Publizistik in der Zeit des deutschen Nationalsozialismus


Dossier / Travail, 2014

22 Pages, Note: bestanden


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Beginn der politischen Einflussnahme auf Publizistik ab 1933
2.1 Prägende gesetzliche Maßnahmen
2.2 Erste aktive Maßnahmen

3. NS-Propaganda
3.1 Propagandistische Funktion von Publizistik
3.2 Der publizistische Lenkungsapparat unter Josef Goebbels

4. Nutzung verschiedener Medientypen
4.1 Presse
4.2 Hörfunk
4.3 Die Rede

5. Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

1. Einleitung

Die gegenwärtige demokratische Staatsform besteht aus einem System der Gewaltenteilung und -Verschränkung zwischen Exekutive, Judikative und Legislative (vgl. Art. 20 GG). Die Medien werden informell als die „4. Gewalt“ verstanden, indem ihr eine Funktion als Kontrollorgan gegenüber dem Staat zugedacht wird. In dieser Rolle bewerten und kritisieren sie ihn in der Öffentlichkeit mittels der Ausübung ihrer technischen Arbeitsweisen, und tragen so zur demokratischen Meinungsbildung bei. Die Garantie dieses Guts ist im Grundgesetz gesetzlich festgeschrieben (vgl. Art. 5 GG)[1].

Das heutige Verhältnis der Medien zur Politik, welches sich durch seine Unabhängigkeit auszeichnet, ist eine bedeutende Errungenschaft in der Geschichte Deutschlands, deren besonderer Wert jedoch erst in Abgrenzung zur Zeit des Nationalsozialismus deutlich wird. Seit 1945 wurden aus dessen Lehren maßgebliche Konsequenzen für die Gestaltung Rahmenbedingungen der öffentlichen Meinung gezogen.

Die Nationalsozialisten erkannten in der Publizistik eine Möglichkeit zur Einwirkung auf die Öffentlichkeit und machten sich dem gewiss ihre Mittel zu Nutze für ihre eigenen politischen Absichten. Ihre zwölfjährige Herrschaft konnten sie in Folge dessen maßgeblich durch den intentionierten Einsatz und die Steuerung der Publizistik behaupten. Diese Instrumentalisierung von Medien unter den Nationalsozialisten in der Zeit von 1933 bis 1945 markierte einen unvergleichlichen Höhepunkt in der Geschichte. (vgl. Faulstich 2012:193)

Diese Hausarbeit soll im historischen Kontext der Zeit des Nationalsozialismus aufzeigen, auf welche Weise Publizistik als ein politisches Machtmittel missbraucht werden kann und welche Absichten hinter diesem Motiv stehen.

Zu diesem Zweck werden zunächst die systematischen politischen Rahmenbedingungen unter der NS-Herrschaft erläutert, um zu erklären, auf welcher Grundlage der Missbrauch stattfinden konnte. Daraufhin wird eine Analyse über die geistige Absicht hinter diesem wiedergegeben und schließlich soll die Nutzung verschiedener Medientypen kritisch im Einzelnen betrachtet werden.

2. Beginn der politischen Einflussnahme auf Publizistik ab 1933

Publizistik war seit dem Beginn der Herrschaft der Nationalsozialisten extremen Einflüssen von Seiten des Staats ausgesetzt. Auch das Verständnis über die Aufgabe des Publizisten zur Zeit des deutschen Nationalsozialismus stand somit in engem Zusammenhang mit der Politik. Der Zeitungswissenschaftler Hans A. Münster [2] beschrieb sie 1939 folgendermaßen:

„Der Publizist soll Hilfsmann und ‚Mundanwalt‘ des Politikers sein, er ‚braucht ein ausgeprägtes Gefühl für Unterordnung, Disziplin, Gehorsam und Treue‘.“ (zit. nach Hagemann/Prakke 1966: 20)

Diese Verwandtschaft, die wir im heutigen demokratisch-pluralistisch deutschen Staat nicht mehr als solche kennen, ergab sich aus der totalitären Staatsform, die seit der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ 1933 entstand. Adolf Hitler verstand die Publizistik als ein Instrument zur „Mobilisierung der Massen“ (Hagemann 1948: 19). Er war darauf angewiesen, Legitimität durch die Bevölkerung zu erlangen, um seine politische Macht zu rechtfertigen (vgl. ebd.: 22 ff.). Auf diese Weise gelang es ihm, seine Gewaltherrschaft für zwölf Jahre unter dem Deckmantel einer Demokratie zu erhalten. Begründet wurden solche gravierenden gesetzlichen Bestimmungen stets mit dem Nutzen für das Volk, welches man vorgab zu schützen. Nach diesem utilitaristischen Grundsatz eines konstruierten öffentlichen Interesses ließen sich nach Auffassung der NSDAP sämtliche unrechtmäßige Umformungen legitimieren (vgl. ebd.).

2.1 Prägende gesetzliche Maßnahmen

Um aktiven Einfluss auf die Publizistik ausüben zu können, mussten die Nationalsozialisten zunächst die politischen Rahmenbedingungen für Presse- und Meinungsfreiheit verändern. Das Ermächtigungsgesetz[3] gab ihnen die rechtliche Grundlage dazu, die „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“ zu verhängen, durch welche sie diese grundlegende demokratische Rechte abschafften (vgl. Rühle 1934: 372)[4]. Erst durch das Ausschalten der Meinungskonkurrenz wurde es für die Partei möglich, ein eigenes Mediensystem zu entwerfen, durch welches sie die Öffentlichkeit nach ihrer Gesinnung lenken konnten (vgl. Faulstich 2012: 133).

Die Publizistik wurde durch diese Neubestimmungen ihrer Rolle als „legitime Mitarbeiterin und Kritikerin der Staatsregierung“ (Hagemann/Prakke 1966: 78) entledigt, welche sie im Gegensatz dazu in einem pluralistisch geprägten Staat hat. Die von Mergel (2010: 35) beschriebene „Funktion der Außenansicht“ der Medien, welche er in seinem Aufsatz über das Verhältnis von Medien und Politik beschreibt, konnte im totalitären Staat der Nationalsozialisten nicht mehr durch diese wahrgenommen werden. Die Innenansicht der Regierung wurde stattdessen als die geltende Außenansicht dargestellt, und somit zum Diktat der öffentlichen Meinung. Dem lag die Erkenntnis zu Grunde, dass „die Mächte der öffentlichen Meinungen und ihre[ ] Träger und Quellen, [die; d. Verf.] Publizistik, eine größere Wirksamkeit entfalten können, als die Staats- und Verfassungssysteme“ (Hagemann 1948: 9). Somit musste eine Presse, die in einem System mit geltendem Recht auf Pressefreiheit die streitenden Interessen der Bevölkerung frei offenbaren würde, den totalitären Machtansprüchen der Nationalsozialisten weichen.

Dementsprechend wurde noch eine weitere gesetzliche Maßnahme getroffen, die die Publizistik staatlich institutionalisierte, was den staatlichen Einflussrahmen vergrößerte: Das Reichskulturkammergesetz[5]. Durch dieses wurde die Arbeit von Kulturschaffenden zentral kontrolliert, indem gesetzlich darüber befugt wurde, wer die Tätigkeiten in den Bereichen Schrifttum, Presse, Rundfunk, Theater, Musik und bildende Kunst beruflich ausüben durfte (vgl. Strothmann 1960: 3). „Durch die Zulassung oder Ablehnung“ der „erzwungenen Mitgliedschaft“ konnten die Nationalsozialisten eine zentrale Lenkung „über die Standesorganisationen vornehmen“ (Abel 1968: 29). Dies diente dem Zweck der Gleichschaltung sämtlicher Medien, die gemeinschaftlich nur noch die vorgegebene Meinung der Regierung veröffentlichen durften.

Von besonderer Bedeutung für die Presse war das am 4. Oktober 1933 verabschiedete Schriftleitergesetz[6]. Schriftleiter hatten in der Ausübung ihres Berufes darauf zu achten, dass der geistige Inhalt der Zeitungen konform zur nationalsozialistischen Gesinnung war und unbeeinflusst von widersprüchlichen Äußerungen gegenüber dieser blieb (vgl. Wulf 1964: 74)[7]. In einem Zeitungsartikel des „Münsterischer Anzeiger“ vom 4. Oktober 1933 reagierte Prof. Dr. Emil Dovifat folgendermaßen auf das neue Gesetz:

„Das neue Schriftleitergesetz kennzeichnet die totale Wendung in den Grundbegriffen aller Zeitungsarbeit. […] So wie der nationale Staat den liberalen Staat in allem durchdringt und überwindet, so läßt [!] dieses Schriftleitergesetz alle liberalistischen Auffassungen der Pressefreiheit weit hinter sich. […] Die Zeitung soll Führungsmittel der Staatsmacht werden.“ (zit. nach Wulf 1966: 77 f.)

Die weiteren Folgen, die dieses Gesetz für die Entwicklung der Presse unter nationalsozialistischer Aufsicht hatte, werden in Kapitel 4.1 dieser Hausarbeit eingehender erläutert. Die Verkündigung des Schriftleitergesetzes und die Abschaffung der Pressefreiheit kommentierte Reichspropagandaminister Joseph Goebbels nach Dokumentation von Albert/Gast/Schmidt-Leonhardt (1934) wie folgt:

„Wir haben […] schon in den Zeiten unserer Opposition immer wieder zum Ausdruck gebracht, daß [!] wir es für einen politischen Wahnsinn halten, daß [!] man einzelnen Individuen die absolute Freiheit des Geistes und der Meinung garantieren wollte und dabei die Freiheit eines ganzen Volkskörpers immer mehr Schaden nehmen mußte [!]. Der Begriff der absoluten Pressefreiheit ist ein ausgesprochen liberaler. Er geht nicht vom Volk in seiner Gesamtheit, sondern er geht vom Individuum aus. Und in seiner Überspitzung haben wir […] feststellen müssen, daß [!] die Freiheit der Meinungen, je mehr sie dem Einzelindividuum überantwortet wurde, um so [!] mehr im Hinblick auf das Gesamtinteresse eines ganzen Volkes zu Schaden kam.“ (zit. nach Wulf 1966.: 76 f.)

Auf diese Weise wurden die Eingriffe in die Rechte des Volkes vordergründlich erklärt und gerechtfertigt.

2.2 Erste aktive Maßnahmen

Der Prozess der staatlichen Vereinnahmung der Publizistik wurde auf Grundlage der neuen gesetzlichen Bestimmungen aktiv vorangetrieben.

Für die Öffentlichkeit wurde die Veränderung des Mediensystems erstmals durch die Bücherverbrennung“ am 10. Mai 1933 in Berlin deutlich (vgl. Faulstich 2012: 133). Aufgrund ihrer Relevanz als öffentlicher Auftakt der nationalsozialistisch geprägten Publizistik soll dieses historische Ereignis kurze Erwähnung in dieser Hausarbeit finden.

Mit Hitlers Befehl zur „Ausmerzung“ sollten sämtliche Bücher „marxistischen“ Gedankenguts, sowie die Werke jüdischer Autoren und von Regimekritikern[8] vernichtet werden (vgl. Strothmann 1960: 73 ff.). In diesen Prozess eingebunden war vor allem die Deutsche Studentenschaft, die sämtliche Bibliotheken „nach ‚undeutschem‘ Schrifttum durchsuchen und die Bücher an die Sammelstellen bringen“ (ebd.: 77) sollten. Die große Masse betroffener Werke wurde in „einem öffentlichen Schauspiel“ in Berlin verbrannt. Diese aussagekräftige Inszenierung war „das Signal für die ‚radikale Säuberung‘ des deutschen Schrifttums und für das Ende einer freizügigen Literaturentwicklung“ (ebd.: 73).

Da das Buch im Vergleich zu anderen Medientypen innerhalb der nationalsozialistischen Publizistik aber eine eher „untergeordnete Rolle“ (Faulstich 2012: 139) spielte, soll im Rahmen dieser Hausarbeit - unabhängig von diesem Ereignis - nicht weiter explizit darauf eingegangen werden.

Gemäß dem Ziel der „Ausmerzung“, wurden auch weitreichende Zensurmaßnahmen betrieben. Laut Soenke (1939) war dies für die Nationalsozialisten eine „Voraussetzung, die […] dazu verhalf, [sich] freizumachen für die Bejahung [der] gesamten deutschen Kultur“ (zit. nach Strothmann 1960: 177). Durch Zensur wurde einerseits regimefeindliches Gedankengut von vornherein gelöscht, und andererseits konnte Kritik an aktuellen politischen Plänen abgewehrt werden (vgl. ebd.: 179).

3. NS-Propaganda

Die massiven politischen Einschränkungen, die im vorherigen Kapitel beschrieben wurden, waren durch die Abschaffung des Pluralismus die Basis für die nationalsozialistische Propaganda. Durch seine „Totalität der politischen Macht“, hatte das NS-Regime zunächst faktisch „die Möglichkeit, sich das Monopol der Meinungsführung zu sichern“ (Hagemann 1948: 27). Jedoch benötigte ein solch hoher Anspruch die tatsächliche Unterstützung des Volkes, um so wenig öffentlichen Widerstand wie möglich auszulösen. Nach Reichsminister Joseph Goebbels bestand diese Aufgabe einerseits darin, das Volk aufzuklären, andererseits aber aus der Überzeugung durch aktive Bearbeitung der Menschen (vgl. ebd.: 32). Besonders während des Kriegs war das Nazi-Regime auf die Unterstützung der deutschen Bevölkerung angewiesen und musste deren moralische Kampfbereitschaft stabilisieren (vgl. Zelle 2010: 34). Das Ziel der Führung der öffentlichen Meinung bedurfte somit der nationalsozialistischen Propaganda[9].

[...]


[1] In Artikel 5 des Grundgesetzes wird der Schutz vor Eingriffen des Staats in Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit garantiert.

[2] Hans A. Münster war derzeit (1934-1945) Professor für Zeitungswissenschaft an der Universität Leipzig. Seit 1932 war er Mitglied der NSDAP.

[3] Das Ermächtigungsgesetz trat am 24. Februar 1933 in Kraft. Zusammen mit der Reichstagsbrandverordnung konnten die Nationalsozialisten durch dieses das Prinzip der Gewaltenteilung aufheben.

[4] S. Abb. 1.

[5] Das Reichskulturkammergesetz wurde am 22. September 1933 verabschiedet. Die Körperschaften Schrifttum, Presse, Rundfunk, Theater, Musik und bildende Kunst wurden zu einer Reichskulturkammer vereinigt. Diese stand unter der Aufsicht des „Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda“ Josef Goebbels.

[6] S. Abb. 2.

[7] Im Original dokumentiert in: Reichsgesetzblatt 1933, Teil 1, Nr. 111, S. 713; s. Abb. 2.

[8] Betroffen waren unter anderem folgende namenhafte Autoren: Bertolt Brecht, Max Brod, Alfred Döblin, Sigmund Freud, Heinrich Mann, Robert Neumann, Erich Maria Remarque, Kurt Tucholsky, Franz Werfel und Stefan Zweig.

[9] „Systematische Verbreitung politischer, weltanschaulicher o.ä. Ideen u. Meinungen [mit massiven (publizistischen) Mitteln] mit dem Ziel, das allgemeine [politische] Bewusstsein in bestimmter Weise zu beeinflussen“ (Duden 2010: 854).

Fin de l'extrait de 22 pages

Résumé des informations

Titre
Publizistik in der Zeit des deutschen Nationalsozialismus
Université
University of Applied Sciences Osnabrück  (Management, Kultur und Technik)
Note
bestanden
Auteur
Année
2014
Pages
22
N° de catalogue
V282485
ISBN (ebook)
9783656768265
ISBN (Livre)
9783656768272
Taille d'un fichier
3454 KB
Langue
allemand
Mots clés
Kommunikation, Medien, Publizistik, Nationalsozialismus, Massenmedien, Propaganda, Presse, Hörfunk, politische Rede, Medienmissbrauch
Citation du texte
Elena Both (Auteur), 2014, Publizistik in der Zeit des deutschen Nationalsozialismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/282485

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