nahmen. Dabei bemerken auch sie ein Versagen seitens der Politik, welches sie mit dem Heranführen der Argumentation Bini Smaghis (2008) unterstützen: ,,[E]xternal imbalances are often a reflection, and even a prediction, of internal imbalances. [E]conomic policies (...) should not ignore external imbalances and just assume that they will sort themselves out.” Auch entgeht Diamond und Rajan der unmittelbare Zusammenhang zu der durch Amerika ausgelösten Kettenreaktion und deren direkter Übertragung auf die Finanzmärkte nicht: Das US-Zahlungsbilanzdefizit und der steigende Ölpreis waren ihrer Meinung nach zwei Hauptrisiken, aber auch der Anstieg der Immobilienwerte und Kreditwert-Ratios (loan-value ratio) in einigen Ländern der Eurozone führten zum Risiko der finanziellen Stabilität. Zudem konstatierten sie, dass sich der Finanzmarkt diesen Risikenjedoch eigenständig anpassen wird, wenn auch auf eine von der Norm abweichende Weise. Gerade deswegen sei es Aufgabe der Politik, angemessene Richtlinien zu schaffen, um diesen zu bewachen.[25]

Auch Bernanke (2009) verweist auf die globalen Ungleichgewichte im Handel und Kapitalfluss, die in der zweiten Hälfte der 1990er entstanden sind. Dazu geht er von der These aus, dass vielmehr ein global erzeugtes Überangebot an Ersparnis eine Niedrigzinspolitik verursachte. Dazu teilt er die Periode 1996 bis 2004 in zwei Hälften, wobei die erste Periode im Jahre 2000 endet. Dabei geht Bernanke (2005) von der Außenverschiebung der Emerging Market-Ersparnis aus, die Ende der 1990er den Beginn der US-Auslandsdefizitsexpansion verursachte. Entsprechend dieser Theorie führte ein globaler Ersparnis-Überschwang (sog. „Global Saving(s) Glut“) zu einer globalen Vermögenspreisanpassung und brachte die entwickelten Volkswirtschaften dazu, im Ausland zunehmend Geld zu pumpen. Somit floss viel erspartes Kapital aus den Emerging Markets in die USA, was den Dollar nach oben trieb und damit auch das U.S.-Defizit. Anfang der 2000er suggeriert Bernanke ein Fallen der weltweiten Investitionsnachfrage aufgrund der bevorstehenden Dotcom-Blase. Zusammen mit der nach wie vor hohen Ersparnis sieht er darin den Rückgang der realen Zinssätze. Die Bedeutung dieser beiden Zusammenhänge bemisst Bernanke jedoch stärker in Bezug auf die Ursächlichkeit der betriebenen Niedrigzinspolitik als in Bezug auf ein direktes Versagen seitens der monetären Politik.[26] Mit dem globalen Hineinströmen von Ersparnis betonte jedoch die Fed ihre Bereitschaft, zunehmend Liquidität zu pumpen und im Fall eines starken wirtschaftlichen Rückgangs die Zinssätze zu senken (sog. „Greenspan put“; vgl. Kap. 5).[27] Auch fällt Wolf (2006) auf, dass die Entwicklung des Pfades globaler Kapitalflüsse mit den weltweit niedrig gehaltenen Zinssätzen verbunden ist. Zudem macht er die Politik Asiens für die Entstehung globaler Ungleichgewichte hauptverantwortlich. In der Fiancial Times vom 29. März 2006 fasst er seine Bemerkungen zusammen: „The rest of the world's surplus savings are ,crowding in‘ the high US current account deficits and domestic spending; it is not deficient US saving that is ,crowding out‘ domestic spending elsewhere. (...) The driving force behind the global imbalances is Asia's structural savings surplus, with China playing an increasingly significant role. The US cannot safely diminish its excess spending if others do not diminish their excess saving at the same time. (...) The imbalances are the results of bad policies in the capital exporting countries. (...) Chinas reserves alone are now $600 for every man, woman and child - and rising. Cannot a government rightly concerned about persistent mass poverty do something more intelligent with this money than lend it to the US, at very low interest rates, only to have the latter both complain and ultimately, in all likelihood, depreciate its currency and so partially default on its liabilities?”[28]

Im Weiteren erkennen ebenfalls Obstfeld und Rogoff (2009) in den globalen Ungleichgewichten[29] die Ursache der betriebenen Niedrigzinspolitik, schreiben jedoch im Vergleich zu Bernanke dem politischen Versagen eine höhere Schuld zu.[30] Im Gegensatz zu Bernanke kommen sie auch in Bezug auf den Anstieg der weltweiten Ersparnis zu anderen Ergebnissen. Dieser startete ihrer Meinung nach erst 2004, also nach der durch Bernanke (2005) erfassten Periode. Im Weiteren sind sie der Ansicht, dass Bernankes „saving glut“- Periode die Niedrigzinspolitik schon mit beinhalte. Dementsprechend sehen sie den Ursprung der Niedrigzinspolitik im Dotcom-Zusammenbruch, bzw. dessen Effekten auf die Investitionsnachfrage, welche, verbunden mit der betriebenen monetären Expansion zur Senkung der langfristigen realen Zinssätze Anfang 2000 führte. Das Argument des „Global Saving Glut“ wird für Obstfeld und Rogoff erst ab 2004 als plausibel erachtet. Zudem bemerken sie im rapiden Anwachsen der Dollarreserven in Entwicklungsländern einen weiteren Faktor, der zur Senkung der Zinssätze in den USA beitrug.[31]

Nennenswerte Kritik am Ansatz Bernankes liefert auch Taylor (2008, 2010). Er ist der Meinung, dass vor allem die Politik für den entstandenen monetären Exzess zuständig war („The government interventions taken before, during and after the crisis did more harm than good. These interventions were a deviation from what was working well. We got off track.“[32] „Policy deviated from what had worked well in the previous two decades by becoming more interventionist, less rules-based, and less predictable.“[33] ), und liefert in zahlreichen Aufsätzen plausible Evidenz dafür. Seine kritischen Beobachtungen stützt er mit Belegen aus der empirischen Forschung, indem er zunächst auf die Attraktivität des „Global-Saving-Glut“- Arguments und dessen Schlussfolgerungen eingeht: „Some argue, that the low interest rates in 2002 - 04 were caused by global factors beyond the control of monetary authorities. If so, then the interest rate decisions by the monetary authorities were not the major factor causing the boom. This explanation is potentially appealing, because long-term interest rates remained low for a while, even after the short-term federal funds rate started increasing. This alternative explanation focuses on global savings - a global savings glut - which pushed interest rates down in the United States and other countries.“ Darauf konstatiert Taylor aber, dass das Hauptproblem einer solchen Erklärung darin liegt, dass es keinen Beweis für das Auftreten der Global-Saving-Glut gibt. Anhand der unten angeführten Abbildung schildert er vielmehr das Gegenteil zur Global-Saving-Glut-Auffassung. Darin wird auf einfache Weise illustriert, dass die Ersparnis eher zurückgegangen als gestiegen ist. Die globale Ersparnisrate - weltweite Ersparnis als Bruchteil des weltweiten BIP - fiel im Zeitraum 2002 - 04 sehr niedrig aus, besonders im Vergleich zu den 1970er und 1980er Jahren. Diesbezüglich klärt Taylor auf, dass die USA in der betreffenden Periode weniger sparte, als sie investierte. Sie verzeichnete einen Leistungsbilanzdefizit, was beinhaltet, dass die Ersparnis weniger als die Investition betrug.

Es wurde zwar für diesen Zeitraum eine positive Erspamislücke außerhalb der USA verzeichnet. Diese wurdejedoch durch die negative Erspamislücke in den USA ausgeglichen, was keine Beeinflussung der globalen Zinssätze erwarten ließ.[34]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.

Source: World Economic Outlook. IMF, September 2005, chapter 2, p. 92

Abb. 2: Global savings and investment as a share of world GDP

Quelle: Taylor, John B. (2008), S. 4.

Überdies waren, in Anlehnung an Francke (2008) die Beweggründe der Zentralbanken stark mit anderen wirtschaftspolitischen Zielen verknüpft. Dabei geht er vom wirtschaftspolitischen und -geschichtlichen Standpunkt der jeweiligen Länder aus und macht damit auf die Natur der Hintergründe der getroffenen Zentralbankpolitik aufmerksam. Auch er ist der Auffassung, dass das politische Handeln ursächlich für das Entstehen der Krise war. Es erfolgt ein kurzer Einblick in die durch ihn zusammengefassten, wichtigsten Erkenntnisse: a.) Federal Reserve System: Bedeutender Ausgangspunkt war „die Politik der Fed zu Beginn des neuen Jahrtausends. Um dem Einbruch der Aktienmärkte entgegenzusteuern, aber auch um den Schock des 11. September 2001 zu bekämpfen, setzte sie eine zunehmende Produktion von ,High-powered-money‘ ein, die vor allem auf der fiskalischen Komponente basierte.“[35] „Nach dem Terrorangriff am 11. 09. 2001 stellte der amerikanische „lender of last resort“ bei Gesuchen von insgesamt 46,25 Milliarden US-$ selbst und ohne jede Sicherheit den Geschäftsbanken 38,25 Milliarden US-$ als Eintragskredite zur Verfügung. Über das Diskontfenster gehen im Normalfall 200 Millionen US-$ pro Woche - und dann auch gegen Sicherheiten, deren Wertsumme die der Kredite übersteigt. Die Federal Reserve Bank of New York wich davon jedoch ab, ihr eigenes Eigenkapital riskierend. Dies machte sie nicht, weil sie die benötigten Milliarden problemlos aus dem Nichts herbeizaubern konnte, sondern weil hinter ihr das potentielle Finanzministerium in Washington D.C. steht, um eventuelle Verluste anhand von Steuermitteln auszugleichen.“[36] Zudem galt für die Fed „die primäre Verpflichtung, das Wachstum durch antizyklische Geldpolitik zu fördern. Zugleich sollte die Finanzierung der Staatsausgaben für den Irakkrieg erleichtert werden, indem die durch Staatsverschuldung verursachten Crowding-out-Effekte steigender Zinsen kompensiert wurden. Auch wollte die Geldpolitik die Sozialpolitik stützen, welche den Erwerb selbst genutzten Wohneigentums durch ,Subprimers‘ forcierte (Antidiskriminierungsgesetz[37] ).“ Die fiskalisch basierte Geldschöpfungs-Komponente, die ihre Begründung in der Finanzierung der wachsenden Staatsverschuldung der USA seit dem 11. 09. 2001 fand, verstärkte sukzessiv die globale Überproduktion von Zentralbankgeld.[38]

- Dabei bediente sich die Fed des sog. Inflation-Targeting: Das „Inflation-Targeting ist eine adaptive geldpolitische Strategie, bei der die Zentralbank bei Abweichungen des kurzfristigen Zinssatzes vom Zielwert (Target) den Zinssatz in die entgegengesetzte Richtung bewegt, hin zur vorherrschenden geldpolitischen Doktrin. Als die Fed in Reaktion auf das Platzen des Aktienbooms im Jahr 2001 den Zinssatz extrem senkte, wendete sie dadurch eine Rezession ab. Dann wurde aber der Zinssatz für sehr lange Zeit auf diesem niedrigen Niveau gehalten, weil die Inflation niedrig blieb.“[39] Damit verfolgte sie eine Strategie, die unter Zentralbankern als „Jackson Hole consensus“ bekannt ist. Dieser Konsens baut auf der Meinung auf, dass die Hauptaufgabe der Zentralbanken darin liegt, die Inflation niedrig und stabil zu halten. Der Hauspreisboom in den USA wurde dadurch, wie durch die Ignoranz der Geldpolitik gegenüber Vermögenspreisen,[40] wesentlich mitgeprägt.[41] Eine Kritik am Festhalten am Inflation-Targeting, der Preisstabilität wegen, lieferte insbesondere The Economist vom 14. September 2006: ,,If central banks focus solely on price stability, they might allow even bigger financial imbalances to build up. This is why they need to watch a wider range of indicators beyond inflation, including the growth of credit, money, saving rates and asset prices. They should be prepared to raise interest rates in response to clear evidence of financial imbalance, even if it means they undershoot their inflation target.“[42] In der Ausgabe vom 16. Januar 2003, wie auch 18. April 2002, sind die The Economist-Autoren zudem der Auffassung, dass man anhand bisheriger Erfahrungen bereits feststellen kann, dass Preisstabilität keineswegs eine Garantie für finanzielle Stabilität ist. So übt der Artikel an der durch die amerikanische Federal Reserve betriebenen Niedrigzinspolitik im Zusammenhang mit der Steuerung von Vermögenspreisen direkte Kritik: „Central bankers always have to deal with uncertainty. (...) Lowering interest rates when asset prices tumble (as Fed has done) but not raising them when they soar creates a moral hazard that makes speculative bubbles more likely.“[43] Auf Letzteres greift auch Buiter (2008) zurück. Dabei geht er auf das Versagen seitens der Politik durch das Fehlen einer einheitlichen Regulierung der beträchtlich mit Fremdkapital finanzierten Finanzinstitutionen (Geschäftsbanken, Investmentbanken, Hedgefonds, Private Equity Gesellschaften etc.) ein. Um einem exzessiven Kreditwachstum und Leverage vorzubeugen, sollten auch die unter den Status „to big to fail“ fallenden Finanzinstitutionen Regulierungsprinzipien[44] unterzogen werden. Damit unterstützt er die in seiner Untersuchung erstellte These, dass das Scheitern monetärer Theorie und Praxis der Zentralbanken fur die am 9. August 2007 ausgebrochene Krise verantwortlich war.[45]

- Zudem bedarf es an dieser Stelle auch der Erwähnung der durch einige Ökonomen für den Zeitraum 2002 bis 2005 beobachteten Abweichung von der Taylor-Regel, zu der auch Taylor selbst etliche Male Stellung nimmt:[46] So wurde im Rahmen dieses Kapitels bereits deutlich, dass die Geldpolitik während der Periode 2001 bis 2005 zu leicht war. Dieses versuchen manche Ökonomen anhand einer bekannten Benchmark, die unter Taylor-Regel (1993) bekannt ist und eine gute geldpolitische Strategie charakterisieren soll, zu erläutern. Nach diesem Ansatz sollen Zentralbanken ihre Zinssätze um einen bestimmten Wert erhöhen, wenn die Inflation steigt und im Fall einer Rezession umgekehrt (siehe hierzu Exkurs 1). So nahm auch Taylor selbst auf der jährlichen Jackson-Hole-Konferenz für Zentralbanker im Sommer 2007 kritisch Stellung, indem er auf die durch ihn beobachtete Abweichung des Zielwertes der Fed für den Federal-Fund-Zinssatz vom Wert des eigenen Maßstabs hinwies. Dieser befand sich demnach, insbesondere in den Jahren 2002 bis 2005, stark unterhalb des durch die Taylor-Regel bestimmten Wertes. Laut Taylor waren die U.S.-Zinssätze für eine zu lange Zeit zu niedrig. Den Grund hierfür sieht er im folgenden Problem: einer durch die Fed für diese Periode zu gering prognostizierten Inflation. Statt einer geschätzten Abnahme kam es zum Anstieg der Inflation im Zeitraum 2002 bis 2005. Somit war die prognostizierte Inflation viel niedriger als die im Zeitraum 2002 bis 2005 tatsächlich aufgetretene, was im Grunde den niedrigen Zielwert für die Zinspolitik der Fed rechtfertigt. Die verzeichnete Abweichung von der Taylor-Regel war hiermit die beträchtlichste seit den Turbulenzen in den 70er Jahren.[47]

Dies wird anhand der unteren Abbildung erneut verdeutlicht. Dabei gibt der Pfad (blaue Linie) die Target-Rate an, also den durch das Federal Open Market Comitee (FOMC) festgesetzten Zielwert für die Federal Funds Rate. Wie man sehen kann, wurde der Zielwert der Federal Funds Rate in Erwiderung auf die Rezession 2001 von 6,5 Prozent gegen Ende 2000 auf 1,75 Prozent im Dezember 2001 und sogar auf 1 Prozent im Juni 2003 gesenkt.

Nach der Erreichung dieses Tiefstandes von 1 Prozent, blieb der Zielwertsatz für ein Jahr auf diesem Niveau stehen. Erst ab 2004 begann die FOMC ihren Zielwert zu heben. Die niedrigen Zinssätze in diesem Zeitraum waren mit der fortlaufenden Beratung der Politik seitens der FOMC begründet. Man sprach in diesem Zusammenhang (der „leichten Geldpolitik“, bzw. der durch die U.S.-Fed betriebenen Niedrigzinspolitik) von einer „stark entgegenkommenden Politik“, die im schwachen Wachstum des BIP 2002, Steigung der Arbeitslosenrate in der ersten Hälfte 2003 und der Angst vor einer möglichen Deflation ihre Begründung fand. Die rot gestreifte Linie hingegen gibt den Wert der für diesen Zeitraum errechneten Taylor-Regel an. Es wird sichtbar, dass der Wert der Federal Funds Rate deutlich unterhalb des durch die Taylor-Regel erforderten Wertes liegt, und zwar um ca. 200 Basispunkte im Durchschnitt über den gesamten 5-Jahres-Zeitraum (2002 - 2006). Dieser Vergleich stellt den meistzitierten Beweis für die leichte Geldpolitik dieser Periode dar.[48] Taylor selbst bezeichnet dies als Abweichung vom politischen Kurs, der seit den 1980er Jahren eigentlich gut funktionierte.[49]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Bernanke, Ben S. (3. Jan. 2010), S. 13, Dia 3.

- Exkurs 1 : Taylor-Regel

Wie oben bereits erklärt, beschreibt die Taylor-Regel, wie die Federal Funds Rate, der durch die FOMC festgelegte Zielwert, bestimmt werden soll. Sie gliedert sich in die folgenden Teile:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.

Abb. 4: Taylor-Regel-Bestimmung

Quelle: Bernanke, Ben S. (3. Jan. 2010), S. 12, Dìa 2.

Daraus lässt sich ableiten, dass die Zinssätze höher sein sollten, wenn Inflation über dem Target (Zielwert) ist, (pt - pt *) > 0; die gleiche Logik gilt für den Wert des Outputs (yt - yt *) > 0. Taylor (1993) schätzte den langfristigen realen Federal Funds Rate-Wert auf ca. 2 Prozent. Dementsprechend zeigt die Taylor-Regel-Gleichung, dass wenn Inflation und Output (GDP) ihren Zielwerten (Target) gleichen, dann sollte die Federal Funds Rate (in nominalen Werten ausgedrückt) einen Wert gleich 2 plus der Inflationsrate ergeben; der reale Wert der Federal Funds Rate sollte in diesem Fall gleich 2 Prozent sein.[50]

b.) Peoples Bank of China: „Die Liquidisierung der Weltfinanzmärkte wurde schließlich durch das Verhalten der chinesischen Zentralbank verstärkt.“ Die Hintergründe der PBoC waren vor allem „Wachstumsziele, um die Fortdauer des Transformationsbooms in China über die Expansion der Zentralbankgeldmenge zu sichern. Daneben stand jedoch das währungspolitische Bemühen im Vordergrund, den Wechselkurs des Yuan gegenüber dem US- Dollar zu fixieren.“[51] „Weil der Wechselkurs des Yuan gegenüber dem Dollar fixiert war, wuchsen die Außenhandelsüberschüsse Chinas.“[52] „Die entsprechenden Devisenerlöse wurden von der PBoC gegen Yuan angekauft und, auch zur Wechselkursstabilisierung, in amerikanische Staatsschuldtitel reinvestiert. Der unterbewertete Yuan bzw. der überbewertete Dollar ließen die Außenhandelsüberschüsse und Devisenreserven Chinas permanent wachsen. Die Überproduktion von Zentralbankgeld in China erfolgte auf Basis der außenwirtschaftlichen Komponente.“[53]

c.) Europäische Zentralbank: „Auch im Eurosystem[54] wuchsen die Geldmengenaggregate, weil die EZB, vor allem wegen der schwachen Konjunktur in Deutschland, vor einer restriktiven Politik zurückschreckte.“ „Obwohl die EZB satzungsgemäß nur auf das Geldwertziel (< 2 %) verpflichtet ist, orientierte sie ihre Politik lange am unbefriedigenden Wachstum der größten Volkswirtschaft des EURO-Systems, Deutschland - trotzdem ein großer Teil der übrigen Mitgliedsstaaten, vor allem Irland, Spanien und Griechenland wegen deutlich höherer nationaler Inflationsraten eine wesentlich restriktivere Politik benötigt hätten.“ Im Ergebnis sanken die Realzinsen und trugen damit zu der globalen Immobilienblase bei. Aufgrund des konjunkturellen Abschwungs in Europa baute die zunehmende Geldschöpfung im Euro-System auf der Komponente der Refinanzierung auf.[55]

d.) Bank of Japan: Die schwache makroökonomische Verfassung Japans hat bereits zuvor zur erheblichen Verschlechterung ihres Finanzsektors beigetragen. Die vorherrschende Situation der japanischen Wirtschaft resümierte der Jahresreport der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) zutreffend: „The Japanese situation highlights the powerful two-way links between the real economy and the financial system: the depressed state of the economy is hurting the banking system, and the poor health of the banking system is impending the economic recovery.“[56] Mit dem Ziel, das Wachstums der japanischen Volkswirtschaft fördern zu wollen, setzte (auch) die BoJ extrem niedrige Leitzinssätze fest. „Zugleich sollte damit die Finanzierung des enormen Defizits des Staatshaushaltes erleichtert werden. Dadurch wurde jedoch auf den internationalen Finanzmärkten ein sog. ,Carry-trading‘ ausgelöst, d.h. global agierende Finanzinvestoren verschuldeten sich bei japanischen Banken, um die dortigen niedrigen Zinssätze zu nutzen und die Kreditbeträge in höher verzinslichen Fremdwährungen anzulegen.“ Somit war auch in Japan die Refinanzierung die tragende Komponente der Überproduktion an Zentralbankgeld.[57]

ad b.) + d.): In China und Japan wurde die übermäßige Zentralbankgeldproduktion „nicht durch eine entsprechende Erhöhung der Inflationsrate und eine restriktive Geldpolitik begrenzt, weil in diesen Staaten die privaten Sparquoten extrem hoch waren. Diese hohen Sparquoten (in China ca. 40 % des BIP) finanzierten sowohl die Exportüberschüsse real über die Güterexporte der Leistungsbilanz als auch monetär (über die Kapitalexporte der Kapital- bzw. Devisenbilanz).“ Sowohl der Preismechanismus als auch der Zins- und Wechselkursmechanismus war in beiden Staaten erheblich gestört. Bspw. werden in China sowohl die Haben- als auch die Sollzinsen der Geschäftsbanken staatlich fixiert.[58]

ad c.): Auch im Eurosystem zeigte Francke (2008) ein Auftreten ähnlicher marktwirtschaftlicher Steuerungsdefizite auf. Aufgrund der Einheitswährung waren, wie er bemerkt, die Zinssätze durch die Spill-over-Effekte der Schuldnerbonität zu niedrig. Auch „fehlte der korrigierende Wechselkursmechanismus zur Schuldenbegrenzung“, was im nächsten Schritt wiederum eine weitere Krise implizierte.[59]

An dieser Stelle der Untersuchung kommen zwei Probleme besonders stark zum Vorschein. Zum einen ist hier anzuführen, dass eine zu starke Abhängigkeit der Zentralbank (Geldpolitik) von den Interessen der Politik fatale Folgen für die Wirtschaft haben kann. Diese Überlegung möchte ich mit dem Argument der Zentralbankunabhängigkeit aus The Economist (25. Nov. 1999) stützen: „IT IS now widely accepted that monetary policy is best set by an independent central bank, insulated from political pressures. (...) An independent central bank (...) as a result its policies are seen by financial markets as more credible.”[60] Zum anderen wird deutlich, dass der fortlaufende Globalisierungsprozess die Individualität der einzelnen Zentralbanken schwächte.[61] Jedoch impliziert diese Tatsache nicht, dass die Zentralbanken, alle zusammen, einen geringeren Einfluss auf die realen Zinssätze haben.[62] Auf Letzteres wird nun im Hinblick auf die Koordinierung von Entscheidungen der Zentralbanken in Anbetracht des Bestehens gegenseitiger Wechselwirkungen, eingegangen. Ausgehend von der Feststellung, dass die Zinssätze mehrerer Zentralbanken von der historischen Regelmäßigkeit der Taylor-Prognose abwichen,[63] ist die Frage nach einer möglichen Verbindung der Zentralbanken untereinander nicht unpassend. Taylor (2008) deutet darauf hin, dass die zinspolitischen Entscheidungen der EZB durch die zinspolitischen Entscheidungen der Fed erklärt werden können. Zwar ist es zu demjetzigen Forschungszeitstand statistisch schwierig festzustellen, ob die EZB der Fed folgt oder die Fed der EZB, jedoch ist das Bestehen solch gegenseitiger Zusammenhänge unmissverständlich.[64] Bei Analyse des Entscheidungsprozesses von Zentralbanken geht Taylor (2008*) von der Frage aus, ob und wie stark die Zentralbank eines Landes auf wirtschaftliche Veränderungen in einem anderen Land reagieren sollte und wie diese Reaktion dann wiederum die Politik der anderen Länder beeinflussen würde.[65] Diese Frage resultiert aus der globalisierungsbedingten Erkenntnis, dass internationale geldpolitische Modelle starke Verknüpfungen zwischen den unterschiedlichen Ländern aufweisen. Um dieses Problem zu lösen entwarf Taylor, bereits 1985[66] einen Ansatz, der auf der Überlegung einer Koordinierung geldpolitischer Regeln auf internationaler Ebene, basiert. Der Ansatz Taylors baut auf den Einsichten der Spieltheorie auf, wobei die Cournot-Nash- Lösung den nicht-kooperativen Fall darstellt; also dass die Politiker eines Landes die politische Reaktion eines anderen Landes als gegeben betrachten. Die Cournot-Nash-Lösung nimmt an, dass andere Zentralbanken genau so handeln, und dass sich ein Gleichgewicht an der Stelle ergibt, wo die Regel, welche jede Zentralbank für die anderen Zentralbanken als gegeben hält, für diese anderen Zentralbanken auch optimal ist. Im Gegensatz, besteht die kooperative Lösung, wo alle Zentralbanken gemeinsam eine globale Zielfunktion maximieren.[67] Dabei kommt Taylor zu dem Schluss, dass, wenn auch die fortschreitende Globalisierung mehr Koordinierung suggeriert, die Realität doch eine entgegengesetzte Stellung einnimmt.[68]

3.3 Wirkungen

„Primär kommt die Tatsache zum Vorschein, dass die Notenbanken den ordnungspolitischen Grundsatz ,Inflation schadet der Volkswirtschaft4 in dem zu untersuchendem Zeitraum sträflich vernachlässigt und eine Blasenbildung zugelassen haben, als sie den Banken Geld zu Niedrigzinsen gaben. Diese Politik des leichten Geldes löste Anfang des Jahrzehnts den Boom auf den Märkten aus,[69] der Ende 2008 sein abruptes Ende fand: das Versagen des Zinsmechanismus in der Immobilien- und Finanzkrise.“[70] So wurde die Niedrigzinspolitik der Zentralbanken Fed, EZB und BoJ zunächst „damit gerechtfertigt, dass die nationalen Inflationsraten ihre jeweiligen Zielwerte bzw. geldpolitisch gesetzten Obergrenzen nicht überschritten hätten, doch beruhte dieses Urteil wiederum vielmehr auf wirtschaftspolitisch verursachten Störungen des Preis- bzw. Inflationsmechanismus. In den USA wurde der Preisniveauanstieg dadurch lange erheblich gedämpft, dass aufgrund des überbewerteten Dollars relativ billige Importe aus dem asiatischen Raum, insbesondere China und Japan, getätigt werden konnten. Der Dollar war überbewertet, weil vor allem China, aber auch Japan den Dollar durch wachsende Ankäufe amerikanischer Staatsschuldtitel stützten, die sie durch die Erlöse ihrer Exportüberschüsse finanzierten.“[71] Somit war ausgerechnet die Zentralbank, die bei höherer Inflation die Zinszügel straff hielt, für die weiteren Entwicklungen verantwortlich: Die expansive Geldpolitik der Fed ließ das amerikanische Zinsniveau zeitweilig auf historische Tiefststände fallen und drängte dabei die Anreize der privaten Erspamisbildung zurück. Durch die überreichliche Liquidität stiegen zudem die Preise des amerikanischen Anlagevermögens, insbesondere bei Immobilien, sehr stark an.[72] „Die zinspolitischen Entscheidungen der Fed-Zentralbanker beeinflussten die Konjunktur somit nicht nur durch den Kredithebel, sondern auch über den Umweg der Immobilienpreise“ (auf beides wird im Rahmen der weiteren Kapitel eingegangen). Das verursachte wiederum den Vermögenseffekt wachsender Hauspreise[73] in den USA.[74] Auch hatte die betriebene Politik ein Gefolge wirtschaftlicher Reaktionen hervorgerufen, dessen Verluste die jeweiligen Volkswirtschaften beeinflussten. So verzeichnete bspw. China im Resultat direkte Verluste auf dem amerikanischen Kapitalmarkt, Rückschläge im Börsenhandel, eine Reduktion im Exportwachstum und Kapitalverluste in den Devisenreserven.[75]

Zuviel leichtes Geld für Immobilienkredite führte zur Liquiditätsschwemme, siehe Abbildung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.

3.4 Fazit

Es zeigt sich hierdurch, dass an der entstandenen, globalen Überliquidisierung vor allem „der Staat die ,Schuld‘ trug“. Um ihre Ziele zu verwirklichen, bediente sich die staatliche Wirtschaftspolitik aller vier Teilbereiche der makroökonomischen Steuerung: der Geld-, Währungs-, Finanz- und Sozialpolitik. Somit kann konstatiert werden, dass primär das „Staatsversagen, verursacht durch eine Reihe wirtschaftspolitischer Fehlentscheidungen“ der einzelnen Volkswirtschaften, ursächlich für die entstandene Überliquidisierung der Weltfinanzmärkte und deren Folgen war.[76] Dadurch wird deutlich, dass die Zentralbanken mit Erfolg durch die Politik zu politischen Zwecken instrumentalisiert wurden. Diese nicht marktkonforme Geldmengensteuerung unterstützte und beschleunigt das Entstehen der Finanzkrise stark.[77] Im Resultat führte sie zu einer gesamtwirtschaftlichen Instabilität, bzw. deren Zusammenbruch.

4 Geschäftsbanken und sonstige Intermediäre

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6: Karikatur„Political Cartoon:Amateurs MaxKeiser

Quelle: Im internet abrufbar unter: http://maxkeiser.com/2011/08/14/political-cartoon-amateurs/

4.1 Ursachen, Vorgehen und Konsequenzen

Ziel dieses Kapitels ist es, aufzuzeigen, wie es dazu kommen konnte, dass Banken Geschäftsmodelle, die im Fall steigender Erträge hohe Renditen generierten, aber im Fall sinkender Erträge in die Insolvenz führten (Leverageeffekt)[78], mit Begeisterung unterstützten und im Weiteren sogar selbst Kreditvolumina ausdehnten, indem sie leichtsinnig Kredite an Konsumenten und Immobilienbesitzer vergaben und daraufhin in komplexe Produkte gebündelt und weiterveräußert haben, um die Liquidität für immer neue Geschäfte bereitzustellen.[79]

Bevor jedoch die einzelnen Verläufe der Überliquidisierung der Weltwirtschaft durch die Geschäftsbanken analysiert werden, ist es sinnvoll, das Augenmerk kurz auf die Grundlagen des Bankwesens zu richten. Das Bankgeschäft beruht auf dem Leihen von Geld über relativ kurze Fristen und dem Verleihen von Geld über längere Fristen.[80] Dadurch stellen Banken dem Rest der Welt einen unverzichtbaren Service zur Verfügung, d.h. sie kreieren einen Kredit,[81] der der Realwirtschaft das Wachstum ermöglicht. Dieser Kreditschöpfungsservice basiert jedoch auf einer inhärenten Fragilität des Bankensystems. In normalen Zeiten (d.h. fernab vom Krisenzustand) besitzen Menschen Vertrauen gegenüber einer Bank. Doch dieses Vertrauen kann schnell schwinden, wenn z.B. die Performance einer Bank eine Krise erwarten lässt und dieses Vertrauen in Misstrauen umwandelt. Die zahlreichen Krisen des Banksektors verleiteten die Wirtschaft dazu, ihn zu reformieren. Im Hinblick auf die weitere Analyse, sehe ich die Bedeutung des Glass-Stegall-Acts (1933) als besonders erwähnenswert. Dieser diente vor allem der Trennung der Geschäftsbanken von den Investmentbanken. Damit sollte den Geschäftsbanken das Eingehen zu hoher Risiken erschwert werden.[82] Doch auch diese Reform schaffte es nicht, das Bankensystem vom „moral hazard“ abzubringen. Im Normalfall bedeutet Moral Hazard für die versicherten Agenten, dass sie weniger Vorkehrungen zur Vermeidung der Risiken, gegen die sie versichert sind, treffen. Die Sicherheiten, die durch die Zentralbank und die Regierung zur Verfügung gestellt werden, treten in Form des „lender of last resort“ und Depositen auf. Durch diese Tatsache waren die Banken nicht abgeneigt, mehr Risiken in Kauf zu nehmen. Zudem herrschte das Paradigma der Markteffizienz vor, welches mehrere Trugschlüsse beinhaltete. Einer davon war der Glaube an die Fähigkeit des Marktes zur Selbstregulierung. Somit gingen die Befürworter dieses Ansatzes davon aus, dass Finanzmärkte im Stande seien, sich in perfekter Weise selbst zu regulieren und eine Intervention seitens der Zentralbanken oder Regierungen unnötig, gar schädlich sei.[83] Ausgehend vom Glauben an die Markteffizienz wurde demzufolge 1999 der Glass-Stegall-Act außer Kraft gesetzt. Diese Abschaffung genehmigte den Bankern, ihren Einfluss auf Deregulierung geltend zu machen. Mit der progressiven Deregulierung in den USA und Europa wurde somit ihr Ziel erreicht. Die Aufhebung des Glass-Stegall-Acts erlaubte Geschäftsbanken, alle Aktivitäten einer Investmentbank zu tätigen, d.h. das Halten und Emittieren von Securities, die Entwicklung neuer und risikoreicher Derivate[84] (siehe Kap. 5.) und komplex strukturierter Kreditprodukte. Somit kann konstatiert werden, dass das

Paradigma der Markteffizienz die Deregulierung der Finanzmärkte und im Allgemeinen des Banksektors erfolgreich unterstützte. Zur gleichen Zeit wurden die Finanzmärkte durch eine Welle von Innovationen überflutet. Diese finanziellen Innovationen erlaubten den Entwurf neuer Finanzprodukte. Die neu entstandenen Finanzprodukte ermöglichten wiederum ein Umpacken der Vermögenswerte in verschiedene Risikoklassen. Auch wurde hierdurch ermöglicht, unterschiedliche Preise für die jeweiligen Risiken festzusetzen. So erlaubten die Finanzmarktinnovationen den Banken, ihre Kredite zu Securitisieren[85], d.h. diese in sog. Asset Backed Securities (ABSs)[86] umzupacken und auf dem Markt zu verkaufen. Gleichzeitig führte der Optimismus aus dem Paradigma der Markeffizienz zu der fälschlichen Überzeugung, dass Securitisierung und die Entwicklung komplexer Finanzprodukte zu einer besseren Streuung von Risiken und deren Verteilung auf mehrere Personen und dadurch zu einer Verringerung des systemischen Risikos[87] sowie der Einschränkung des Bedarfs an Überwachung und Regulierung des Finanzmarkts führen würde. Eine neue Ära eines freien und unbelasteten Fortschritts sollte damit in Gang gesetzt werden. Ein bedeutender Nebeneffekt der Securitisierung war, dass indem die Banken ihre umverpackten Kredite zu jeder beliebigen Zeit verkaufen konnten, konnten sie sich zusätzliche Liquidität verschaffen, die sie dazu nutzten, wieder neue Kredite auszubreiten, die sie dann wieder securitisierten. Dies führte zu einer starken Zunahme des Kreditmultiplikators (credit multiplier). Auch wenn die Zentralbank ihre Geldbasis streng kontrolliert hatte, konnte auf diese Weise die von der gleichen Geldbasis stammende Kreditexpansion unkontrolliert weitergehen. Der Banksektor legte unterschiedliche Kredite in Schichten übereinander und ermöglichte seinen Agenten, mit den Vermögenswerten zu spekulieren. All dies führte zur Abschwächung der Zentralbankkontrolle über die Kreditvergabe in der Wirtschaft.[88] Die Deregulierung und Finanzmarktinnovationen versprachen eine Wohlfahrtsverbesserung: niedrigere Kreditkosten und die Vorteile von Firmen und Konsumenten aus der getätigten Investition. Jedoch lag hierbei die Schwierigkeit darin, dass Märkte eben nicht effizient sind, was sich schon am einfachen Beispiel der Finanzmarktstabilitätsproblematik erkennen lässt: zum einen wird hier durch das Entstehen von Finanzmarktblasen und -Zusammenbrüchen, zum anderen durch die Unfähigkeit sich selbst zu regulieren, vielmehr von einer Instabilität des Marktes gesprochen. Diese Ursachen gewähren einen guten Einblick in die Hintergründe der entstandenen Überliquidisierung. Zumal sich daraus die Tatsache ableiten lässt, dass die Banken in den Finanzmarkt stark involviert und damit von ihrem spekulativen Fieber unmittelbar betroffen sind, was im Endeffekt zu Schocks und Finanzmarktblasen führt. Im Weiteren verstärkte die seit den 80er Jahren fortschreitende Deregulierung des Banksektors das Auftreten dieser negativen Resultate. Weil es Banken erlaubt war, eine volle Palette an finanziellen Vermögenswerten zu halten, reagierten ihre Bilanzen extrem empfindlich auf diese Schocks und Blasen, die nun die Vermögenswerte im Griff hatten. Somit spiegelten die Bankbilanzen die am Finanzmarkt stattfindenden Blasen und Schocks wider. Anhand der unteren Abbildung wird verdeutlicht, wie die Bilanzen der größten Banken der Welt explodierten und die unterschiedlichen Blasen zu der jeweiligen Zeit (Aktienmarktblase, Immobilienblase, usw.) reflektierten.[89]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 7: European Financials' Balance Sheets (Total Assets, S bn)

Quelle: De Gruawe, P. (2008), S. 10.

Weil sich Geschäftsbanken zunehmend an Finanzmarktaktivitäten beteiligten und sogar Aktivitäten, die eigentlich für Investmentbanken vorgesehen waren, übernahmen, begannen daraufhin auch die Investmentbanken, eine Gegenrolle zu übernehmen, indem sie sich wie Geschäftsbanken verhielten: Sie liehen Geld über relativ kurze Fristen und verliehen es über längere Fristen. Dadurch bewegten sie sich in das Geschäft der Kreditschöpfung.[90] Die Investmentbank Lehman Brothers ist nur ein Beispiel dafür. Demnach wurde zunächst Geld an Hedgefonds verliehen, wofür Aktien (oder andere Wertpapiere; Securities) als Sicherheit (Collateral) akzeptiert wurden. Im darauf folgenden Schritt wurde dieses Collateral an andere Marktteilnehmer verliehen - mit dem Ziel, Extrageld zu schaffen. Auf diese Weise wurden aus Investmentbanken Kredit schöpfende Banken. In diesem Prozess wurden ungleichgewichtige Laufzeitstrukturen der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten erzeugt. Ihre Vermögenswerte waren langfristig und illiquid, während ihre Verbindlichkeiten eine sehr kurze Laufzeit aufwiesen. So resultierte aus der Deregulierung eine doppelte Bewegung: Geschäftsbanken bewegten sich ins Territorium der Investmentbanken und vice versa. Diese Tatsache führte zu der Situation, in welcher beide, die Geschäftsbanken und die Investmentbanken, eine giftige, unkontrollierte Kombination aus Kredit- und Liquiditätsrisiko entwickelten. Dazu kam die Tatsache, dass die Federal Reserve nach 2001 zu lange eine Niedrigzinspolitik verfolgte. Wie im vorherigen Kapitel erläutert, besteht kein Zweifel, dass genau diese Politik dem Entstehen der US-Immobilienblase half und damit stark zu der Kreditkrise beitrug. De Gruave (2008) betont in diesem Zusammenhang das doppelte Scheitern der Politik. Er ist der Ansicht, dass die Fed das Entstehen der Krise durch eine Politik des leichten Geldes stark beschleunigte. Jedoch vertritt er gleichzeitig der Meinung, dass auch ohne die betriebene Niedrigzinspolitik der Zentralbanken ein Ausbrechen der Krise unvermeidbar gewesen wäre. Als Hauptursache für seine Argumentation nennt er das Scheitern der Politik bei der Ermöglichung von Kombinationen aus Kredit- und Liquiditätsrisiken.[91]

4.2 Besonderheiten in Bezug auf die Hintergründe, die zu den Fehlentscheidungen (die die Überliquidisierung bewirkt haben) geführt haben

4.2.1 Trugschlüsse

Die Illusion der Selbstregulierung von Finanzmärkten baute auf zwei Trugmechanismen auf, die jetzt aufgezeigt werden. Durch die Rolle der Ratingagenturen entstand das erste Trugbild: das zweite war dem Gebrauch von mark-to-market-Regeln abzuleiten. Ratingagenturen galten als Garant für ein faires und objektives Rating von Banken und ihren finanziellen Produkten. Dieses sollte auch erwartungsgemäß im Interesse der Ratingagenturen sein, da diese ihre Reputation zu wahren hatten. Ohne diese Reputation wäre ihr Ratingurteil als wertlos zu erachten. So wurde angenommen, dass die Agenten einer solchen Ratingagentur, im Gegenteil zu staatlichen Regierungsbürokraten, ihr Bestes geben würden, um die Sicherheit der durch die Banken bereitgestellten finanziellen Produkte zu bestätigen. Genau das geschah nicht. Ursächlich hierfür war ein bei den Ratingagenturen entstandener massiver Interessenskonflikt. Die Ratingagenturen versagten, indem sie begannen, eine Doppelrolle zu spielen: die des Beraters und im Anschluss die des Beurteilers. Statt - wie angenommen - Banken einzuschätzen (zu raten), berieten die Ratingagenturen die Finanzinstitutionen, wie sie ihre finanziellen Produkte gestalten sollten, um im Folgeschritt diesen (gleichen) Produkten ein positives Rating zu geben (siehe hierzu Abschnitt 5.З.2.1.). Anstatt Sicherheit bei den finanziellen Produkten zu gewährleisten, wurden hierdurch riskante und unsichere Produkte erzeugt. Der zweite Trugschluss, den der Ansatz der Selbstregulierung der Märkte beinhaltet, bestand in der mark-to-market Regel, die davon ausgeht, dass der Markt selbst die Kraft besitzt, den richtigen Preis für finanzielle Produkte zu bestimmen. Die Annahme, dass der Preis den richtigen Wert reflektieren kann, führte zu der Überzeugung, dass genau dieser Preis auch die Finanzinstitutionen dazu verleitet, die Werte ihrer Geschäfte zu offenbaren, bzw. vollständige Information bereitzustellen. Durch den Zugang zu Information sollte den Investoren ein besserer Entscheidungsprozess ermöglicht werden. Auch dieses war ein Trugschluss. Statt Markteffizienz zu gewährleisten, wurden und werden Finanzmärkte vielmehr von Blasen und Krisen betroffen. Statt disziplinierend zu wirken, arbeiten Finanzmärkte prozyklisch. Die massiven Vermögenspreisanstiege korrespondierten nicht mit der ökonomischen Wirklichkeit und führten zur Blase. Die ungeregelten Finanzmärkte führten zur Selbstdestruktion.[92]

4.2.2 Die konträre Entwicklung der Maßnahme einerMarktregulierung

Doch soll an dieser Stelle ergänzend auch auf die konträre Entwicklung der Maßnahme einer Marktregulierung hingewiesen werden. Der Fakt, dass Finanzmärkte sich nicht selbst regulieren können, bedeutet nicht zugleich, dass staatliche Regulierung immer wunderbar funktioniert. Hierbei treten vor allem die Basler Ansätze zum Vorschein, was, beginnend mit dem Basel I Ansatz zur Stabilisierung des Banksystems, nun zu verdeutlichen ist. So nimmt Basel I implizit an, dass Märkte effizient sind und erlaubt daraufhin Geschäftsbanken, ihr Risiko nachzubilden, um das zur Minimierung dieses Risikos erforderliche Capital Ratio (Kapitalverhältnis) zu berechnen. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass dieses Risiken Extremrisiken sind („tail risks“), die mit Blasen und Krisen assoziiert werden. Zudem können diese Risiken nicht quantifiziert werden, worin auch die Schwierigkeit ihrer Modellierung besteht. Diese Tatsache macht den Ansatz opak und im Resultat undurchführbar. Konkret basierte Basel I auf einer Klassifizierung der Risiken von Vermögenswerten und zwang Banken, Kapital entgegen diesen Vermögenswerten und ihren Risiken auf die Seite zu legen. So gewichtete Basel I die Kredite von Banken an andere finanzielle Institutionen mit einem geringen Risiko. Das gab Banken den Anreiz durch Basel I als hoch riskant eingestufte Vermögenswerte zu transferieren (d.h. strukturierte Produkte) und das außerhalb ihrer Bilanz. Die Finanzierung solcher „conduits“[93] erfolgte zumeist durch die gleiche oder andere Banken. Im Resultat finanzierte die Bank ihre Aktivitäten zunehmend durch den Interbankenmarkt. Banken investierten in hoch riskante Vermögenswerte, direkt oder indirekt, und finanzierten diese durch den Interbankenmarkt. Damit wurden Bausteine für die kommende Liquiditätskrise gebildet. Die totalen Vermögenswerte der Banken waren doppelt so groß wie die Höhe der Depositen. Somit erzeugten die Banken einen beträchtlichen Leverageeffekt (Hebelwirkung; Hebeleffekt), d.h. sie steigerten ihre Rendite durch eine massive Fremdkapitalaufnahme. Sie versagten somit bei der Festsetzung des Preises für das hohe Liquiditätsrisiko des Leveraging. Zudem erlaubte Basel I einen anderen Arbitrage-Fall - mit ebenso gefährlichen Konsequenzen. Vor allem ermöglichte Basel I den Banken, Vermögenswerte so zu behandeln, als seien sie so sicher und liquide wie Staatsanleihen. Basel I gewichtete diese Vermögenswerte mit einem Nullrisiko, was CDS[94] explodieren ließ. Diese versicherten die Kreditrisiken der finanziellen Vermögenswerte von Banken. Damit entstand die Illusion, dass Banken-Vermögenswerte ein sehr geringes oder kein Risiko tragen. Das geschah aufgrund der fälschlichen Annahmen zur Bepreisung des Risikos verwendeter Finanzmodelle, die wiederum auf dem Trugschluss der Markteffizienzthese aufibauten. Diese Modelle gingen davon aus, dass die Renditen normalverteilt waren. Jedoch finden große Veränderungen in den Preisen mit einer weitaus höheren Wahrscheinlichkeit statt als die aus einer Normalverteilung resultierende Wahrscheinlichkeit. Somit kam es modelltechnisch zu gravierenden Unterschätzungen von Risiko-/Schockzuständen. Somit unterschätzten die Modelle zur Bewertung von CDS und anderen komplexen Finanzprodukten das Risiko, [95] auch nahmen sie ein mögliches Auftreten von Blasen und Schocks auf dem Finanzmarkt nicht in Kauf.[96] Ergänzend dazu macht Kotz (2008) auf eine weitere Reihe fehlgeleiteter Regulationen aufmerksam. Laut Kotz trug die Prozyklität sowohl der Eigenkapitalunterlegung (Basel II[97]) als auch der Rechnungslegungsgrundsätze (IFRS 39) zu der überdimensionalen Ausweitung der Geschäftsvolumina bei. Auch kritisiert er, dass die „funktional identischen Geschäfte“ unterschiedlichen Anforderungen unterlagen - je nachdem, ob sie oberhalb oder unterhalb des Bilanzstriches positioniert waren.[98] Beville (2009) ergänzt diese Kritik durch einen weiteren Aspekt. Wie sich im nächsten Kapitel erweisen wird, war nicht primär die übermäßige Bereitstellung an Finanzinnovationen für das Entstehen einer Krisensituation (i.S. der Wirkungen) kausal. Vor allem gilt das Zulassen einer ineffizienten Anreizbildung, die zum exzessiven Eingehen destruktiver, da risikoreicher Aktionen verleitete, als Grund für die Überliquidität. Nach Beville versagte in diesem Zusammenhang der für den Finanzmarkt zuständige Regulierungsmechanismus grundlegend, indem er Anreize kreierte, die zur Bedrohung der Finanzmarktstabilität führten. Als Beispiel hierfür nennt er vor allem den Basel II Ansatz, der, durch Forcieren der Unternehmen zum Verkauf der Vermögenswerte während eines Liquiditätsschocks, de facto entgegen seinem Ziel der Erzeugung von Stabilität wirkt und eine Panikbildung unterstützt, was wiederum eine Krisenbildung verstärkt. Seiner Ansicht nach versagten die Regulierungsbehörden, indem sie Gesetze rund um das Problem erließen, statt die ineffiziente Anreizbildung, welche die Marktteilnehmer beeinflussten, direkt anzusprechen[99]: „The Basel calculations are complex, and some have called them incomprehensible. However, the problem is not their complexity, but their failure to address the underlying moral hazard (e.g. the underlying externality).[100] Basel attempts to micromanage balance sheets but fails to force firms to internalize the costs of their trading strategies.[101] While Basel may appear to limit risk taking ex ante, it produces perverse incentives in the event of an asset shock. Once the price of an asset is reduced, firms have the incentive to move it off of their balance sheets to maintain minimum capital levels; as firms sell more assets, hovever the market price is depressed, creating a negative feedback loop ,that far outweights the initial shock1. Basel’s micromanaged approach legislates around the problem without addressing misaligned incentives. (...) Basel simply requires firms to manipulate balance sheets to maintain adequate collateralization. The effect is that, while firms must maintain capitalization, every firm still has the incentive to maximize returns by entering into increasingly risky transactions. The systemic externality is simply not addressed.“[102]

[...]


[1] Gem. OeNB (2008), S. 104.

[2] Die entstandene Finanz- und Wirtschaftskrise war „men made” und absehbar. U.a. Robert Shiller und Nouriel Roubini, beide US-Öko- nomen, und auch der deutsche Ökonom Max Otte („Der Crash kommt“) sowie noch einige andere hatten das drohende Unheil klar er­kannt und lauthals davor gewarnt. Doch wie meist in solchen Fällen wurden Warner nicht ernst genommen, sondern galten eher als Spielverderber oder wurden sogar kritisiert. Vgl. hierzu WISU (10/09), S. 1214 und Kotz, H.-H. (2008), S. 292.

[3] Vgl. OeNB (2008), S. 91.

[4] Vgl. OeNB (2008), S. 95f.

[5] Kindleberger, C. (1993), S. 271 und OeNB (2008), S. 95f.

[6] Vgl. Menkhoff, L. (2008), S. 297; es handelt sich hier um das Bereitstellen kurzfristiger Liquidität zu sehr niedrigen Zinsen.

[7] Die Vermittlung von Kredit- und Leihkapital baut auf gesellschaftlichen Ertragsansprüchen auf. Wenn sich längere Sicht diese Ansprü­che dynamischer entwickeln als der gesellschaftliche Akkumulationsprozess, dann entsteht eine potenzielle Krisenkonstellation. Diese spezifische Ausprägung der finanzmarktgetriebenen Akkumulation ist im Frühjahr 2007 massiv in eine Krise abgestürzt.

[8] Erwähnenswert ist an dieser Stelle die Zulassung und steuerliche Förderung spekulativer Instrumente wie Hedgefonds in Deutschland 2004.

[9] Vgl. Altvater, E.; Bischoff, J.; Hickel, R.; Hirsch, J.; Hirschel, D.; Huffschmid, J.; Zinn, Karl G. (2009), S.28.

[10] Investmentbanken, welche traditionell viel Kreditrisiko auf sich nehmen, fügten ihren Bankbilanzen noch die für Geschäftsbanken typi - schen Liquiditätsrisiken hinzu.

[11] Damit sind Verordnungen gemeint, die dazu geführt haben, dass mehr Bürger ein Hauseigentum erlangen konnten. Diese staatlichen Beschlüsse, auf die im Laufe dieser Arbeit in Kürze eingegangen wird, waren die Basis für die Kreditvergabe an weniger kreditwürdige Kreditnehmer und damit auch für die risikobasierte Kreditexpansion. Vgl. The Economist (9. Okt. 2008), S. 6.

[12] Vgl. The Economist (9. Okt. 2008), S. 6.

[13] Vgl. Taylor, J. B. (2008), S. 8.

[14] Vgl. Francke H.-H. (2008), S. 261.

[15] Vgl. OeNB (2008), S. 96f.

[16] Obwohl hier zu vermerken ist, dass der Beitrag der Fed (nicht zuletzt, weil diese im Vgl. zu anderen Zentralbanken eine Bankenregulie- rungs- und Supervisionsfunktion besitzt und davon auf destruktive Weise Gebrauch machte) für die Weltwirtschaft am einflussreichsten und schädigendsten war. Das Gewicht ihrer Politik, durch eine ganze Reihe sukzessiver und systematischer Fehlentscheidungen gekenn­zeichnet, fällt unter allen anderen Zentralbanken am meisten auf. Aus diesem Grund wird gerade der Fed-Politik im Rahmen dieser Ar­beit die größte Aufmerksamkeit geschenkt.

[17] Diese findet in der US-amerikanischen Literatur zwei Erklärungen: „the saving glut“ (Überangebot an Ersparnis, Ersparnisschwemme) und „the excess liquidity“ (übermäßige Liquidität, Liquiditätsschwemme). Der folgende Text befasst sich mit dem Zustandekommen dieser Phänomene und der darauf aufbauenden Niedrigzinspolitik.

[18] Es wird sogar davon gesprochen, dass die entstandene Krise eine „ungeordnete Korrektur“ der Salden widerspiegelt.

[19] „In den USA determiniert die geringe Sparneigung relativ zum Investitionsvolumen das Ausmaß des amerikanischen Leistungsbilanz­defizits.“ Vgl. hierzu: Kempa, B. (2008), S. 301.

„Hohe Leistungsbilanzdefizite gelten aus zwei Gründen als potentielle Krisenverursacher: Sie können ein Solvenzproblem, also eine Überschuldung des jeweiligen Landes, auslösen oder zu einem Liquiditätsproblem werden, also in einer Währungskrise enden.“ Die 2007 begonnene Finanzkrise hattejedoch nicht den Charakter einer Währungskrise, sondern folgte dem Muster einer klassischen Liqui­ditätskrise: Ein makroökonomischer Solvenzschock, der Rückgang der Immobilienpreise in den USA, führte zur Illiquidität der struktu­rierten Wertpapiere, da eine asymmetrische Informationsverteilung zwischen den ursprünglichen Kreditnehmern und den letztendlichen Haltern der Wertpapiere vorlag. „Als sinkende Immobilienpreise Zweifel an der Solvenz der Wertpapiere auslösten, kam es zu einem „run“: Alle Marktteilnehmer wollten ihre Papiere verkaufen, fanden aber keine Käufer, sodass der Markt zusammenbrach. Mit dem rapi­den Preisverfall der Papiere sprang die Unsicherheit auf den Geldmarkt über, der nach dem Konkurs von Lehman Brothers dann eben­falls fast vollständig zum Erliegen kam.“ Vgl. hierzu Winkler, A. (2008), S. 728f.

[20] Vgl. Winkler, A. (2008), S. 723f.

„Die Diskussion der letzten Jahre bezog sich fast ausschließlich auf die Ungleichgewichte in der ,Dollar-Zone‘, währendjene der ,Eu- ro-Zone‘ kaum thematisiert wurden.“ Dies wird i.d.R. darauf zurückgeführt, dass Leistungsbilanzsalden innerhalb des Euro-Währungs­gebietes nicht als krisenrelevant erachtet werden, „da sie per Definition keine Wechselkurs- und Zinsimplikationen haben können. Das Euro-Währungsgebiet insgesamt hat eine annähernd ausgeglichene Leistungsbilanz. Zudem verhalten sich die Ungleichgewichte in Eu­ropa theoriekonform: die aufholenden Volkswirtschaften inner- wie außerhalb des Euro-Währungsgebietes verzeichnen Defizite, die Länder mit höherem Pro-Kopf-Einkommen dagegen Überschüsse.“ Vgl. hierzu Winkler, A. (2008),S. 725f.

Jedoch gilt hier auch zu bedenken, dass der globale Charakter, der durch Überliquidisierung erzeugten Krise (siehe auch Kap. 7) nicht auf die Konfiguration der Leistungsbilanzsalden zurückzuführen ist, sondern in erster Linie die stark gewachsene Verflechtung der Fi­nanzmärkte der Industrieländer widerspiegelt. Vgl. hierzu Winkler, A. (2008), S. 729.

[21] Vgl. Goodhart, C. A. E. (2008), S. 332.

[22] Darauf wirdjedoch im Rahmen der Arbeit nicht näher eingegangen, da es ihren Rahmen erheblich sprengen würde.

[23] D.h. die Kreditaufnahme auf dem Geldmarkt eines Niedrigzinslandes (bspw. Japan).

[24] Vgl. hierzu: Gabler Wirtschaftslexikon, abrufbar unter: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Defmition/subprime-krise.html.

[25] Vgl. Diamond, D. W.; Rajan, R. (2009), S. 1-7, aber auch Rajan, R. (2005), S. 2f.

[26] Vgl. Bernanke, B. S. (2005), S. 8f.

[27] Vgl. Diamond, D. W.; Rajan, R. (2009), S. 7, wie auch Goodhart, C. A. E. (2008), S. 332.

[28] Wolf, M. (29. März 2006), S. 13.

[29] Es handelt sich hierbei um eine Reihe von wirtschaftspolitischen Entscheidungen, die in den jeweiligen Volkswirtschaften gegen An­fang 2000 getroffenen wurden und deren Verzerrungen eine unmittelbare Übertragung auf den Finanzmarkt zur Folge hatten. So sind die hohe Ersparnis Chinas, der Ölexporteure und anderer Überschüssiger Länder nur einige wenige Beispiele für das Niederdrücken globaler realer Zinssätze, die Investoren dazu veranlasste sich um Erträge zu reißen und das Risiko preislich zu niedrig anzusetzen. In Folge war es nicht nur den USA möglich in Dollar zu niedrig gehaltenen nominalen Zinssätzen zu leihen. Nicht zuletzt wurde die Kon - stellation wachsender globaler Ungleichgewichte durch eine Wechselkurspolitik unterstützt, die durch das Beibehalten der niedrigen Raten an der Erzeugung eines hohen Wirtschaftswachstums orientiert war.

[30] Vgl. Obstfeld, M.; Rogoff, K. (2009), S. 2, S. 9 und S. 11.

[31] Vgl. Obstfeld, M.; Rogoff, K. (2009), S. 21.

[32] Taylor,J.B. (2010), S. 165.

[33] Ebd., S. 175.

[34] Vgl. Taylor, J. B. (2008), S. 3f.

[35] Vgl. Francke H.-H. (2008), S. 258.

[36] Vgl. Steiger, O. (2002), S. 29; sog. „burden sharing“, das unweigerlich zum Reputationsverlust der betreffenden Zentralbank führen kann.

[37] Darunter sind mehrere Gesetze im Rahmen der Antidiskriminierungspolitik zu verstehen, die seit Beginn der 90er Jahre in den USA in Kraft getreten sind. So z.B. der „Fair Housing Act“ oder der „Community Reinvestment Act“. Im Ergebnis gewähren diese Beschlüsse einen leichteren Zugang zu Immobilienkrediten im Subprimemarkt und heute infolgedessen zu mehr als 50 %igen Kreditausfällen in diesem Segment.

[38] Vgl. Francke, H.-H. (2008), S. 261.

[39] Vgl. OeNB (2008), S. 93f.

[40] Zu den wohl bekanntesten Vertretern der Ignoranz jeglicher Schwingungen in Vermögenspreisen seitens monetärer Politik gehört Alan Greenspan. Er war der Auffassung, dass Zentralbanken nicht reagieren sollten, wenn Vermögenspreise rasch aufsteigen. Auch lehnte er die Idee ab, dass Zentralbanken in diese Blasen direkt einstehen sollten. Zudem ging Greenspan davon aus, dass es sicherer sei, wenn die Blase allein zerplatzt und die dadurch entstandenen Nacheffekte daraufhin durch eine Lockerung der Geldpolitik aufgewischt wer­den. Diese Meinung stärkte er u.a. mit dem Argument, dass Zinssätze ein sog. „stumpfes Werkzeug“ darstellen: „Interest rates are a blunt tool. A small rise in rates may have no effect; an increase big enough to pop an incipient bubble could cause a recession. “ Vgl. hierzu The Economist (16. Jan. 2003), S. 66; (18. Apr. 2002), S. 80. So hat Alan Greenspan, der während der New Economy Chef der US-Zentralbank war, die Börsen-Bubble durch zu niedrige Zinsen angeheizt. In seiner Autobiografie verteidigt er sich: Wer entscheide, ob eine Blase entstehe oder nicht einfach die Marktkräfte wirken würden? Eine hohe Nachfrage führe eben zu hohen Preisen. Und wer könne schon sagen, ob ein Aktienkurs zu hoch sei oder nicht. Als neu emittierte Aktien dann plötzlich in wenigen Tagen um einige hun­dert Prozent zugelegten, kamen zwar auch Greenspan Bedenken. Dennoch blieb er bei seiner Ansicht, es sei besser die Konjunktur nach Platzen der Blase durch niedrige Zinsen anzukurbeln, als sie mit Hilfe höherer Zinsen zu verhindern. Genau diese Geldpolitik führte dann zum nächsten Desaster, zur Finanz- und Wirtschaftskrise. Vgl. hierzu WISU (10/09), S. 1214.

[41] The Economist (29. Sept. 2009; 30. Aug. 2001), S. 64 und OeNB (2008), S. 93f.

[42] The Economist (14. Sept. 2006), S. 24.

[43] The Economist (16. Jan. 2003), S. 66; (18. Apr. 2002), S. 80.

[44] Somit wird auch im Scheitern der Regulierungsbehörden das Versagen der Politik unmittelbar erkennbar.

[45] Vgl. Buiter, W. H. (2008), S. 13 undS. 1.

[46] Taylor, J. B. (2008), (12. Jan. 2010), (2010). Aber auch: Bernanke, B. S. (3. Jan. 2010) und speziell für Europa: Ahrend, R.; Cournede, B.; Price, R. (2008).

[47] Vgl. Taylor, J. B. (12. Jan. 2010), S. 1.

[48] Vgl. Bernanke, B. S. (3. Jan. 2010), S. 1f.

[49] Vgl. Taylor, J. B. (2008), S. 2.

[50] Vgl. Bernanke, B. S. (3. Jan. 2010), S. 2f. Es existiertjedoch Raum für Kritik an diesem Maßstab. So deuten bspw. manche empirische Untersuchungen daraufhin, dass der Parameter b in der Taylor-Gleichung höher als der durch Taylor bestimmte Wert in Höhe von 0,5 sein sollte. Durch ein höheres b würde die Taylor-Regel die Politik zu viel niedrigeren Zinssätzen in Zeiten der Rezession und in deren Anschluss verleiten. Vgl. ebd., S. 3.

[51] Vgl. Francke, H.-H. (2008), S. 258 und S. 261.

[52] Vgl. ebd., S. 5.

[53] Vgl. ebd., S. 258 und S. 261.

[54] Die Bezeichnung Eurosystem ersetzt seit dem 1.1.1999 den in den Verträgen von Maastricht und Amsterdam verwandten Terminus Eu­ropäisches System der Zentralbanken (ESZB). Das ESZB umfasst heute das Eurosystem und die NZBs der Mitglieder der Europäischen Union (EU), die nicht an der EWU teilnehmen. Allgemein spricht man stattdessen, insbesondere in Deutschland, vom System der EZB oder einfach der EZB. Damit suggeriert man, dass die EZB die alles entscheidende Institution des Zentralbanksystems der EWU sei. Dem Verfasse dieses Textes ist bewusst, dass dieses System dezentral organisiert ist, also neben der EZB noch 16 NZBs existieren und dass man damit versucht, seine Struktur mit Notenbanksystemen vergleichbar zu machen, die bei aller Dezentralität eine starke Zentrale aufweisen. Denn was die Bilanz einer Notenbank von der einer gewöhnlichen Geschäftsbank unterscheidet, die keine Noten schaffen kann, sind die Positionen „Forderungen an Kreditinstitute aus Geldpolitischen Operationen“ auf der Aktivseite und „Banknotenumlauf4 sowie „Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten aus Geldpolitischen Operationen“ auf der Passivseite, wobei Letztere das soge­nannte Zentralbankgeld ergeben. Nichts davon findet sich in der Bilanz der EZB. Diese Positionen werden dagegen in der Konsolidier­ten Bilanz des Eurosystems ausgewiesen, das heißt die Bilanzen sämtlicher NZBs der EWU und die der EZB. Die wichtigsten geldpoli­tischen Operationen, Wertpapierpensionsgeschäfte und längerfristige Refinanzierungen, werden nicht von der EZB, sondern „dezentral von den nationalen Zentralbanken durchgeführt“. Auch Zinssatz und Volumen des Zentralbankgeldes im Eurosystem werden nicht von der EZB, sondern vom „Gouverneursrat“, also dem Zentralbankrat des Eurosystems, bestimmt. Der Verfasser dieser Arbeit wird aus Vereinfachungsgründen den gängigen Begriff EZB verwenden. Vgl. hierzu: Steiger, O. (2002), S. 17f. und S. 21-23.; Europäische Zen­tralbank (2000), S. 15.; Europäische Zentralbank (2001), S. 65 und 67.

[55] Vgl. Francke, H.-H. (2008), S. 258 und S. 262. Ausnahmen: Deutschland, Österreich, Japan, Korea.

[56] Bank for International Settlements (2002), S. 135.

[57] Vgl. Francke, H.-H. (2008), S. 262.

[58] Vgl. ebd., S. 264.

[59] Vgl. ebd., S. 264.

[60] The Economist (25. Nov. 1999), S. 80.

[61] Vgl. Rogoff, K. (2006), S. 2.

[62] Vgl. ebd., S. 10.

[63] Vgl. Taylor, J. B. (2008), S. 5.

[64] Vgl. ebd., S. 6.

[65] Vgl. Taylor, J. B. (2008*), S. 5.

[66] Vgl. Taylor, J. B. (1985): „International coordination in the design of macroeconomic policy rules“, in: European Economic Review 28 (1-2), S. 53-81.

[67] Vgl. Taylor, J. B. (2007), S. 7.

[68] Vgl. ebd.,S. 15.

[69] Es handelt sich hierbei um den sog. „housing boom“. Dieser Boom war der sichtbarste Effekt der monetären Überschwemmung (damit ist die expansive Geldpolitik mancher Notenbanken und das Vorhandensein kurzfristiger Liquidität zu sehr niedrigen Zinsen gemeint). Gefolgt von einem wirtschaftlichen Niedergang erzeugte er in der Weltwirtschaft etliche Verzögerungen, führte zum Zusammenbruch der zahlreichen Finanzinnovationen und im Weiteren auch zum Tumult auf dem Finanzmarkt. Der monetäre Exzess allem der Geld-, aber auch der Finanzmarktpolitik gilt als Hauptursache dieses Booms. Somit zeigte sich, dass je größer der monetäre Exzess in einem Land ausfiel, umso stärker trat der housing-Boom in diesem Land ein (da das leichte Geld die Nachfrage nach Häusern und damit die Immobilienpreisdynamik antrieb). Im Weiteren hat diese Politik (wie Kap. 5 näher verdeutlichen wird) zum Eingehen exzessiver Risi­ken verleitet. Vgl. hierzu Taylor, J. B. (9. Feb. 2009), S. 1.

[70] Vgl. Financial Times (2009), Beilage, S. 7.

[71] Vgl. Francke, H.-H. (2008), S. 264.

[72] Vgl. Kempa, B. (2008), S. 301.

[73] Francke, H.-H. (2008) und Kotz, H.-H. (2008) sprechen in diesem Zusammenhang von einer „deutlich korrekturbedürftigen Preisüber­treibung“, damit meinen sie das Preisniveau, das der US-Immobilienmarkt 2007 damit erreichte. Im Weiteren bemerken Ahrend, R.; Cournede, B.; Price, R. (2008), S. 30, dass das Zusammenfallen niedriger Inflation, monetärer Expansion und steigenden Vermögens­preisen zu korrekturbedürftigen Ungleichgewichten auf dem Finanzmarkt führte.

[74] Vgl. Financial Times (2009), Beilage, S. 8f.

[75] Vgl. Yu, Yongding (2010), S. 1.

[76] Vgl. Francke, H.-H. (2008), S. 260 und S. 262.

[77] Vgl. De Gruawe, P. (2008), S. 17.

[78] Wobei als Leverage das Verhältnis des Werts der Aktiva zum Wert des Eigenkapitals bezeichnet wird.

[79] Vgl. Gärtner, S. (2009), S. 3.

[80] Dabei ist Geld zu verdienen, weil die Zinsen für lange Fristen meist höher sind als die Zinsen für kurze Fristen. Zu beachten giltjedoch, dass die Banken dabei auch ein Risiko eingehen, weil die Rückzahlung von Krediten an die Banken über lange Fristen nie so sicher ist wie die kurzfristige Verpflichtung der Banken gegenüber den Einlegern. Siehe hierzu Flassenbeck, H. (2008), S. 3.

[81] Zwar widmet sich dieser Kapitel primär dem Problem der Überliquidisierung mittels zu hoher Kreditexpansion, es soll aber nicht ver­gessen werden, was aus dem Kapitel 3 bereits hervorgeht: das Problem der Verfügbarkeit von Geld. So haben Zentralbanken die Ge -

schäftsbanken quasi mit Geld überflutet, indem sie ihnen mittels ihrer Politik mehr Geld zur Verfügung bereitstellten, als diese tatsäch­lich brauchten. Vgl. hierzu Goodhart, C. A. E.(2008), S.345.

[82] Dieser Ansatz schließt Banken vom Investieren in Aktien, Derivate und komplex strukturierte Produkte aus. Die Investierung in solche Produkte kann nur von Finanzinstitutionen, wie Investmentbanken, welchen eine Finanzierung dieser Investitionen anhand von Deposi­ten verboten ist, durchgeführt werden.

[83] Vgl. De Grauwe, P. (2008), S. 2f. und S. 20. So entstand auch Alan Greenspans poetischer Beitrag in seiner Autobiografie: „Authorities should not interfere with the pollinating bees of Wall Street“. Auch kam dieser politische Ansatz im folgenden Zitat des früheren Bun­desbankpräsident Hans Tietmeyer zum Ausdruck, das aus dem Jahr 1996 stammt: „Meine Herren, Sie sind jetzt alle der Kontrolle des internationalen Finanzmarktes unterworfen.“

[84] Derivate sind im Allgemeinen Termingeschäfte auf der Grundlage von bestimmten Basiswerten (Underlyings). Der Begriff Derivate be­zieht sich also auf Finanzinstrumente, deren Preis, bzw. Kurs von einem ihnenjeweilig zugrunde liegenden Marktgegenstand als Basis­wert abgeleitet wird. Vgl. hierzu Gabler Wirtschaftslexikon: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/derivate.html.

[85] Asset Securitisierung (auch Securitisation): Prozess der Konversion illiquider, nicht marktgängiger Finanzaktiven in handelbare Wertpa­piere. Vgl. hierzu Bär, H. P. (1998), S. 38f.

[86] Asset-Backed Securities (ABS) Wertschriften (Securities), die durch einen Pool von Finanzaktiven (Assets) unterlegt, bzw. besichert (Backed) sind; ABS sind also Wertpapiere, die durch Vermögensgegenstände gedeckt sind. Diese stellen eine Forderung auf Rückzah­lung aus dem Vermögen eines isolierten Asset Pools dar. ABS ist also im Grunde ein Risikotransfer, bei dem ein Forderungspool ver­brieft (securitisiert) und das mit dem Pool verbundene Kreditrisiko auf andere Marktteilnehmer übertragen wird. Das Risiko des Forde­rungsverkäufers (Originator) - bspw. eine Investmentbank - wird somit vom Risiko des Forderungspools getrennt. Darüber hinaus wer­den bislang vergleichsweise illiquide Forderungspositionen - wie einzelne Hypothekenkredite - kapitalmarktfähig gemacht. Eine Klas­sifizierung von ABS-Verbriefungen lässt sich anhand der zugrunde liegenden Forderungspools durchführen: Besteht der Forderungspool bspw. aus den Hypothekenkrediten privater Haushalte (also durch private Wohnimmobilien besicherte Wertpapiere) spricht man von Residential Mortgage Backed Securities (RMBS). Bei Immobilienkrediten bzw. Hypothekendarlehen auf Immobilien nennt man sie Mortgage Backed Securities (MBS). Einen weiteren Unterfall der ABS bilden Collateralized Debt Obligations (CDO); deren Definition folgt im Laufe der Arbeit. Auf andere Weiterentwicklungen von ABS muss im Rahmen dieser Arbeit verzichtet werden. Vgl. hierzu Bär, H. P. (1998), S. 38f. und Schöning, S.; Rutsch, Jan C. (2010), S. 6 und Gabler Wirtschaftslexikon: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/subprime-krise.html; http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definitionasset-backed-securities-abs.html; http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/verbriefung-von-kreditportfolios.html.

[87] Die vorliegende Arbeit berücksichtigt dessen ausführliche Erklärung.

[88] Vgl. De Grauwe, P. (2008), S. 4.

[89] Vgl. ebd., S. 5 und S. 10.

[90] Vgl. De Grauwe, P. (2008), S. 10f.

[91] Vgl. ebd., S. 11 und S. 17.

[92] Vgl. De Grauwe, P. (2008), S. 1 und S. llf.

[93] (= Durchleitung, Röhre, Kanal); vgl. Gabler Wirtchaftslexikon: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/subprime-krise.html.

[94] Credit Default Swap (dt. Kxeditausfiall-Swapl: Ist ein Kreditderivat, das erlaubt, Ausfiallrisiken u.a. von Krediten zu handeln. Die Wall Street kreierte diesen neuen Derivatentyp, um den Investor zusätzlich vom Kreditrisiko (i.S. des „abusive lending“; siehe hierzu Kap. 5.3.2.3.) zu schützen. Dieses Derivat funktioniert wie eine Versicherungspolice und zahlt den Investor aus, wenn die Ausfallraten (default rates) in einem Kreditpool einen bestimmten Level übersteigen. Somit ermöglicht es dem Investor den Kauf von Werten, die mit „räuberischen“ Krediten („predatory loans“) besichert werden, und diese dann gegen potentielle Verluste (im Falle wenn der Kreditneh­mer zur Rückzahlung nicht mehr fähig wäre) zu hedgen. Diese Definition stammt aus: Engel, K. C.; McCoy, P. A. (2007), S. 125. Im Laufe der Finanzkrise fingen die zahlreichen Marktteilnehmer, Regierungsbehörden wie auch Politiker an, sich die Frage zu stellen, ob die Infrastruktur des Marktes im Stande ist, ihre Anfälligkeit aufi das systemische Risiko (Risiko, das die finanzielle Not einer der In­stitutionen, die Liquidität oder Solvenz der anderen Institution(en) gefährden würde) zu reduzieren. Ein Gebiet, das mit dieser Überle­gung verbunden war, bildet der Kreditderivatenmarkt. Bislang wurden Kreditderivate, einschließlich CDS aufi einem noch weitaus unre­gulierten Over-The-Counter-Markt (OTC) als bilaterale Kontrakte gehandelt. Doch beinhalteten diese Kontrakte u.a. gegenseitige Risi­ken der Vertragsparteien (sog. counterparty risk; Gegenparteirisiko). Aufgrund dessen bewegten U.S- und europäische Regulierungsbe­hörden die CDS-Marktteilnehmer dazu, eine Clearingzentrale zu schaffien und dem OTC-Derivatenmarkt als sog. CCP (Central Coun­terparty) zu dienen. Die Idee dahinter war die Veränderung der Allokation von Ausfallrisiken aufi den Weltfinanzmärkten, da potenziell jeder Derivatenkontrakt eine Anfälligkeit für einen Ausfall mindestens eines Vertragspartners beinhaltet. Die Überlegung hinter der Gründung eines CCP ist, dass das Ausfallrisiko der Derivatenverträge über eine Koalition der Finanzintermediäre (z.B. Banken) geteilt werden kann. Wenn also ein Mitglied ausfiallen sollte, nimmt sich ein anderes Mitglied dessen Risikos an. Somit teilen sich die Mitglie­der eines CCP die Verluste, die mit dem Ausfallrisiko einhergehen, nach dem Motto, dass ein Teilen der Verluste die Kosten reduzieren. Pirrong (2009) untersucht u.a. diese Überlegung analytisch und kommt zu dem Entschluss, dass es ihm noch nicht hinreichend mög­lich ist, nachzuweisen, ob sich eine Verbesserung der Effizienz mittels CCP, wie auch die Reduktion einer systemischen Ansteckungsge­fahr des Finanzmarktes mit dem Kreieren der CCP, ergibt. Siehe hierzu: Pirrong, C. (2009), S. 1-3. Auch Stulz (2009) stößt bei seiner Analyse aufi dieses Problem und stellt fest, dass eine Clearingzentrale keine „Zauberformel“ für die Eliminierung des mit dem Deriva- tenhandel aufi dem OTC-Markt verbundenen systemischen Risikos darstellt. Dennoch kann das Bestehen einer Clearingzentrale die mit den Derivaten einhergehenden Verlustrisiken für das Finanzsystem reduzieren, solange der Clearingzentrale auch genügend Ressourcen zur Abdeckung dieser Verluste zur Verfügung stehen. Vgl. hierzu: Stulz, René M. (2009), S. 31fi.

[95] Zu den Bewertungsproblemen siehe 5.3.2.2. unter „Fazit“ und5.3.2.3.

[96] Vgl. De Grauwe, P. (2008), S. 12-14 und S. 1.

[97] So erlaubte Basel II den weltgrößten Banken (im Vergleich zu kleineren Banken), weniger Kapital zu halten, mit der Begründung deren Risiken wären breiter gestreut. Nach dem Motto, dass manche Vermögenswerte sicherer als andere sind und manche Banken sicherer als andere Verleihen können, erlaubte Basel II den Banken, zu kalkulieren, wie viel Kapital sie eigentlich brauchen - zudem gemessen an der Wahrscheinlichkeit eigener, in Verzug geratener Kredite. Überdies konnten Banken mit kreditwürdigen Kunden weniger Kapital halten als Banken, deren Kunden als riskanter eingestuft wurden. Vgl. hierzu: The Economist (14. Mai 2011), S. 8-14.

[98] Vgl. Kotz, H.-H. (2008), S. 296.

[99] Vgl. Beville, M. (2009), 245f.

[100] Ebd., S. 265 und S. 258.

[101] Ebd., S. 258.

[102] Ebd., S. 265.

Fin de l'extrait de 105 pages

Résumé des informations

Titre
Die Überliquidisierung der Weltfinanzmärkte in den Jahren 2001 bis 2005
Sous-titre
Motive und Wirkungen
Université
University of Freiburg
Note
1,7
Auteur
Année
2011
Pages
105
N° de catalogue
V282351
ISBN (ebook)
9783656766971
ISBN (Livre)
9783656766995
Taille d'un fichier
1468 KB
Langue
allemand
Mots clés
überliquidisierung, weltfinanzmärkte, jahren, motive, wirkungen
Citation du texte
Agata Kapnik (Auteur), 2011, Die Überliquidisierung der Weltfinanzmärkte in den Jahren 2001 bis 2005, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/282351

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