Kinderarmut in Deutschland


Term Paper (Advanced seminar), 2013

46 Pages, Grade: 1,3


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Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung

2. Was bedeutet Armut?
2.1 Absolute Armut
2.2 Relative Armut - Lebenslagenkonzept
2.3 Neue Armut
2.4 Verdeckte Armut
2.5 Abriss Kinderarmut

3. Lebenslagen von Kindern in Armut und deren Ursachen
3.1 Arbeitslosigkeit/ Niedriglohn
3.2 Unzureichender Familienlastenausgleich
3.3 Kinderreiche Familien
3.4 Allein-Erziehende
3.5 Migrationshintergrund
3.6 Trennung und Scheidung
3.7 Armut und Behinderung
3.8 Soziale Ungleichheiten - Bildungsarmut und gesundheitliche Ungleichheit

4. Mit Sozialpolitik gegen Kinderarmut
4.1 Die Aktivierung des Arbeitsmarktes
4.2.Kindertagesbetreuung
4.3 Monetäre Transferleistungen gegen Kinderarmut
4.4 Die Kindergrundsicherung
4.5 Wohnraumpolitik - Stadtentwicklungspolitik „Soziale Stadt“
4.6 Bildungspolitische Maßnahmen
4.7 Interventionen gesundheitliche Ungleichheit

5. Resümee

Literatur Mandy Franke:

Literatur Steve Kardis:

1.Einleitung

„Wir müssen alle Stimmen fördern, damit alle Stimmen gefragt werden können.“

anonym

Durch Beschlüsse des Bundestages vom 27. Januar 2000 und dem 19. Oktober 2001 wurde die Bundesregierung aufgefordert, regelmäßig in der Mitte einer Legislaturperiode einen Armuts- und Reichtumsbericht vorzulegen. In diesem Auftrag setzte die Bundesregierung die 2001 begonnene Bestandsaufname der sozialen Lage in Deutschland fort und legte knapp ein Jahr nach dem vorgegebenen Veröffentlichungstermin, am 18. September 2012 und am 06.März 2013 den 4. Armuts- und Reichtumsbericht vor. In den folgenden Tagen, nach Vorlage des 4. Berichts, häuften sich wieder die medialen Berichterstattungen in der Bundesrepublik Deutschland über Armutsverhältnisse, nicht nur über lokale und regionale, sowie bundesweite Tageszeitungen, sondern auch in Funk, Fernsehen und dem neuen großen Medium, dem Internet. In ihnen werden häufig Armutserscheinungen offenbart die längst keine Zukunftsprobleme mehr darstellen, sondern längst bedrückende Zeiterscheinungen annehmen, denn vielerorts gehören Menschen, die in „Müllcontainern nach Pfandflaschen“ suchen, heute zum „normalen“ Stadtbild. Weniger Betrachtung findet häufig die Tatsache, dass Armutsverhältnisse nicht erst da existent sind, wo man sie sehen kann. Man kann davon ausgehen, dass die Dunkelziffer derer Menschen, die – ihnen zustehende – Sozialleistungen nicht beantragen, weil sie zu stolz sind, sich schämen oder den bürokratischen Aufwand scheuen, extrem hoch ist. Ebenfalls selten betrachtet bleibt auch die „Kinderarmut“, von der oft nur in Fußnoten oder Titeln einschlägiger Fachliteratur zu lesen ist, obwohl laut DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund) mehr als jedes siebte Kind in einem Haushalt lebt, der auf staatliche Fürsorge angewiesen ist. Aus diesem Grund wird sich die vorliegenden Arbeit genauer mit dem Thema „Kinderarmut in Deutschland“ beschäftigen, denn es ist davon auszugehen, dass sich die Armut verfestigt und sich in der Mitte der Gesellschaft ausbreitet, nicht nur durch drastisch steigende Mieten und Energiepreise, die auch den Lebensstandard von Normalverdienern gefährden, sondern auch durch die Angst vieler, vor dem sozialen Abstieg und der Chancenungleichheit bei den jüngsten Menschen. Zu Beginn der vorliegenden Arbeit soll sich dem Thema „Armut“, unter Beleuchtung derer Eigenschaften und Ausbildungsformen, genähert werden. Dazu wird versucht, sich über verschiedene Armutsdefinitionen und Konzepte, speziell dem Thema „Kinderarmut“ zu zuwenden. Das Themenfeld der absoluten Armut wurde dabei nur sehr kurz angeschnitten. Fokus liegt hierbei mehr auf dem Lebenslagenkonzept und der verdeckten Armut, da sie für die Auseinandersetzung mit dem Thema Kinderarmut, als entscheidend angesehen werden kann. Nach einem kurzen aktuellen Ausschnitt über Kinderarmut in der heutigen Zeit werden im nächstfolgenden Hauptgliederungspunkt, Ursachen von Kinderarmut und verschiedene Lebenslagen von Kindern in Armut dargestellt, um im Anschluss die die Arbeit mit sozialpolitischen Maßnahmen und Interventionen, mit denen versucht wird der Kinderarmut zu begegnen, zu schließen.

2. Was bedeutet Armut?

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, kurz OECD, richtete 1961 einen Fachausschuss für Entwicklungszusammenarbeit ein. Laut OECD versteht man unter dem Begriff „Armut“, verschiedene Arten von Entbehrungen. Diese stehen unmittelbar im Zusammenhang mit der Unfähigkeit, menschliche Grundbedürfnisse zu befriedigen. Dazu gehören menschliche Grundbedürfnisse wie Nahrung, Gesundheitsversorgung, das Recht auf Bildung und menschenwürdiger Arbeit. Zudem sollte jeder Mensch sich auf die Ausübung seiner Rechte berufen dürfen. „Verarmte Personen sind Einzelpersonen, Familien und Personengruppen, die über so geringe (materielle, kulturelle und soziale) Mittel verfügen, dass sie von der Lebensweise ausgeschlossen sind, die in dem Mitgliedsstaat, in dem sie leben, als Minimum annehmbar sind“ (Europäischer Rat 1984, zit. nach Strengmann-Kuhn/ Hauser 2008, S. 142). Armut ist dabei vielschichtig und unterliegt meist einer Vielzahl von Gründen und Verknüpfungen und ist somit stets dynamisch. So bedingen sich häufig Folgen, Symptome und Ursachen und haben somit selten eindimensionalen Charakter oder können als spezifisches Charakteristikum zugeordnet werden. Vielmehr ist Armut ein Prozess; nicht selten auch als Teufelskreis der Armut bekannt. Armut kann im Leben eines Menschen zeitweise auftreten oder den Menschen ein Leben lang begleiten. Durch Krisen, wie einem Krankheit oder Todesfall in der Familie, verursachte temporäre Armut, kann häufig wieder durch eine Verbesserung der Lebensumstände, überwunden werden. Jedoch ist der Teil, der „chronisch“ Armen, nicht gering. Diese gelten ein Leben lang als arm. Armut kann somit, als Schicksal eines Einzelnen gesehen werden oder auf eine ganze Gesellschaft bzw. gesellschaftlichen Zustand, projiziert werden. „Armut kann je nach Ansatz als ökonomische, soziale, politische, kulturelle und psychologische Erscheinung definiert und betrachtet werden“ (Klanberg F., 1978, S. 23 und Büschges G. /Wintergeerst-Gaasch I.

1988, S. 21). Im Zuge der Untersuchung von Armut sind verschiedene Methoden und Konzepte der Armutsbemessung entwickelt worden. Zur Armutsbemessung sind in der Forschung vier verschiedene Wege der Bemessung zu nennen. Die Einkommens-, die Unterversorgungs-, die Deprivations- und die Sozialhilfe – Armut. Im Zuge der vorliegenden Arbeit, wird die Betrachtung der Einkommens- und Deprivationsarmut im Fokus, liegen. Einkommensarmut liegt vor, wenn das Nettoeinkommen weniger als die Hälfte des durchschnittlichen Einkommens beträgt. Einkommen steht hier im Mittelpunkt, da damit „Alles“ allumfassend, erworben werden kann. Bei der Berechnung der Unterversorgungsarmut, der auch als Lebenslagenansatz bezeichnet wird, wird die Armut als kumulative Unterversorgung in verschiedenen Lebensbereichen, ermittelt. Für jeden Lebensbereich wird eine Unterversorgungsschwelle festgelegt, die sich an der Gesamtbevölkerung orientiert. Kritik kann angebracht werden, wenn gefragt werden soll, welche Bereiche, warum ausgewählt wurden. Neben den Modellen der Armutsberechnung kann man zudem davon ausgehend, drei verschiedene Armutskonzepte als gebräuchlich bezeichnen. Man unterscheidet dabei zwischen drei Arten der Armut. Die absolute, die relative und die gefühlte Armut als subjektives Empfinden.

2.1 Absolute Armut

Die absolute Armut definiert sich über den Zustand, dass man sich die Befriedigung der Grundbedürfnisse, durch eine unzureichende Mittelausstattung, nicht leisten kann. Hier kann man somit von der Gefährdung des „Überlebens“ bzw. dem absoluten Existenzminimum, was zum Überleben erforderlich ist, sprechen. Dabei werden soziokulturelle Bedürfnisse, wie auch physische - materielle Grundbedürfnisse nicht gestillt. Da im Zuge der folgenden Arbeit die Armut in Deutschland, speziell die der Kinderarmut untersucht werden soll, wird jedoch die Betrachtung der relativen Armut, eine größere Rolle spielen.

2.2 Relative Armut - Lebenslagenkonzept

Die relative Armut orientiert sich dagegen am durchschnittlichen soziokulturellen Lebensstandard der Bevölkerung. Hier wird die Armutsgrenze, im Vergleich zum Wohlstand der jeweiligen konkreten Gesellschaft, gezogen und zeigt somit soziale Ungleichheiten auf, da durch den Mangel an materiellen und immateriellen Gütern, Lebenschancen beschränkt bzw. verringert werden. Da der jeweils vorliegende gesellschaftliche Standard entscheidend ist, variieren in verschiedenen Gesellschaften die Indikatoren relativer Armut. So kann Armut hier als Exklusion, sprich als Ausgrenzung aus mehreren gesellschaftlichen Bereichen wie dem Einkommen, Bildung, Gesundheitsvorsorge oder der zur Verfügung stehenden Wohnfläche, verstanden werden. Somit kann man Armut in den Kontext sozialer Ungleichheit setzen. „Soziale Ungleichheit bezeichnet in Anlehnung an Max Weber die positiv oder negativ privilegierten Lebensbedingungen eines Menschen, die in ihrer Gesamtheit die Lebenschancen des Einzelnen in der Gesellschaft bestimmen“ (Klocke A., August 2000, S. 313). Arm ist hier nach einer europäischen Konvention der (Ausschuss für Sozialschutz, Bericht über Indikatoren im Bereich Armut und soziale Ausgrenzung, Brüssel Oktober 2001; Beschluss über die Anwendung der vorgeschlagenen Indikatorenliste; Dezember 2001 in Laeken) ,der „weniger als 60% des Durchschnittseinkommens“ zur Verfügung hat. Es wird angenommen, dass wenn das Einkommen unter dieser Grenze liegt, man an der akzeptablen Lebensweise innerhalb einer Gesellschaft, nicht mehr teilnehmen kann. Als Teilaspekt der relativen Armut ist das Lebenslagenkonzept zu nennen, welches im Zuge der Armuts- und Reichtumsberichterstattung der Bundesregierung in Deutschland, Verwendung fand. „Das „Lebenslagen-Konzept“ zielt darauf ab, dass nicht nur eine Dimension von Lebensqualität bzw. prekärer Lebensweise isoliert betrachtet, sondern die Mehrdimensionalität unterschiedlicher Lebensbereiche in ihrer Wechselwirkung analysiert werden soll. Benachteiligungen und Einschränkungen der Lebensqualität sollen nicht nur bezogen auf finanzielle Ressourcen bzw. materiellen Lebensstandard identifiziert werden, sondern auch immaterielle Ressourcen wie Bildung, Gesundheit und soziale Netzwerke sollen berücksichtigt werden“ (Engels D., 2008, S. 643-646). Schließlich entsteht Kinderarmut nicht nur durch Einkommensarmut der Eltern, sondern auch wenn

„entwicklungsfördernde Einrichtungen nicht vorhanden, oder erreichbar sind“ oder wenn sie „von geringer Qualität sind“ (Beisenherz H.G., 2002, S.102). So ist die Überwindung bzw. Reduzierung der Armut eine der größten Herausforderungen der Gegenwart.

So informiert das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung über die Millenniumserklärung, die durch die Vereinten Nationen überwacht wird und sich bis 2015 verschiedene Entwicklungsziele gesetzt hat. Als oberste Priorität wird angegeben das sich, die Anzahl der Menschen, die in extremer Armut leben, halbieren. Dieser Kampf für bessere Lebensbedingungen auf der ganzen Welt wie auch in Deutschland muss eine der wichtigsten Aufgaben der Politik im In- und Ausland sein, denn auch in Industrienationen wie Deutschland war schon lange eine Entstehung und Entwicklung „neuer Armut“ erkennbar.

2.3 Neue Armut

Mitte der Siebziger Jahre wurde, durch den damaligen rheinland-pfälzischen Sozialminister Heiner Geißler, die „Neue Soziale Frage“als Diskussionsthema neu formuliert und angeregt. Der klassische Begriff der Armut und wer armutsgefährdet ist, wurde bis dahin zumeist unter Alten, Obdachlosen und Behinderten aufgeteilt. Dass das Armutsrisiko auch für andere Personengruppen anstieg bzw. durchaus relevant war, erkannten schon Huchmut, Klee und Volkert (Vgl.Huchmuth, Klee, Volkert, 1995, S. 61 f) ."Neue Armut" definiert sich als "das Phänomen, dass sich das Armutsproblem nicht mehr auf die Gruppe der Älteren konzentriert, sondern infolge gesellschaftlicher Veränderungen, des Abbaus von Sozialleistungen und insbesondere der steigenden (Dauer von) Arbeitslosigkeit immer weitere Bevölkerungskreise tangiert“ (Pfaff A., 1995, S. 53). Insgesamt werden von Henningsen und Room fünf Merkmale der "Neuen Armut" festgehalten (Vgl. Henningsen B., Room G.J., 1990, S. 133): Ein erkennbares Zeichen ist das, dass sich die Zahl der Menschen, die auf Transferleistungen angewiesen sind, um vielfaches angestiegen ist. So sind Ursachen für Armut, wie Arbeitslosigkeit und unsichere Beschäftigungsverhältnisse, gesamtgesellschaftlich anzutreffen. Es sind also nicht mehr nur „Risiko – Schichten“ betroffen; der Mittelstand u.a. ist dem Risiko ebenfalls vermehrt ausgesetzt. Als drittes Merkmal ist die Verschuldung allgemein, wie auch die Zunahme von Zahlungsrückständen bei Mieten und damit verbundenen Nebenkosten, zu nennen. Die Verschuldung privater Personen nahm insgesamt zu. So sind laut Statista, im Jahr 2009 - 6,19 Millionen Haushalte verschuldet. Die Zahlen steigen bis zum Jahr 2011 mit 6,41 Millionen verschuldeten Haushalten an – Tendenz steigend (Vgl. Statista 2013). Ein weiteres Armutsrisiko, dass festgehalten werden muss, ist dass der Anstieg an alleinerziehenden (Väter und Mütter), die Transferleistungen in Anspruch nehmen müssen, wesentlich angestiegen ist. Nach dem Statistischen Bundesamt, beziehen 41 % der Alleinerziehendenhaushalten, Leistungen nach dem SGB II. Tatsächlich arbeitslos gemeldet sind von allen Haushalten 42% (Vgl. Statistisches Bundesamt 2010). Zudem ist die Zahl der Obdachlosen, als offener Nachweis der Armut, stark angewachsen. "Neue Armut" wird insgesamt als sichtbarer Ausdruck "eines wirtschaftlichen und technologischen Wandlungsprozesses verstanden“ (Leisering L., 1995, S. 61).

2.4 Verdeckte Armut

Ein weiteres wichtiges Phänomen, im Zuge der Armutsbetrachtung, ist das der verdeckten Armut. Dabei nehmen Bedürftige, die ihnen zustehenden Leistungen des Sozialstaates, der das soziokulturelles Existenzminimums durch Leistungen der Sozialhilfe und der Grundsicherung sichern soll, nicht in Anspruch. Zudem spielt sie im Kontext der Untersuchung von Ursachen von Kinderarmut eine wichtige Rolle, da Bedürftige, insbesondere bedürftige Eltern, aufgrund ihrer Mangellage, ein Ursachenfaktor für die Armut ihrer Kinder, sein können. Stark betroffen sind davon alleinstehende Frauen, Paarhaushalte mit nur einem Erwerbstätigen und alte Menschen. Doch auch in Erwerbstätigenhaushalten mit wenig Einkommen, werden zustehende Leistungen oft nicht in Anspruch genommen. „Als Quintessenz kann festgestellt werden, dass vor der Hartz-IV- Reform auf zwei HLU-Empfänger/innen mindestens zwei, eher drei weitere Berechtigte kamen; das waren 2003 etwa 1,5 bis 2,8 Millionen Bedurftige“ ( Becker I., 2007, S. 9). Diese leben von einem Einkommen, das unter dem gesetzlich definierten Minimum liegt und verfehlen somit das sozialstaatliche Ziel der Mindestsicherung. Gründe dafür können Unwissenheit über zustehende Leistungen und Regelungen sein oder die Angst davor Autonomie zu verlieren und stigmatisiert zu werden. Ein anderer Grund für keine Inanspruchnahme kann die Abwägung sein, ob Kosten und Nutzen, bei geringer Aufstockung, überhaupt in einem Verhältnis zueinander stehen. Zudem wird viel Mitarbeit von den Berechtigten gefordert, denn neben Mitwirkung und restriktiven Transferleistungen, muss eine Offenlegung aller Einkommens- und Vermögensverhältnisse, erfolgen.

2.5 Abriss Kinderarmut

Laut den Ergebnissen einer UNICEF – Studie „Kinderarmut messen – Neue Ranglisten der Kinderarmut in den reichen Ländern der Welt“ vom Jahre 2012 leben 1,2 Millionen Mädchen und Jungen in Deutschland in relativer Armut und gehören damit zu insgesamt 30 Millionen Kindern in den 35 reichsten Staaten der Welt (Vgl. UNICEF – Vergleichsstudie 2012 ). Neben der Einkommensarmut, wurden über den bereits erwähnten Deprivationsindex, auch Mangelsituationen von Kindern, expliziter beleuchtet. Deutschland nimmt Platz 13, bei der Untersuchung von relativer Kinderarmut in 35 Industrieländern ein. Damit leben 8,5 % der Kinder zwischen 0 und 17 Jahren in Haushalten, die mit einem Einkommen unterhalb der Hälfte des jeweiligen nationalen Medianeinkommens leben. Nach dem europäischen Sozialreport im Jahr 2001 sind rund 21% aller Kinder in den EU Staaten von Armut betroffen. „Eines von neun Kindern (arme und nicht - arme) lebt mit nur einem Elternteil. 23% der armen Kinder leben in einem Alleinerziehendenhaushalt“ ( Europäische Kommission, 2001, S. 49). Zum besseren Verständnis soll noch einmal kurz der Begriff der relativen Armut und des Medians skizziert werden. So wird die relative Armut wird somit mit 60 % des Medians definiert. Das mittlere Einkommen oder das Medianeinkommen in einer Gesellschaft bezeichnet die Einkommenshöhe, welche die Menge der Personen in zwei gleich große Hälften teilt. Die einen haben das höhere, die anderen das niedrigere Einkommen. Über diese Berechnung soll damit die Mitte gefunden werden. Laut UNICEF würde die Armutsrate in Deutschland ohne Kindergeld, Steuererleichterungen und Sozialleistungen unter Familien mit Kindern 2009 bei 17 % liegen – doppelt so viel wie die ursprünglich bemessenen 8,5 %. Somit gehört Deutschland zu den 10 von 35 Ländern der Studie, in denen Kinderarmut seltener vorkommt, als Armut unter Erwachsenen. Es bleibt zu prüfen, inwieweit der Sozialstaat, Kinderarmut begünstigt oder minimieren kann, denn „im Schutz vor Armut kann man den Gründungsauftrag der Sozialpolitik lesen. Wenn er nicht erfüllt wird, ist die Legetimation des Wohlfahrtsstaats dahin“ (M. Opileka, 2008, S. 75). Von den rund einer Million in relativer Armut lebenden Kindern, haben diese Kinder neben materiellen Entbehrungen, aufgrund des geringen Einkommens der Eltern, diese zudem weniger Chancen zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, da Armut auch Faktoren wie - Zugang zu frühkindlicher Förderung, Bildungschancen, Absicherung und Gesundheit, Umgang mit anderen Kindern und Jugendlichen und das eigene Wohlbefinden, negativ beeinflussen kann. Erst im Jahre 2007 wurde bei UNICEF erstmalig, das umfassende Wohlbefinden eines von Armut gefährdeten Kind, untersucht. Bei der Betrachtung des Deprivationsindexes werden dabei unter anderen folgenden Entbehrungen sichtbar. Kindern in Deutschland mangelt es an regelmäßigen Freizeitaktivitäten, an einer warmen Mahlzeit pro Tag oder einem geeigneten Platz in der elterlichen Wohnung um Hausaufgaben zu verrichten. Erkennbar sind ebenfalls Entbehrungen in Bereichen wie Kleidung und der schulisch, immer häufiger vorausgesetzten, Computertechnik. Es lässt sich also dadurch ein genaueres Bild von Armut zeichnen; jedoch birgt die Operationalisierung Schwierigkeiten bezüglich der Auswahl, Gewichtung und Messung der Lebenslagen (Vgl. Chassé K.A. et al. 2010 S. 19). Armut und die Wirkung von Armut hat somit Auswirkungen auf bestimmte Risikobereiche, wie Gesundheitsstatus, Bildungserfolg und somit auch Berufserfolg, sowie jeglicher Teilhabe bis in des Erwachsenenalter hinein (Vgl. Schoon, 2006, S. 84 /Power, Kuh 2008, S. 45 - 76/ Dragano, 2007, S. 18 – 25/ Richter-Kornweitz, 2010a, S. 94 - 108). So sind direkte Folgen von Kinderarmut der sinkende Lebensstandard, häufiger Wohnungswechsel und damit verbundenen Folgen bezüglich der Verschlechterung der Infrastruktur in den jeweiligen Stadtteilen, Diskriminierung und Chancenungleichheit in Bildung und deutliche Veränderungen in den familiären Beziehungen. Folglich ist Kinderarmut immer auch Familienarmut und umgekehrt. Kinderarmut beschränkt massiv ein Aufwachsen im Wohlergehen und erschwert, dass Kinder ihre Potentiale optimal entwickeln und ihre Ressourcen nutzen können. Armut beeinträchtigt die Lebenslagen der Kinder und Jugendlichen in vielfacher Hinsicht. Einmal - materiell durch Gefährdung der Grundversorgung, weiter kulturell - durch schlechtere Zugänge zu Bildung und sprachlicher und kognitiver Entwicklung. Zudem gibt es Beeinträchtigungen im sozialen Bereich. Erkennbar, durch Einschränkungen bei notwendigen sozialen Kontakte und somit mangelnden Chancen, soziale Kompetenzen zu entwickeln. Weiter kommt es, psychisch und physisch, durch Gefährdung von Gesundheit, körperlicher Entwicklung und seelischer Unversehrtheit, zu Abstrichen. Im nächsten Abschnitt der vorliegenden Arbeit sollen verschiedene Ursachen von Kinderarmut und Lebenslagen von Kindern in Armut, untersucht werden. Dabei soll im nächsten Gliederungspunkt, Arbeitslosigkeit als Ursache von Kinderarmut, beleuchtet werden, da besonders häufig, Kinder wichtige Dinge entbehren, wenn die Eltern arbeitslos sind (42,2 %) oder wenn sie einen niedrigen Bildungsabschluss haben (35,6 %).

3. Lebenslagen von Kindern in Armut und deren Ursachen

Das zur Verfügung stehende Einkommen der Eltern ist für die Lebenslage und Entwicklung der Kinder von zentraler Bedeutung. Steht den Eltern, oder einem Elternteil, wenig Geld zur Verfügung, um die Existenz der Familie zu sichern, so sind auch ihre Kinder betroffen die ebenfalls mit dem Einkommen ihrer Eltern leben und aufwachsen müssen. Trotz Fürsorgesysteme und gezahlte Transferleistungen wird noch immer häufig von Kinderarmut gesprochen. Einige Ursachen hierfür sollen im folgenden Punkt beleuchtet werden.

3.1 Arbeitslosigkeit/ Niedriglohn

„Erwerbsarbeit ist in modernen Gesellschaften mehr als nur die Erzielung eines eigenständigen Einkommens. Sie ist nach wie vor von zentraler Bedeutung für die persönliche Entwicklung jedes einzelnen Menschen, seine soziale und gesellschaftliche Stellung und seine Lebenschancen“ (Bäcker, G., Neubauer, J., 2008, S. 502). „Als eigentliche Ursache der hohen Armutszahlen, die heute vor allem unter dem Schlagwort

„Kinderarmut“ diskutiert werden, muss die auf hohem Nivea stagnierende Arbeitslosigkeit gelten“ (Beisenherz G.H., 2002, S.63). Arbeitslosigkeit gilt als ein Problem, welches die meisten Volkswirtschaften trifft, dennoch ist Arbeitslosigkeit nicht gleich Arbeitslosigkeit. In der Neoklasssik (Vgl.: http://wirtschaftslexikon.gabler.de) entsteht Arbeitslosigkeit durch ein Marktungleichgewicht der Arbeitsnachfrage und der Arbeitsnachfrage mit den zugehörigen Preisen. Der keynesianische Ansatz (http://wirtschaftslexikon.gabler.de) begründet die Arbeitslosigkeit in der mangelnden Nachfrage einer Erwerbsarbeit, die sich durch eine zu geringe Entlohnung ergibt. Denn: „Noch immer ist es vielfach attraktiver arbeitslos zu sein, als eine ungeliebte Tätigkeit aufzunehmen “(Opielka M., 2008, S. 60), vor allem wenn diese unzureichend oder schlecht entlohnt wird. Bevor nun der Niedriglohn in der Erwerbsarbeit kurz geschildert werden soll, müssen weitere Arten der Arbeitslosigkeit angeschnitten werden. So gibt es weiterführend die strukturelle-, sockel-, friktionelle-, saisonale-, konjunkturelle-, und die verdeckte Arbeitslosigkeit. Das Phänomen der strukturellen Arbeitslosigkeit, als wirtschaftliche Hypothese, versucht zu erklären, warum die Arbeitslosenquote trotz Vollbeschäftigung nie verschwinden würde und resultiert aus verschiedenen demographischen Faktoren. Diese Faktoren sind zum einen, ein gewisser Grad an mangelnden Informationen und zum anderen aus Einschränkungen in der Mobilität. Sie bilden sich aber auch aus der Tatsache, dass bei Veränderungen die Anpassungskosten zu hoch sind, was bewirkt, dass unterhalb des Reallohns ein Niveau der Unter- oder Nichtbeschäftigung entsteht. Durch technologische Vereinfachung der Arbeitsplatzsuche, kann die strukturelle Arbeitslosigkeit positiv beeinflusst werden. Durch ökonomische Faktoren, zum Beispiel ein überhöhter Rohölpreis, kann dieser auch negativ beeinflusst werden, indem der dadurch zurückgehende Reallohn des Arbeitnehmers die Kaufkraft hemmt und somit die Produktion sinkt. Damit würde die strukturelle Arbeitslosigkeit wieder steigen. Die Sockelarbeitslosigkeit, die in die Untergruppen der strukturellen- und friktionellen Arbeitslosigkeit mit eingeteilt wird und die ebenfalls immer beständig ist, beschreibt die Arbeitslosigkeit der Mitbürger, die arbeitslos gemeldet sind und dem Arbeitsmarkt auch wirklich zur Verfügung stehen. Dabei bleibt die Einteilung in diese Gruppen durchdringbar. Dies dient der Erforschung der Personengruppen und um einzelne Voraussetzungen besser zuzuordnen und auswerten zu können. Faktoren für die sogenannte Sockelarbeitslosigkeit sind zum einen, äußere Gründe wie zum Beispiel das Alter der Arbeitssuchenden und sein Gesundheitszustand und zum anderen die inneren Gründe, wie zum Beispiel eine gewisse Arbeitsunwilligkeit aber auch mangelnde berufliche Ausbildung und schlechte Umgangsformen mit Kunden. Als friktionelle Arbeitslosigkeit wird die Form der Arbeitslosigkeit beschrieben in der die fehlende Lohnbeschäftigung dadurch entsteht während ein Arbeitnehmer die Arbeitsstelle wechselt. In der Zeit des Wechselns der Arbeitsstelle entsteht ein zeitlicher Verzug zwischen der Beendigung und dem Neuantretens eines Arbeitsverhältnisses. Auf die Faktoren, der Größe und Dauer des zeitlichen Verzugs wird nicht weiter eingegangen, dennoch kann gesagt werden, dass die Zeit der friktionellen Arbeitslosigkeit meist relativ kurz ist und auch mit der Freiheit der Arbeitsplatzwahl zusammen hängt und damit in der Regel kein Handlungsbedarf besteht sie zu regulieren. Durch saisonal bedingte Produkte oder der saisonal bedingten Nachfrage nach bestimmten Produkten oder Dienstleistungen entsteht, wie der Name schon erahnen lässt, die saisonale Arbeitslosigkeit. Dieses Phänomen der Arbeitslosigkeit wird durch Branchen bestimmt, die von bestimmten Zeiträumen abhängig sind. So können in vielen Baubranchen die Wintermonate häufig nicht genutzt werden. So kann davon ausgegangen werden, dass ein Dachdeckerbetrieb einige seiner Angestellten entlassen muss, wenn bei Schneefall oder der fehlenden Nachfrage des „Dach decken Lassens“ die Aufträge ausbleiben und der Betrieb sich kein zweites Standbein aufgebaut hat, um jene Monate zu überbrücken.

Die konjunkturelle Arbeitslosigkeit, auf die anlässlich des Umfangs nicht weiter eingegangen wird, entsteht durch konjunkturelle Schwankungen, denen die meisten Unternehmen unterworfen sind und die wegen fehlender Konjunktur liquidiert werden können und damit ihre Angestellten entlassen müssen. Zu guter letzt wird die verdeckte Arbeitslosigkeit kurz geschildert, die die Quote jener Arbeitslosen bildet, die Statistisch nicht erfasst sind. Zum einen entsteht dies, wenn sich der Arbeitslose beim Arbeitsamt nicht als Arbeitsuchend meldet und zum anderen, wenn ein Arbeitsuchender an einer vom Arbeitsamt angebotenen Maßnahme teil nimmt und somit, in diesem Zeitraum aus der Arbeitslosenstatistik fällt (zum Beispiel die Teilnahme an einem ein Euro Job oder Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen) (Vgl. www.bpb.de/politik/Innenpolitik). Kritisch hierbei zu betrachten wäre, dass der Staat durch die Maßnahmen des Arbeitsamtes ein gutes Instrument in der Hand hat um in die Arbeitslosenstatistik einzugreifen. Wäre diese zu einem bestimmten Zeitraum zu hoch´, können mehr Arbeitslose in Maßnahmen untergebracht werden, die dann wiederum aus der Statistik fallen. Die Gründe sich nicht als Arbeitssuchend beim Arbeitsamt zu melden können verschieden sein. So könnte der Arbeitslose nur einen kurzen Zeitraum zum überbrücken haben, wenn er eine Stelle wechselt oder zum anderen, wenn sich Frauen nach dem Erziehungsjahr weiter um ihr Kind kümmern und anderweitig für den Unterhalt gesorgt ist. Allem in allem kann gesagt werden, dass die Grenzen der verschiedenen Arten von Arbeitslosigkeit ziemlich fließend verlaufen. Man kann also auch von der konjunkturellen in die verdeckte oder in die strukturelle Arbeitslosigkeit gelangen und umgekehrt. Arbeitslosigkeit beschränkt sich hierbei immer auf einzelne Personen. Armut und sozialer Abstieg, der durch Arbeitslosigkeit einher gehen kann, betrifft dagegen die ganze Familie. Dabei können vier zentrale Kategorien bei der Beschreibung der Auswirkung von Arbeitslosigkeit auf Familie und Kinder benannt werden. 1. Veränderungen in der Haushaltsfunktion (materielle Einschränkungen, Wohnen, Gesundheit). 2. Veränderung in den sozialen Bezügen (Bedeutung des sozialen Netzwerks, Stigmatisierungsprozesse und Folgen des Familismus). 3. Veränderung innerhalb des Systems Familie (Rollenflexibilisierung seitens der Eltern und Gewichtung der Kinderrolle). 4. Beeinträchtigungen der Sozialisationsfunktion der Familie (Erziehungsverhalten in Armuts- und Arbeitslosenfamilien) (Vgl. Neuberger, Ch.;1997, S.82).

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Excerpt out of 46 pages

Details

Title
Kinderarmut in Deutschland
College
University of Applied Sciences Jena
Grade
1,3
Authors
Year
2013
Pages
46
Catalog Number
V282817
ISBN (eBook)
9783656821526
ISBN (Book)
9783656821533
File size
615 KB
Language
German
Keywords
kinderarmut, detschland
Quote paper
Mandy Franke (Author)Steve Kardis (Author), 2013, Kinderarmut in Deutschland, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/282817

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