Extrait
Inhaltsverzeichnis
I. Forschungsbericht
II. a) Buchpreisbindung – Ein allgemeiner Diskurs
II. b) Verschiedene Systeme der Buchpreisbindung innerhalb der EU
II. c) Uneinheitliche Union- Flickenteppich Europa
III. Fazit
IV. Literaturverzeichnis
I. Forschungsbericht
Die vorliegende Arbeit entstand auf Grundlage eines Referates im Rahmen des Seminars „Charakteristika des aktuellen Buchmarktes“ im Sommersemester 2009 an der Johannes Gutenberg – Universität unter der Leitung von Frau Anke Vogel (MA).
Thema der Arbeit ist die Buchpreisbindung innerhalb der Europäischen Union. Auf eine allgemeine Erläuterung des Begriffs der Buchpreisbindung folgt im Hauptteil eine Darstellung der drei im europäischen Raum angewandten Preissysteme (keinerlei Preisbindung, Preisbindung auf privatrechtlicher sowie auf gesetzlicher Basis). Die Ergebnisse werden im Fazit kurz zusammengefasst.
Eine kritische Auseinandersetzung mit der oben erwähnten Thematik wurde durch die kontroverse Meinung der Branchenexperten erschwert. So empfinden vor allem hierzulande viele Branchenvertreter die Buchpreisbindung als dringende Notwendigkeit zum Schutze des Kultur- und Wissensguts Buch, wovon die Gesamtheit profitiert, während andere das Buch hauptsächlich als ökonomische Ware betrachten, deren Vertrieb sie durch die Buchpreisbindung eingeschränkt sehen. Diese Kontroverse wird im Folgenden erläutert.
Die Basis dieser Ausführungen bilden vor allem der Aufsatz von Herrn Prof. Dr. Fischer „Buchpolitik in europäischer Perspektive“, die Untersuchungen Julia Holterhoffs und Martina Kassners („Buchpreisbindung in der EU“) und ein 2004 veröffentlichter Essay von Frau Doris Stockmann, der Präsidentin der European Booksellers Federation („Free or fixed prices on books- patterns of book pricing in Europe“).
II. a) Buchpreisbindung – Ein allgemeiner Diskurs
Das Buch wird gemeinhin als eine Ware mit Doppelcharakter betrachtet. Das bedeutet, dass es nicht nur als rein ökonomisches, sondern auch als kulturelles Gut verstanden wird und eine andere Behandlung erhält als die meisten anderen Wirtschaftsgüter. So gilt beispielsweise in den meisten europäischen Ländern ein verminderter Mehrwertssteuersatz für Bücher (z.B. in Deutschland 7% statt der üblichen 19%; in Österreich 10% statt 20%; in Schweden 6% statt 25%).
Als ein weiteres, vergleichsweise umstrittenes Instrument der Kulturförderung gilt die Buchpreisbindung, die unter anderem als Ersatz staatlicher Subventionen dienen soll. Sie ist europaweit sehr uneinheitlich geregelt ist und immer wieder dem Vorwurf, sie behindere den freien Wettbewerb, ausgesetzt[1].
Ziele der Buchpreisbindung sind die Sicherung eines breiten Bücherangebotes, welche im Wesentlichen durch Mischkalkulationen ermöglicht wird (Mitfinanzierung anspruchsvoller, jedoch weniger gutverkäuflicher Titel durch das Bestsellergeschäft) und eines flächendeckenden Buchhandelsnetzes mit reichhaltigem Sortiment, qualifiziertem Personal und bibliographischem Apparat. Ein weiteres Ziel ist das Entgegenwirken von Konzentrationsprozessen, sodass die Marktdominanz diverser Großunternehmer nicht unnötig vergrößert wird.[2] Des Weiteren soll die Buchpreisbindung dazu dienen, wirtschaftliche Entscheidungen und Kalkulationen innerhalb eines Verlages zu vereinfachen, entstehende Kosten zu minimieren (z.B. Vereinbarungskosten bezüglich Mengen und Abgabepreise) und eine gewisse Preisstabilität zu gewährleisten, von der auch der Endkunde profitiert (dieser erspart sich außerdem den zusätzlichen Aufwand eines Preisvergleiches).[3]
Da der klassische Preiswettbewerb auf Händlerebene durch die Buchpreisbindung verhindert wird, weichen die Buchhändler auf andere Möglichkeiten des Leistungswettkampfes aus. So werden Lage, Größe, Einrichtung, Qualifikation des Verkaufspersonals, Sortimentsvielfalt, Schnelligkeit der Besorgung und die Organisation von Sonderveranstaltungen (Lesungen o.ä.) zu entscheidenden Erfolgsfaktoren.[4]
Der Vorsitzende des Börsenvereins, Gottfried Honnefelder, stellte anlässlich des fünften Jahrestages der Buchpreisbindung in der Bundesrepublik fest, dass eine Kultur- und Wissensgemeinschaft nur mithilfe der Buchpreisbindung bestehen könne. Ein lediglich als Ware betrachtetes Buch sei ansonsten auch inhaltlich den Gesetzen des Marktes ausgeliefert. In Ländern ohne Buchpreisbindung sei eine Bestsellerkultur vorhanden, in der es keinen Raum für Nischenthemen, Experimente und kulturelle Vielfalt gebe.[5]
Branchenexperten befürchten, das eine Abschaffung der Buchpreisbindung, zu einem Massensterben kleinerer Buchhandlungen, dem Preisanstieg anspruchsvollerer Literatur, die zuvor durch Quer- bzw. Mischkalkulationen von Bestsellern mitfinanziert wurden und einer Verschlechterung des Dienstleistungsangebotes gegenüber dem Endkunden führen würde.[6] Diese Annahmen basieren oftmals auf Beobachtungen der Marktentwicklung von Ländern, in denen die Buchpreisbindung aufgehoben wurde. Aufgrund von kulturellen Differenzen, verschiedenen Bevölkerungsdichten oder auch unterschiedlichen Gewohnheiten bezüglich des Internetgebrauchs, sind Vergleiche jedoch eher schwierig.[7]
II. b) Verschiedene Systeme der Buchpreisbindung innerhalb der EU
In Hinblick auf den europäischen Markt sind drei unterschiedliche Modelle der Buchpreisbindung voneinander zu unterscheiden:
1. keinerlei Preisbindung (vollkommen liberaler Markt)
2. eine Preisbindung auf privatrechtlicher Grundlage (beispielsweise Absprachen von Unternehmen)
3. eine gesetzliche Preisbindung.[8]
Doris Stockmann, die Präsidentin der European Booksellers Federation (EBF) stellt in ihrem 2004 publizierten Essay „Free or fixed prices on books- patterns of book pricing in Europe“ fest, dass ein allgemeiner Trend der Abkehr von der privatrechtlichen hin zur gesetzlichen Buchpreisbindung bzw. keinerlei Preisbindung besteht.[9] Zum damaligen Zeitpunkt existierte eine gesetzlich fundierte Buchpreisbindung in acht Ländern (Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Niederlande, Österreich, Portugal und Spanien), eine privatrechtlich organisierte in fünf Ländern (Dänemark, Luxemburg, Norwegen, Slowenien, Ungarn) und keinerlei Preisbindung in dreizehn Ländern (Belgien, Estland, Finnland, Großbritannien, Irland, Island, Lettland, Litauen, Polen, Schweden, Schweiz, Tschechische Republik, Zypern). (Einen besseren Überblick verschafft Graphik 1; s. Anhang.)
Die privatrechtlichen Regelungen weichen zwar in Details voneinander ab, basieren jedoch fast alle auf dem 1981 verabschiedeten französischen Buchpreisbindungsgesetz „Loi Lang“.[10]
Es ist darauf hinzuweisen, dass es sich jeweils um nach nationalen Gegebenheiten modifizierte Modelle handelt (z.B. die Mentalität des Publikums oder die Marktstruktur und –kultur).“[11] Die Buchpreisbindungsgesetze, privatrechtlichen Regelungen oder auch alternativen staatlichen Förderungsmethoden auf dem freien Markt weichen mitunter stark voneinander ab.
Beispielsweise gibt es keine einheitliche Regelung bezüglich des Aufdruckens von (empfohlenen Preisen) auf den Buchrücken innerhalb der Länder ohne Buchpreisbindung. Während es in Großbritannien der Normalfall ist, ist es in Finnland und Schweden gesetzmäßig verboten, da der Buchhändler sonst in seiner Kalkulation eingeschränkt wird. So wäre es wahrscheinlich mit Schwierigkeiten verbunden, ein Buch teuerer als empfohlenen zu verkaufen, stünde der (empfohlene) Preis auf der Rückseite.[12]
Auch die gesetzlichen und privatrechtlichen Bestimmungen weisen signifikante Unterschiede wie zum Beispiel die Dauer der Bindung, die Lieferbestimmungen, oder auch das Buchspektrum, für die sie gelten auf.[13]
Wie bereits erwähnt, wird die Buchpreisbindung seit langem kontrovers diskutiert. Diese Debatten finden sowohl auf nationaler, als auch internationaler Ebene statt. Die Buchpreisbindung widerspricht dem erklärten Ziel der Europäischen Union, einen einheitlichen gemeinsamen Wirtschaftsraum zu schaffen. Anhand des Artikels 85 des Europäischen Gemeinschaftsvertrags, worin jegliche Form von Kartellen verboten wird, wird häufig Kritik an der Buchpreisbindung geübt.
So heißt es dort, dass „alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken“[14], verboten sind. In Absatz a) wird explizit auf die Ungesetzlichkeit von Preisabsprachen hingewiesen.
Thomas Kaufmann wies in seiner 1998 vor der EU – Kommission vorgetragenen Rede darauf hin, dass insbesondere Preisabsprachen, „die den Handel zwischen zwei Mitgliedstaaten in einem gemeinsamen Sprachraum [betreffen], dem Kartellverbot widersprechen würden und so wiederholt Untersuchungsgegenstand der Kommission gewesen seien.[15] Der ehemalige niederländische EU – Kommissar Karel van Miert setzte sich vehement gegen die Buchpreisbindung in Europa ein und veranlasste eine Untersuchung hinsichtlich der deutsch – österreichischen Absprachen, die die Aufhebung der Gültigkeit einer deutschen Buchpreisbindung auf dem österreichischen Markt zur Folge hatte.[16] Weitere Beispiele bieten die Aufhebung der Buchpreisbindung zwischen Belgien und den Niederlanden[17] oder das 1988 für ungültig erklärte Net Book Agreement, eine Vereinbarung englischer Verleger, die auch den irischen Buchhandel mit einbezog.[18]
Die Grundlage für den Weiterbestand der nationalen Buchpreisbindungen bildet der Vertrag von Maastricht, in welchem die Kulturpolitik als nationale Angelegenheit, die dem Subsidiaritätsprinzip untersteht, definiert wird.[19]
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die Europäische Union nationale Preisbindungssysteme gestattet und grenzübergreifende Preisbindungen („Systeme“) als Verstoß gegen den Europäischen Gemeinschaftsvertrag betrachtet und für ungültig erklärt.[20]
[...]
[1] vgl.: Fischer, Ernst: Buchpolitik in europäischer Perspektive. In: Parallelwelten des Buches. Beiträge zur Buchpolitik, Verlagsgeschichte, Bibliophilie und Buchkunst. Hrsg. von Monika Estermann, Ernst Fischer und Reinhard Wittmann. Wiesbaden: Harrassowitz 2008. Seite 107. (Im Folgenden zitiert als: Buchpolitik in europäischer Perspektive.)
[2] vgl.: Holterhoff, Julia; Kassner, Martina: Buchpreisbindung in der EU. In: Kölner Arbeitspapiere zur Bibliotheks- und Informationswissenschaft. Hrsg. Fachhochschule Köln 2000. Seite 8. (Im Folgenden zitiert als: Buchpreisbindung in der EU.)
[3] vgl.: Buchpreisbindung in der EU. Seite 9; Seite 20.
[4] vgl.: Buchpreisbindung in der EU. Seite 10
[5] vgl.: http://www.boersenblatt.net/167939/
[6] vgl.: http://www.focus.de/panorama/boulevard/brennpunkt-buchpreisbindung_aid_170443.html (Im Folgenden zitiert als: Focus – Artikel)
[7] vgl.: Weko – Studie. Seite 8
[8] vgl.: Buchpolitik in europäischer Perspektive. Seite 107
[9] vgl.: http://www.javnost-thepublic.org/media/datoteke/stockmann-4-2004-4.pdf ; Seite 50 (Im Folgenden zitiert als: Stockmann)
[10] Stockmann. Seite 50
[11] vgl.: Buchpolitik in europäischer Perspektive. Seite 111
[12] vgl.: Stockmann. Seite 50
[13] vgl.: Office of Fair Trade – Studie. Seite 22
[14] siehe: http://www.juraforum.de/gesetze/EGV%201957/Art._85/Art._85_EGV%201957_art._85.html
[15] vgl.: http://ec.europa.eu/competition/speeches/text/sp1998_013_de.html (Im Folgenden zitiert als: Kaufmann – Rede)
[16] vgl.: Stockmann. Seite 51.
[17] vgl.: Buchpreisbindung in der EU. Seite 26f.
[18] vgl.: Kaufmann - Rede
[19] vgl.: http://www.bpb.de/publikationen/GDHE9S,3,0,Europa_f%F6rdert_Kultur.html
[20] vgl.: Buchpreisbindung in der EU. Seite 36
- Citation du texte
- B.A. Elisa Valerie Thieme (Auteur), 2009, Buchpreisbindung im internationalen Vergleich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/283207
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