Eine Streife der Münchner Stadtpolizei war es, die am Abend des 21. Juni 1962 im Münchner Vergnügungsviertel Schwabing routiniert gegen eine Gruppe junger Straßenmusiker vorging, welche die Ruhe der Anwohner störte. Dieser Einsatz eskalierte in einer Konfrontation zwischen der Polizei und den gegen polizeiliche Willkür protestierenden Schwabinger Besuchern, welche sich in ihrer Dauer und Schwere so gar nicht in das heitere und unbeschwerte Klima in München der 1960er Jahre einfügen mochte: Die warmen Sommernächte in Schwabing waren von jenem Zwischenfall an bis zum 25. Juni 1962 geprägt von schweren Ausschreitungen, die in Ausmaß und Intensität bis zu diesem Zeitpunkt einmalig für die Bundesrepublik Deutschland sein sollten und noch für eine lange Zeit in der Kritik einer breiten Öffentlichkeit standen.
Jenes Ereignis markierte den Auftakt zu einer veränderten Einsatztaktik der Polizei im Zusammenhang mit Massenprotesten: Nach wenigen Jahren entstand die, einen bei Versammlungslagen neuartigen, deeskalierenden Ansatz verfolgende „Münchner Linie“. Eine weitere Konsequenz war die im Januar 1964 erfolgte Gründung des bundesweit ersten Zentralen Psychologischen Dienstes (ZPD) bei der Münchner Polizei. Doch hatten diese, durch die "Schwabinger Krawalle" ausgelösten Neuerungen auch tatsächlich einen Einfluss auf die praktische Einsatztaktik der Münchner Stadtpolizei bei weiteren Protestereignissen in den sechziger Jahren? Um diese Frage zu beantworten wurden exemplarisch vier markante Einsatzfelder der Münchner Stadtpolizei im Rahmen dieser Masterarbeit untersucht: Das Sonderkommando "Schwabing" 1964, ein Konzert der "Rolling Stones" 1965, der Schah-Besuch 1967 sowie die Osterunruhen 1968.
Im Anschluss an die Darstellung dieser Ereignisse erfolgt ein diesbezüglicher Vergleich mit dem Einsatz der Polizei in West-Berlin anlässlich des dortigen Schah-Aufenthalts. Am Ende der Arbeit wird neben einer Beantwortung der Forschungsfrage auch eine Betrachtung vorgenommen, inwiefern die aus den "Schwabinger Krawallen" gezogenen Konsequenzen noch heute einen Einfluss auf die Einsatztaktik der Münchner Polizei ausüben.
Inhaltsverzeichnis
- I. Abkürzungsverzeichnis
- II. Archivquellen
- III. Vorwort
- 1. Einleitung
- 1.1 Themendarstellung mit Untersuchungsfragestellung
- 1.2 Methodik
- 1.3 Forschungsstand
- 2. Hauptteil
- 2.1 Die Rahmenbedingungen
- 2.1.1 Politik und Gesellschaft
- 2.1.1.1 Westdeutschland in den 60er Jahren
- 2.1.1.2 Der Blick nach München
- 2.1.2 Protestklima in der BRD nach dem Zweiten Weltkrieg
- 2.1.2.1 Jugendkultur
- 2.1.2.2 Die "Halbstarken-Krawalle"
- 2.1.2.3 Proteststadt München?
- 2.1.3 Die Entwicklung der bundesdeutschen Polizei
- 2.1.4 Die Münchner Stadtpolizei Anfang der 60er Jahre
- 2.1.4.1 Ihre Entstehung nach 1945
- 2.1.4.2 Die Ausbildung
- 2.1.4.3 Kultur und Stellung in der Gesellschaft
- 2.1.4.4 Der Umgang mit Protest und Menschenmassen
- 2.1.1 Politik und Gesellschaft
- 2.2 Zwischenergebnis - Erklärungsansätze für die Entstehung der "Schwabinger Krawalle"
- 2.3 Die "Schwabinger Krawalle"
- 2.3.1 Der Ablauf der Ereignisse
- 2.3.2 Wirkmechanismen
- 2.3.3 Nachbetrachtungen
- 2.4 Konsequenzen aus den "Schwabinger Krawallen"
- 2.4.1 Die Stadtpolizei München unter Polizeipräsident Schreiber
- 2.4.2 Der Psychologische Dienst
- 2.4.3 Die Entstehung der "Münchner Linie"
- 2.4.4 Änderungen in der Aus- und Fortbildung
- 2.5 Einfluss der Konsequenzen auf die Einsatztaktik der Münchner Polizei
- 2.5.1 Das Sonderkommando "Schwabing"
- 2.5.1.1 Relevante Entwicklungen und Hintergründe
- 2.5.1.2 Der Ablauf des Einsatzes
- 2.5.1.3 Rückschlüsse
- 2.5.2 "Rolling Stones" Konzert 1965
- 2.5.2.1 Relevante Entwicklungen und Hintergründe
- 2.5.2.2 Der Ablauf des Einsatzes
- 2.5.2.3 Rückschlüsse
- 2.5.3 Der Schah-Besuch 1967
- 2.5.3.1 Relevante Entwicklungen und Hintergründe
- 2.5.3.2 Der Ablauf des Einsatzes
- 2.5.3.3 Rückschlüsse
- 2.5.4 Die Osterunruhen 1968
- 2.5.4.1 Relevante Entwicklungen und Hintergründe
- 2.5.4.2 Die Ereignisse von Gründonnerstag bis Ostersonntag
- 2.5.4.3 Der Ablauf des Einsatzes am Ostermontag 1968
- 2.5.4.4 Rückschlüsse
- 2.5.5 Der Blick in andere Bundesländer am Beispiel des Schah-Besuchs in Berlin 1967
- 2.5.1 Das Sonderkommando "Schwabing"
- 2.1 Die Rahmenbedingungen
- 3. Fazit mit einem Blick auf die Gegenwart
- IV. Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Masterarbeit untersucht die "Schwabinger Krawalle" im Kontext der polizeilichen Einsatztaktik in den 1960er Jahren. Ziel ist es, die Ereignisse im Lichte der damaligen politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu analysieren und die Auswirkungen auf die Entwicklung der Polizeiarbeit in München zu beleuchten.
- Die "Schwabinger Krawalle" als Wendepunkt in der Polizeiarbeit
- Die Rolle der Jugendkultur und des Protestklimas der 1960er Jahre
- Die Entwicklung der Einsatztaktik der Münchner Polizei
- Die Entstehung der "Münchner Linie" und ihre Auswirkungen
- Der Einfluss der "Schwabinger Krawalle" auf die Polizeiarbeit in anderen Bundesländern
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die die Themendarstellung, die Methodik und den Forschungsstand erläutert. Der Hauptteil beleuchtet zunächst die Rahmenbedingungen der "Schwabinger Krawalle", einschließlich der politischen und gesellschaftlichen Situation in Westdeutschland und München sowie des Protestklimas der Zeit. Anschließend wird die Entwicklung der bundesdeutschen Polizei und insbesondere der Münchner Stadtpolizei Anfang der 60er Jahre dargestellt. Der Verlauf der "Schwabinger Krawalle" wird detailliert beschrieben und die Wirkmechanismen sowie die Nachbetrachtungen analysiert. Die Arbeit untersucht die Konsequenzen der Krawalle für die Münchner Polizei, darunter die Einführung des Psychologischen Dienstes, die Entstehung der "Münchner Linie" und die Veränderungen in der Aus- und Fortbildung. Zuletzt wird der Einfluss dieser Konsequenzen auf die Einsatztaktik der Münchner Polizei anhand verschiedener Beispiele, wie dem Sonderkommando "Schwabing", dem "Rolling Stones"-Konzert 1965, dem Schah-Besuch 1967 und den Osterunruhen 1968, untersucht. Die Arbeit schließt mit einem Fazit, das die "Schwabinger Krawalle" als Wendepunkt in der Polizeiarbeit der 1960er Jahre bewertet und einen Blick auf die Gegenwart wirft.
Schlüsselwörter
Schwabinger Krawalle, Polizeieinsatztaktik, Protestgeschehen, 1960er Jahre, Jugendkultur, Protestklima, Münchner Polizei, "Münchner Linie", Psychologischer Dienst, Sonderkommando, Schah-Besuch, Osterunruhen.
- Quote paper
- Sebastian Herre (Author), 2014, Die "Schwabinger Krawalle". Ein Wendepunkt der polizeilichen Einsatztaktik im Protestgeschehen der 1960er Jahre?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/283162